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bild Differenztheoretisch sehe ich Zivilisation durch die Differenz zwischen Zivilisation und Kultur, indem auf der Unterscheidungsseite der Zivilisation die Kultur als durchgesetzte Kultur wiedereintritt. In den romanischen und angelsächsischen Sprachen wird civilisation weitgehend synonym zu culture verwendet, also nicht wie im Deutschen unterschieden. S. Huntingtons "The Clash of Civilizations" etwa erschien als "Kampf der Kulturen".

In einer spezifischen Differenz bezeichne ich als Kultur, was in einer Sozietät - wie Sozialisation - ohnehin oder naturwüchsig passiert, und als Zivilisation, was - wie Erziehung - bewusst inszeniert wird, also die Durchsetzung einer bestimmten Kultur. Die Zivilisation provoziert zivilen Ungehorsam, während kultureller Ungehorsam nicht denkbar ist. Ich kann mich gegen die Zivilisation wehren, gegen die Kultur dagegen nicht. Als Kultur erscheint, das Produkt menschlicher Tätigkeit allgemein, während die je spezifischen Verhältnisse als Zivilisation durchgesetzt sind. Im Kontext des zivilen Ungehorsams wird die Zivilgesellschaft zum Gegenstand der Auseinandersetzung, etwa zum Gegenstand der Sklavenaufstände oder des Klassenkampfes. Wo diese Auseinandersetzung zeitweise durch die Machtverhältnisse entschieden, also aufgehoben ist, wo also stabile Verhältnisse herrschen, bezeichne ich die Zivilgesellschaft als Staat.

Als Zivilisation bezeichne ich eine Äquilibrierung der Staatsgewalt, in welcher die von der Zivilisation Betroffenen eine für sie jeweils stabilere Situation erreichen und aufrecht erhalten können.

Das Gewaltmonopol des Staates erlaubt es den Menschen nun, langfristig zu planen, da der Kampf nicht mehr notwendig und auch nicht mehr legitim ist. Von einer gleichmäßigen Verteilung der Macht kommt es also im Verlaufe der Soziogenese zu einer „Macht-Enteignung“ der Einzelnen. Die eigene Gewaltanwendung ist nicht mehr legitim und konkurriert mit der Gewaltanwendung des Staates. Die unberechtigte Aneignung von Gewalt wird fortan sanktioniert.

absolutistischen Staates, in dem die physische Gewalt durch Institutionen, zunächst Institutionen des Königtums, monopolisiert ist Verflochten ist dieser Prozess mit zunehmender sozioökonomischer Funktionsteilung. Das Gewaltmonopol des Staates erlaubt es den Menschen nun, langfristig zu planen, da der Kampf nicht mehr notwendig und auch nicht mehr legitim ist. Von einer gleichmäßigen Verteilung der Macht kommt es also im Verlaufe der Soziogenese zu einer „Macht-Enteignung“ der Einzelnen. Die eigene Gewaltanwendung ist nicht mehr legitim und konkurriert mit der Gewaltanwendung des Staates. Die unberechtigte Aneignung von Gewalt wird fortan sanktioniert.

Zivilisation als Gegensatz zum Begriff „Barbarei“.

zivil heisst die nicht markierte Seite der Zugehörigkeit, die sich in Uniform zeigt Pazifizierung des Einzelnen durch Gewaltmonopol in Uniform
 

Literatur:

Norbert Elias beschreibt den Prozess der Zivilisation als Äquilibrierung der kulturell relevanten Verhaltensweisen (im 1. Band etwa der "weltlichen Oberschichten des Abendlandes").

Derjenige, der zum erstenmal an Stelle eines Speeres ein Schimpfwort benutzte, war der Begründer der Zivilisation." S. Freud

"Zivilisiert sein heisst komplizierte Bedürfnisse haben." - Henry Miller

Die Zivilisation und Gerechtigkeit der Bourgeoisordnung tritt hervor in ihrem wahren, gewitterschwangern Licht, sobald die Sklaven in dieser Ordnung sich gegen ihre Herren empören. Dann stellt sich diese Zivilisation und Gerechtigkeit dar als unverhüllte Wildheit und gesetzlose Rache. Jede neue Krisis im Klassenkampf zwischen dem Aneigner und dem Hervorbringer des Reichtums bringt diese Tatsache greller zum Vorschein. Selbst die Scheußlichkeiten der Bourgeois vom Juni 1848 verschwinden vor der unsagbaren Niedertracht von 1871. Der selbstopfernde Heldenmut, womit das Pariser Volk – Männer, Weiber und Kinder – acht Tage lang nach dem Einrücken der Versailler fortkämpften, strahlt ebenso sehr zurück die Größe ihrer Sache, wie die höllischen Taten der Soldateska zurückstrahlen den eingebornen Geist jener Zivilisation, deren gemietete Vorkämpfer und Rächer sie sind. Eine ruhmvolle Zivilisation in der Tat, deren Lebensfrage darin besteht: wie die Haufen von Leichen loswerden, die sie mordete, nachdem der Kampf vorüber war!“ (K. Marx, Der Bürgerkrieg in Frankreich).

In seiner ebenfalls 1918 erschienenen Schrift Der Untergang des Abendlandes ordnete O. Spengler Kultur und Zivilisation zeitlich nacheinander an: Letztere deutete er als dekadentes Spätstadium der ersteren, ja als deren Tod.

"Die Zivilisation schreitet voran, indem sie die Anzahl wichtiger Operationen erweitert, die wir ausführen können, ohne darüber nachzudenken." (A. Whitehead, An Introduction to Mathematics, 1911).
 


Anmerkungen zu anderen Vorstellungen:

Die heutige Definition von Zivilisation in der internationalen Politik versteht diese bildlich vorgestellt als „Kulturdach“ für mehrere ähnlich gelagerte Kulturen, die geographisch nicht aneinander gebunden sein müssen. Staaten einer Zivilisation teilen eine Weltanschauung. Kultur wird in diesem Zusammenhang definiert als lokal begrenzte, Sinn stiftende Produktion von gemeinsamen Werten und Normen. Im Anschluss an den Sozialwissenschaftler Norbert Elias und dessen Theorie Über den Prozeß der Zivilisation wird der Begriff auch im Sinne von „Zivilisierung“ verwendet.


 

eine extrem andere Wortverwendung (typischerweise in der Wikipedia und wohl auch im Commonsens, wo Zivilisation nicht als Resultat einer Zivilisierung reflektiert wird):
Als Zivilisation (von lateinisch civis: ‚römischer Bürger‘, ‚Städter‘; seit dem Hochmittelalter ‚Bürger‘) wird eine menschliche Gesellschaft bezeichnet, bei der die sozialen und materiellen Lebensbedingungen durch technischen und wissenschaftlichen Fortschritt ermöglicht und von Politik und Wirtschaft geschaffen werden. Allgemeingültige Kennzeichen für Zivilisationen sind die Staatenbildung, hierarchische Gesellschaftsstrukturen, ein hohes Maß an Urbanisierung und eine sehr weitgehende Spezialisierung und Arbeitsteilung.


 
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