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In einer quasi-etymologischen Deutung bezieht sich das deutsche Wort „Staat“ auf das italienische "lo stato", das in der Renaissance den mehr oder weniger stabilen Status einer Monarchie oder Republik bezeichnete. Der status regalis bezeichnete zunächst Stellung, Macht und Einfluss des zur Herrschaft gelangten Fürsten und seines Anhangs, dann aber als état vor allem den politischen Haushalt.
Umgangssprachlich wird der Staat immer noch durch drei Aspekte bestimmt:
bilddurch ein Staatsvolk,
bildein Staatsgebiet und eine
bildStaatsgewalt.
Aber eine hierachisch organisierte Gruppe, die ein Territorium verteidigt, gilt auch in der Umgangssprache nicht als Staat, obwohl von einem Volk mit einem Gebiet und einer Machtelite gesprochen werden könnte. So sehe ich etwa Indianerstämme in Holywoodfilmen und Geschichtsbüchern dargestellt, die dann (un)sinnigerweise als "Nations" bezeichnet werden, weil das Wort Volk nicht zu den Stämmen passt und die "amerikanischen" Eroberer als Vielvölkernation auftreten.
Bei N. Machiavelli, mit welchem ich die umgangssprachliche Staatsidee verbinde, kann ich noch gut eine Räuberbande mit einem Häuptling erkennen, aber sein Thema ist doch die Verfassung der Staaten, die sonst kaum welche sind.
Ältere Gebilde (Gemeinwesen oder politische Gebietskörperschaften) wie beispielsweise die polis („Stadtstaat“), die civitas („Bürgerschaft“), die res publica („öffentliche Angelegenheit“), das regimen („Königsherrschaft“), das regnum („Königreich“) oder das imperium ("erobertes einheitlich regiertes Herrschaftsgebiet") bezeichne ich, solange sie keinen Staatshaushalt führen, wenn überhaupt, nur metaphorisch als Staat, eher als dessen unentwickelte Keimformen, was N. Machiavelli behandelt hat.

Ich unterscheide Geschichten, also das, was in Geschichtsbüchern steht, und die politisch verfasste Selbstdarstellung von Staaten in Form von Recht und Behörden, was die Behörden als Administration bezeichnen.

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Staatsform
Staatsanleihe
Staatsbankrott
Staatsbürger
Staatsfonds
Staatsgewalt
Staatshaushalt
Staatstheorie
Staatsverschuldung
Staatsvertrag
Politeia
marxistischer Staat
anarchistischer Staat

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Als Staat bezeichne ich eine Organisation, in deren Selbstdarstellung in Form einer Verfassung die Gewalt an eine Administration (Staatsapparat ) delegiert wird, die den politischen Haushalt durch Behörden führt.
Der Eigenname Staat steht für stabile Organisation.

Einen Teil der Behörde bezeichne ich als Regierung. Ich unterscheide Regierungformen (Staatsformen): Monarchien, die Republik und die Diktatur, wobei es um die Oragnisation der Organisation geht.

Der Staat hat - wie jede Organisation - Grenzen, die ich als Systemgrenze operativ beschreiben kann. Während umgangssprachlich oft geographisch bestimmte Grenzen gemeint sind, scheint es sinnvoller, die Rechte und Pflichten - etwa der Staatsbürger - als Staatsgrenzen zu sehen. Staaten begrenzen sich auch durch Staatsverträge.

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Als Staat bezeichne ich differenztheoretisch die Differenz zwischen Staat und Nation. Die Nation kümmert sich ums Geld, der Staat um alles andere. Wo alles andere auch in Geldform gesehen wird, kümmert sich die Nation durch das Geld um alles und der Staat durch alles andere auch ums Geld.

Die Autopoiese des Staates begreife ich als Merkantilismus, in welchem der Haushalt von Herrschenden (im Merkantilismus waren das Monarchen) durch einen Staatshaushalt ersetzt wird, wodurch der Staat als Subjekt eines Haushaltes in Erscheinung tritt.
"Gebt dem Monarchen, was des Monarchen ist" markiert die Differenz. Wer Abgaben an den Kaiser macht, zahlt keine Steuern in den Staatshaushalt, sondern Beiträge zum Haushalt des Kaisers. Der Private Haushalt des Königs wird organisiert und so dem Besitz des Königs entzogen, obwohl er zunächst sein Eigentum bleibtIn Monarchien wie England wird diese Differenz noch heute thematisiert, weil die Trennung von Königshof und Staat (wie an vielen Orten jene von Kirche und Staat) immer noch nicht ganz vollzogen ist.
Die Merkantilisten haben echte Steuern eingeführt, um die Haushalte der Könige zu entlasten.

Die Etablierung (etat, sic) des Staates bezeichne ich als Zivilisation.


 

Drei Punkte wären in jeder Analyse zu berücksichtigen: 1. Mindestbedingung dafür, dass von »Staat« gesprochen werden kann, ist, dass es einen »Erzwingungsstab« im Sinne Christian Sigrists gibt: Einer Person oder einer Gruppe von Personen (Organisation) steht eine Polizei für Verfügung, die ihre Entscheidungen gegebenenfalls gegen Widerstand mittels Gewalt durchsetzt. Der Erzwingungsstab hat die Tendenz, ein territoriales Monopol auf legitime Gewaltausübung zu beanspruchen. 2. Zu einer voll entwickelten Staatlichkeit gehören all jene Organisationen, welche vom Gewaltmonopol abhängen, insbesondere von dessen Fähigkeit, Steuern zu erheben und diese dann als finanzielle Ressourcen politisch zu verteilen. 3. Private Organisationen, die zumindest eins von den drei folgenden Merkmalen aufweisen, a) teilweise oder völlig aus Steuern finanziert zuwerden, b) einer staatlichen (amtlichen) Zulassung zu bedürfen, c) durch Zwangsmitgliedschaft gekennzeichnet zu sein, bilden mit dem Staat eine »korporatistische Struktur«. Oft treten die Merkmale kombiniert auf." (Blankertz, Antiherrschaftlicher Widerstand, 15)


 


Anmerkungen:

Die Idee den Staat als Staat zu begreifen, ist (wie die Idee die Renaissance als Renaisance zu begreifen) historisch jung, aber sie wird zurück projiziert bis in die Antike, so dass auch die Polis der alten Griechen als Staat erscheint. Der Staat ist für Aristoteles der Zusammenschluss kleinerer Gemeinschaften zu einer großen, die das Ziel der Glückseligkeit erfüllt. Entstanden aus der logischen Folge wachsender Gemeinschaften (Familie - Hausgemeinschaft - Dorf - Polis), besteht der Staat als natürliche Einheit zur Ermöglichung eines vollkommenen Lebens. Nur in der Polis ist die vollendete Autarkie (=Unabhängigkeit) möglich.

Den ursprünglichen Staat (seine Erfindung) erkenne ich in der Nation, die ein spezieller Fall des Staates darstellt. Die Nation ist durch die Währung bestimmt, gemäss welcher eine Armee die Währung verteidigt. Die Nation ist natürlich nur dann ein Staat, wenn sie stabil ist.
Die Merkantilisten beschreiben genau in diesem Sinne den Übergang der Königshäuser zu Staaten.
Die Währung wird zur Verfassung verallgemeindert, nachdem sie zunächst nur den Finanzhaushalt beschreibt. Aber bereits die Währung wird als Rechtsauffassung begriffen, wodurch sie Gegenstand rechtswissenschaftlicher Beobachtung wird, was sich auf den Staat ausdehnt.

Gegen die Rechtsauffassung entwickelt sich eine sozialwissenschaftliche Auffassung, in welcher die Gesellschaft jenseits von Recht thematisiert wird, so dass das Recht als spezifisches "System" erscheint, während die Gesellschaft als Medium dieses sozialen Systems und anderer Systeme begriffen wird.
Schliesslich werden sowohl die Gesellschaft als auch der Staat als Gesamtheiten der Verhältnisse zwischen den Menschen abstrahiert: Die Weltgesellschaft als Superstaat.
In ausdifferenzierten Verhältnissen befasst sich das Recht mit dem Staat und die Soziologie mit der Gesellschaft. Der Staat erscheint dann - wie die Aktiengesellshaft - als eine rechtliche Form der Gesellschaft.

Staat bedeutet stabile Steuererhebung in Form von Geld(münzen). Seit Entstehen des Münzgeldes hängt das Schicksal der Staaten immer und überall vom Funktionieren ihres Geldsystems ab. Gelingt es dem Staat nicht, ein Versagen des Geldsystems zu verhindern, zerstört der wirtschaftliche Niedergang auch die politischen Machtverhältnisse.
J. Sutter hat vergessen, was die Merkantilisten lehrten: Aus einem grossen Eigentum ein staatliches zu machen.

Beispiele für Selbstbeschreibungen:

zu einer exemplarischen Selbstdarstellung (der Schweiz)
zur (durch Parteien fingierten) Selbstdeklaration eines Staates (politische Grundlagen des Kantons Zürich)
zum geldaufnehmenden Staat in der politischen Ökonomie


 
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Entwicklung der europäischen Staatsgrenzen in den letzten 100 Jahren
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