Bilder als Artefakte
formen und anordnen
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Jede Ordnung beruht auf einer Anordnung von Elementen.

Das ist eine Auslagerung aus Theorieprojekt Abbildung

Während die Kybernetik die "Was ist es-Frage" durch die "Wie funktioniert es-Frage" ersetzt, ersetze ich beide Fragen durch die "Welches Material forme ich wie-Frage", die eine Gegenstandsbedeutung beinhaltet, weil ich weiss, wozu ich etwas herstelle.

Inhalt

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Ich beobachte in diesem Text das Herstellen anhand von Bildern und Bilder als hergestellte Gegenstände. Jeder hergestellte Gegenstand hat eine Gegenstandsbedeutung, in welcher sein Zweck aufgehoben ist. Form und Material des Gegenstandes sind kontingent, müssen aber den Zweck erfüllen.

Beim Herstellen eines Gegenstandes verwende ich Material. Oft - etwa wenn ich einen Gugelhopf aus Teig oder eine Schale aus Ton herstelle - fasse ich das Material dabei als homogene Masse auf, deren Form ich durch Operationen wie drehen, schnitzen, giessen usw verändere. Bei anderen Gegenständen - etwa bei einer Mauer oder einer Steinbrücke - verwende ich Bausteine, die ich anordne und durch Operationen wie kleben oder schweissen verbinde, wodurch auch ein Gegenstand mit einer Form entsteht. Ich unterscheide bezüglich der Formgebung verschiedene Operationen, für die ich auch verschiedene Werkzeuge verwende.

Als Form bezeichne ich im Kontext der Herstellung von Artefakten in einem operativen Sinn genau das, was ich zeichnen kann.[1] Ich zeichne immer mit Strichen den Umriss des Gegenstandes. Jede Zeichnung repräsentiert eine perspektivische Form des gezeichneten Gegenstandes. Dreirissige Konstruktionszeichnungen sind in diesem Sinne idealtypische Zeichnungen der Form, während einfache Zeichnungen konventionelle Normalansichten darstellen. Dabei speilt keine Rolle, inwiefern die Zeichnung perspektivisch ist. Wenn ich den Umriss des Gegenstandes und eine Zeichnung von ihm betrachte, mache ich mit dem Focus meiner Augen die gleichen Bewegungen. Mental mache ich diese Bewegungen, wenn ich die Augen dabei nicht bewege, sondern mich der Bewegungen (nur) erinnere. Beim Zeichnen mache ich die Bewegung mit der Hand, respektive mit dem Zeichenstift.

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 Hergestellte Gegenstände
(Artefakte)

 Gugelhopf (Gebäck)
 Tonschale (Töpfereiprodukte)
 Tuch (gewirkt)
 Hammer (zusammengesetzt)
 Brücke (aus Bausteinen)
 
 Dampfmaschine
 Computer
 
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 Gemälde
 Zeichnung
 Technobild
 Schema
 Text
 Computerprogramm
 
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Als Form bezeichne ich in diesem Kontext also nicht einen Gegenstand wie die Kuchenform. Die sogenannte Kuchenform ist ein exemplarisches Beispiel dafür, dass ich Material forme und beim Gugelhopf dazu eben die ein Werkzeug zum Formen des Teiges verwende, das die gleiche Form hat, wie der damit hergestellte Kuchen. Die Zeichnung der Form zeigt nicht, ob der Kuchen oder die Kuchenform gemeint ist, weil sie dieselbe Form haben.

Die Form einer Brücke aus Ziegelsteine beispielsweise ergibt sich aus deren Anordnung, die durch die Form der Bestandteile eingeschränkt ist. Wenn ich für die Brücke ein homogenes Material wie Beton verwende, kann ich mir die Bestandteile als Korpuskel vorstellen. Während bei Ziegelsteinen keine Rolle spielt, welcher wo in der Brücke verwendet wird, ist bei den Betonkorpuskeln sogar die Form des einzelnen Bestandteils aufgehoben, weil sie gar nicht individuell gesehen werden können. Das Flechten eines Zopfes kann ich in diesem Sinne als anordnendes Formen sehen.

Ziegelsteine bilden auch eine homogene Menge, weil sie - im Unterschied zu den vorgestellten Korpuskeln, die keine bestimmte Form haben - alle gleich geformt sind. Wenn ich eine Mauer herstelle, muss ich die Ziegelsteine auf eine bestimmte Weise neben- und übereinander anordnen, und die Anordnung aller Teile bestimmt die Form der Mauer insgesamt. Wenn ich die Mauer mit versetzten Ziegelsteinen baue, muss ich die jeweils letzten Steine in der Reihe anpassen und mithin die Homogenität der Teile aufheben.
 

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Wenn ich einen Gegenstand aus ganz verschiedenen Bestandteilen herstelle, ist die Anordnung der Teile auch innerhalb der Form des Gegenstandes nicht beliebig. Ein Mosaik etwa - das aus der Form nach homogenen Steinen zusammengesetzt wird - ist nur dann ein Mosaik, wenn dessen Teile richtig zusammengesetzt sind. Die richtige Anordnung der Mosaiksteine kann ich aber nicht zeichnen. Für einen Motor beispielsweise gilt dasselbe. Beim Herstellen bestimme ich nicht nur die Form des Gegenstandes, sondern auch dessen Struktur.

Als Struktur eines Gegenstandes bezeichne ich dessen "geordnete Inhomogenität", also die Anordnung seiner ungleichen Bestandteile, die ich in den meisten Fällen nur schematisch darstellen, also nicht im eigentlichen Sinn oder nicht als Form des Gegenstandes zeichnen kann.

Ich kann die Struktur eines Gegenstandes auch nicht fotografieren. Ich kann ein mechanisches Gerät, etwa einen Motor aufschneiden und dann die Schnittfläche fotografieren. Dann sehe ich aber nicht den Motor, sondern eben einen Schnitt. Ich kann eine Explosionszeichnung des Motors machen. Die Explosionszeichnung zeigt die Form der einzelnen Teile und schematisch, wie sie angeordnet werden, aber damit natürlich nicht das Gerät als solches. Ich komme später darauf zurück.

Jeder Gegenstand hat eine Oberfläche [2], die ihrerseits als strukturiert erscheinen kann. Dabei geht es aber nicht um die Struktur des Gegenstandes, sondern um eine Struktur, die im Folgenden ausführlich zur Sprache kommt.
 

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Bilder als hergestellte Gegenstände

Hergestellte Gegenstände kann ich sehen, auch wenn das Gesehenwerden nicht ihr Zweck ist. Bei sehr viele Gegenständen wird in Form von Design sehr darauf geachtet, dass sie beobachtet werden. Sie sollen jenseits ihres Zweckes auch gefallen oder imponieren. Es gibt aber hergestellte Gegenstände, deren Zweck das Angeschautwerden ist. Einen Teil dieser Gegenstände - die auch als Kunstwerke fungieren, wenn sie keinen anderen Zweck haben - bezeichne ich als Bilder.

Als Bild bezeichne ich einen Gegenstand, der dazu hergestellt wurde, etwas zu zeigen, der also keinen anderen Zweck hat. Natürlich kann man sich dafür interessieren, was auf dem Bild zu sehen ist oder man kann das Bild kann als Mitteilung interpretieren, aber hier geht es um das Artefakt, also um den hergestellten materiellen Gegenstand.

Unabhängig davon, was auf einem Bild gesehen werden soll, muss ein Bild von vorne betrachtet werden. Das hier interessierende Bild hat aber als materieller Körper wie jeder hergestellte Gegenstand eine Rückseite, wobei vorne und hinten durch die in der Gegenstandsbedeutung mitbestimmte Handhabung festgelegt sind. Ein handhabbares Bild kann ich drehen, wie ich will, aber was es zeigen soll, kann ich nur von einer bestimmten Seite sehen. Sehr viele Artefakte haben funktionsbedingt eine Vorderseite, die beim Herstellen entsprechend bearbeitet wird. Ein moderner Bildschirm etwa, der ja etwas ganz anderes ist als ein Bild, hier aber nicht ganz zufällig als Beispiel fungiert, hat vorne eine Anzeigefläche, die aus Flüssigkristallen besteht, die ihrerseits angeordnete Körper sind. Die Rückseite der Bildschirme interessiert den Nutzer weniger, obwohl sie natürlich für den Bildschirm als Gegenstand so wichtig ist wie die Leinwand für ein Ölgemälde.

Das Herstellen eines Bildes unterliegt wie jedes Herstellen von Artefakten einer Entwicklung der dabei verwendeten Werkzeuge, die ich auch als Übergang von handwerklicher zu automatisierter Produktion beobachte. In gewisser Weise sagen mir die entwickelteren Werkzeuge, was ich beim Herstellen von Bildern quasi von Hand mache, wenn ich diese Werkzeuge noch nicht entwickelt habe. In diesem Sinne beobachte ich die Auslagerung von Operationen in Werkzeuge und jedes Werkzeug verdeutlicht mir das darin aufgehobene Handwerk. Und alles, wofür ich beim Herstellen von Bildern noch kein Werkzeug habe, bezeichne ich als den noch nicht verstandenen Teil des Herstellens von Bildern.

Die Herstellung von Bildern unterliegt auch einer evolutionären Arbeitsteilung, die auch aktuell sehr verschiedene rezente Formen hat. Wenn ich als Kunstmaler meine Farben selbst herstelle, befasse ich mit einem anderen Aspekt der Bildproduktion, als wenn ich in einer Fabrik am Fliessband arbeite, an welchem gerahmte Poster oder Heiligenbildchen produziert werden.
 

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Als bildproduzierende Tätigkeit beobachte ich insgesamt das Auftragen von farbigem Material auf einer begrenzten Fläche, die als Bildträger fungiert. Es gibt sehr verschiedene Verfahren, die unter anderem vom Material und von den verwendeten Werkzeugen abhängig sind. Es ist eine Tätigkeit, die ich wie keine andere Tätigkeit sonst auf den verschiedenen Stufen ihrer technologischen Entwicklung selbst ausübe und deshalb in einem spezifischen Sinn erkenne. Ich benutze auch heute noch Bleistifte zum Zeichnen, aber ich stelle auch Bilder mit dem Computer her, die ich mit einem Printer ausdrucke.

Das Anordnen von Farbe auf einem Bildträger ist eine Tätigkeit, für die ich viele Verben, aber kein allgemeines kenne. Ich spreche etwa von malen, zeichnen, skizzieren, schreiben, bedrucken oder kopieren, aber das Verb bilden kann ich nicht in diesem Sinn für das Herstellen von Bildern verwenden. Mit den verschiedenen Verben bezeichne ich verschiedene Arten der Tätigkeit, die auf verschieden intendierte Verwendungen der Bilder, also auf verschiedenen Funktion und auf verschiedene Werkzeuge zurückzuführen sind.

Ich beobachte zunächst die Entwicklung der Produktion von Bildern und erst später die Funktionen, die verschiedene Bilder wie Gemälde, Zeichnungen, Schemas oder Texte haben. Ich beobachte aber nicht die gesamte Produktion, zu welcher ja auch die Herstellung von Farben, Bildträgern und Werkzeugen gehört, sondern nur die Entwicklung des zunächst handwerklichen Auftragens von Farbe auf den Bildträger.

Natürlich kann man fragen, was mit dieser Beobachtung für die Interpretation von Bildern gewonnen wird. Hier geht es nicht darum, Bilder irgendwie semiotisch zu verstehen, sondern um die Herstellung der Bilder, also darum zu verstehen, inwiefern sich deren Herstellung wie das Herstellen von Artefakten insgesamt verstehen lässt.

Bildertechnik und Technobild

Jede gegenständliche Tätigkeit entwickelt sich mit der darin verwendeten Technik, die sich ihrerseits als Entwicklung der verwendeten Werkzeuge begreifen lässt. Evolutionstheoretisch beobachte ich Entwicklungen mit Kategorien, die ich auf der jüngsten Entwicklungsstufe gewonnen habe.[3] Wer im Mittelalter mit dem Pinsel malte, konnte sein Malen noch nicht - oder nur in kühnster Antizipation - so verstehen, dass später seine Bilder am Bildschirme eines Computers als Menge von Pixeln erscheinen. Die Andeutung auf spätere Entwicklungen können nur verstanden werden, wenn diese selbst schon bekannt sind. Ich werde später nochmals darauf zurückkommen, hier aber schon anmerken, dass evolutionstheoretisch spätere Entwicklungsstufen genetisch, nicht zeitlich gesehen werden. Die Entwicklung der Tätigkeit als Automatisierung der zuvor handwerklichen Tätigkeit kann ja nicht nur in der Bildproduktion beobachtet werden.

Wenn ich mit Ölfarben auf einer Leinwand male oder mit einer Spraydose Hauswände verziere, interessiert mich vielleicht nicht, dass ich einzelne Bildpunkte anordne. Und es mag sein, dass Kunstmaler über Jahrtausende diese Vorstellung von Farbkorpuskel gar nicht kannten, obwohl es ziemlich alte Mosaike gibt. Und viele Maler können vielleicht ihr Tun auch heute noch nicht darin erkennen. Aber was ich beim Farbauftragen mit einem Pinsel tue, verstehe ich im evolutionär entwickelten Sinn, weil ich es mit einem Computer machen kann, was einem Entwicklung vom Handwerk zur Automatisierung entspricht. Die einfachsten Werkzeuge sind Handwerkzeuge wie der Spachtel, der Pinsel, der Farbstift oder der Stempel. Kompliziertere Werkzeuge sind beispielsweise die Buchdruckapparate von Gutenberg, die wie die Schreibmaschine den Übergang zu Maschinen markieren. Airbrushpistolen sind ein Beispiel für eigentliche Maschine. Computer, Printer und Digitalkameras sind Automaten.

Als Evolutionstheorie bezeichne ich in diesem Sinn das kategoriale Zurückblicken, in welchem ich immer schon weiss, was geworden ist, ohne dies je aus früheren Stadien vorhersagen oder begründen zu können. Es handelt sich um kontingente Entwicklungsgeschichten, in welchen rückblickend Sichtweisen entfaltet werden, zu etwas, was von Bezeichnungen abgesehen nicht kontingent ist. Wenn ich ein Bild aus meinem Computer ausdrucke, ist technisch wohl definiert, wie ich Farbe auf einen Bildträger auftrage.
 

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Evolutionstheoretisch spreche ich von Keimformen, wenn ich im noch nicht Entwickelten Andeutungen auf entwickeltere Stufen erkenne, die nur erkennen kann, wenn das Höhere mir bereits bekannt ist. Wenn ich mit dem Finger im Sand zeichne, kann ich die Keimform eines Bildes erkennen, obwohl alle definitorischen Bestimmungen fehlen, weil ich dabei ja keine Farbe auf einen begrenzten Träger auftrage. Ich schaffe damit eigentlich eher eine Art Skulptur und verwende kein Werkzeug.

Die sogenannte Höhlenmalerei ist in diesem Sinn auch eine Keimform. Allerdings wird das Wort Bild in der Alltagssprache sehr oft so verwendet, dass diese Malereien - besonders wenn sie etwas abbilden - als Bilder gelten. Die sogenannten Graffiti, die aus denselben Grund eher als Grafik als als Bild bezeichnet werden, verwenden ebenfalls einen Bildträger, der nicht dafür gedacht ist. Diese Keimformen zeigen aber auch exemplarisch, dass nicht nur Farben und Werkzeuge entwickelt wurden, sondern eben auch das Bild als solches.

Nebenbei bemerkt, wer eine Hauswand oder wie Tom Sawyer einen Zaun streicht oder bemalt, trägt auch Farbe auf, aber er erstellt dabei keinen Gegenstand, der nur angeschaut werden soll.
 

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Eine zweite ganz andere Keimform des Bildes erkenne ich in der Camera obscura. Dabei geht es mir nicht nur darum, dass das vermeintliche Bild auf der Innenwand durch Übermalen dingfest gemacht wird, was ja immer noch ein Mensch tun würde, sondern darum, dass später mittels der Kamera Bilder hergestellt werden, indem die Innenwand mit einem "Film" aus lichtempfindlichem Material überzogen wird.

Diese Filmschicht wurde als Bildmaterial zunächst auf eine Fotoplatte und später auf Zelluloid aufgetragen, wodurch ein eigentliches materielles Bild entsteht. Es spielt keine Rolle, dass ich es unter funktionalen Gesichtspunkten als Negativ bezeichne, es ist ein richtiges Bild.

Die Anordnung der Bildpunkte ist bei der Bildern, die mit einer Kamera gemacht werden, nicht vom Belieben des Bildherstellers abhängig, sondern davon, was dieser vor der Kamera sehen kann. V. Flusser hat dafür den Ausdruck Technobild vorgeschlagen, unter anderem auch weil bei dieser Herstellungstechnik das Werkzeug als Apparat viel stärker in die Gestaltung des Bildes eingreift als etwa ein Pinsel. Technobilder werden aber nicht von Apparaten, sondern mit Apparaten hergestellt.
 

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V. Flusser hat sich - auch bei der Wahl des Ausdruckes - nicht so sehr um die Technik der Bildherstellung, sondern viel mehr um "Kulturtechnik", also darum, was alles dargestellt werden kann, gekümmert. Mich interessiert die Entwicklung des Herstellungsverfahren. Der Fotofilm ist eine entwicklungsgeschichtliche interessante, aber mittlerweile fast ausgestorbene Stufe der Evolution. Er wurde durch die sogenannte Digitalkamera praktisch vollständig verdrängt.

Als "Digitalkamera" bezeichne ich - mich einer unsinnigen Konvention anschliessend - eine Kamera, die auf einem fotografischen Retina-Verfahren beruht, bei welcher anstelle eines Films eine Menge von Halbleiter-Bildsensoren belichtet werden. Mit der "digitalen" Kamera stelle ich kein Bild sondern eine Datei her, welche in einem entsprechenden Anzeigegerät ein Bild generiert. Mit digital hat die ganze Sache eigentlich nichts zu tun, Fotografien sind vielmehr Inbegriff von analogen Abbildungen. Mit "digital" wird dabei im umgangssprachlichen Sinn bezeichnet, dass eine elektronisch gespeicherte Datei verwendet wird. Hier interessiert, dass diese Kamera aufgrund der Technik Daten für einzelne Bildpunkte speichert und dass das Bild, das aufgrund dieser Datei hergestellt wird, wiederum aus Bildpunkten oder sogenannten Pixeln besteht.
 

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Die Auffassung, wonach ein Bild aus einzelnen Bildpunkten besteht, beruht hier auf der entwickelsten Technik der Bildproduktion, die Kategorien liefert, durch welche rückblickend jedes Bild betrachtet werden kann. Unabhängig davon, was auf einem Bild - von vorne betrachtet - erkannt wird, kann ich einen Raster über das Bild legen und so jeden Rasterfeld eine Farbe zuordnen. Umgangssprachlich spreche ich von Bildpunkten, obwohl es sich dabei natürlich nicht um Punkte handelt, sondern um farbige Korpuskel, die den Bildkörper bilden. Der hier sprachlose L. Wittgenstein spricht im Traktat von "Flecken".[4]

Beim Herstellen eines Bildes kann ich die Rasterfelder - wie die Biene die Zellen ihrer Waben - mit Farbmaterial füllen. Bei einem Mosaik werden die Farbkörper, also die einzelnen Mosaik-Steinchen auf einem Träger aufgeklebt und durch schmale Fugen getrennt. Die Fugen bilden nachdem sie gefüllt sind, einen Raster, die Mosaiksteinchen bilden das Füllmaterial.

Die Bildpunkte können relativ klar begrenzte Fächen oder Flecken ohne eindeutige Grenzen sein, die sich an den Rändern auch etwas überlagern können. Wenn sie mit einem Pinsel und relativ flüssiger Farbe hergestellt werden, unterliegt ihre Grösse und ihr Abstand gewissen Schwankungen. Das Mosaik repräsentiert ein Bild, das wie die Bilder im Pointillismus aus einzelnen Bausteinen hergestellt wird, die als Bildpunkte fungieren. Bei Mosaik ist das Raster gut sichtbar, weil es materiell vorhanden ist, auf den Gemälden des Pointillismus ist es erkennbar und bei vielen gedruckten Bilder, kann ich es mit einem Vergrösserungsglas sehen.
 

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Wenn ich ein Bild von Hand herstelle, kann ich einen Raster verwenden, um Bildpunkte genau zu lokalisieren. In einem gewissen Sinn übertrage ich damit einen Aspekte der Technik der Digitalkamera, indem ich die Rasterpunkte, auch deren Grösse und Abstände vorab festlege. Diese Verfahren verwende ich vor allem, wenn ich etwas fotorealistisch abbilden will. L. Alberti hat 1435 in seinem Traktat über Malerei das Fadengitter als notwendige Voraussetzung für korrekte Abbildungen beschrieben und A. Dürer, der sich sehr für die Werkzeuge interessierte, mit welchen Bildern gemacht werden, hat es bekannt gemacht.[5]

Beim Filmfotobild wird die Farbe des einzelnen Bildpunktes nach dem Auftragen eines homogenen Material festgelegt. Vor der Belichtung sind alle "Bildpunkte" gleich, der Film also homogen. Durch die Belichtung erhält jeder Bildpunkt seine spezifische Farbe. Das Verfahren ist also ganz anders als beispielsweise beim Pointilismus oder dem Fadengitterverfahren, aber das Resultat ist das gleiche.

Das Technobild, das mit der Kamera hergestellt wird, lässt dem Hersteller keine Wahl beim Anordnen der Bildpunkte, er hat diese Wahl in einen einfachen Mechanismus ausgelagert. Das gilt auch bei komplizierten Digitalkameras. Ich spreche aber auch von einem Technobild, wenn das Bild mit einem Computer hergestellt wird. Dann ist die Gestaltung, also die Anordnung der Bildpunkte praktisch nicht mehr vom Apparat abhängig. Mit Technobild bezeichne ich in diesem Fall, dass nicht nur das Bild technisch viel komplizierter ist, sondern auch das Werkzeug, das ich bei der Herstellung verwende.[6]

Als Computer bezeichne ich unter funktionalen Gesichtspunkten programmierbare Automaten, die ich zur bedingten Herstellung von Bildern benutze. Den Steuerungsteil des Computers bezeichne ich als Prozessor, er wird durch Eingabegeräte gesteuert und steuert Ausgabegeräte, die im Falle eines Printers zur Produktion von Bildern dienen und im Falle eines Bildschirms als Bildträger fungieren. Computer sind eigens zur der Bildherstellung erfunden worden, Prozessoren werden auch für ganz andere Sachen verwendet. Es spielt beim Computer keine Rolle, wozu die Bilder benutzt werden oder was sie bedeuten, im einfachsten Fall sind es Ziffern, die ein Resultat repräsentieren, in einem komplizierteren Fall Darstellungen von virtuellen Welten. Der Computer ist das aktuell entwickelste Werkzeug der Bildproduktion - und er wird zu (eigentlich fast) nichts anderem verwendet. Ich will bei jeder Verwendung etwas zu sehen bekommen.[7]

Hier will ich aber zunächst auf einen andern Aspekt der Bildes eingehen. Ich beobachte also zunächst nicht mehr die Werkzeuge der Bildproduktion, sondern verschiedene Arten von Bildern, die traditionell mit verschiedenen Werkzeugen hergestellt wurden, die heute alle im Computer aufgehoben sind, aber immer noch verwendet werden.
 

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Gemälde und Zeichnung

Ich beobachte zunächst Bilder im engeren Sinn des Wortes, die ich nicht als Kunstwerke interpretieren muss, weil ich im Prinzip erkennen kann, was auf dem Bild zu sehen ist. Bilder im weiteren Sinn wie ein Schema und einem Text behandle ich später.

Bei eigentlichen Bildern unterscheide ich, ob alle Bildpunkte auf dem Bildträger durch farbiges Material belegt sind oder nicht. Ersteres ist bei Fotografien exemplarisch der Fall, beim Negativfilm beispielsweise, weil eine homogene Schicht auf dem Film ist, die überall belichtet wird. Bei älteren Fotos ist oft ein weisser Rand zu sehen, den ich der Rahmung des Bildes zurechne. Der mit Farbe gestaltete Bereich hat keine Lücken. Das ist auch bei konventionellen Gemälden der Fall. Als Gemälde bezeichne ich Artefakte, bei welchen Farbmuster auf einem Trägermaterial so verteilt werden, dass ein Bild entsteht. Ein Gemälde mag nie ganz fertig sein, aber es ist sicher nicht fertig, wenn noch unbemalte Leinwand zu sehen ist. Eine eigentliche Zeichnung dagegen besteht aus Strichen, die nur einen kleinen Teil der Fläche des Bildträgers bedecken.

Umgangssprachlich wird ein Bild, das mit einem Pinsel hergestellt wird, als Gemälde bezeichnet, während Bilder, die mit einem Bleistift gemacht werden, als Zeichnungen gelten. Als Kriterium gilt dabei das verwendete Werkzeug, unabhängig davon, wie es verwendet wird.[8] Kalligrafen machen mit Pinseln Striche und sehr viele Bilder, die mit einem Bleistift hergestellt werden, vor allem wenn sie keinen praktischen Zweck wie etwa Konstruktionszeichnungen haben, bedecken den gesamten Bildträger durch Schraffuren aller Art bis hin zu Schummerungen, also dem Ausmalen mit "liegender" Bleistiftmine.

Diese Unterscheidung zwischen Zeichnungen und Gemälden ist viel älter als die Technobilder, durch die sie aufgehoben wird.[9] Die Fotografie ist weder eine Zeichnung noch ein Gemälde, sie hat einen eigenen Namen bekommen, der auch auf das Herstellungswerkzeug verweist. Die Grafik hat in ausgemalten Zeichnungen, wie sie für Comics (Graphic Novels) typisch sind, eine Keimform. Ihren namentlichen Ursprung hat sie im Druckverfahren, mit welchem Plakate und Buchillustrationen produziert wurden, was auch auf eine Herstellungstechnik verweist. Grafiken werden eigentlich gedruckt.

Bilder, die mit Computern hergestellt werden, geben dem Wort Grafik einen neuen oder erweiterten Sinn. Es sind Technobilder, deren Herstellung wie bei Druckverfahren vermittelt ist. Man stellt nicht das Bild her, sondern eine Art Negativ, die dann bei der Bildproduktion durch die Maschinen verwendet wird. Deshalb werden die Bilder in einer naheliegenden Analogie als Grafik bezeichnet und die Dateien, die produziert werden als Grafikdatei.

Grafikdateien sind keine Bilder, ich kann sie nicht anschauen. Ich stelle sie mit einem Computer her, der dann als Grafiksoftware am Bildschirm zeigt, wie die Datei für ein Bild verwendet wird. Die Grafiksoftware stellt mir virtuelle Werkzeuge zur Verfügung, die Werkzeuge wie Pinsel, Bleistift, Spraydosen simulieren. So kann ich am Computer sozusagen malen oder zeichnen und noch einiges tun, was ich mit einem Pinsel malend oder mit einem Bleistift zeichnend nicht machen kann.

Ich beobachte hier aber zunächst - nun nicht mehr in Abhängigkeit von Werkzeugen - den Unterschied zwischen Bildern, die aus Strichen bestehen und solchen, die den gesamten Bildträger mit Farbe belegen.
 

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Der gezeichnete Strich als Gegenstand

Zeichnungen bestehen aus Strichen, aus gezeichneten Linien.[10] Die Striche sind hergestellte Gegenstände, als geformtes Material. Die Form des einzelnen Striches einer Zeichnung ist durch die Form des gezeichneten Gegenstand bestimmt. Ich zeichne die Form des Gegenstandes, indem ich die Striche forme.

Jeder Strich hat eine bestimmte Form und in der Zeichnung einen bestimmten Ort. Die Striche bilden eine nicht homogene Menge von geformten Elementen, aus welchen die Zeichnung besteht. Die Zeichnung zeigt die Form des Gegenstandes dadurch, dass die Striche entsprechend angeordnet werden. Wie bereits erläutert, re-präsentieren die Striche im Sinne einer Wiederholung den Umriss des Gegenstandes und die mentale Umrissaugenbewegung.[11]

Zeichnen kann ich nur Gegenstände, die eine Form haben. In diesem Sinn hat das Wort Gegenstand eine spezifische Bedeutung und erweist sich als Homonym. Darauf werde ich später zurückkommen. Hier beobachte ich den Unterschied zum Malen. Malen und Zeichnen sind zwei eng verwandte, aber sehr verschiedene Tätigkeiten, was sich in der Differenz zwischen Gemälde und Zeichnung zeigt. Beim Malen verwende ich Farbflecken, die ich als Korpuskel bezeichnet habe. Da die Farbkorpuskel materiell sind, haben sie zwangsläufig eine Form, aber sie werden nicht geformt.

Ein Gemälde isoliert keine Gegenstände. Ich muss beim Betrachten Gegenstände erkennen, was ich anhand nur des Gemäldes nicht tun könnte. Das Gemälde erscheint wie mein Gesichtsfeld insgesamt als Anhäufung verschiedener Farben, die keine ausgezeichneten Gegenstände repräsentieren. Als Gemäldebetrachter kann ich einen Baum oder eine Fahnenstange erkennen, aber das gibt das Gemälde nicht her. Das Bild sagt nicht welche Bildpunkte ich zusammen von anderen abgrenzen muss. Wenn ich MonaLisa anschaue, muss ich erkennen, wo die Person ihre äussere Grenze hat. Wenn ich MickyMaus anschaue, ist diese Grenze durch Striche markiert.[12]

Wenn ich Bilder durch ein Raster beobachte, kann ich jeden Strich in Rasterpunkte auflösen, die entsprechend angeordnet sind. Dabei hebe ich die bewusste Gestaltung des Striches als Gegenstand auf, weil ich nicht mehr seine Form betrachte. Die Elemente meiner Beobachtung sind dann die Rasterfelder, die natürliche eine Form haben, weil das Raster ein hergestellter Gegenstand ist.

Wenn ich durch ein entsprechend feines Raster beobachte, sehe ich pro Rasterfeld eine Farbe, was das Bild virtuell - als ob - als Menge von geformten Elementen, etwa als kleine Würfel erscheinen lässt. Mich interessiert dann aber nicht die Form dieser Korpuskel, sondern deren Anordnung, was ich als Struktur bezeichne.[13]

Wenn ich beim Herstellen des Bildes ein Raster mit binären Feldzuständen verwende, also jedes Feld entweder fülle oder leer lasse, forme ich damit die Korpuskel, weil ich den Farbflecken eine Art Giessform gebe, wie etwa die Biene, die die Zellen ihrer Waben mit Material füllt. Ein solches Bild besteht aus geformten Elementen.

Ich habe oben gezeigt, dass das Füllen von Rasterfeldern eine praktische und verbreitete Methode der handwerklichen Bildherstellung ist, die sowohl beim Malen wie beim Zeichnen verwendet wird.

Wenn ich ein so hergestelltes Bild durch ein anderes Raster betrachte, verschwinden die ausgemalten Elemente wie die Form des Striches, den ich so gezeichnet habe. Dann sehe ich virtuelle Elemente, die nichts mit der Herstellung zu tun haben. Die hergestellten Elemente verschwinden auch bei einem Mosaik, das aus einer bestimmten Entfernung gar nicht mehr als Mosaik erscheint, weil dann die geformten Elemente nicht einzeln unterscheidbar sind. Es ist eine Frage der Auflösung.
 

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Form und Struktur

Ich zeichne die Form von Gegenständen, indem ich Striche forme und anordne. Wenn ich eine Zeichnung rastere, sehe ich weder die Form des Gegenstandes noch die Form der Striche. Die Zeichnung verliert ihre spezifische Qualität gegenüber einem Gemälde, weil ich nur noch Bildpunkte sehe.

Bei Technobildern, die ich mit einer sogenannten Digitalkamera oder mit einem Computer hergestellte, beruht das Bild auf einer Inversion des Rasters, weil die Bildpunkte durch die verwendete Technik definierte Korpuskel mit einer hergestellten Form und Anordnung darstellen. In der Kamera sind das zunächst einzelne Sensoren und im Computer einzelne Speicherplätze im Register des Arbeitsspeicher. Auch im damit erzeugten Bild am Bildschirm oder durch den Drucker erscheinen die Bildpunkte als Pixel, deren Form durch die Technik definiert ist.

Die Rasterung, die sich beim handwerklichen Malen schon früh durchgesetzt hat, hat im Technobild einen neuen Sinn gewonnen. Sie ermöglicht, Bilder jeder Art nicht nur herzustellen und gezielt zu verändern, sondern sie auch automatisiert wiederzuerkennen. Es gibt sehr viele praktische Probleme in der Bilderkennung, wie etwa das Lesen von Handschriften oder die Gesichtserkennung, die durch ein Abgleichen von Rasterpunkten gelöst werden. Dabei werden keine Formen verglichen, sondern vielmehr kompensiert, dass nicht seriell produzierte Formen grösseren Schwankungen unterliegen. Bei der Erkennung von Handgeschriebenem etwa werden Striche, die Buchstaben oder Zahlen bilden, rekonstruiert.[14]

Die Anordnung von Bildpunkten bilden keine Form, sondern eine Struktur, weil sie keine Striche oder Umrisse darstellen, sondern eine heterogene Fläche. Damit ich von einer Struktur sprechen kann, muss ich in der Anordnung eine Ordnung erkennen. Ordnung zeigt sich mir darin, dass ich aufgrund von einzelnen Elementen Prognosen über andere Elemente machen kann. Höhere Ordnung bedeutet, dass mir die Prognose leichter fällt oder sicherer ist. Ordnung lässt sich als Höhe des Strukturniveaus beschreiben. Meine Erwartung mag Gestaltformen oder Symmetrien benutzen, aber gemeinhin muss ich - mir vertraute - Gegenstände erkennen, ohne deren Form zu sehen.

Strukturen kann ich nur zeichnen, wenn ich die Elemente der strukturierten Entität zeichnen kann. Wenn ich beispielsweise die Struktur des Eiffelturms zeichne, zeichne ich eine Anordnung von Strichen, die Stahlträger repräsentieren. Der pointilistische Maler hingegen zeichnet nicht, seine Punkte haben keine Form und kein Referenzobjekt. Ich kann die Struktur eines Gegenstandes, beispielsweise einer thermostatengeregelten Heizung, schematisch darstellen, dabei zeichne ich aber keinen Gegenstand, also nicht die Heizung, sondern schematische Figuren, die Gegenstände symbolisieren, nicht darstellen, also nicht deren Form zeigen.

Wenn ich sage, dass ich ein Schema zeichne, verwende ich zeichnen als Metapher dafür, dass ich dabei Striche mache. Dieselbe Metapher verwende ich, wenn ich geometrische Figuren "zeichne". Ich könnte in diesem Sinn auch sagen, dass ich Buchstaben zeichne, wenn ich mit einem Bleistift schreibe, während kalligraphieren in dieser Metaphorik dann eher als malen erscheint.
 

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Bild und Signal

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Als Bilder bezeichne ich materielle Gegenstände zum Anschauen. Wer ein Bild herstellt, mag zwar einen von Menschen interpretierbaren Verweis intendieren, aber er konstruiert einen materiellen Gegenstand, also etwa eine pixelmässig geordnete Graphitkonstruktion. Im Alltagsverständnis, wo von immaterieller Information die Rede ist, wird die Materialität von Bildern oft mit der Materialität des Bildträgers verwechselt und das "gemeinte Bild" als dargestellte Idee im übersinnlichen Bereich des Immateriellen angesiedelt.

Mich interessiert hier - in Anlehnung an C. Shannon - nicht, was eine bildliche Darstellung für wen bedeuten soll. Mich interessiert die gegenständliche Funktion des Bildes. Wenn ich ein Bild anschaue, kommt ja nicht das Bild in meine Augen, sondern Licht, weshalb ich im Dunklen nicht sehen kann, was auf dem Bild zu sehen wäre - wenn das Bild selbst nicht leuchtet, wie es bei einem Bildschirm der Fall ist. Als Artefakt reflektieren die Farben des Bildes das Licht, das auf das Bild fällt, oder das Bild dient selbst als Lichtquelle, wobei auch ein Signal mit vielen Strahlen erzeugt wird, das vom Bild zum Auge fliesst.[15]

Im extrem einfachen Modell, das ich vom menschlichen Auge habe, fällt das Licht, das durch die Linse geht auf eine Retina, die in dem Sine gepixelt ist, als sie - wie der Bildsensor einer Digitalkamera - aus einer Menge von Sensoren besteht und so einzelne Bildpunkte moduliert. Für das Auge spielt keine Rolle, ob ich damit ein Bild oder etwas anderes sehe, aber das Bild wird spätestens im Auge gepixelt, wenn es nicht schon als Bild eine Pixelmenge ist. Hier geht es nicht um das Auge, das sehr viel komplizierter ist, und nicht um Wahrnehmung, sondern um Bilder. Ich isoliere hier nur einen passenden Aspekt zur Pixellogik und der Rasterung von Bildern. Das Auflösungsvermögen des menschlichen Auges ist ein Kriterium für die Wahl der Pixelgrösse auf dem Technobild und auch bei Mosaiken und pointilistischen Gemälden. Eine moderne Kamera unterscheidet viel mehr Bildflecken, als ich durch meine Augen unterscheiden kann. Aber auch das ist hier nicht relevant.[16]

Als Artefakt fungiert ein Bild als eine Menge von "Schaltern" für Signale, die durch das Bild strukturiert werden. Jeder Bildpunkt strukturiert einen Lichtstrahl, der ins Auge des Betrachters des Bildes fällt. Im einfachsten Fall ist der Rasterpunkt schwarz oder weiss. Was ein Betrachter des Bildes mit den Signalen hinter seinen Augen macht, betrachte ich als Blackbox. Ich selbst kann Bilder anschauen und so erleben, was ich angesichts von Bildern wahrnehme, was sozusagen dem Output der Blackbox hinter meinen Augen entspricht. Ich unterscheide beispielsweise verschiedenen Farben und verschiedene Gestalten, aber vor allem sehe ich auf Bildern Gegenstände, die ich auch jenseits von Bildern sehe. Hier interessiert mich nicht, wie ich durch Bilder dieses Erleben provozieren kann, sondern wie die Bilder, die ich dafür herstelle, quasi ins Auge des Betrachters kommen. [17]

Die Redeweise, wonach ich mit einem Bild Signale strukturiere, verwendet Kategorien der zur Zeit entwickelsten Technik der Bildherstellung. Alles, was ich hier schreibe, ist diesen Kategorien geschuldet, für die sich Künstler, Grafiker und Autoren selten interessieren und in ihrem Gewerbe auch nicht interessieren müssen. Der Signalprozess ist ein technisches Problem, das gegenständlichen Produktion eine Rolle spielt. Dass C. Shannon bei seiner elektrotechnischen Behandlung dieses Problems von Kommunikation gesprochen hat, zeigt, dass jeder Kommunikation ein Signalprozess zugrunde liegt - und eben auch, dass es dabei nicht um Inhalte gehen muss.

Wenn ich ein Bild herstelle, stelle ich einen Gegenstand her, der einen Energiefluss als Signal strukturiert. Signale kann ich nur dadurch strukturieren, dass ich Material strukturiere. Signale strukturiere ich unter anderem durch Bildpunkte. Die gegenständliche Bedeutung eines Bildes ist die Erzeugung eines Signals.

C. Shannon hat die Übertragung von Signalen in der Kommunikation mit einem oft missverstandenen Sender-Empfänger-Modell untersucht. Er hat zwar deutlich geschrieben, dass dabei irrelevant sei, was die Wörter bedeuten oder welche Wörter verwendet werden. Techniker, die beispielsweise eine Lautsprecheranlage einrichten, testen sie deshalb oft mit "ein, zwei, drei" um irgendetwas zu sagen. Bei C. Shannon ging es darum, wie Signale übertragen werden, nicht was sie bedeuten. Genau so betrachte ich hier das Schreiben.[18]
 

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Schreiben

Im vorliegenden Kontext ist klar, dass es darum geht, dass ich beim Schreiben ein Bild herstelle, also beispielsweise farbiges Material auf einen Bildträger auftrage und damit Text herstelle. Wenn ich mit einem Bleistift schreibe, mache ich wie beim Zeichnen Striche auf das Papier. Wenn ich mit dem Computer schreibe, ordne ich Bildpunkte am Bildschirm oder auf dem bedruckten Papier an. In beiden Fällen ist die Anordnung durch eine Grammatik oder eine Schrift vermittelt, aber ich trage Farbe auf.

Als Text bezeichne ich eine Menge von hergestellten Zeichen, die als materielle Gegenstände ein Form haben und auf einem Textträger angeordnet sind. In diesem Sinne sind Texte Bilder. Ich habe schon oben geschrieben, dass Bilder rezente Keimformen haben. Wenn ich mit dem Finger in den Sand schreibe, trage ich keine Farbe auf und der Gegenstand, den ich dabei herstelle, ist ein Relief, das aus bearbeitetem Trägermaterial besteht. Dasselbe gilt für Lochkarten und Scherenschnitte. Diese Keimformen sind unter verschiedenen Gesichtspunkten wichtig, hier beobachte ich sie aber nicht.

Ich kann die Buchstaben und Buchstabengruppen eines Textes als Token eines Typs sehen und sie so als Zeichnungen auffassen oder als gezeichnete Exemplare. Das Wort Uhr etwa besteht aus den drei Buchstaben u, h und r. Wenn ich das Wort schreibe, zeigt jeder dieser Buchstaben die Form des jeweiligen Buchstabens und das Wort die Anordnung der Buchstaben im Wort. Als Zeichnungen zeigen sie nicht die Form von etwas anderem, sondern die Form von sich selbst, während beispielsweise die Zeichnung einer Uhr eine Uhr zeigt. Eine Uhr ist etwas anderes als eine Zeichnung. Der Buchstabe u ist der Buchstabe u.[19]

Nicht nur die Schriftzeichen, auch die Anordnung der Schriftzeichen in einem Wort zeigt lediglich die Instanz eines Tokens, die sich selbst als Exemplar zeigt.[20] Auf eigentlichen Zeichnungen kann ich erkennen, dass etwas gezeichnet wurde, was ich mir jenseits der Zeichnung nicht als gezeichnetes Ding vorstelle. Eigentliche Zeichnungen sind ihrem Gegenstand analog, nicht identisch mit ihm. Der gezeichnete Tisch sieht nur in bestimmter Hinsicht aus wie der Tisch. Es gibt zwar Schriftzeichen, etwa Hieroglyphen, die eine Art ikonische Zeichnung sind, aber das weist sie als Keimformen eigentlicher Symbole aus, sie soll(t)en nicht als Zeichnung gedeutet, sondern als Symbole gelesen werden. Auch die chinesischen Schriftzeichen können als ikonische Symbole gelesen werden.

Die Analogie, die eigentliche Zeichnungen mit ihrem Gegenstand verbindet, ist naturwüchsig. Ich erkenne die Gegenstände oft nur, wenn die Zeichnung einen Aufriss zeigt. Und umgekehrt erkenne ich auf Zeichnungen Gegenstände, wie etwa einen Engel oder ein Einhorn, die ich jenseits der Zeichnung nie gesehen habe, weil ich weiss, was Zeichnungen sind. Genaugenommen steckt in den Analogien viel Vereinbarung, die mir nicht bewusst sein muss, wenn ich Zeichnungen betrachte.

Bei Schriftzeichen ist mir dagegen sinnenklar, dass sie vereinbart sind, auch wenn ich nicht weiss, wie ich deren Vereinbarung angeeignet habe. Eine naive, gleichsam auch naturwüchsige Vorstellung besteht darin, dass ich einzelne Wörter durch ein Zeigeverfahren gelernt habe. Dabei hätte meine Mutter mir Sprechen beigebracht, indem sie jedes Mal, wenn wir einen Hund gesehen haben, Hund gesagt habe. Danach habe dann mein Volksschullehrer mir beigebracht, mit welchen Strichen ich das Geräusch "Hund" repräsentieren könne. Hier spielt keine Rolle, wie ich sprechen und schreiben gelernt habe, und auch nicht, wozu das gut ist. Hier geht es darum, was ich beim Schreiben mache.
 

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Zeigen und verweisen

Ich unterscheide Bilder im engeren Sinn oder eigentliche Bilder, die ein Motiv zeigen, von Bildern, die auf etwas verweisen, ohne es zu zeigen. Eigentliche Bildern zeigen ihr Motiv so, wie ich es jenseits des Bildes sehen könnte.

Die Anordnung der Striche oder der Bildpunkte hat ein Motiv. Das Motiv der Anordnung zeigt sich als Gegenstand des Bildes. Wenn ich auf einem Bild einen Hund erkenne, erkenne ich das Motiv. In einem metaphorischen Sinn spreche ich dann allenfalls vom Motiv des Herstellers des Bildes und meine damit, dass er ein bestimmtes Objekt darstellen wollte. Mit Motiv bezeichne ich hier aber nicht die psychologisch gemeinte Motivation oder Absicht des Malers, sondern das, was die Bewegung des handwerklichen Malers beim Farbauftragen bestimmt. Wenn ich einen Hund zeichne, muss meine Hand der Form des Hundes folgen.

In einer Inversion kann ich das Motiv einer Zeichnung auch als Anweisung lesen. Das ist typischerweise bei Konstruktionszeichnungen oder Bauplänen beabsichtigt. Die gezeichnete Form des Motivs bestimmt dann als Anweisung die Bewegungen die gemacht werden, wenn das Motiv hergestellt, wenn also Material geformt wird.

Hier geht es mir aber gerade darum, dass ich mit Formen und Pixelmuster auch ganz andere Bilder herstellen kann, als ich es mit Zeichnungen oder Gemälden mache. Der Ausdruck Bild hat dann einen weiteren Sinn. Er bezeichnet ein Bild, das auf etwas Bestimmtes verweist oder eben es referenziert, ohne dass es unmittelbar erkennbar wäre. Ich kann mit Bildern auf Vereinbarung verweisen.[21]

Wie bereits geschrieben, geht es mir nicht darum, wie die Vereinbarung passiert. Wenn ich beispielsweise deutsch spreche und deshalb die sprachliche Vereinbarung von Hund kenne, und überdies lesen kann, kann ich bestimmte Bilder als Text erkennen. Auch in diesem Fall erkenne ich ein Logik in der Anordnung von Strichen oder Bildpunkten, die dann ja auch materielle hergestellte Gegenstände sind. Und wie bei allen Bildern kann ich quasi ästhetische Kriterien verwenden, um das Bild schön oder weniger schön zu finden. Hier geht es mir darum, dass die beiden Arten zu referenzieren, verschiedene Referenzobjekte haben. Die einen kann ich auf dem Bild sehen, die andern auch jenseits von Bildern nicht:

Ich kann jeden Hund zeichnen, aber den Hund, den ich mit dem Wortbild "Hund" referenziere, kann ich nicht zeichnen. Wenn ich die Vereinbarung kenne, weiss ich, dass "Hund" ein Er-Satz für einen Satz mit anderen Worte ist, also beispielsweise für "domestiziertes Raubtier" steht, aber keinesfalls einen bestimmten Hund meint. Den Hund kann ich nicht nur nicht zeichnen, ich kann ihn auch nirgendwo sehen.
 

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Bilder als (Mittel von) Anweisungen

Jede Anweisung beschreibt mehr oder weniger implizit ein Verfahren. Bilder können - neben mündlichen Anweisungen - dazu dienen, wenn sie entsprechend interpretiert werden.[22]

Wenn eigentliche Bilder in einem praktischen Zusammenhang etwa als Konstruktionszeichnungen als Anweisungen dienen, zeigen sie das Produkt, nicht den Herstellungsprozess. Ein Prozess lässt sich nicht zeichnen. Ich kann aber - wofür Ikea-Anleitungen exemplarisch sind - mit einer Folge von Einzelbildern darstellen, wie sich das Produkt in dessen Herstellung entwickelt. Wenn die Bilder in rascher Folge betrachtet werden, erscheinen sie als Film, der den Prozess als stetige Veränderung erscheinen lässt.

In der Konstruktion gibt es allerlei schematische Darstellungen von Abwicklungs- und Explosionszeichnungen bis zu Schaltschemas, die sich als allmählicher Übergang von eigentlichen Bildern zu eigentlichen Symbolen auffassen lassen. Am Ende dieser Reihe steht das geschriebene Rezept, das sprachlich darstellt, was getan werden muss.

Das Rezept beschreibt Handlungen oder Operationen des Herstellers, also nicht die Veränderung des Gegenstandes. Handlungen lassen sich nicht zeichnen. Wenn ich auf einem Bild einen Maler mit einem Pinsel in der Hand vor einer Staffelei sitzen sehe, nehme ich naheliegenderweise an, dass er malt, aber sehen kann ich es nicht. Natürlich lassen sich Handlungen auch durch eine Bildfolge darstellen. Ich will hier nicht auf die dabei gemachten Voraussetzungen eingehen, die teilweise durch eine Filmvorführung anstelle von Einzelbildern aufgehoben sind.

Es gibt einfache oder einfach erkennbare Handlungen, auf die ich mit einem eigentlichen Bild - das dann als Symbol gelesen werden muss - verweisen kann. Ein Beispiel dafür sind durch Bilder ersetzte Ikone. An der WC-Türen im öffentlichen Bereich "zeigen" - ich müsste anzeigen schreiben - häufig schematische Figuren, durch welche Türe ein Mann zu gehen hat. Manchmal werden solche Ikone durch eigentliche Bilder ersetzt, die dann natürlich eine konkrete Person zeigen, die aber - auch natürlich - nicht gemeint ist.

Und quasi komplementär dazu gibt es einfache Gegenstände, deren Abbildung quasi als Rezept gelesen werden können. Wie man ein Spiegelei herstellt, zeigt sich im einem Bild von einem Spiegelei - bei allem vorausgesetzten Wissen über das Kochen, etwa das Würzen und das Anstellen eines Kochherdes - hinreichend gut, dass es als Rezept gelesen werden kann. Das Spiegelei hat eine einfache Form und seine Herstellung bedarf einer einfachen Handlung - zumindest, wenn man das Ei und die Pfanne schon hat.

Welche Art Bild im praktischen Fall als Anweisung verwendet wird, hat viel damit zu tun, inwiefern die Form des Produktes wichtig ist. In der industriellen Produktion von etwas komplizierten Gegenständen werden fast immer Zeichnungen verwendet, die Herstellungsverfahren implizieren. Wenn der Ingenieur eine Welle mit verschiedenen Durchmessern zeichnet, weiss der Dreher in der Werkstatt, dass er die Welle einspannen muss. Der Dreher kann aber in der Zeichnung nicht sehen, aus welchem Material die Welle ist. Konstruktionszeichnungen enthalten deshalb Text mit Materialbezeichnungen. Die Masse, die als Zahlen auf den Zeichnungen sind, sind auch Texte. Sie betreffen aber die Form und könnten weggelassen werden, weil die Masse auf der Zeichnung gemessen werden können.

Ein Gemälde betrachte ich normalerweise nicht als Anweisung. Ein eigentliches Bild kann mir auch nicht mitteilen, inwiefern ich es als Anweisung zu betrachten habe, wenn es nicht gerade in einem Kochbuch ist. Ein Schema dagegen dient mir als Erläuterung einer Struktur, die ich unter gegebenen Umständen als Erklärung einer Funktionsweise begreifen kann, aber auch als Anweisung, etwas entsprechend herzustellen. Das Schema verweist gewissermassen auf seinen Gebrauch. Es ist deshalb auch kein eigentliches Bild, da es in vielen Fällen nicht nur angeschaut werden soll. In Texten kann ich oft gut erkennen, wie ich sie lesen sollte. Ein Rezept etwa ist als Anweisung geschrieben. Aber ich kann es natürlich auch als eine Art Erklärung dafür lesen, wie eine von mir genossene Mahlzeit hergestellt wurde.[23]

Ob ich eine Konstruktionszeichnung mit einem Computer herstelle oder von Hand zeichne, macht in Bezug auf deren Anweisungscharakter keinen Unterschied. In beiden Fällen kann ich das Bild als Anweisungen betrachten, etwas herzustellen, was dem Referenzobjekt der Zeichnung entspricht. Deshalb bezeichne ich nicht jedes mittels Computer hergestellte Bild als Technobild. In bestimmten sehr geschickt gemachten Fällen würde ich sogar von einem Computer-Gemälde sprechen. Im Kontext der Anweisung will ich aber einen anderen Aspekt des Technobildes betrachten, der erst auf der Ebene der Programmierung erscheint.
 

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Das Computerprogramm als Bild

Der Ausdruck "Computerprogramm" soll den Kontext markieren. Gemeint sind materielle Artefakte, die zur Steuerung von Automaten verwendet werden.

Gemeinhin bezeichne ich ein Computerprogramm - wofür ich praktisch gute Gründe habe - als Text.[24] In dieser Hinsicht wäre das Programm ein Bild und es würde zunächst auch keinen Unterschied machen, ob ich es von Hand oder mit einem Computer geschrieben habe. Aber das Programm muss, um seine Funktion zu erfüllen, natürlich in den Computer kommen, genauer gesprochen nicht nur in den Computer, sondern in einen spezifischen Bereich des Computers. Wenn ich den Programmtext mit einem Textbearbeitungsprogramm schreibe und auf dem Harddisk des Computers speichere, ist es immer noch nur ein - wie ein handgeschriebener - Text. Es ist eine Datei, die ich bildtechnisch - wie jede Bilddatei - als Text am Bildschirm anschauen oder ausdrucken kann.

Der primärer Zweck eines Computer-Programms besteht nicht darin, dass ich es anschauen oder lesen kann. Ein Computerprogramm, gleichgültig ob es als Text erscheint, dient - tautologischerweise - der Programmierung eines Computers. Die Programmierung besteht in einer Festlegung der Zustandsabfolge eines Prozessors, der als Steuerungsmechanismus dient. In einem modernen Computer ist ein Programm eine strukturierte Datei, die aus Bildpunkten besteht, die in Bytes geordnet sind. Mit der Datei werden die elektronischen Schalter im Prozessor gesteuert. Dieselbe Datei kann aber auch als Text angezeigt werden, so dass ich quasi lesen kann, was im Computer unter dieser Steuerung passiert. Dazu benötige ich einen entsprechenden Code, der umgangssprachlich gemeinhin als Programmiersprache bezeichnet wird. Dieser Code macht das Programm sekundär lesbar. indem er den Programmsequenzen sprachliche Ausdrücke zuordnet.[25] Man könnte in diesem Sinne in einer Stadt die Häusern so anordnen, dass Piloten lesen könnten, wo sie gerade drüber fliegen. Es wäre eine Stadt, kein Bild. Der Pilot würde aber auch einen Text erkennen, also im eigentlichen Sinne des Wortes lesen.

Ich beobachte hier nicht das Programmieren von Computern, sondern die Entwicklung der Technik in der Herstellung von Bildern.[26] Bevor Lochkarten zur Programmierung von Computern verwendet wurden, dienten sie unter anderem der Steuerung von Jacquardwebstühlen zur Herstellung von Bildern aus Stoff. Die Mechanisierung der Bildproduktion hat viele Wege. Das Technobild, das aus dem Webstuhl kommt, ist eine analoge Abbildung der Lochkarten. Dabei wird nicht programmiert. Es handelt sich viel mehr um eine Art Bild, das auf einer Transformation beruht, die technisch komplizierter ist, als jene vom Negativfilm zum Positiv(abzug). Und Programmiersprachen sind einfach noch kompliziertere Mechanismen als Webstühle.

Das Computerprogramm gibt als Anweisung - wie der Platzanweiser im Theater - keine Befehle, sondern zeigt, was wann wo passiert, wenn der Computer dem Programm folgt. Soweit ein Computer eine elektrische Maschine ist, kann ich ihn zeichnen. Die Funktionsweise von programmierbaren Automaten aber lässt sich auf Zeichnungen nicht darstellen. Ich kann sie nur durch Programmtexte darstellen, die überdies nicht wie andere Texte linear gelesen werden können.

Wenn ich ein Programm lese - was ich natürlich auch mache, wenn ich ein Programm schreibe - weiss ich, dass das Programm einen Prozessor impliziert, der seinen Zustand in einem gegebene Takt in diskreten Schritten verändert. Das ist im Programmtext als Technobild nicht zu sehen, ich muss es hineinlesen. Allerdings muss ich es logisch zwingend tun, wenn in einem Programm beispielsweise steht "a=a+1" und ich keinen Unsinn lesen will. Ich erkenne dann, dass sich der Wert von a im nächsten Takt verändert hat, dass a also nicht gleichzeitig a und a+1 sein kann. Ich muss verstehen, was im Bild gezeigt wird.

Einen Motor etwa, in welchem sich viele Teile bewegen, wenn er läuft, kann ich zeichnen. Auf der Zeichnung kann ich keine Bewegung sehen, aber ich kann erkennen, wie sich die Motorteile bewegen (können), wenn ich die Zeichnung "lesen" kann. Ich kann sehen, dass sich der Kolben im Zylinder hin- und herbewegen kann, und dass sich die Kurbelwelle damit durch Pleuel verbunden dreht. Bei einem programmierbaren Automaten sind die Zustände, die er durchläuft, nicht in diesem Sinne fest gekoppelt, sie sind abhängig, von zusätzlichen Bedingungen und insbesondere von Fallunterscheidungen, die im Programm beschrieben sind.[27]

Die Programmierung von Automaten repräsentiert den evolutionär entwickelsten Fall der Herstellung insgesamt und der Herstellung von Bildern. Sie begründet die hier verwendeten Kategorien, durch die ich die Herstellung von Bildern beobachte.
 

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Bild und Abbildung

Das abgeleitete Substantiv Abbildung enthält wie das darin aufgehoben Verb den Wortteil (Lexem) "Bild". Wenn ich etwas abbilde, mache ich ein Bild. Umgangssprachleich werden die Wörter Bild und Abbildung in vielen Fälle synonym verwendet, was einem Kategorienfehler im Sinne von G. Ryle entspricht.[28] Ein Bild ist ein materieller Gegenstand, Abbildung bezeichnet ein Verhältnis zwischen einem Bild und der abgebildeten Sache. Für das Bild spielt es natürlich keine Rolle, ob damit etwas abgebildet wird. Das Bild zeigt, was es zeigt. Bei der Abbildung aber ist das Motiv das Motiv.

Umgangssprachlich verkürzt kann ich mit einem Bild etwas abbilden. Die Verkürzung betrifft, dass ich eine Funktion des Bildes mit dem Bild gleichsetzt

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vorläufiges Ende -->Fortsetzung folgt


 

Anmerkungen

1) Der Ausdruck Form wird in sehr vielen Bedeutungen verwendet. Eine Variante etwa besteht in der Differenz Form/Medium, die N. Luhmann bei F. Heider gefunden hat. Hier geht es aber ausschliesslich um anfassbare, hergestellte Artefakte, die dort keine Rolle spielen. (zurück)
 
2) H. Maturana spricht bei den autopoietischen Systemen von skin-encapselt. Die Oberfläche ist die Grenze des Gegenstandes, sie spielt hier nur als Umriss eine Rolle. (zurück)
 
3) "Die Anatomie des Menschen ist ein Schlüssel zur Anatomie des Affen. Die Andeutung auf Höheres in den untergeordneteren Tierarten können dagegen nur verstanden werden, wenn das Höhere selbst schon bekannt ist." (Grundrisse, MEW 42, S. 39). (zurück)
 
4) L. Wittgenstein, 6.341: "Denken wir uns eine weisse Fläche, auf der unregelmässige schwarze Flecken wären. Wir sagen nun: Was für ein Bild immer hierdurch entsteht, immer kann ich seiner Beschreibung beliebig nahe kommen, indem ich die Fläche mit einem entsprechend feinen quadratischen Netzwerk bedecke und nun von jedem Quadrat sage, dass es weiss oder schwarz ist." (zurück)

 
5) Eine Illustration des Fadengitters fertigte A. Dürer später (1525) als Holzschnitt über die Vermessung einer Liegenden an und verbreitete so die Kenntnis darüber in Malerkreisen. (zurück)
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6) Bei einer Kamera mit einem Bildschirm sehe ich auf dem Bildschirm eine isomorphe Abbildung, die aber technisch erzeugt wird. Bei älteren Kameras gab es ein Guckfenster, das die Funktion eines Visiers hatte. Bei der Kamera sehe ich, was ich vor Ort - unvermittelt - auch sehe, es handelt sich deshalb nur in einem sehr allgemeinen Sinn um eine symbolische Darstellung. Hier geht es darum, das Anzeigegerät als solches zu erkennen und darum, zu sehen, wie das gezeigte Bild technisch erzeugt wird. (zurück)
 
7) Umgangssprachlich wird allerlei als Computer bezeichnet. Ganz wenige Menschen verwenden aber Computer zum Rechnen. Die unglücklich gewählte Bezeichnung stammt von den Erfindern dieses Gerätes, die es zum Rechnen benutzten und noch nicht erkannten, was alles "berechnet" werden kann und dass Resultate immer in Bildform angezeigt werden. Ja, ich weiss, dass moderen Geräte auch Töne ausgeben, aber hier geht es ja um den spezifischen Aspekt des Bildes. (zurück)
 
8) Natürlich sind Definitionen kontingent und können beliebige Kriterien verwenden. In der Wikipedia steht: "Nach heutiger Definition grenzt sich ein Gemälde von einer Zeichnung dadurch ab, dass die Farben vor dem Auftragen auf den Bildträger gemischt werden. Eine Ausnahme von dieser Definition ist die Pastellmalerei, die eigentlich „Pastellzeichnung“ genannt werden müsste. Im Sprachgebrauch sind die Begriffe Malerei und Zeichnung nach wie vor vermischt, so sagt man beispielsweise oft, dass Kinder "malen", wenn sie eigentlich zeichnen." Die Redeweise "Nach heutiger Definition" ist wikipediatypische Art von Kkntingenzverweis, morgen könnte es anders sein. (zurück)
 
9) Der Ausdruck Gemälde hat seinen engeren Sinn in den Ölgemälden ab dem 15. Jahrhundert, die fotographischen Charakter haben, also zur gemalten Situation isomorph sind. Als erster Vertreter der Gemäldekunst gilt Jan van Eyck (* um 1390-1441), der mit seinen Gemälden die naturalistische Kunstepoche in Europa begründet hat.
Hier geht es mir nicht um Kunst - und insbesondere auch nicht um die abstrakte Malerei, sondern um den Unterschied zwischen dem idealtypischen Gemälde und der Zeichnung. (
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10) Als Linie bezeichne ich - in einer etwas euklidischen Auffassung -, was ich mit einer nicht unterbrochenen Bewegung mit einem Bleistift auf einem Papier darstellen kann. Die gerade Linie oder Gerade stellt ein Spezialfall dar, der andere Linien als Kurve erscheinen lässt.
Die Linie hat bei Euklid nur eine Dimension. Was ich zeichne ist also keine Linie, sondern einen Strich, der ein dreidimensionaler, materieller Gegenstand ist. Mit einem Strich kann ich insbesondere den Verlauf einer Linie darstellen. (
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11) E. von Glasersfeld verdeutlicht - wohl nicht ganz bewusst - mit die Augenbewegung, was er mit dem Ausdruck "mental" - jenseits der Philosophie - bezeichnet. (zurück)
 
12) Micky sehe ich gezeichnet und teilweise ausgemalt. Mona ist nicht gezeichnet, sie ist nicht aus-gemalt, sondern gemalt. Die Grenze zwischen ihrem Gesicht ist keine schwarze Linie wie bei Micky, sondern eine andere Farbe. Ich glaub(t)e, dass kann jeder sehen. Es ist aber so, dass das für viele kein Unterschied ist, weil sie genau darauf nicht schauen.
Dann aber ist noch die handwerkliche Frage, ob Herr da Vinci die MonaLisa zuerst gezeichnet und dann nicht nur aus-, sondern übermalt habe, oder ob er sie gemalt habe, ohne sie zuerst zu zeichnen.
Dazu unerheblich, aber interessant sind Meinungen von Experten: "Wie in vielen anderen seiner Arbeiten wandte Leonardo auch in diesem Bild die von ihm perfektionierte Sfumato-Technik sowohl beim Hintergrund als auch bei Gesichtsdetails an. Durch Sfumato, was aus dem Italienischen übersetzt „neblig“ oder „verschwommen“ bedeutet, wirkt der Hintergrund wie durch einen Dunst oder Rauchschleier wiedergegeben. Im Antlitz deutlich wird diese Technik in den sehr weichen, fast verschwimmenden Hell-Dunkel-Übergängen an den Rundungen des Kopfes, an den Augenwinkeln und dem rechten Mundwinkel (aus der Sicht des Betrachters)." (
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13) Natürlich gilt das auch für die dissipativen Strukturen am Computerbildschirm; die leuchtenden Zeichen sind so materiell wie Graphitkonstruktionen. (zurück)
 
14) Der Fingerabdruck ist ein interessantes Beispiel dfür, wie die Stricherkennung durch Rasterverfahren aufgehoben wird. (zurück)
 
15) Das ist eine ziemlich komplizierte Geschichte, die F. Heider in Ding und Medium ausführlich behandelt. Die Lichtstrahlen müssen das Medium Luft relativ unverfälscht durchdringen, aber am Ding, also an der Farbschicht zurückgeworfen werden. F. Heider spricht von Gestalt und von loser Koppelung im Medium. (zurück)
 
16) Viele Dateiformate wie gif und jpg reduzieren die Anzahl der Pixel so, dass das Auge ein noch klares Bild sehen kann, weil dabei die Dateigrösse erheblich verkleinert wird, was andere Vorteile hat. Technisch handelt es sich um ein typisches Shannonproblem.
2000 kam die erste Amateur-Kamera mit vier Megapixeln auf den Markt, 2011 waren es 16 Megapixeln oder noch mehr. Die Erhöhung der Pixelzahl kann der Bildqualität sogar abträglich sein. Wiedergabemedien, die wie Bildschirme oder Drucker nicht in der Lage sind, so viele einzelne Bildpunkte aufzulösen, interpolieren analog zum menschlichen Auge.(
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17) Todesco: Zeichen, Signal und Symbol, 1995, S. 685ff (zurück)
 

18) Das Sender-Empfänger-Modell von C. Shannon wird durch ein Schema beschrieben, in welchem nur Geräte, also keine Menschen vorkommen. Er schreibt dazu: "the semantic aspects of communication are irrelevant to the engineering aspects".
C. Shannon ist exemplarisch dafür, dass sich Ingenieure für Maschinen interessieren und Philosophen für Logik. Mich interessiert die Tätigkeit. (zurück)
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19) Als Backus-Naur-Form bezeichne ich eine formale Sprache zur Darstellung kontextfreier Grammatiken, also unter anderem zur Darstellung der Syntax von sogenannten Programmiersprachen. Wichtig und hier interessant ist, wie die Zeichen als Token wie Schachfiguren eingeführt werden. Alle Zeichen, etwas 2, a oder + werden wie Läufer und Springer als figürliche Körper eingeführt. (zurück)
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20) Das gilt natürlich auch für Sätze, deren Menge durch die Syntax der Sprache gegeben ist, was durch die moderne Übersetzungssoftware ja sehr deutlich gemacht wurde. (zurück)
 
21) Die Übersetzer von W. Quine's "Wort und Gegenstand" (in welchem es auch um Übersetzbarkeit geht) schreiben in einem Vorwort:
"Eine weitere Anmerkung zur Übersetzung schein angebracht: ... Unser Vorgehen wird am Beispiel des englischen Worts "refer" (bzw, reference, usw,) deutlich: Zur Übersetzung des Ausdruckes hat man sich in letzter Zeit des Neologismus "referieren" (auf? zu ? über?), bzw. "Referenz" (von? auf?..) bedient. Warum? Wir wissen es nicht. "Refer" heisst nämlich schlicht und einfach "bezeichnen" und manchmal spezifischer "sich beziehen auf" bzw "Bezug nehmen auf". Die Übersetzung durch die genannte Neuprägung ist aber nicht nur unschön, sondern auch irreführend, zum einen, weil sie Homonyme zu (zwei verschiedenen!) gebräuchlichen Ausdrücken einführt, zum anderem, weil sie den Eindruck erweckt, es handle sich bei "refer" um einen - womöglich klar definierten - der philosophischen oder linguistischen Fachsprache. Dies ist nicht der Fall. Und deshalb ist die Übersetzung mit "referieren", Referenz", usw. irreführend, ja falsch, und wir hoffen, dass sie bald wieder aus dem wissenschaftlichen Sprachgebrauch verschwindet."
Die Übersetzer unterstellen, dass Neuprägungen weniger zu einer Sprache gehören, als Altprägungen. Das lässt sich aber im Moment nicht entscheiden, eine Neuprägung bürgert sich mit der Zeit ein oder eben nicht. Ich verwende den Ausdruck "Referenz" ohne irgendeinen englischen Text zu übersetzen, weil ich durch die Verwendung dieses Ausdruckes für mich Konnotationen nahelege, die ich mit "bezeichnen" und mit "Bezug nehmen" nicht ohne weiteres verbinde.
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22) Der Arbeitswissenschaftler F. Taylor stand neben einem Mann, den er mit einem abgerichteten Affen verglichen hat, und erklärte ihm minutiös, wie er Kohlen schaufeln musste - weil F. Taylor das nicht zeichnen konnte. Ein wunderbares Gespräch über das Verladen von Eisenbarren. (zurück)
 
23) F. Schulz von Thun hat mit seinem 4-Ohren-Modell dargestellt, wie verschieden Aussagen gehört werden können. Die Anweisungen, die er in seine Beispiele hineinliest, sind aber in den Texten nicht thematisiert, sondern beruhen auf viel "Psychologie", die beim Lesen eines Rezeptes kaum eine Rolle spielt. (zurück)
 
24) Ich verwende hier die Ausdrücke Computer und Computerprogramm auch im umgangssprachlichen Sinn, in dem sie geprägt wurden, sehe also von verschiedenen Differenzierungen ab, die hier keine Rolle spielen. (zurück)
 
25) Als Programmiersprache bezeichne ich einen Mechanismus, der Programme als Technobilder lesbar macht. (zurück)
 
26) Ich will hier nicht näher auf naive Vorstellungen zur Programmierung eingehen, in welchen dem Computer etwas "befohlen" wird. Ich habe diese Zusammenhänge in Todesco: Technische Intelligenz, 1992 ausführlich beschrieben. N. Wirth schreibt: "Von der Reduktion des Programmieraufwandes durch Programmiersprachen, welche IBM mit Fortran anstrebte, dürfte ein wesentlicher Anteil darin bestehen, dass die Programmierer, die dem Computer Befehle geben, praktisch nichts vom Computer wissen müssen." IBM hatte die Erfindung von Programmiersprachen vor allem auch dazu vorangetrieben, dass relativ gering qualifizierte Leute zu kleinen Löhnen programmieren konnten. (zurück)
 
27) F. Heider spricht von sehr starker Koppelung. (zurück)
 
28) Kategorienfehler beziehen sich natürlich auf Begriffe, nicht auf Wörter. Viele Menschen verwenden das Wort Bild ja nicht für einen Gegenstand, sondern eher so, wie ich Abbildung verwende. Ich reflektiere meine Redeweisen, indem ich das Verfahren von G. Ryle invertiere. Mir war lange nicht klar, wie ich zwischen Bild und Abbildung unterscheide. Das hypothetische Erkennen eines Kategorienfehlers - darin liegt das Verfahren - führte dazu, dass ich nicht mehr Bild und Abbildung, sondern verschiedene Kategorien unterscheide: Bild als Artefakt und Abbildung als Relation. Ich habe damit ein "ryle-philosophisches" Scheinproblem aufgehoben. (zurück)
 
29) In Sachbücher werden Bilder oft als "Abb." numeriert. Dabei scheint die Idee, dass es sich - im Buch - um ein Abbild eines Originalbildes handelt, während die Bilder im Buch Instanzen sind, weil es ja kein Originalbuch gibt. (zurück)