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Die Griechen” und das Geld (Grexit) - Februar 20, 2015

homerViele Menschen beteiligen sich am Medienereignis “Griechenland”, alle Medien sind voll davon. “Griechenland”, “Die Griechen” ist ein sehr gutes Diskurs-Thema. Anhand der Griechen kann über gesellschaftliche Probleme diskusiert werden, ohne dass die Probleme oder unser je eigenen Anteil daran zu Sprache kommen muss. Mit M. Foucault könnten wir die Sache noch etwas topen und über die Sexualität der Griechen sprechen, oder über deren Irrsinn usw.

Die einfachsten Varianten zu dieser Geschichte lauten, dass “Die Griechen” sehr hohe Schulden haben und dass die anderen EU-Länder “den Griechen” sehr viel Geld geben müssen. Dabei bleibt ganz unklar, wer Schulden hat und wer Geld bekommt. Wenn das interessant wäre, würden einzelne Personen ins Spiel kommen, beispielsweise griechische Banker oder Reeder, aber in den Medien sind es “die Griechen”. Beispielsweise hat die Kindersterblichkeit zugenommen, bei “den Griechen”. Das ist blanker Unsinn, sie hat sehr stark zugenommen, aber nicht bei “den Griechen”, sondern bei mausarmen Menschen, die in Griechenland leben.

Generell ist die Rede von Schulden. Aber die Schulden spiele keine Rolle. Das Problem sind die POSITIVEN Zinsen für Schuden. Das finanzielle Problem hat eine ganz einfache Lösung: NEGATIVE Zinsen. Wer Zinseszins rechnen kann, kann leicht ausrechnen, wie lange es geht, bis alle Schulden wieder aufgelöst sind. Es ist recht eigenartig, dass auch in der Schweiz, wo die Zentralbank negative Zinsen bereits eingeführt hat, niemand davon spricht.

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Arbeit versus Tätigkeit - Januar 30, 2015

arbeitArbeit ist ein vielfältig verwendetes Wort, zunächst steht Arbeit als Strafe durch die Vertreibung aus dem Paradies, dass ich mir auch als Schlaraffenland vorstelle, ohne die Arbeit, die ich tun müsste, um hin zu kommen. Dann ist Arbeit eine Not-Wendigkeit, etwas, was getan werden muss und deshalb einer reformierten Ethik zufolge am besten mit Freude getan wird. Dann ist Arbeit eine Kategorie der politischen Ökonomie, wo gilt, dass Arbeit Wert produziert und deshalb doppelt gesehen werden muss: sie produziert Gebrauchswert und Tauschwert. In einem unsäglichen Euphemismus gibt es sogar ein Recht auf Arbeit, wohl für alle, denen das Paradies nicht gefällt. Und schliesslich gibt es die Vorstellung, wonach auch Roboter und andere Maschinen arbeiten, obwohl sie nicht aus dem Paradies vertrieben wurden, in der Arbeit keine Notwendigkeit sehen und die Arbeit nicht mit Freude machen und schon gar keinen Tauschwert daraus ziehen können, geschweige denn ein Recht darauf zu fordern. Worin die je konkrete Arbeit besteht, scheint unerheblich und uninteressant, oft scheint es ohnehin viel besser, wenn andere die Arbeit tun, egal ob Psychologen herausgefunden haben, dass sich DER Mensch bei seiner Arbeit entwickelt. Ein beachtlicher Teil von dem, was ich unter ethischen und ökonomischen Perspektiven als Arbeit bezeichne(n würde), kann ich als Tätigkeit begreifen. Und durch einen wiederum beachtlichen Teil meiner Tätigkeiten verändere ich auch meine Umwelt, die mir dann als kultiviert begegnet. Als Tätigkeit begreife ich in diesem Sinne die Aneignung, in welcher ich meiner zunächst als Natur verstandenen Welt eine zu mir passende Form gebe. Wenn ich beispielsweise als Lehrer arbeite, spreche ich metaphorisch davon, dass ich Menschen forme. Die Metapher beziehe ich darauf, dass ein Teil meiner Tätigkeit sich mir in Artefakten zeigt, die ich herstelle, indem ich Material forme. Das Formen sehe ich als Tätigkeit, das Material als nicht markierte Seite des Formens. Den Ausdruck Material verwende ich hier also im Sinne des historischen Materialismus, also nicht im Sinne von Materie. Wenn ich ein Artefakt herstelle, stelle ich unter ökonomischer Perspektive einen Gebrauchswert und einen potentiellen Tauschwert her. Der Gebrauchswert zeigt sich als Funktion des Artefaktes in einer weiteren Tätigkeit, in welcher sich der Gegenstand funktional bewähren muss. Wenn ich beispielsweise einen Schreibwerkzeug herstelle, soll es beim Schreiben dienen und muss sich dabei bewähren. Wenn ich einen Text herstelle, muss er die grammatikalischen Konventionen erfüllen, damit er gelesen werden kann, also brauchbar ist oder eben einen Gebrauchswert hat. Artefakt haben aber nicht nur einen Gebrauchswert, sie sind als Gegenstände geformtes Material. Ich muss also auch wissen, wie ich welches Material so formen kann, des der Gegenstand seinen Gebrauchswert bekommt. Wenn ich einen Hammer mit einem Stil aus Holz und einem Kopf aus Metall herstellen will, muss ich nicht nur wissen, wie ein solcher Hammer aussieht, ich muss auch Holz und Metall haben und es passend formen können. Wenn ich einen Text schreibe, muss ich - egal wozu der Text dienen soll - schreiben können. Dazu muss ich nicht nur die Grammatik kennen, die mir sagt, welche Schriftzeichen wie aussehen und wie angeordnet werden können, ich muss die Schriftzeichen auch herstellen können. Die Tätigkeit besteht aber nicht im Können, nicht in Fähigkeiten und nicht darin Material und Musse zu haben, sondern darin, dass ich etwas tue - und vor allem darin, dass ich es bewusst reflektiere. Eine Biene mag mich durch den Bau ihrer Wachszellen als Baumeister beschämen. Was mich aber von vornherein vor der besten Biene auszeichnet, ist, dass ich mein Herstellen reflektiere. Ich meine damit nicht nur wie etwa K. Marx, dass ich am Ende des Arbeitsprozesses ein Resultat habe, das ich beim Beginn desselben schon in der Vorstellung hatte. Ich weiss ja auch nicht, was eine Biene im Kopf hat. Ich meine damit, dass ich meine Tätigkeit vermittelnd aufhebe, indem ich beispielsweise - als toolmaking animal - fortlaufend Werkzeuge als Mittel zwischen mich und meinen Arbeitsgegenstand einführe. Um beim Schreiben zu bleiben, anfänglich würde ich - wenn nicht jede Tätigkeit auch quasisozial vermittelt wäre - mit dem Finger in den Sand oder mit einem Meissel in den Stein schreiben. Dann würde ich merken, dass Bleistift und Papier dem Zweck besser dienen, und schliesslich würde ich einen Computer verwenden. Die Tätigkeit würde ich immer als Schreiben identisch behalten, während meine Handlungen sehr verschieden wären. Dasselbe, aber nicht das gleiche. Das Problem jeder Arbeitsteilung besteht darin, ob Tätigkeiten geteilt oder zertrümmert werden. Als Kriterium würde ich nicht wie K. Marx nur “die Teilhabe an der Kontrolle der gesellschaftlichen Lebensbedingungen”, sondern vor allem die "Kontrolle" über den Umfang der eigenen Tätigkeit sehen. Menschen eine sinnvolle Tätigkeit vorzuenthalten scheint mir gleichbedeutend damit, sie von der Verwirklichung ihres menschlichen Wesens auszuschliessen. Arbeit empfinde ich deshalb so negativ konnotiert, weil das Wort für mich sehr oft Tätigkeit negiert, oder auf eine zertrümmerte Teile von Tätigkeiten verweist.

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Lebensführung, Kritische Psychologie, Marxismus … - Januar 28, 2015

holzkampund etwas Biographie, weil ich mich gerade mit der "Lebensführung" von K. Holzkamp befasse. In meinem ersten Semester an der Uni, als ich noch keine Ahnung hatte, was ich studieren soll, hatte (für mich ganz zufällig) Wolf Haug eine Vorlesung über seinen Marxismus gehalten, die mir sehr eingeleuchtet hat. In der Folge beteiligte ich mich an zwei Arbeitsgruppen, eine zur Kritischen Psychologie, die dann auch deren Begründer Klaus Holzkamp eingeladen hat, und eine zum Projekt Automation und Qualifikation, die unter anderem mit Christof Ohm eine weitere einschlägige Lehrveranstaltung am Institut für Soziologie organisierte. W. Haug hat dann später einen Vortrag gehalten, in welchem er sinngemäss sagte, dass er dann und wann als Marxist diffamiert werde, dass er aber eigentlich sehr gerne ein Marxist wäre, also jemand, der das Werk von K. Marx so gut verinnerlicht habe, dass er zurecht Marxist genannt würde. Seiner eigenen Einschätzung nach war er damals noch nicht so weit und empfand die Ehre, die ihm zu teil wurde, wenn er als Marxist bezeichnet wurde, deshalb ein wenig als geschmeichelt. Mir sagte W. Haug noch etwas später, dass ich eben kein Marxist sei, was mich aber nicht sehr berührte. Im Zusammenhang mit unserem eigenen "Projekt Automation" sagte mir Frigga Haug, Wissenschaftler, die keinen marxistischen Anspruch hätten, würden sie gar nicht interessieren, auch wenn sich diese noch so sehr mit der Automatisierung befassen würden. Einer der antimarxistischsten Filosofen, den ich kannte, H. Lübbe, sagte mir zur gleichen Zeit, dass er bei seinen Gegnern immer am meisten gelernt habe. So oder so. Ich habe ganz subjektiv durch "Das Kapital" von K. Marx sehr viel gelernt. Und dieses Buch habe ich zunächst überhaupt nur durch die Vermittlung der beiden Haugs lesen können, auch wenn ich dabei wohl nicht das gelesen habe, was sie darin gelesen haben. Ich wurde kein Marxist und habe mich nie darum gekümmert, wer ein marxistischer Wissenschaftler war und wer nicht. -ismen bringen mir nichts. An unserer Uni gab es (auch schon) damals verschiedene Wissenschaften, unter anderem getrennt Philosophie, Soziologie und Psychologie. W. Haug hat uns als Philosoph in der Soziologie eine Psychologie vermittelt. Einerseits war das alles Marxismus und andrerseits war es konkrete Psychologie, gemäss einer Floskel von F. Engels "eine Wissenschaft in ihrem eignen inneren Zusammenhang". Diesen "Zusammenhang" beschrieb W. Haug später damit, dass K. Holzkamp am Anfang seiner "Psychologie" in die Arbeiterviertel gegangen sei und dort die Schüler organisiert habe, während andere in die "Produktion" gegangen seien, um das Proletatriat zu organisieren. Bei K. Holzkamp passierte das in die Praxis-Gehen als antiautoritäre Erziehung im "Roten Schülerladen". Daraus rettete er - nach dem Scheitern dieser Praxis - nicht das Antiautoritäre, sondern den Focus auf "Schülerläden", wozu ich auch die Universitäten zähle. Er befasste sich mit Lehre und Lernen, und setzte so in seiner gesellschaftlich gemeinten Psychologie die Schule anstelle der produktiven Arbeit. K. Holzkamps Partei, die DKP, hat auch die Arbeiter organisiert, aber nie die Arbeit. In der Kritischen Psychologie war die Produktion anfänglich durch das "Projekt Automation und Qualifikation" vertreten, wobei auch dort mit dem Ausdruck Qualifikation auf Ausbildung verwiesen wurde, die dan sehr rasch ins Zentrum rückte, während Automation und die subjektive Tätigkeit in der Produktion praktisch kein Thema war. Unsere gleichnamige Arbeitsgruppe hat sich dann diesbezüglich mehr bei H. Braverman orientiert, der den PAQ-Leuten nicht so recht passte, was sie mit einer umfassenden Kritik belegten. Im Streit über den wirklichen Marxismus zwischen den Haugs und den Holzkamps ist das PAQ aus der Kritischen Psychologie ausgeschieden und dann verschwunden. Für uns war das auch eine Auflösung unserer Bezüge zur Kritischen Psychologie, die beim Lernen blieb und damit Psychologie im engeren Sinne wurde, während sie die Arbeit verdrängte oder eben den Soziologen überliess. Unsere Arbeitsgruppen lösten sich auch auf, weil viele Mitglieder die Uni verlassen hatten. Bevor ich später wieder an die Uni zurückkam, passierte mir der Radikale Konstruktivismus, den ich als die subjektorientierte Aufhebung der Wissenschaft begreife. Ich habe mich dabei - nach dem Positivismusstreit - auch nochmals mit N. Luhmann, sozusagen mit einem fundamentalen Gegner marxistischer Anschauungen auseinandergesetzt und dabei für mich viel gelernt. Fast tautologischerweise ist Arbeit auch bei N. Luhmann kein Thema und das Subjekt wird dort vollständig ignoriert, was meinen Blick auf das Subjekt der Arbeit jenseits dessen, was als Gesellschaft bezeichnet wird, sehr schärfte. Noch später habe ich von den Bemühungen K. Holzkamps gelesen, die "Lebensführung" in seiner subjektorientierten Wissenschaft ins Zentrum zu stellen, in welcher das Subjekt auch in dem Sinne ernst genommen werden soll, das es nicht als Objekt der Wissenschaft erscheint. Das deutsche Wort "führen" finde ich extrem problematisch, nicht nur weil es den Führer gegeben hat. Führen negiert die Geführten, mich selbst zu führen, würde mich negieren. Bei K. Holzkamp hiess das, seit ich ihn kannte, Disziplin. E. Wulff hat einmal etwas gegen diesen Kampf gegen sich selbst angekämpft. Jenseits des Begriffes "Führung" hat K. Holzkamp seine Subjektwissenschaft auf ein Gattungskriterium des Menschen bezogen, das bei K. Marx als "Teilhabe an der Kontrolle der gesellschaftlichen Lebensbedingungen" formuliert ist. Menschen (oder Subjekten) diese Teilhabe vorzuenthalten ist dann gleichbedeutend damit, sie von der Verwirklichung ihres menschlichen Wesens auszuschliessen. Der Ausdruck "Lebensbedingungen" ist wohl der Grund dafür, dass K. Holzkamp von LEBBENSführung spricht. Die Kritischen Psychologie hat keine brauchbaren Vorstellungen zur Arbeit der Subjekte, und keine Alternative zur Führung. In der Kritischen Psychologie zeigt sich das Subjekt nicht in der Arbeit, sondern beim Lernen. Die Vorstellung, dass es Kinder und Schüler gibt, finde ich nirgendwo problematisiert. Mit diesen Vorstellungen verbunden bleibt eine bestimmte Notwendigkeit zu führen, denn wer wollte Kinder antiautoritär sich selbst überlassen? In der Produktion ist das Führen durch die betriebliche Arbeitsteilung gegeben. Es geht dabei nicht um Vorgesetzte, die führen, sondern um das Auftrennen von Tätigkeiten in eine Planung, die als solche führt, und eine Ausführung, wobei im Wort ausführen das führen invertiert wird. Diese Aspekte des Führens hat H. Braverman bei K. Marx verortet und später nicht mehr angetroffen und ich habe nach H. Braverman auch nichts mehr dazu lesen können. Bei K. Marx habe ich - durch A. Leontiew, bei uns durch K. Holzkamp publik gemacht - die Tätigkeit als Aneignung gefunden. Auch A. Leontjew argumentiert als Psychologe und begreift die Aneignung vor allem als Lernen. Die Handlungsfähigkeit wird als Resultat eines Lernprozesses begriffen. Dabei wird - von K. Holzkamp übernommen - die Fähigkeit thematisiert, nicht die Handlung oder die Tätigkeit, die abstrakt als Teilhabe an einer Kontrolle gesellschaftlicher Verhältnisse bleibt. Als gesellschaftliche Verhältnisse sehe ich nicht das Resultat von Fähigkeiten, sondern das Resultat von Tätigkeiten. Als Tätigigkeit bezeichne ich in Anlehnung an A. Leontjew das, was als Identität erhalten bleibt, wenn Handlungen ersetzt werden. Schreiben etwa bleibt Schreiben, auch wenn ich keinen Bleistift mehr verwende, also andere Handlungen ausführe. Als Gesellschaft begreife ich eine bestimmte Form die produktive Tätigkeit zu organisieren, worin eingeschlossen ist, dass Subjekte handlungsfähig werden, aber nicht einer Fähigkeit oder eines gattungsgemässen Wesens wegen, sondern dazu, dass sie arbeiten können. Die kapitalistische Gesellschaft - und andere Gesellschaften kenne ich nur als Projektionen - organisiert gemäss K. Marx relevante Teil der Tätigkeit als Lohnarbeit. Und Lohnarbeit ist der Inbegriff einer aufgehobenen Tätigkeit, in welcher die einen Menschen als Lohnnehmer Instrumente der andern sind. Kritisch ist in diesem Sinne die Lohnarbeit und mithin jede Gesellschaft überhaupt. Unabhängig von ökonomischen Zusammenhängen und den durch sie begründeten Wissenschaften - was Ute Osterkamp bezüglich der Motivationspsychologie, die sie dann trotzdem machte, anschaulich herausgearbeitet hat - begreife ich mich als Subjekt einer Gemeinschaft, die auch darin ihren Ausdruck findet, dass sie sich sprachlich reflektiert. Darin, wie ich spreche, erscheint meine Subjektivität in einer Relation zum Du, mit dem ich mein Leben teile. Weil die Ausdrücke "Praxis" und "Lebenspraxis" kompliziert besetzt sind, spreche ich Practise, wenn ich das führerlose gemeinsame Praktizieren meine. Im Dialog sage ich nicht, was der Fall ist, sondern spreche darüber, was ich wie wahrnehme. Und wenn ich andere nicht führe oder gar verführe, sagen sie, was sie beobachten. K. Marx hat die Lohnarbeit gesehen und für mich sichtbar gemacht. Die Haugs und die Holzkamps haben mir sehr geholfen, meinen Marx zu lesen, ohne dass ich dabei Marxist oder gar richtiger Marxist werden musste. Ich denke darüber nach, in welchem Practise ich gut - und besonders wie darin die gesellschaftliche Arbeit - aufgehoben wäre.

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Hebdo-Karikatur im Tages Anzeiger - Januar 14, 2015

hebdo_tagi2Heute morgen um halb acht Uhr (14. Jan 2015, 7.30 Uhr) hat der Chefredaktor des Tages Anzeiger in einem eigenen Artikel begründet, warum der Tages Anzeiger die neusten Diffamierungen des Hebdo nicht veröffentlicht. Um neun Uhr waren die Zeichnungen - ohne Begründung - zu auf der Titelseite des online-Tages Anzeiger zu sehen. Man könnte über die Verhältnisse im sogenannten Qualitätsjournalismus nachdenken ... Ich denke nochmals über Karikaturen nach, indem ich die Re(D)aktion dieser Qualitätszeitung beobachte. Einerseits hat der Chefredakteur Gründe angeführt, die ich beobachten kann, und andrerseits weiss ich bereits, dass diese Gründe praktisch hinfällig sind. Der Chef - der sich zu seinem Irrtum schon vorweg bekannte, indem er vor seinen Kollegen bei der "Charlie Hebdo" den Hut gezogen hat - irrte sich. Da wie dort, gibt es objektive Kommunikationsnotwendigkeiten, die ich unbedarft als Einschaltquoten bezeichnen würde. Ich lese beim Chefredaktor des Tages Anzeigers "Die Redaktion [des Charlie Hebdo] hält am Recht fest, Mohammed zu karikieren". Ich lese aber nicht, woher sie dieses Recht hat. Dann schreibt der Chef: "Tagesanzeiger.ch/ zeigt die Mohammed-Karikaturen im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht. Nicht aus Angst oder weil er sich als Medium an das Bildnisverbot dieser Religion gebunden fühlt, sondern aus Rücksicht auf diese breit geteilte Empfindlichkeit." Ich lese nicht, woher der Chef weiss, wie breit diese sogenannte "Empfindlichkeit" bei wem vorhanden ist. Ich glaube, dass das  eine Stunde später, als die Bilder trotzem all publiziert wurden, als Gesäusel des Chefs gesehen wurde. Ich beobachte aber vor allem die Selbstverständigung, die im Text erscheint. Der Chefredakteur unterscheidet Satire und Karikatur offenbar nicht oder allenfalls wie die Wikipedia, die meint, Karikatur sei gezeichnete statt geschriebene Satire. Das, was ich als Karikatur bezeichne, braucht kein Recht, sie braucht allenfalls Verstand. Der Witz der Karikatur liegt nicht  darin, dass sie gezeichnet wird, sondern darin, dass sie selbstbezüglich ist. Die Satire dagegen nimmt andere auf Korn, sie ist Spott oder Spucke, ob sie nun gezeichnet oder geschrieben ist. Satire ist in diesem Sinne eine Gratwanderung, die ein Recht braucht, weil sie immer das Recht eines anderen verletzt, das Recht, nicht verletzt und auch nicht angespuckt zu werden. In der Schweiz gibt es dazu sogar verfasstes Recht gegen sogenannten Rassismus, das insbesondere auch Angehörige von Religionsgemeinschaften schützen soll. Jedes Recht reflekiert Machtverhältnisse, jedes Recht kennt Richter, die sagen, wie es anzuwenden ist und die Macht haben das so durchzusetzen. Wenn es ein Recht auf Satire gäbe, gäbe es kein Recht. Es gibt aber ein Recht gegen Satire, die in den Augen der Macht zu weit geht. Und um einem blöden Missverständnis vorzubeugen, es geht hier nicht darum, wie die Begriffe definiert werden. Es geht nicht darum, was Karikatur wirklich oder gemäss Wikipedia bedeutet. Es geht um die entscheidende Differenz, ob ich mich in einer Karikatur erkennen kann oder ob ich angespucktes Opfer einer Satire bin. Es spielt dabei keine Rolle, ob der Ausdruck Karikatur so oder so verwendet wird. Es spielt aber eine Rolle, ob der Tages Anzeiger und sein Chefredakteur wissen, was sie tun, auch eine Stunde später noch.

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Karikaturen (Pegida) - Januar 12, 2015

islamismusEine Karikatur in der Zeitschrift Cicero vom 12 .1.15 lässt mich nochmals über Karikaturen und Karikiertes nachdenken. Eine Karikatur beinhaltet mich, oder sie ist eine zerschnittene Karikatur, die nur andere hinstellt, also keine Karikatur. In einer Karikatur muss ich mich erkennen können, tendenziell so, wie es mir gar nicht recht gefällt. In der abgebildeten Karikatur von Cicero habe ich die Wahl mich als ein Terrorist oder als ein Hasser zu sehen, also so oder so als Terrorist. Das gefällt mir nicht nur tendenziell nicht, sondern gar nicht, egal wie übertrieben es gemeint sein könnte. Die naheliegenste Beobachtung könnte sein, dass andere gemeint sind, aber dann wäre es für mich keine Karikatur, sondern eine Beleidigung von anderen. Eine Karikatur ist eine Zeichnung, das heisst ich muss sie beobachtend aneignen, sonst existiert sie für mich nicht. In der Aneignung könnte ich quasi distanziert erkennen, was ein andere gezeichnet hat. Dann könnte ich ihm zurechnen, dass er ein Karikatur gezeichnet hat, sich selbst also mitgemeint hat, oder dass er andere beleidigen wollte. Darüber sagt eine Zeichnung aber nichts, das müsste ich zurechnen. In einer mehr empathischen Aneignung wie sie im Dialog praktiziere, versuche ich die Zeichnung selbst nochmals zeichnen, also die Zeichnung als meine Zeichnung zu sehen. Dabei erfahre ich etwas über mich oder darüber, wie ich mich sehe oder eben nicht sehen mag und nicht sehen kann. Natürlich bin ich auch bezüglich meiner Zeichnungen in meinen Deutungen gefangen. Ich weiss nicht, wie andere meine Zeichnung interpretieren. Aber ich weiss, dass ich die Zeichnung, die ich im Cicero sehe, so nicht zeichnen will. Ich zeichne sie anders, ich zeichne mich als Publikum dazu. Natürlich muss ich auch meine Zeichnung so beobachten, dass sie mich beinhaltet, wenn sie eine Karikatur sein soll. Und natürlich habe ich auch bei meiner Zeichnung die Option, mich darin nicht zu erkennen, also ein Publikum zu meinen, zu welchem ich nicht gehöre. Wer gehört schon gerne ins Publikum? Wenn ich mich in meiner Karikatur erkenne, habe ich die Wahl, mich als Terrorist oder als Publikum zu sehen. Diese Wahl gefällt mir auch nicht. Aber ich sehe mich. Das ist der Sinn der Karikatur. Ich sehe mich so, wie es mir nicht gefällt. Ich sehe, dass ich ins Publikum versetzt werde. Und ich frage mich, wie mir das passiert. Würde ich je irgendwo hingehen und zuschauen, wo Terroristen oder Islam-Hasser, also Terroristen am Werk sind? Würde ich hingehen und klatschen oder buh-rufen? Würde ich sie mit meinem hingehen in ihrem Schauspiel bekräftigen und gar ermöglichen wollen? Würde ich sie unterstützen, und sei es nur so, dass ich ihre Gegner unterstützen würde? In meiner Karikatur sehe ich mich als Opfer von Medien. Meine Karikatur macht mir bewusst, dass ich den "Karren vollständig überlade" (caricare), wenn ich mich als Opfer sehe. Ich bin aneignendes Subjekt, die Karikatur zeigt mich nur dort, wo ich das nicht wahrnehme, etwa meine Wahrnehmung mit einer Realität entschuldigen will.

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Textproduktion - Januar 8, 2015

In der Alltagsprache hat sich der (un)sinnige Ausdruck "Textverarbeitung" eingebürgert, was ich als Ausdruck einer blanken Begriffslosigkeit zur Textproduktion interpretiere. Als Textproduktion bezeichne ich tautologischerweise die Produktion von Text. Was ich als Produktion bezeichne, folgt einem Zweck und einem Plan, ist Ausdruck davon, dass ich als Produzent etwas Bestimmtes erreichen will. Das, was ich mit Text erreichen will, kann ich unter verschiedenen Gesictexthtspunkten beobachten. Wenn ich Text produziere, mag ich eine von Menschen interpretierbare Aussage im Kopf haben und etwas mitteilen wollen, aber sicher will ich zuerst, dass mein Text überhaupt gelesen werden kann. Wenn ich Text herstelle, produziere ich einen materiellen Gegenstand der sinnlich wahrgenommen werden kann und soll. Wenn ich beispielsweise einen Hammer produziere, produziere ich auch einen Gegenstand mit einem bestimmten Zweck. Auch ein Hammer ist ein Gegenstand, den ich als geformtes Material sehen und sinnvoll verwenden kann. Texte verwende ich wie beispielsweise Signalflaggen oder Verkehrszeichen als Symbole, aber wenn ich ein Symbol herstelle, stelle ich eigentlich den Zeichenkörper her. Ich produziere beispielsweise eine dreidimensionale Graphitstruktur auf einem Papier. Wenn ich einen Hammer produziere, folgt dessen Form seiner Funktion und meiner eigenen Beschaffenheit, da ich ihn die Hand nehmen können muss. Wenn ich Text produziere, mache ich das in einer Schrift, die mir vorgibt, wie ich die Textartefakte gestalte und in einer Sprache, die mir vorgibt, wie ich die Artefakte anordnen kann. Schrift und Sprache sind aber kein Dinge sondern Teil eines Handlungszusammenhangs. Ich stelle Text her, nicht Schrift oder Sprache. Die quasi handwerkliche Produktion von Text bezeichne ich als Schreiben, womit ich eine Differenz zwischen schreiben und abschreiben bezeichne. Beim Abschreiben - wie es vor dem Buchdruck etwa in Klöstern gemacht wurde - ist die Herstellung von Text nicht mit irgendwelcher "geistiger" Autorenschaft verbunden, sondern eine Produktion von Artefakten, bei welcher ich Werkzeuge verwenden kann und die deshalb auch mechanisiert und automatisiert werden kann. Mechanisieren und automatisieren kann ich nicht den Text, sondern dessen Produktion. Das, was ich mit einem Werkzeug oder mit einem Automaten produziere, ist das Artefakt, nicht dessen Bedeutung. In diesem Sinne kann ich genauer sagen, was ich hier als Text bezeichne: jede durch eine Grammatik generierte Menge von materiellen Buchstabenketten, unabhängig davon, wozu ich sie verwende. Als Texte sind sich ein Computerprogramm und ein Liebesbrief gleich. Die Produktion von Text begreife ich mit den Kategorien der technologisch entwickeltesten Form, also anhand der Textproduktion mittels Computern, was wesentlich mehr umfasst als das blosse Schreiben. Unter dem Aspekt eine Zweck-Mittel-Verschiebung zähle ich das Herstellen der Produktionsmittel zur Produktion. Das Herstellen von Bleistift und Papier gehört so gesehen zur Textproduktion. Ich kann mit dem Finger in den Sand schreiben. Darin sehe ich - retrospektiv - die primitivste Textproduktion, die in einem buchstäblichen Sinn unmittelbar, ohne Mittel ist. Alles, was dem darin angestrebten Zweck dient, zähle ich zur Entwicklung der Textproduktion. Als erstes verwende ich einen Stab anstelle meines Fingers. Damit führe ich ein Werkzeug ein. Spätestens wenn ich mit einem Meissel in den Stein schreibe, wird mir bewusst, dass mein Text ein Trägermaterial braucht, weil ich dann verschiedene Materialien unterscheiden kann. Auf Fels statt auf Sand gebaut. Die anfängliche Unmittelbarkeit kann ich relativieren. Ich kann sehen, dass der Sand ein Stück der Erde ist und dass mein Finger als autopoietisches Werkzeug fungiert. Die nächste Unterscheidung ist die Trennung von Text und Textträger, die beim Schreiben in den Sand wie später nochmals beim Schreiben auf Lochkarten aufgehoben ist. Wenn ich mit Graphit, Tinte oder Blut schreibe, trage ich ein Material auf ein anderes auf. Wenn die Textzeichen wie etwa bei Reklameschriften aus geformte Neonlichtröhren, in stabil genug sind, können sie orthogonal zum Trägermaterial, beispielsweise auf einem Hausdach stehen. Die nächste Unterscheidung ist die geronnene Form, die meine Formgebung beim Handschreiben ersetzt. Ich kann eine Schablone oder einen Stempel verwenden. Dann kann ich den Stempel mit einer Schreibmaschine mechanisch bewegen. Ich kann den Stempel so organisieren, dass ich sie mit einer Druckerpresse mehrfach verwenden kann, was einerseits zu einer Vervielfältigung führt, und andrerseits das Schreiben und die Textherstellung voneinander trennt. Eine nächste Unterscheidung ist die dissipative Textstruktur am Bildschirm, bei welcher der Text durch elektrisch veranlasste Materialveränderung produziert wird, so dass der Text quasi in der Schwebe bleibt und sich verschieben oder verändern lässt. Im Computer schliesslich können Texte selektiv reproduziert und rekombiniert werden. Die Textproduktion wird durch den Prozessor vermittelt, mittels welchem beliebige Textkonserven zusammengefügt und überschrieben werden können. Der Text nimmt dabei verschiedene Codierungen an, die an Bildschirmen oder Printern demoduliert werden. Hypertext lässt den Leser entscheiden, wie der Text zusammengesetzt wird. Durch die Vernetzung der Computer kann der Text auch an einem ganz anderen Ort produziert werden als er schliesslich erscheint. Die hier beschriebene Entwicklung ist die Entwicklung der Textproduktionsmittel.

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die Aneignung des Subjekts - Januar 2, 2015

Aneignung ist ein ung-Wort. Ich bezeichne damit eine Hypostasierung des Aneignens. Das Aneignen rechne ich einem Subjekt zu. Ich eigne mir an, wodurch ich eigentlich (eigen und eigenartig) werde. Als Aneignung im engeren Sinne bezeichne ich in einer Anlehnung an die Kulturhistorische Schule das Ergebnis meiner Tätigkeit, durch die ich meine Umwelt in der Form gestalte, dass ich mich darin erkennen kann. Der psychologische Aneignungsbegriff der kulturhistorischen Schule fokussiert die Gestaltung der gesellschaftlich-historischen Lebensbedingungen. Prototypisch etwa eigene ich mir eine als gesellschaftliche Leistung verstandene Sprache an, und kann dann durch meine eigenen sprachlichen Beiträge den kulturhistorischen Prozess unterstützen. Als Aneignung wird dabei meine Fähigkeit gesehen, Worte sinnvoll zu sagen oder zu schreiben, die gesellschaftlich entwickelt wurden. Die Aneignung wird dabei vor allem auch als Aneignung eines begrifflichen Verständnisses der Verhältnisse verstanden. Die naturwüchsig ursprünglichste Aneignung bezeichne ich als Autopoiese, in welcher ich mich selbst - wenn ich von ewig lebenden Seelen und Keimzellen und allen vorausgesetzten Unterscheidungen absehe - zunächst hervorbringe, indem ich Material der Welt aneigne und anschliessend Material von der auf diese Weise von mir getrennten Umwelt aufnehme und so verarbeite, dass es mein eigen Körper wird. Entwicklungspsychologisch gesehen mag ich anfänglich lange Zeit kein - eigenes - Bewusstsein für Aneignung, Material oder Umwelt haben und biologisch gesehen kann ich wohl auch lange nicht von einem - eigenen - Körper sprechen. Aber darin sehe ich keinen Grund meine subjektive Aneignung nicht als Autopoiese zu begreifen, in welcher ich mich so entwickle, dass ich mich schliesslich von meiner Um-Welt unterscheiden und diese aneignen kann. sammlerIn einer noch naturwüchsigen Vorstellung, die in der Robinsonade gut beschrieben ist, eigne ich mir das Wasser an, das ich aus einem Bach trinke, oder die Beeren, die ich im Wald finde. Ich eigne mir das Werkzeug an, das ich herstelle und die Früchte des Bodens, den ich bearbeite. Ich eigne mir das Tier an, das ich erlege oder zähme. Diese Aneignungen verdoppeln sich in einer Aneignung von Fähigkeiten bis hin zur Sprache, in welcher ich die Aneignung reflektiere. Ich erlebe mich als Subjekt dieser Aneignung, durch die ich Subjekt erst werde. In jeder Tätigkeit folge ich einem Plan, dem ich als Subjekt dann unterworfen bin. So sehe ich mich auch als Subjekt meiner - eigenen - Sprache, in welcher ich nur sagen kann, was ich sagen kann. Dass ich sprechen kann, ist zunächst Ergebnis einer Aneignung wie dass ich schwimmen oder Werkzeuge herstellen kann. Dass ich über mich und über meine Aneignungen sprechen kann, macht für mich möglich, mich als Subjekt zu beobachten und zu erkennen. Als Subjekt sehe ich meine Aneignung als subjektive Leistung. In einer Aussensicht kann ich beobachten, wie ich in der Aneignung auf eine Umwelt reagiere, aber meine eigene Umwelt erzeuge ich erst durch meine eigene Aneignung. Diese Geschichte wird oft auch in Form von Konstruktivismen erzählt. Mir geht es aber nicht darum, ob und inwiefern es eine Wirklichkeit wirklich gibt, sondern darum wie ich beobachte und wie ich mein Beobachten beobachte. Einer verbreiteten Ansicht zufolge könnte ich unterstellen, dass es Systeme - jenseits meiner Aneignung - gibt. Ich könnte davon ausgehen, dass es eine Gesellschaft oder eine Sprache gibt und dass diese Gesellschaft vorgibt, was ich anzueignen habe. Dabei würde ich meine eigene Tätigkeit aufheben. Genau das mache ich, wo ich Eigentum aneigne, worauf ich unten zurückkomme. Ich will nochmals zu meiner Robinsonade zurückkehren. Robinson lebt - bis zur kritischen Wende - alleine. Die Aneignungen, die ich bisher erläutert habe, kann ich um eine ganz bestimmte Art der Aneignung erweitern, sobald andere Menschen ins Spiel kommen. Als Vorbild dienen mir sozusagen Tiere, die nicht andere Tiere jagen, sondern anderen Tieren deren Beute abjagen. Ich kann mir die Früchte der Arbeit von anderen Menschen aneignen. Dagegen mag die Moral oder irgendwelche Menschenrechte sprechen, aber unter dem Gesichtspunkt der Aneignung spielt Moral keine Rolle. Vielmehr scheint die naturwüchsige Aneignung gar nicht als Enteignung, weil die Natur, deren Material ich aneigne, gar keine Ansprüche äussert. Auch Tiere, die ich mir aneigne, sprechen nicht zu mir, auch wenn ich mit hinreichender Empathie erkennen könnte, dass Tiere unter meiner Aneignung leiden können. Andere Menschen dagegen erkenne ich gerade daran, dass sie so handeln wie ich. Die Robinsongeschichte ist zu Ende, wo andere Menschen und deren Aneignungen ins Spiel kommen und damit meine Aneignungen betreffen. Ich unterscheide Aneignungen, die die Autopoiese von anderen einschränkend betreffen. Wasser im Bach gibt es vielleicht genug, dass andere unabhängig davon, ob ich davon trinke, auch davon trinken können. Wenn ich aber etwas Gegenständliches erarbeitet habe, ist diese Sache individuell. Die Früchte des von mir bearbeiteten Boden eigne ich oder eben ein anderer an. Und die Früchte der Arbeit von andern sind für mich - jenseits von Moral - Früchte, die ich aneignen kann - wenn ich denn kann. Auf dieser Stufe der Aneignung wird diese auch potentielle Enteignung. Zur Aneignung von Fähigkeiten schreibt H. Braverman eine interessante Beobachtung. Handwerker in den USA der 1920-er Jahre können sich ihr Können schrittweise aneignen, indem sie zu jeweils entwickelteren Tätigkeit zugelassen werden, nachdem sie zuerst eine gewisse Zeit auf einem tieferen, schon beherrschten Niveau gearbeitet haben. In diesem Fall wird die Aneignung von Fähigkeiten beschränkt, obwohl diese Fähigkeiten keine unmittelbare Enteignung darstellen - was H. Braverman als Zerstückelung des Arbeiters infolge des Babbage-Prinzips relativiert. Enteignung impliziert eine vorangegangene Aneignung. Wenn ich ein Werkzeug herstelle, kann es mir deshalb weggenommen werden, weil ich es zunächst durch meine Herstellungstätigkeit angeeignet habe. Wenn mir ein Werkzeug weggenommen wird, wenn ich enteignet werde, erscheint mir die Sache als zunächst naturwüchsiges Eigentum, als etwas, was ich angeeignet, aber dann nicht mehr habe. Als Eigentum bezeichne ich in diesem naturwüchsigen Sinn, was mir weggenommen werden kann, ohne dass meine Autopoiese unmittelbar betroffen ist, wie das etwa bei einem allfälligen Handel mit meinen Organen der Fall wäre. Eigentum hab ich in diesem naturwüchsigen Sinn ausschliesslich in meiner gegenständlichen Um-Welt. Eigentum wird im naturwüchsigen Naturrecht oft mit Kategorien der Aneignung entwickelt. Ich beobachte dagegen die Aneignung in einer Differenz zum Eigentum. So wie die Anatomie des Menschen ein Schlüssel zur Anatomie des Affen liefert, liefert Eigentum die Kategorien der Aneignung. Die Andeutung auf das Entwickelte kann ich im Unentwickelten nur sehen, wenn ich das Höhere schon kenne. Dann rekonstruiere ich nicht die Aneignung als Vorstufen des Eigentums, sondern die Beobachtung der Aneignung durch die entsprechenden Unterscheidungen. Ich kann den Boden, den ich bearbeite, einzäunen. Dafür mag es verschiedene Gründe geben. Ich kann beispielsweise mit dem Zaun zu erreichen versuchen, dass sich nicht andere die Früchte meiner Arbeit aneignen. Ein entsprechender Zaun kann bestimmte Tiere davon abhalten, ein Zaun kann auch andere Menschen davon abhalten. Der Zaun kann andere Menschen auch davon abhalten, den eingezäunten Boden für eigene Früchte zu bearbeiten oder eigene gezähmte Tiere dort weiden zu lassen. Der Zaun kann in diesem Sinne einen Anspruch auf den Boden markieren, der nicht einer vorangegangenen Tätigkeit folgt - wenn ich vom "performativen" Einzäunen absehe. Das Besetzen durch besitzen im Sinne von draufsitzen, ist eine naturwüchsige Argumentation. Wenn ich ein Haus baue, eigne ich mir neben dem Haus auch den Boden an, auf welchem das Haus schliesslich steht. Wer mir das Haus streitig macht, nimmt mir zwangsläufig auch den Boden, auf dem es steht. Das Haus auf dem Boden gehört mir, weil ich es herstellt habe, aber der Boden unter dem Haus wird dadurch nicht mein Eigentum. Boden kann nicht tätig angeeignet werden. Im Eigentum ist die hier gemeinte Aneignung aufgehoben. Mit Eigentum bezeichne ich nicht eine Aneignung, sondern eine Enteignung. Wenn ich Boden aneigne, indem ich ihn bebaue, erzeuge ich noch kein Rechtsverhältnis. Erst wenn ich den Boden in irgendeinem Sinn vermiete, mache ich ihn zu meinem Eigentum. Der historisch typische Fall ist der "real estate" des Adels mit dem Lehen und der materiell wichtige Falle ist das Bebauenlassen durch andere Menschen. Im ersten Fall wird Rente "angeeignet", im zweiten Fall Arbeitskraft. Beides ist Enteignung - die aber im verfassten Recht als eigentliche Aneignung von vermeintlich herrenloser Sache bezeichnet wird. Bildquelle: Wikipedia

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das „autopoietische“ Subjekt - Dezember 28, 2014

escher_haende_mechanisch Als Subjekt bezeichne ich eine Differenz zwischen Subjekt und Objekt, in welcher ich Objekte schaffe, wodurch ich zum Subjekt werde. Differenziell ist das Subjekt die zunächst nicht markierte Seite der Objekt-Unterscheidung. Man kann - K. Marx tut es in seinem Bienen-Baumeister-Beispiel - das Subjekt als seinem eigenen Plan des herzustellenden Objektes Unterworfenes sehen. Als Hersteller unterwerfe ich mich meinem Plan. In dieser subjektbegründenden Reflexion steht am logisch-genetischen Anfang die reflektierte Arbeit, in welcher ich - vor jeder Reflexion - Artefakte herstelle, indem ich Material forme und so zum verursachenden Hersteller des mir als gegenüberstehenden Objektes (Gegenstand) werde. Als generalisiertes Objekt sehe ich (schliesslich auch) mich als Objekt, das ich durch die Kategorien beschreibe, die ich als toolmaking animal bei der Herstellung von Objekten generiere. Bildlich gesprochen sehe ich mich - etwa im Spiegel - wie jede hergestellte Sache und zu jedem Objekt erkenne ich einen Hersteller. Den nicht auffindbaren Hersteller bezeichne ich zunächst als Schöpfer und dessen Objekte schliesslich als Resultate einer Autopoiese oder eben einer "Selbst-Herstellung". Ohne Hersteller hergestellte Objekte, die ein mechanisches Verhalten zeigen, bezeichne ich dann als autopoietische Maschinen. Als autopoietischen Maschine ziehe ich in der Selbstherstellung eine materielle Grenze zwischen mir und meiner Umwelt, die ich exemplarisch als Haut bezeichne. Die Haut und was diesseits der Haut ist, reproduziere ich in meiner Autopoiese unter Verwendung von Material, das ich jenseits meiner Aneignung als meine Umwelt auffasse. Ich nehme "Nahrung" aus meiner Um-Welt auf, um mich selbst in einem Fliessgleichgewicht fortlaufend herzustellen, was statisch betrachtet als ein Erhalten meiner Selbst erscheint. Damit bleibe ich materiell Teil der materiellen Welt, in welcher ich mich dadurch hervorbringe, dass ich durch meine Haut ein Innen und ein Aussen trenne und die innere Seite der Unterscheidung als meinen Körper markiere. Als Subjekt beobachte ich mich in einer Innenperspektive einer autopoietischen Maschine, in welcher ich spezifische Teile des Verhaltens der Maschine als meine Tätigkeiten beobachte, die mich als jenes Subjekt begründen, das ich mittels des Ausdruckes "ich" referenziere. In einer logischen Buchhaltung zu meinem Beobachten oder Sprechen unterscheide ich, wie sich die autopoietische Maschine "selbstherstellt" und wie ich als autopoietische Maschine mein Tätigsein beobachte, also anhand von - in der Konstruktion getroffenen - Unterscheidungen darüber spreche. In der Aussensicht erkenne ich, wie sich die Maschine als Resultat einer Selbstorganisation hervorbringt, sich also - etwa in einer Homöostase durch fortwährende Zellteilung - reproduziert. Dabei kreuzt die sogenannte Nahrung die Haut und wird dabei von Umwelt in Körper verwandelt, während Teile des Körpers diesen verlassen, indem sie die Haut entgegengesetzt kreuzen und wieder Um-Welt werden. Die gängige Redeweise dazu lautet, dass die Summe der Materie konstant sei. Die Bezeichnung "autopoietische Maschine" begreife ich als quasi-paradoxe Metapher, die dafür steht, dass sich eigentliche Maschinen nicht selbst herstellen, dass ich aber meine Beschreibung mit Unterscheidungen mache, die ich in der Werkzeugherstellung, also im Handlungszusammenhang Arbeit begründe. Die autopoietische Maschine zeigt dann wie jede Maschine ein mechanisches Verhalten, in welchem beispielsweise ein Herz Blut durch einen Kreislauf pumpt, also als maschinelle Pumpe fungiert, die durch eine neuronale Steuerung kybernetisch geregelt wird. In einer Innensicht der "autopoietische Maschine" beobachte ich das Verhalten, durch welches ich mich reproduziere, als Tätigkeit im weiteren Sinn. Konstruktiv beschreibbare Aspekte von Tätigkeiten bezeichne ich als Operationen. Jene Operationen, die ich steuern kann, deute ich als Handlungen oder Tätigkeiten im eigentlichen Sinne. Ich will die Beliebigkeit meiner Unterscheidungen nochmals hervorheben. Meine inneren Organe tun, was sie tun, ohne dass ich mich als Verursacher davon wahrnehme. In dieser Hinsicht ist mein Körper wie eine "Maschine". Diese Tätigkeiten verändern meine Um-Welt nicht unmittelbar, sie betreffen zunächst nur mich und natürlich die materielle Welt insgesamt. Wenn ich atme, trinke oder esse, nehme ich Material aus meiner Umwelt in meinen Körper. Ich kann das tun oder lassen, weshalb ich es als Tätigkeit betrachte. Ich verändere damit meine Um-Welt, aber ich nehme das nicht als Formgebung in meiner Umwelt wahr, obwohl sich auch die Form meiner Umwelt ein wenig verändert, wenn ich im Wald eine Beere pflücke und esse. Wenn ich beim Essen etwas zerkaue, verändere ich das Material, aber ich verändere es in meinem Innern. Ich bin dann zwar tätig, stelle aber keine Objekte her, die mir als Umwelt begegnen. In genetischlogischer Hinsicht erkenne ich bevor ich mich selbst als Objekt beobachte, Objekte, die ich in dem Sinne herstelle, als ich Material in meiner Um-Welt - zweckmässig - so (ver)forme, dass es mir besser dient. Diese Tätigkeit bezeichne ich als Arbeit. Auch hier sehe ich nur eine fliessende Abgrenzung, deren Entwicklung ich in der Herstellung von Werkzeugen abgeschlossen sehe. Deshalb könnte ich mich - wenn ich mich gerne als Tier sehen würde - auch als "toolmaking animal" bezeichnen, also das "toolmaking" als spezifische Differerenz einer Definition verwenden. Diese Geschichte wird oft so erzählt, dass Tiere ins Spiel kommen, die bestimmtes Verhalten auch zeigen. Tiere sind in dem Sinne auch tätig, wenn sie beispielsweise fressen, und sie arbeiten, wenn sie beispielsweise Nester bauen. Man kann dann darüber streiten, ob Tiere auch Werkzeuge haben und inwiefern sie eine Arbeitsteilung kennen. Aber für meine Bestimmung der Arbeit spielt natürlich keinerlei Rolle, was Tiere auch können, wesentlich ist welche Unterscheidungen ich verwende und wie ich sie allenfalls plausibilisiere. K. Marx etwa schrieb im bereits zitierten Bienen-Beispiel: "… eine Biene beschämt durch den Bau ihrer Wachszellen manchen menschlichen Baumeister. Was aber von vornherein den schlechtesten Baumeister vor der besten Biene auszeichnet, ist, dass er die Zelle in seinem Kopf gebaut hat, bevor er sie in Wachs baut. Am Ende des Arbeitsprozesses kommt ein Resultat heraus, das beim Beginn desselben schon in der Vorstellung des Arbeiters, also schon ideel vorhanden war." Ich weiss nicht, was eine Biene "im Kopf" hat, und Aussagen darüber, was im Kopf eines Baumeisters passiert, sehe ich als psychologische Spekulation. Im Sinne von Objekten sehen kann ich, wenn Baumeister Konstruktionspläne herstellen, wobei man natürlich auch bei Konstruktionspänen wiederum sagen könnte, dass sie zuerst "im Kopf" waren. Ich kenne keine Tiere, die Konstruktionspläne zeichnen und auch keine, die Maschinen verwenden, aber das finde ich hier ohne Relevanz, weil es mir nicht um das Menschliche geht, sondern darum, was ich als subjektkonstituierende Tätigkeit bezeichne. In einer subjektiven Perspektive bezeichne ich die Autopoiese als Aneignung von Material aus der Umwelt. Bild-Quelle Shane Willis

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Pegida - Dezember 17, 2014

Zuerst gab es in der real existierenden pegidaDemokratie Parteien, im Wes(t)entlichen Varianten der SPD und der CDU, die ihrerseits typische Varianten sind. Die Parteien waren (und möchten es bleiben) die Substanz der real existierenden Demokratie, die deshalb (beispielsweise von Luhmann) als Parteiendemokratie bezeichnet wird. Die Ideologien und die Führer der Parteien, die auch regieren, variieren innerhalb des durch Kapitalinteressen gegebenen Rahmen relativ stark, aber die Parteien bleiben (noch). Dann gab es eine Anti-AKW-Bewegung, womit die Idee der "Bewegungen" verwirklicht wurde. Bewegungen, die ein bisschen Erfolg hatten, wurden sofort Parteien. Aus der Anti-AKW-Bewegung wurden die "Grünen", die letzte parteige Bewegung bezeichnete sich als "Piraten", um die Gefahr zu bannen, eine gewöhnliche Partei zu werden. Hat nicht funktioniert. Schliesslich - weil die Amerikaner den Europäern immer etwas voraus sind - entstand die Tea Party als Prototyp einer Bewegung, die keine Partei wird, weil sie deren zentrales Muster negiert. Bewegungen sind gegen die Regierungen, was etwas ganz anderes ist als die parteiische Opposition, die zwar gegen die jeweils aktuelle Regierung, aber nicht gegen Regierung überhaupt ist. Im Commonsense der Parteien sind Bewegungen unsinnig, weil sie das hergebrachte parteidemokratische Spiel nicht mitspielen. Die zunächst normalste - und in gewisser Weise treffendste - Kritik der Parteien an den Bewegungen lautet, dass sie nicht demokratisch seien. Wenn Bewegungen aber ein gewisses Volumen erreichen, werden Bewegungen von den Parteien als Parteien mit einem untauglichen Programm gesehen, weil Parteien eben nur Parteien sehen können - was ja dem Wortsinn von Partei entspricht. In Deutschland gibt es Montagsdemos, die typische "Bewegungen" sind. Die erste Welle war gegen die Parteiregierung der DDR, die zweite Welle war gegen das Parteien-Regierungsprogramm "Hartz", und jetzt gerade läuft eine neue Welle gegen die Regierung, die einer Einwanderung - von nur namentlich Asylanten und Islamisten - nichts entgegensetzen will oder kann. Ich finde die Bezeichnung "Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" ist eine ziemlich gute Übersetzung von "Tea Party". Während im Ausdruck "Tea Party" mit dem Wort Partei noch gespielt wird, wird die Partei in Deutschland ganz negiert: Alle Menschen sind Patrioten, sozusagen parteilose Brüder, wenn sie zusammen eine familiäre Kultur bilden. Ich bin kein Parteimitglied und sehe deshalb nicht nur Parteien. Und die Selbstbeschreibbungen von Bewegungen irritieren mich nicht, auch wenn sie mich an die Selbstbeschreibungen von Parteien erinnern, die immer für alle sprechen, obwohl sie Partei sind. So wie die Mitglieder der CDU ein Deutschland für "alle" jeweils Gemeinten wollen, so wollen auch die Pegida-Patrioten nur Gutes für Alle (Gemeinten).  

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Die Nutzung der Natur – Ecopopulismus - November 25, 2014

ecopopHanspeter Guggenbühl bringt im Kontext der Ecopop-Abstimmung ein paar Gedanken ins Spiel, die für mich hinreichend PEINlich sind, um sie zu reflektieren. Er schreibt: "Die Nutzung der Natur wird von drei Faktoren bestimmt. Erstens vom Konsum pro Person (gemessen in Geld). Zweitens vom Naturverbrauch (Rohstoffe, Land etc.) pro Konsumeinheit. Drittens von der Zahl der Personen. Diese Formel wird in der Regel nicht bestritten." Diese "Formel" ist keine Formel sondern eine blöde Leier. Von einer "Nutzung der Natur" zu reden, ist die erste Blödheit. Die Natur, was immer das sein soll, kann nicht "genutzt" werden. Ich kann Erdöl oder Kohle "nutzen", aber nicht die Natur. Der "Konsum pro Person" ist die zweite Blödheit. Ich messe den Konsum JEDER Person in Franken. Meinen Konsum vergleiche ich mit dem Konsum von anderen Menschen - auch in Franken. Es ist nicht nur blöd, sondern eine brutale Aggression, wenn man mir sagt, dass ich und irgendein anderer zusammen sehr reich seien und sehr viel konsumieren. Es ist wie wenn der Fischer zum Wurm sagt: Komm lass uns angeln gehen. Von einem Naturverbrauch zu sprechen ist blöd, wenn Warenverbrauch wie sogenannte Rohstoffe gemeint sind. Und wenn Waren gemeint sind, dann messe ich mit Geld, das nicht pro Kopf ausgegeben wird, sondern von individuellen Menschen. Die Zahl der Personen zu thematisieren ist nicht nur blöd, sondern "herrenmenschiger" Malthusianismus. Wer von zu vielen Menschen in der Natur spricht, negiert mich, weil ich mich als einen der vielen Menschen sehe - wohl immer in der Absicht mein Geld oder euphemistischer meine "Naturnutzung" auch noch zu bekommen.

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Demokratie - November 21, 2014

schweiz1Der Soziologe H. Wilke plädiert für Technokratie. Er beobachtet eigens dazu "eine Schweizer Demokratie", von welcher es selbst sagt, dass sie seine Interpretation darstelle, weil es per se keine Demokratie gebe. Er fingiert "Demokratie" als Wesen, das anstelle von Menschen handeln kann. Was immer ich als Demokratie bezeichne(n würde), "es" kann nicht überfordert sein. Überfordert können allenfalls Menschen sein, etwa wenn sie sich die Aufgabe geben, ihr Zusammenleben sinnvoll zu organisieren. Die "Schweizer Demokratie", die ich fingiere, war immer ein Waffenstillstandsvertrag unter Ungleichen. Sie hatte nie das Ziel oder den Zweck das Zusammenleben einer Gemeinschaft sinnvoll zu gestalten. Die Verfassung beschreibt die sich laufend ändernden Bedingungen, unter welchen sich keine Parteien bilden, die sich mit Waffen wehren. Der Sklavenhalter Aristoteles hat die Demokratie als Herrschaftsform des Eigennutzes gefürchtet, weil er die noch nicht differenzierte Polis im Auge hatte, in welcher die Bürger bezüglich Bewaffnungsfähigkeiten noch etwas gleicher waren als in den Demokratien, die heute existieren. F. Dürrenmatt der in den "Physikern" modernere Waffen beschrieben hat, meinte: Die Welt wird entweder untergehen oder "verschweizerdemokratisieren".

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binär, dual, dezimal ? - November 8, 2014

Viele Menschen verwenden "binär" wie im nebenstehenden Beispiel - aber wohl selten bewusst - synonymbinaer zu dual, indem sie etwa die Stellenwertdarstellung von Zahlen im 2-System als binär bezeichnen. Das ist natürlich nicht falsch, sondern zeigt einfach wie jedes Synonym, dass eine Unterscheidung - die durch zwei verschiedene Ausdrücke impliziert wird - nicht gemacht wird. Natürlich sind die Ausdrücke binär und dual arbiträr, aber sie unterliegen einer Vereinbarung, die ich mir bewusst machen kann. Ich unterscheide, ob ich von der Wertebereichen von Variablen spreche, oder von der Darstellung von Zahlen. Den Ausdruck "binär" verwende ich für als Fremdwort für "zweiwertig" zur Charakterisierung einer Variable, die nur zwei Werte annehmen kann. Ich verwende "binär" also terminologisch gebunden für einen bestimmten Fall von Zweiwertigkeit. Ein Türe kann offen oder geschlossen sein, sie kann aber auch halboffen oder angelehnt sein. Wenn ich den Zustand der Türe in einer Variablen darstellen will, kann ich für diese Variable 2 oder x Werte verwenden. Wenn ich nur zwei Werte verwende, ist die Türe in der Darstellung immer offen oder zu. Die Türe ist keine Variable sondern ein Türe. In meiner Darstellung (der jeweiligen Messoperation) verwende ich aber eine Variable, die ich als "binär" bezeichne, wenn sie nur die beiden Werte "offen" oder "zu" haben kann. Viele Geräte - insbesondere on/off-Schalter - sind so konstruiert, dass sie sich immer in einem eindeutigen Zustand befinden. Die Zahl "zwölf" beispielsweise kann ich davon abgesehen, dass ich ihren Namen als Wort schreiben kann, durch Ziffern darstellen. Wenn ich sie durch Ziffern darstelle, kann ich beispielsweise die römischen "Ziffern" verwenden, die keine Stellenwertsystematik haben. Ich schreibe dann XII, womit ich keine Buchstaben meine. Ich kann "zwölf" in einer anderen Notation oder Syntax so schreiben: 12. Dabei impliziere ich die Vereinbarung, dass 10 verschiedene Ziffern verwendet werden, und dass die 1 in diesem Beispiel durch ihre Position für 10 steht, weshalb ich von einer dezimalen Darstellung spreche. Schliesslich kann ich "zwölf" in einer weiteren Notation so schreiben: 1100. Dabei impliziere ich die Vereinbarung, dass nur 2 verschiedene Ziffern verwendet werden und dass die 1 ganz links durch ihre Position für 8 steht. In diesem Fall spreche ich von einer dualen Zahlen-Darstellung. Das hat mit Variablen nichts zu tun. 1100 ist keine Variable sondern eine Zahl. In der Alltagssprache wird auch oft von einem binären Code gesprochen. Damit wird normalerweise ein Code gemeint, welcher ein beliebiges Alphabet einem andern zuordnet, in welchem nur zwei Zeichen verwendet werden. Die allfällige Konfusion hat einen praktischen Hintergrund: Ein paar Computerpioniere erkannten, dass Prozessoren, die auf der Grundlage von binären Variablen mit einer dualen Zahlendarstellung technisch wesentlich einfacher zu konstruieren sind. Das Unterscheiden von 10 Zuständen für 10 Ziffern ist viel aufwendiger als das Unterscheiden von 2 Zuständen. Wenn man die Ziffern, wie heute üblich, z.B. als elektrische Spannungen kodiert, müsste man den 10 Ziffer 10 verschiedene Spannungen zuweisen. Mit einer fünfstelligen Zahl lassen sich in der dualen Systematik zwar nur 32 unterschiedliche Werte kodieren, aber die technischen Bedingungen sind wesentlich günstiger. Die Konstruktion der Prozessoren beruht auf Schaltungen mit zwei Zuständen, was als binäre Variablen aufgefasst werden kann, und damit verbunden auf einer dualen Darstellung der Zahlen, was zu der umgangssprachlichen Vermischung der Begriffe führte. Allerdings sind auch "Zahlen" eine funktionale Interpretation von Prozessorzuständen. Der Prozessor kennt keine Zahl, sondern ausschliesslich Schalterzustände.

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Systeme sind Theorie(n) - Oktober 26, 2014

D. Baecker schreibt in seinem Blog The Catjects Project über "Complex Systems in Social Theory", dass Systeme Theorie seien, nachdem er im Beitrag zuvor geschrieben hat, dass es keine Systeme gebe. Er schreibt, Systeme werden von Beobachtern intellektuell erzeugt und mit anderen Beobachtern beredet, also zur Sprache gebracht. Diese Redeweise könnte suggerieren, dass Systeme in dem Sinne "Theorie" seien, dass sie jenseits des Intellekts keine Existenz haben. Vordergründig scheint damit die Luhmannsche Theorie umgekrempelt zu werden. Aber natürlich kann man die Luhmannsche Theorie auch so interpretieren: Alles existiert nur im Geschwätz. Ich beobachte hier nicht die Existenz von Systemen, sondern die Sprache, die D. Baecker verwendet. Ich erkenne ein Grundmuster der Luhmannschen Darstellungsweise, die darin besteht, durch sprachliche Ambivalenz begrifflich in einer spezifischen - artifiziellen - Weise unverbindlich zu bleiben: Bezeichne, aber sag nie, was Du bezeichnest. Ein Schema der Kunstkritik, das sich in der politischen Oekonomie bewährt. Umgangssprachlich sage ich von einer Aussage, dass sie "Theorie" sei, wenn ich sie abwerten will, indem ich sie einer Wirklichkeit gegenüberstelle. Als Theorie bezeichne ich in diesem Sinne intellektuell-ausgedachte Konstruktionen, welchen der Bezug zur Wirklichkeit fehlt. "Theorie" ist dann ein Synonym zu Geschwätz. D. Baecker aber sagt, dass Systeme Theorie seien. Er sagt also Systeme, wo ich in Bezug auf Theorie von Aussagen spreche. Und vielleicht meint er, dass Systeme intellektuell-ausgedachte Konstruktionen seien? Die Aussage, dass Systeme Theorien sind, kann ich als verkürzte Redeweise begreifen. Als Theorie bezeichne ich die gegenständliche Reflexion einer Anschauung in Form eines Textes, den ich als spezifische Erläuterung interpretieren kann. Als System bezeichne ich das Referenzobjekt einer entsprechenden Theorie. Die Theorie ist in diesem Sinne kein System, sondern beispielsweise eine Aussage darüber, wie ich etwas als System wahrnehme. Die in der von mir unterstellten sprachlichen Verkürzung erzeugte Ambivalenz beruht auf der Aufhebungen eines Referenzobjektes. Das System wird zur Leerstelle der Theorie. Die Aussage, wonach es keine Systeme gibt, bedeutet dann, dass der Ausdruck System nichts, also kein Referenzobjekt bezeichnet. In der Kybernetik sind Systeme Mechanismen, also spezifische Aspekte von herstellbaren Maschinen. Das Standardbeispiel ist der Mechanismus einer thermostatengeregelten Heizung. Eine solche Heizung steht in meinem Keller, die kybernetische Beschreibung betrifft die Funktionsweise der Regelung, die in der Heizung verkörpert ist. Die Heizung ist kein System sondern eine Heizung. Die Heizung existiert in einem ganz schlichten materialistischen Sinn - ich kann sie sehen und anfassen, also unter physikalischen Gesichtspunkten vermessen. Das System hat diese Existenzweise nicht. Daraus folgt nicht, dass Systeme nicht existieren, sondern dass die Frage, ob es Systeme gibt, sinnlos ist - und natürlich sind es auch die beiden möglichen Antworten. Die "sozialen Systeme" - also das, wofür sich D. Baecker vor allem interessiert - sind in seiner jetzt vorgelegten Notation Hypostasierungen von Theorien, die soziale Verhältnisse beschreiben. Ich habe vor jeder Theorie Wörter wie Gesellschaft oder Familie für Verhältnisse, die ich sinnlich nicht wahrnehmen kann. Im Geschwätz kommen also soziale Systeme ganz unabhängig davon, wie es sie gibt, vor. Und die Verhältnisse, die ich im Geschwätz als Gesellschaft bezeichne, sind auch nicht durch Theorien begründet. Theorie begründet lediglich eine je ganz spezifische Sicht auf ihr Referenzobjekt, respektive auf das durch sie geschaffene Referenzobjekt. In diesem Sinn teile ich die Aussage, dass es keine Systeme gibt, als Aussage, dass es nichts gibt, was mich zu einer bestimmten Sicht zwingt. Und ich teile die - die von mir unterstellte - Aussage, dass Systeme Objekte von Theorien sind. Dabei unterscheide ich allerdings, ob ich durch eine kybernetische Theorie Maschinen beschreibe, die es jenseits dieser Theorie gibt, oder ob ich soziale Verhältnisse beschreibe, die ich auch durch andere Theorien sehen kann.big_brother Die sozialen Systeme, die es in den Augen von N. Luhmann gibt, zeigen vor allem, dass N. Luhmann eine reaktionäre Theorie pflegt, in welcher gerade die Systeme existieren, die unter den gegeben gesellschaftlichen Verhältnissen jenseits von Theorie durchgesetzt werden: Wirtschaft, Recht, Wissenschaft, Religion, Erziehung - die Ereignisse der Dystopie.

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die „2-Systeme-Theorie“ - Oktober 16, 2014

In seiner Modifikation der Theoriearchitektur der Luhmannschen Systemtheorie, die ich als Inversion, nicht als Modifikation sehe, schreibt D. Baecker unter anderem auch : "Überhaupt entsprach es guter Sitte bei Galileo Galilei (Vergleich des ptolemäischen mit dem kopernikanischen System) ebenso wie bei Claude Henri de Saint-Simon und Auguste Comte (Vergleich des feudalen und theologischen mit dem industriellen und wissenschaftlichen System), von einem System erst dann zu sprechen, wenn es davon mindestens zwei gab, die als Sachhypothesen oder historische Entwicklungsstufen einander gegenübergestellt und miteinander verglichen werden konnten." Da ist nicht die Rede von einer System-Umwelt-Differenz, sondern von einer Restaurierung der “Engstinterpretation”, in welcher jeweils mindestens zwei "Systeme" beobachtet werden. Diese "Systeme" können zwei sich widersprechende Beobachtungen zur vermeintlich selben Sache (ptolemäisches versus kopernikanisches  System) sein oder zwei Beobachtungen, die verschiedene Stufen einer Entwicklung (feudales versus industrielles System) darstellen. Die beiden Beispiele machen deutlich, dass D. Baecker mit seinem Systembegriff Theorien, nicht die Gegenstände der Theorien im Auge hat. Das Planetensystem lässt verschiedene Betrachtungen zu, wird aber kaum einen eigene Sicht auf sich selbst haben. Die unterstellten Gesellschaftsform(ation)en repräsentieren episodische Betrachtungen, die im Commonsense als Fortschritt derselben staatlichen Organisation erzählt werden. In beiden Fällen sind die Systeme Geschichten, die eben auch anders erzählt werden können. Ich will dazu auch eine Geschichte erzählen. Im aufgeklärten Mittelalter wurden hypothetische Konstruktionen wie etwa jene von Kopernrevolutionikus als System bezeichnet. System hiess eine ausgedachte Erklärung, die man nicht beweisen konnte, weil sie auf Hypothesen, also auf angenommenen Unterstellungen beruhte. Im Streit über das heliozentrische Planetensystem sagte der Kardinal Bellarmino sagte zu G. Galilei: "Sei vernünftig: Bezeichne deine Ideen als Hypothesen, sonst sind sie Ketzerei". Man kann den Rat des Kardinals so interpretieren, wie es offenbar G. Galilei auch getan hat: Hätte G. Galilei seine Ideen als Hypothesen bezeichnet, hätte er zugegeben, dass er nicht weiss und nicht wissen kann, ob er recht hat. Sein ganzes System wäre nur eine Denkmöglichkeit gewesen - was es in meinen Augen tatsächlich ist. N. Kopernikus und G. Galilei benutzten das heliozentrische Planetensystem als Erklärung für bestimmte Phänomene am Sternenhimmel, die sich natürlich - wie jedes Phänomen - auch anders erklären liessen. Der üblichen Geschichte zufolge meinte G. Galilei, die Wahrheit zu kennen, auch wenn er sich dafür nicht verbrennen lassen wollte. Er schwor nur ab, um später zu sagen: "Und sie dreht sich doch!" K. Popper sagte viel später als der Kardinal nochmals, dass man Hypothesen nur falsifizieren, nie aber verifizieren kann. Deshalb bleibe die Wissenschaft immer hypothetisch. Dass sich die Erde dreht, und dass sie sich um die Sonne dreht, sind - wissenschaftlich gesehen - noch nicht einmal Hypothesen. J. Konorsky verdeutlicht mit seinem Pawlow-Hunde-Experiment auch, dass es dem Kardinal Bellarmino wohl nicht um die Falsifizierbarkeit von Hypothesen ging - denn G. Galileis Hypothesen sind so schwer zu falsifizieren wie jene von I. Pawlow. Wenn man die entsprechenden Versuche macht, wird man ziemlich sicher auch die prognostizierten Resultate erhalten. Der Kardinal wollte lediglich, dass G. Galilei seine Konstruktion als eine mögliche Erklärung bezeichnete. Der Kardinal wusste eben, was Erklärungen und was Hypothesen im Sinne der Systemtheorie sind, auch wenn er von Systemtheorie wohl noch nie gehört hatte. I. Newton sagte explizit, was G. Galilei vielleicht schon meinte: "Hypothesis non fingo" (Ich erfinde keine Hypothesen). A. Einstein zeigte, dass I. Newton nur nicht merkte, auf welchen "Erfindungen" er sein System aufbaute. G. Galilei und I. Newton sahen ihre blinden Flecken nicht. G. Galilei sah nicht, wo er steht (Perspektive) und I. Newton sah nicht, dass er im absoluten Raum und in der Zeit argumentierte. Mir gefallen die "Modifikationen", die D. Baecker vorgeschlagen hat. Ich interpretiere sie nicht als "engste" sondern als ursprünglichste Systemtheorie, als Kybernetik 2. Ordnung.

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Gibt es (soziale) Systeme? - Oktober 15, 2014

escher_haendeD. Baecker schlägt in seinem Beitrag "Es gibt keine sozialen Systeme" eine paradoxe Re-Inversion der Luhmannschen Systemtheorie vor. N. Luhmann sagte, dass seine Überlegungen davon ausgehen, dass es Systeme gibt. Ich unterstelle, dass N. Luhmann vor allem auch soziale Systeme meinte. D. Baecker sagt nun, dass es keine sozialen Systeme gibt. Ich unterstelle, dass er Systeme generell meinte, sich also im Prinzip auf die Kybernetik bezieht, die von N. Luhmann invertiert wurde. Die Aussagen, wonach es Systeme gibt oder nicht gibt, sind sinnleer, wenn sie keine Deutung haben. In der Notation von N. Luhmann liegt die Deutung in den Anschlüssen, in der neu vorgeschlagenen, alten Notation von D. Baecker gibt es den Beobachter, der für die Aussage zuständig ist - wenn er sie denn macht. H. Maturana sagte, dass jede Aussage von einem Beobachter stamme. Die Aussage, wonach es keine Systeme gibt, ist ambivalent wie die Aussage, wonach es keine Einhörner gibt. Ich weiss sehr genau, was ein Einhorn ist, ich kann ohne weiteres darüber sprechen, ohne zu sagen, was es gibt oder nicht gibt. Und genau so, kann ich sagen, was ich als System bezeichne. Als System bezeichne ich einen geregelten Mechanismus genau dann, wenn ich dessen Verhalten in der Erklärung eines Phänomens beschreibe. In diesem Kontext spielt es absolut keine Rolle, ob es Systeme gibt. Die Aussage, dass es Systeme gibt, ist paradox. N. Luhmann hat die Paradoxie bewusst in Kauf genommen, um den Beobachter, mit welchem die Kybernetik die wissenschaftliche Objektivität verworfen hat, wieder los zu werden. Der Witz der Luhmannschen Theorie besteht darin, Aussagen zu entkoppeln. Die kritische Frage dabei wäre nicht, ob es Systeme, sondern ob es Aussagen über Systeme oder Beobachtungen gibt. Die Wissenschaft, die N. Luhmann vorschwebt, macht Aussagen, die nicht von der spontanen Verfassung eines Beobachters abhängig sind. Das entspricht dem Wissenschaftsideal von K. Popper, der im Positivismusstreit, in welchem N. Luhmann auf seiner Seite kämpfte, die Beliebigkeit von Hypothesen postulierte. In so verstandener Wissenschaft geht es um den Gehalt der Hypothesen, nicht darum, weshalb es Hypothesen "gibt", und schon gar nicht darum, wer die Beobachtungen gemacht hat. Bei N. Luhmann werden Hypothesen als Teile der Kommunikation überhaupt erst zu solchen, wenn sie - egal wie und von wem - aufgegriffen werden. Aussage darüber, was es gibt oder nicht gibt, gehören in die Wissenschaft, die durch die kybernetische Systemtheorie in der Formulierung des radikalen Konstruktivismus aufgehoben wurde. Als radikalen Konstruktivismus bezeichne ich dabei eine Theorie, die die Frage danach, was es - wirklich - gibt, sinnlos macht. Aber die Theorie steht als Anschauung zur Disposition. Ich kann wählen, ob Anhänger einer Wissenschaft oder einer Religion sein will. Ich kann wählen, welche Fragen ich stelle. Die konstruktivistische Frage lautet nicht: Wie erkläre ich mir, dass es  mich gibt, sondern wie erkläre ich mir, was ich mir erkläre. In einem groben Missverständnis darüber, was es gibt, sagte ein Freund von mir einmal zu seiner Frau, er wisse gar nicht, ob sie wirklich existere. Sie hat ihn darauf verlassen, was seine Frage nicht beantwortet hat.

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Das Wort „Bildschirm“ - September 10, 2014

bildschirm"wortistik"  auf blogs.taz.de sucht dann und wann neue Wörter für Wörter, die es schon gibt, die aber nicht so glücklich gewählt scheinen. Während ich mich gerade mit dem Ausdruck Textverarbeitung befasse, geht es dort aktuell um den Bildschirm: "Bei der zunehmenden Wichtigkeit von Bildschirmen im Leben der, wage ich zu behaupten, Mehrheit der DeutschsprecherInnen, ist ein sich aus alten Röhrenfernsehern erklärendes Wort unschön. Der Stand der Massentechnik sind flache, digitale Abspielgeräte für Lichtbilder.” In einem Preisausschreiben werden für den besten Vorschlag 40 Euro geboten. Da spiele ich natürlich gerne mit, schon wegen des doppelten Preises: viel Geld UND ein neues Wort. blackbox_innenMich interessiert abgesehen vom grossen matereillen Gewinn natürlich auch die Sprache als solche. Ich beobachte Perspektiven auf Artefakte. Im barrierfreien Commonsense werden Artefakte durch Verwendungsbeschreibungen tabuisiert. Anstelle davon, was es ist, wird gesagt, was ich damit mache. Im Beispiel: Der Schirm IST ein DING, ich spanne ihn auf, um bei Regen im Trocknen zu bleiben. Ich würde dann im Commonsense also anstelle von Schirm "mich-trocken-Halter" sagen. Das Ding Schirm dagegen würde ich rekonstruktiv als aufgespanntes Tuch ... usw beschreiben und eben arbiträr als Schirm bezeichnen. Der behandelte "Schirm" wird als "Stand der Massentechnik sind flache, digitale Abspielgeräte" beschrieben. Gewonnen hat im Wettbewerb "Seh-und-Tastfläche". Das ist ein verdienter Sieger, weil damit die allgemeine Perspektive barrierefrei bedient wird. Es geht dabei nicht darum, was das Ding macht, sondern - egozentrisch, anthropologistisch - was ich mache. Denn das Ding sieht und tastet natürlich nicht. In der verwendeten Perspktive sehe ich eine eigenwillige Wendung der Kybernetik, in welcher gefordert wurde, die Frage, was ist es, durch die Frage, was macht es, zu ersetzen. Mich interessiert, warum die Kybernetik damit so erfolglos geblieben ist. Meine Arbeitshypothese: der Commonsense behandelt lieber das "ich" als das "es". Die Alltagssprache lädt mich ein, über mich zu sprechen und das "es" aussen vor zu lassen. M. Buber hat dazu im Aufsatz "Ich und Du" als zwei Ich-Formen unterschieden: Ich-Du versus Ich-Es

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Textverarbeitung als (un)sinnig gewählter Ausdruck - September 8, 2014

textverarbeitung"Textverarbeitung" würde in meinem Sprachgefühl - wenn auch recht eigenartig - bezeichnen, was Lesende tun, wenn sie versuchen, einen Text zu verstehen. Textverarbeitung wird aber in der Alltagsprache für etwas ganz anderes verwendet, was ich hier kritisch reflektieren will. "Textverarbeitung" ist ein gängiger Ausdruck für etwas, von dem Du schon weisst, was ich meine, auch wenn ich es nicht umschreiben könnte. Man sagt, ein deutscher IBM-Manager habe das Wort in die Sprache gebracht - wohl um etwas zu benennen, wofür er keinen Begriff hatte  (1). "Denn eben, wo Begriffe fehlen, Da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein". Ich erachte Wörter als arbiträre Zeichen, ich kann keinen Grund dafür sehen, dass der Tisch Tisch genannt wird. Einige Wörter - speziell zusammengesetzte Wörter - suggerieren aber dem gesunden Menschenverstand, es gäbe einen erkennbaren oder sogar naturgegebenen Zusammenhang zwischen Ausdruck und dessen Referenzobjekt. "Textverarbeitung" würde dann wohl "Verarbeitung von Text" bedeuten, wobei die beiden Ausdrücke "Verarbeitung" und "Text" ihrerseits gedeutet werden müssten. Sprachkritisch kann ich bei zusammengesetzten Wörtern - wobei natürlich auch das Zusammengesetztsein eine Unterstellung ist - beobachten, was in der Zusammensetzung ausgedrückt wird. Ich kann kritisch etwa beobachten, wie die Teilwörter konventionell verwendet werden und in welch anderen Zusammensetzungen sie vorkommen und was in diesen Fällen allenfalls suggeriert wird. Im Falle des Ausdruckes "Textverarbeitung" beobachte ich in diesem Sinne "Verarbeitung" und "Text". Verarbeitung wird konventionell auf Material bezogen, etwa im Ausdruck Metallverarbeitung. Ich kenne keine Ausdrücke, in welchen Verarbeitung auf Produkte bezogen wird. Es gibt die Holzverarbeitung, aber nicht die Tischverarbeitung. Es gibt aber - das ist hier wohl keine ganz zufällige Analogie - die sogenannte Datenverarbeitung. Textverarbeitung könnte als "sekretärinnen"spezifische Datenverarbeitung gedeutet werden. In der IBM gab es damals eine richtige Datenverarbeitung und eben das, was Sekretärinnen mit dem Computer machten. Dabei stellt sich die Frage, was Daten sind und immer noch, aber jetzt zugespitzt die Frage, was mit Text gemeint ist. Als Text erscheint in diesem Kontext eine Menge von Daten, die in dem Sinne Text ist, als sie wie ein Brief, ein Buch oder Formularinhalte gelesen werden kann. Und als Daten gelten ebenso umgangssprachlich diffus umgekehrt Zeichen, die nicht in diesem umgangssprachlichen Sinn gelesen werden können. Wenn ich Textverarbeitung via den Ausdruck Datenverarbeitung interpretiere, müsste ich mich fragen, inwiefern Daten Material und nicht etwa Produkte sind - und die Frage auch in Bezug auf Text stellen. Eine andere Interpretation besteht darin "Verarbeitung" in diesem Kontext als inhaltliche Verschiebung zu deuten, in welcher statt von der Maschine, mit welcher gearbeitet wird, von "Verarbeitung" gesprochen wird. Diese Deutung wird durch Ausdrücke wie Textverarbeitungssoftware, -programme oder -systeme nahegelegt, die das Werkzeug sozusagen anhängen. Auch in diesem Fall würde ich sprachkritisch beobachten, wo in analoger Weise von einer Wortschöpfung mit "-ung" verwendet wird. Ich breche hier diese sprachkritischen Erwägungen ab, indem ich eine weitere, mehr psychologistische Deutung vorlege: "Text" wird im Kontext der Textverarbeitung nicht als Produkt einer Maschine gesehen. Ich verwende "in" oder während der Textverarbeitung zwar eine Maschine, aber der Text als Text scheint davon in dieser Perspektive nicht betroffen. Als Text erscheint in der Perspektive des IBM-Managers das, was er schreibenderweise meint, sozusagen der Inhalt, den er mittels einer Maschinen-Sekretärin erstellen lässt. In dieser Vorstellung steht Text quasi für das geistige Material, welchem durch das Schreiben eine materielle Verkörperung gegeben wird, in dem zunächst der Körper der Sekretärin und später auch ein Computer verwendet wird. Das Herstellen von Text wird als geistiger Verarbeitungsprozess gesehen, und das, was der Computer und die ihm tayloristisch allenfalls immer noch angehängte Sekretärin macht, ist die ideele Erscheinungsform. Diese Perspektive findet ihren Ausdruck in der sogenannten "Information", die weder materiell noch energetisch ist, aber doch durch oder mittels Maschinen in Form von Daten behandelt wird. "Textverarbeitung" meint wohl auch in der Perspektive des IBM-Managers ganz jenseits von "Verarbeitung", dass Text mittels eines Computers produziere wird. Es gibt ein paar halbherzige Korrekturvorschläge, die von der Umgangssprache kaum aufgegriffen werden - wohl, weil sie die Sache noch etwas komplizierter machen. Zum einen wird von Text-BE-arbeitung gesprochen und zum andern werden "Werkzeuge" bezeichnet, die bei der Textverarbeitung verwendet werden: etwa Textverarbeitungs"programm" oder Textverarbeitungs"system". In der Wikipedia etwa werden solche Unterscheidungen durch Weiterleitungen aufgehoben. Im Ausdruck Textbearbeitung wird - wie passend auch immer - die Differenz angesprochen, dass der gemeinte Text nicht im Kopf und nicht im Geist, sondern als Artefakt am Bildschirm oder auf Papier ist. Mit dem Ausdruck "Textverarbeitungssystem" wird nicht Text, sondern ein Werkzeug, normalerweise ein entsprechend programmierter Computer bezeichnet, das bei der "Textverarbeitung" benutzt wird. Das ist etwas ziemlich anderes als "Textverarbeitung", was immer man auch mit diesem Ausdruck bezeichnen mag.

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Kybernologie (überarbeite Version) - August 28, 2014

Das ist der erste Teil einer Überarbeitung meines vorangegangenen Beitrages, der durch ein paar sehr verkürzte Bemerkungen Kritik auslöste, die ich beachten will. Als Kybernologie bezeichne ich - in Anlehnung an die Unterscheidung zwischen Technik und Technologie - eine Lehre zur Kybernetik, wobei ich die Kybernologie als Teil der Technologie begreife, weil ich die Kybernetik als Teil der Technik sehe, worin die Kybernetik auch die Informatik beinhaltet. Kybernologien explizieren - als spezifische Technologien - Weltanschauungen, in welchen die Entwicklung der Kybernetik in einem übergeordneten Rahmen gestellt und funktional gedeutet wird. Ich spreche bewusst von Kybernologien und Technologien in der Mehrzahl, weil verschiedene Auffassungen existieren. Auch die Charakterisierung der Kybernetik durch Regelungsmechanismen ist in diesem Sinne bereits eine Festlegung, der man nicht folgen muss, die aber in dieser Allgemeinheit in allen mir bekannten Texten noch geteilt wird, zumal der Ausdruck "Kybernetik" auch mit der Zustimmung von N. Wiener, von dem der Ausdruck eingeführt wurde, als Er-"Satz" für die explizite Umschreibung "zirkulär-kausale und Rückkoppelungsmechanismen" verwendet wird. In diesem Sinne setze ich Kybernetik voraus und bezeichne sie. Als "Kybernetik" bezeichne ich analog zum Ausdruck Technik, der auch auf ik endet, eine Differenz zwischen einer Theorie und einem darin reflektierten Sachverhalt. Der Sachverhalt der Technik besteht in Artefakten, die mich effizient machen, der Sachverhalt der Kybernetik besteht in der Teilmenge dieser Artefakte, die als Rückkoppelungsmechanismen Verfahren der Regelung repräsentieren, die technologisch die entwickelste Stufe der Effizienz darstellen. Die Kybernetik dient mir in bezug auf Mechanismen als Konstruktionsanweisung. Wenn ich einen Mechanismus konstruiere, beschreibe ich desen Konstruktion in einer Abbildung, die ich als Plan bezeichne, der für die Herstellung des Mechanismus Anweisungscharakter hat. Der Maschinenzeichner zeichnet, was der Handwerker anschliessend produziert. Die kybernetische Abbildung beschreibt in Form von allenfalls schematischen Programmen insbesondere auch die Funktionsweise der Mechanismen, die in Konstruktionszeichnungen nicht explizit dargestellt wird. Die Beschreibungen der Funktionsweise können differentiell als Erklärungen gelesen werden. Wenn ich beispielsweise die Funktionsweise einer thermostatengeregelten Heizung beschreibe, erkläre ich einerseits wie die Heizung funktioniert, ich erkläre damit aber auch, wie das Phänomen einer konstanten Raumtemperatur zustande kommt. Ich erkläre so also nicht nur, wie die Maschine funktioniert, sondern auch, wie das "Produkt" der Maschine zustande kommt. Als Erklärungen bezeichne ich in diesem Sinn Beschreibungen von kybernetischen Verfahren, die ich zur Erzeugung derjenigen Phänomene verwenden kann, die ich erklären will. Wenn ich erklären will, warum es in meiner Wohnung immer etwa zwangig Grad warm ist, beschreibe ich die Wirkung einer thermostatengeregelten Heizung. Die Kybernologie beschreibt in diesem Sinne, inwiefern die Konstruktion eines Mechanismus als Erklärung fungiert. Mit einer Erklärung kann ich meine Wohnung nicht heizen, ich muss das in der Erklärung beschriebene Verfahren anwenden, damit ich eine konstante Temperatur bekomme. Dazu muss ich die Heizung herstellen und in meinen Keller stellen. Das ist der Unterschied zwischen einer Erklärung und einer Maschine. Wenn ich aber die Erklärung kenne, kann ich die Maschine, deren Konstruktion mir als Erklärung dient, im Prinzip auch herstellen. Das beschreibt, was Ingenieure machen. Die Kybernologie beschreibt in diesem Sinne, inwiefern die Konstruktion eines Mechanismus eine Erklärung darstellt und inwiefern ich in Erklärungen Konstruktionen beschreibe. Deshalb verstehe ich die Kybernologie als eine Lehre des - konstruktiven - Erklärens, die nebenbei auch erklärt, wie man Maschinen konstruiert. Die bekannte Macy-Formulierung, wonach die Kybernetik Rückkoppelungsmechanismen "in biologischen und sozialen Systemen" behandelt, focusiert zu eng, weil natürlich auch technische "Systeme" mitgemeint sind. Der Untertitel von N. Wieners Kybernetik-Buch lautet quasi vollständiger "Regelung und Nachrichtenübertragung im Lebewesen und in der Maschine" und H. Maturana schliesslich bezeichnet Lebewesen als autopoietische Maschinen. Die Kybernologie als Lehre entwickelt mithin auch eine kategoriale Logik, durch welche zunächst die Entwicklung der Technik insgesamt rekonstruiert wird. Sie beobachtet die Entwicklung der Technik quasi zurückblickend durch die Kategorien der jüngsten Entwicklungsstufe. Evolutionstheoretisch ist der kybernetische Mechanismus als Automat der Schlüssel zum Verständnis aller Werkzeuge, so wie die Anatomie des Menschen ein Schlüssel zur Anatomie der evolutionär einfacheren Tiere ist. Automaten sind in dieser Perspektive nicht von Lebewesen geregelte Maschinen, und Maschinen sind Wekzeuge, die nicht von Lebewesen angetrieben werden. In dieser Logie stellt der Mensch zunächst Werkzeuge her, die er selbst antreiben und selbst steuern muss. Auf dieser Stufe hat der Mensch noch kein mechanisch-kybernetisches Verständnis von Antrieb und Regelung - sonst würde er ja Automaten herstellen. Entwicklungslogisch später verwendet der Mensch Kraftmaschinen, um die Werkzeuge anzutreiben und schliesslich konstruiert er Automaten, die durch Prozessoren gesteuert werden. Der Entwicklungsstufe der Kraftmaschine entspricht ein Bewusstsein für Energie, den Automaten entspricht ein Bewusstsein für Regelung und "Information". Auf dieser Stufe sehe ich "Welt" als einen geregelten Energieprozess und beispielsweise den Menschen als intelligent sublimierendes, kognitives Triebwesen. Als Erklärung für Phänomene erscheint dann die Funktionsweise eines geregelten Mechanismus - was natürlich mitbestimmt, was als Phänomen überhaupt in Frage kommt. * * * Der Radikale Konstruktivismus stellt - wo er nicht epistemologisch gedeutet wird - eine Variante der Kybernologie dar. Die im Konstruktivismus gemeinten Konstruktionen produzieren nicht die Welt, sondern Erkärungen.

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Kybernologie - August 14, 2014

Nachtrag am 25. Aug. 2014: Dieser Artikel hat offline zu Kommentaren geführt, die mir zeigten, dass ich das ganze nochmals gründlich überarbeiten muss. Was hier steht, finde ich nicht falsch, aber doch zerstückelt. Ich lösche das nicht, aber ich schreibe das Ganze nochmals in mehreren Folgen und etwas sorgfältiger: Kybernologie (überarbeite Version)


Hier die erste Version, die mir nicht mehr recht gefällt Als Kybernologie bezeichne ich - in Anlehnung an meine Unterscheidung zwischen Technik und Technologie - eine Lehre zur Kybernetik, wobei ich die Kybernologie als Teil der Technologie begreife, weil ich die Kybernetik als Teil der Technik sehe, die auch die Informatik beinhaltet. Ich schreibe zunächst ein paar Worte dazu, wie ich den Begriff "Kybernologie" verwende und dann ein paar generelle Bemerkungen zu (m)einer Kybernologie, die ich beispielsweise bei G. Bateson auch erkennen kann. Kybernologien explizieren - als spezifische Technologien - Weltanschauungen, in welchen die Entwicklung der Kybernetik in einem übergeordneten Rahmen dargestellt und invers eine kategoriale Logik entwickelt wird, durch welche ich die Entwicklung der Kybernetik rekonstruiert wird. Als "Kybernetik" bezeichne ich dabei analog zum Ausdruck Technik, der auch auf ik endet, eine Differenz zwischen einer Theorie und einem darin reflektierten Sachverhalt. Der Sachverhalt besteht in Rückkoppelungsmechanismen, die Verfahren der Regelung repräsentieren. Die Lehre beschreibt, dass und wie diese Verfahren als Erklärungen für Phänomene verwendet werden, die durch diese Verfahren erzeugt werden können. Der Radikale Konstruktivismus stellt - wo er nicht epistemologisch gedeutet wird - eine Variante der Kybernologie dar. Jede Konstruktion "erklärt" wie das Phänomen, das mit ihr erzeugt wird, zustande kommt. Die Kybernologie beschreibt die Kybernetik also nicht nur als Konstruktionsanweisung für Maschinen, sondern auch als generelle Erklärungsgrundlage und umgekehrt - als Anschauung - was Erklärungen sind. Ich spreche bewusst von Kybernologien und Technologien in der Mehrzahl, weil verschiedene Beobachter sich dadurch unterscheiden, dass sie verschiedene Kategorien oder Unterscheidungen verwenden. Die allgemeine Charakterisierung der Kybernetik durch Regelungsmechanismen ist in diesem Sinne bereits eine Festlegung, der man nicht folgen muss, die aber in dieser Allgemeinheit in praktisch allen mir bekannten Beobachtungen noch geteilt wird, zumal der Ausdruck "Kybernetik" auch mit der Zustimmung von N. Wiener, von dem der Ausdruck eingeführt wurde, als Er-"Satz" für die explizite Umschreibung "zirkulär-kausale und Rückkoppelungsmechanismen in biologischen und sozialen Systemen" verwendet wird. Als Kybernetik bezeichne ich den Teil der Technik, der sich mit automatischen Mechanismen befasst. Die Kybernologie sehe ich in diesem Sinne als Teil der Technologie. Als "Logie" oder Lehre bezeichne ich propagierte Weltanschaungen, also Formen von Wissen, die in genau dieser Form tradiert werden sollen. Ich unterscheide Lehre und Theorie. Alle Aussagen über Tatsachen gehören zur Lehre, während Theorien solche Aussagen quasi reflexiv plausibilisieren sollen. Die Techno-Logie begründet das Begreifen oder Denken schlechthin durch Kategorien, die in der Entwicklung der Technik generiert werden, was insbesondere auch in der Vorstellung eines toolmaking animals zum Ausdruck kommt. Mit toolmaking animal bezeichne ich in gewisser Hinsicht einen spezifischen Moment einer dort geteilten Entwicklung des Menschen. Ich unterscheide eine naturhistorische Entwicklung innerhalb des Tierreiches, die mit dem Auftreten des Menschen abgeschlossen ist, und eine sozialhistorisch Entwicklung des Menschen, die mit dem Auftreten des Menschen beginnt und in welcher sich nicht mehr der Mensch, sondern dessen Lebensverhältnisse als Kultur entwickeln. Menschen kann ich beispielsweise - wenn mir das gefällt - als toolmaking animals sehen. Dann beobachte ich im Tierreich eine Entwicklung hin zur Verwendung von Objekten, welche am Schluss den Menschen als Herstellenden hervorbringt, und eine zweite Entwicklung, in welcher sich die Menschen dadurch entwickeln, dass sie ihre Werkzeuge entwickeln. Die Technologie beschreibt in diesem Sinne vordergründig die Entwicklung der Werkzeuge. Als Lehre aber beschreibt sie die Entwicklung der Werkzeughersteller und deren Selbstverständnis als Werkzeughersteller, das sich in begrifflichen Kategorien und Konzepten zeigt, die der Technik entwickelt werden. Wo die Technologie evolutionstheoretisch beobachtet, beobachtet sie die Entwicklung der Technik quasi zurückblickend durch die Kategorien der jeweils jüngsten Entwicklungsstufe. Evolutionstheoretisch der Automat ein Schlüssel zum Verständnis der Werkzeuge, so wie die Anatomie des Menschen ein Schlüssel zur Anatomie des Affen ist. Automaten sind in einer bestimmten kybernetischen Perspektive explizit geregelte Maschinen. Maschinen sind Wekzeuge, die nicht von Lebewesen angetrieben werden. In dieser Logie stellt der Mensch zunächst Werkzeuge her, die er selbst antreiben und selbst steuern muss. Dann verwendet er Kraftmaschinen, um die Werkzeuge anzutreiben. Schliesslich konstruiert er Automaten, die durch Prozessoren gesteuert werden. Der Entwicklungsstufe der Kraftmaschine entspricht ein Bewusstsein für Energie, den Automaten entspricht ein Bewusstsein für Regelung und "Information". Auf dieser Stufe sehe und lehre ich "Welt" als einen geregelten Energieprozess und beispielsweise den Menschen als intelligent sublimierendes Triebwesen. Als Erklärung für Phänomene gilt die Funktionsweise eines geregelten Mechanismus, mit welchem das Phänomen erzeugt werden kann - was natürlich mitbestimmt, was als Phänomen überhaupt in Frage kommt. In der Kybernologie fasse ich alles, was ich beobachte, als kybernetische Systeme auf, die Rekonstruktionen von Automaten darstellen, also mit derselben Sprache beschrieben werden, mit der ich Automaten beschreibe. Automaten haben als Maschinen eine materielle Struktur, die ich in Zeichnungen abbilden kann, und eine Funktionsweise, die ich - nur - sprachlich, beispielsweise in Programmen darstellen kann - wobei natürlich auch die Idee des "Programms" in diesem Sinne unmittelbar aus der Technik stammt. Das zentrale Konzept der Kybernetik ist die sekundäre Energie, die der Steuerung von primären Energiekreisen dient, und technisch als Transistor oder als Verstärker-Relais bekannt ist. Kybernetisch werden Ströme zirkulär-kausal durch Ströme gesteuert . Das zentrale Konzept der Kybernologie besteht in einer Differenz, deren Einheit ich als Information bezeichne. Information wird dabei - umgangssprachlich - von Energie unterschieden, ist aber selbst auch wieder Energie, die zur Steuerung einer anderen Energie verwendet wird. Da die steuernde Energie im Normalfall sehr viel kleiner ist als die gesteuerte Energie, wird sie gar nicht als Energie thematisiert, sondern eben als Information bezeichnet. G. Bateson definierte "Information" als: "Der Unterschied, der einen Unterschied macht". Ich interpretiere das so: Ein Unterschied im sekundären Stromkreis macht einen Unterschied im primären Stromkreis. Die Unterschiede im sekundären Kreis bezeichnet G. Bateson "Information". Beim Radio-Verstärker etwa wird anhand eines schwachen Signals, das beispielsweise über eine Radioantenne empfangen wird, ein starkes Signal, das auf Strom aus der Steckdose beruht, gesteuert. Das Signal wird dabei nur quasi verstärkt, eigentlich wird das sekundäre Signal durch ein starkes Signal ersetzt, welches im Lautsprecher des Radios nochmals sekundär die Schallwellen steuert, die zum Ohr des Hörer fliessen. Gerade darin, dass ich dann auch das Ohr des Hörers unter diesen kybernetischen Gesichtspunkten anschaue, zeigt sich die Kybernologie als Weltanschaung, die dann als Radikaler Konstruktivismus auf den Punkt gebracht auch den Beobachter als kybernetisches System beschreibt. Ein paar inhaltliche Aspekte zum Verhältnis zwischen Kommunikation und Information werde ich später nachführen.

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Das Ich – oder: die ich-Formulierungen - August 10, 2014

Ich habe in den vorangehenden Beiträgen zur Kybernetik ich-Formulierungen verwendet. Was ich zur Kybernetik und zum Sprechen über Kybernetik gesagt habe, könnte ich diskursiv als Beiträge zu einer Diskussion über die Kybernetik lesen. Das macht für mich aber keinen Sinn, was ich durch die ich-Formulierungen ausdrücken will. "Es" geht nicht um Kybernetik sondern um den Dialog, in welchem Kybernetik Thema ist. Wenn ich ich sage, bezeichne ich differenzlogisch verschiedene Unterscheidungen. Eine dieser Unterscheidungen bezeichnete M. Buber mit "es". Ich spreche so gesehen über michh oder nicht über mich. Ich kann beispielsweise sagen, dass "es" regnet oder dass die Sonne, die dann das "es" repräsentiert, scheint. Ich sage dann etwas über eine von mir unabhängige Wirklichkeit, der ich quasi - nicht bezeichnet - ausgeliefert bin. Auf der dann nicht markierten Seite der Unterscheidung, kann ich mich natürlich fragen, warum ich überhaupt etwas zum Wetter sage - oder warum ich überhaupt etwas sage. Wenn ich etwas sage, unterstelle ich einen Hörenden oder sogar einen Zuhörenden, den ich mit Du ansprechen könnte. Eine dabei nicht ausgesprochene Unterscheidung ist das Du, das insofern als Differenz erscheint, als auch ich höre, was ich sage. Als Hörer kann ich die Unterscheidung zwischen ich und Du machen oder im Gesagten aufheben. In einer Diskussion mag es wichtig sein, wer was sagt. Im Dialog dagegen ist wichtig, wer was hört. Das Gesagte steht im Raum und es ist ohne Bedeutung von wem es gesagt wurde. Im Dialog beobachte ich, was wie gesagt wird und was ich davon unter welchen Voraussetzungen auch sagen kann. Die Worte, die ich verwende, sind nicht von mir. Ich finde sie in meiner Sprachgemeinschaft, also im Sprechen mit andern.dialogbuch3 Ich wähle Worte, die mir passen und ich erkenne durch meine Worte, wie ich meine Vorstellungen zur Sprache bringe, wodurch sie erst zu Vorstellungen werden.  Im Dialog können alle Beteiligten auch untersuchen, wie sie selbst sprechen, also untersuchen, inwiefern welche Redeweisen für sie selbst passen. Im Dialog achte ich auf die Worte. Keine Wirklichkeit zwingt mich, bestimmte Worte zu wählen. Mit der Wahl meiner Worte zeige ich - vor allem mir selbst - welche Form(ulierung) ich für adäquat halte. Ich entfalte eine Sichtweise auf Kybernetik, aber keineswegs die Vorstellung, dass jemand Kybernetik auch so sehen müsste. Ich suche im Dialog Nachahmung in Bezug auf das Entfalten von Sichtweisen, nicht in Bezug auf eine bestimmte Sichtweise.

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Kybernetik definieren – oder wer hat Angst vor Definitionen? (Teil2: (m)eine Definition) - August 5, 2014

Nachdem ich zuvor ein paar Anmerkungen zum Stellenwert (m)einer Definition zur Kybernetik gemacht habe, folgt hier nun die "Definition" mit einer weiteren Vorbemerkung: Mit der Wortendung "-ik" verweise ich in diesem Fall wie etwa bei Technik auf eine relative Indifferenz zwischen Gegenstand und Widerspiegelung, die ich dann durch die Wortendungen "-logie" in Kybernologie aufhebe, weil ich damit im Sinne eines re-enrtys eine Lehre zur Kybernetik bezeichne, die im Ausdruck Kybernetik mitgemeint ist. Als Kybernetik bezeichne ich den spezifischen Teil der Technik, in welchem es um die artefaktischen Verfahren geht, die ich als Regelung von Mechanismen bezeichne. Kybernetik entwickelt Automaten und das dazu notwendige Knowhow, während Technik sich mit allen Artefakten befasst. Als Definition führt diese Formulierung "Technik" als Oberbegriff (Genus proximum) und die "Regelung" als Kriterium (Differentia specifica) ein. Was für Technik gilt, gilt auch für Kybernetik. Im Kontext der Theorie sehe ich den Sinn der Kybernetik in der Entwicklung der Kybernologie, also in der Entwicklung des praktischen und begrifflichen Wissens darüber, wie die Regelung überhaupt funktioniert. Die Entwicklung von immer komplizierteren Mechanismen erlaubt • die praktische Lösung von technischen Problemen und • die Erklärung von immer komplexeren Phänomenen. Ein geflügeltes Wort sagt, dass Kybernetik nicht fragt, was dieses Ding ist, sondern wie es funktioniert (Ashby1974, S,15). Diese Differenz bezeichnet den Unterschied zwischen Zeichnung und Beschreibung und bezieht sich darauf, dass Maschinen - deren Funktionsweise sich in der Zeit konstruktiv nicht indentiert verändert - durch statische Abbildungen wie Zeichnungen hinreichend charakerisiert werden können, während die Regelung nur sprachlich dargestellt werden kann. Konstruktionspläne zeigen, was das "Ding" ist. Automaten dagegen, deren Eigenzustände von deren Geschichte im Sinne vorangehender Eigenzustände abhängig sind, können durch Zeichnungen nicht hinreichend dargestellt werden. Sie müssen "sprachlich", etwa durch Programmiersprachen beschrieben werden. Kybernet-ik umfasst in diesem Sinn das Teilgebiet Informat-ik, das sich mit eigentlicher Programmierung befasst. Beispiel Das Steuern eines Schiffes kann als Regelungsproblem aufgefasst werden. Der Steuermann (der griechisch Kybernetes heisst) reagiert mit seinene Anweisungen auf die Angaben über die Zielabweichungen, die er vom Lotsen bekommt. Ein anderes typisch kybernetisches System ist eine durch einen Thermostaten geregelte Heizung. Mit einem Thermostat vergleiche ich den Istwert eines Thermometers mit einem Sollwert, der als gewünschte Temperatur eingestellt wird. Eine Diskrepanz zwischen diesen beiden Werten veranlasst den Thermostaten dazu, die Heizung so zu regulieren, dass der Ist-Wert den Soll-Wert anstrebt. Mit demselben Mechanismus erklärt die Kyberetik auch die Regelung der Körpertemperatur eines Tieres, weshalb N. Wiener von welchem der Ausdruck stammt, im Untertitel seines Buches von einer "Regelung und Nachrichtenübertragung im Lebewesen und in der Maschine" gesprochen hat (Cybernetics or control and communication in the animal and the machine). Begriffsgeschichtlicher Hintergrund An einer Macy-Konferenz einigete sich die damalige, von der us-amerikanischen Armee finanzierte Wissenschaftsgemeinschaft darauf, den wienerschen Ausdruck "Kybernetik" als Er-Satz für die explizite Umschreibung "zirkulär-kausale und Rückkoppelungsmechanismen in biologischen und sozialen Systemen" zu verwenden. Ich kann nirgendwo Hinweise darauf finden, dass die Kybernetikgesellschaft den Übergang von Wissenschaft zu Engineering bewusst reflektierte. N. Wiener wählte den Ausdruck "Kybernetik" in wissenschaftshistorischer Anlehnung an das von C. Maxwell 1868 beschriebene Beispiel für Rückkoppelungsmechanismen, einen Fliehkraftregler, den C.Maxwell ”Governor” nannte, weil er im Prinzip einen Schiffssteuermann ersetzen konnte (Kybernetes ist das griechische Wort für Governor, Wiener,1963:39). ”Governor” seinerseits wurde bereits von A. Ampère im Sinne von Plato für die politische Steuerung verwendet. Bei Plato, der den Staat mit einem Schiff verglich, hiess der Steuermann Kybernetes (Ilgauds,1980,58f). Reflexiv verlangt die Kybernetik dir Unterscheidung zwischen Funktion und Funktionsweise. Die Funktion hat N. Wiener Erkenntnisse zur Kommunikation und Kontrolle in Tier und Maschine bestimmt. Inhalt oder Gegenstand der Kybernetik ist die Konstruktion von Regelungskreisen und mithin Feedback in Systemen, die offen für Energie, aber geschlossen für Information, die also 'informationsdicht' sind (W. Ashby). Die Kybernetik fragt nicht: wie können wir etwas steuern?, sondern: wie können Systeme sich selbst steuern? Zum Aspekt der eigentlichen Theorie, die ich Kyberno-logie nenne, will ich später noch mehr sagen.

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Kybernetik definieren – oder wer hat Angst vor Definitionen? (Teil1: definieren) - Juli 30, 2014

Gemeinhin wird entgegen jeder statistisch erfassbaren Erfahrung unterstellt, dass Fachleute definieren, worüber sie sprechen. Auf der Website der AMERICAN SOCIETY FOR CYBERNETICS lautet der erste Link zur Sache "Defining 'Cybernetics'". Auf dieser Seite lese ich dann aber ohne Überraschung bei den meisten herbeizitierten Autoren, dass man Kybernetik nicht definieren könne. Ich will diese vulgäre Vorstellung etwas auseinandernehmen. Sie beruht auf einer Sprachlosigkeit, die vor allem darin besteht, die eigene Sprache nicht zu reflektieren. Zuerst beobachte ich die Aussage "dass man Kybernetik nicht definieren könne" durch die Unterscheidung zwischen MAN und ICH. Ich kann Kybernetik - unabhängig davon, was man kann und unabhängig davon, was Kybernetik wirklich ist - nicht so definieren, dass meine Definition für (alle) andere(n) Menschen in irgendeinem Sinne verbindlich sein müsste. Ich kann dagegen sehr genau darüber sprechen, wie ich den Ausdruck "Kybernetik" verwende. Dabei mache ich mich aber zum Subjekt. Das heisst, ich zeige, dass ich meiner eigenen Definition oft nicht folge, also widersprüchlich bin. Darin erkenne ich den Weg des dialogischen Lernens, in meinen Widersprüchen erkenne ich mein noch nicht entwickeltes Denken. Natürlich setze ich mich damit der Kritik durch andere aus. Wenn ich Kritik und Dialog vermeiden wollte, würde ich sagen, dass MAN - egal was - nicht definieren kann. Dann beobachte ich die Aussage "dass man Kybernetik nicht definieren könne" durch die Differenz im Begriff Definition, die sich daraus ergibt, dass ich mit Definitionen Wortverwendungen vereinbare und zugleich Referenzobjekte der Wörter, also Sachen sortiere. Als Definitionen definiere ich nämlich Beschreibungen, die einen - inhaltlich gebundenen - Oberbegriff  und ein Kriterium einführen, um Gegenstände durch (Unter)-Begriffe zu klassifizieren (Genus proximum et differentia specifica). Ich definiere beispielsweise "Maschine", in dem ich sage: Maschinen sind Werkzeuge (Oberbegriff), die durch nicht lebende Energie-Lieferanten angetrieben werden (Kriterium), das heisst, alle Maschinen sind Werkzeuge, aber nicht alle Werkzeuge sind Maschinen, sondern nur jene, die ein bestimmtes Kriterium erfüllen. Und selbstbezüglich definiere ich Definitionen als Beschreibungen (= Oberbegriff), die einen Oberbegriff und ein Kriterium einführen (= Kriterium). Auf der differenziellen Seite der Vereinbarung des Ausdruckes verwende ich die Definition als Umschreibung für einen Begriff, das heisst, ich vereinbare den Ausdruck, den ich als Er-Satz für eine Definition verwende. Der Ausdruck "Maschine" steht dann anstelle eines Satzes, mit welchem ich dasselbe meine. Sinn der Definition ist aber nicht nur die Vereinbarung eines Ausdruckes oder die Erläuterung dessen Verwendung, sondern gleichzeitig die pragmatische Klassifizierung von Gegenständen. Wenn es mir nur um die Verwendung von Wörtern geht, kann ich dies auch jenseits von Definitionen vereinbaren. Ich kann beispielsweise auf einen Tisch zeigen und Tisch sagen, wobei ich unglaublich viel impliziere, aber trotzdem erfolgreich sein kann, wenn andere Menschen meine Implikationen wie auch immer teilen. Durch meine Definition der Maschine sortiere ich die Gegenstände, die ich als Werkzeuge bezeichne. Einige Werkzeuge nenne ich Maschinen, weil sie bestimmte Kriterien erfüllen, die ich in meiner Definition als Bestimmung und Abgrenzung verwende. Danach kann ich umgekehrt sagen, dass eine Maschine ein Werkzeug ist, das bestimmte Bedingungen erfüllt. Ich definiere, um  Gegenstände zu klassifizieren, und verwende nachher die Definition, um die vereinbarte Klassenbezeichnung (etwa "Maschine") zu erläutern. Natürlich macht diese Definition nur Sinn, wenn ich weiss, was ein Werkzeug ist. Sortieren oder klassifizieren ist kein sprachlicher Akt, sondern eine pragmatische Handlung, durch welche ich Gegenstände quasi in die eine oder in die andere Schublade lege, also Mengen bilde. Meine Definitionen sind Aussagen darüber, wie das mache. Indem ich Definitionen mache, mache ich mir mein Sortieren bewusst und eben auch, wo ich mit meinem Sortieren anstehe, weil die Kategorien nicht zu meinen Handlungen passen. Gegen diese Definition des Definierens gibt es zwei vulgäre Einwände. Der eine Einwand lautet, dass das Verfahren rekursiv sei und deshalb am jeweiligen Anfang - also am letzten Oberbegriff - scheitern müsse. L. Wittgenstein etwa hat im blauen Buch so argumentiert. Der andere Einwand sagt, dass solche Definitionen nur in Bezug auf sortierbare Gegenstände, also auf Dinge, die in Schubladen passen, anwendbar seien. Man könne sagen, dass Tiger Katzen und Häuser Gebäude seien, weil man Tiger und Häuser anfassen und mithin als Gegenstände genau abgrenzen könne. Beide Einwände sind formal, tun so, als ob Sprache und mithin Aussagen oder Beschreibungen jenseits einer materiellen Paxis denkbar wäre. Wenn ich etwas beschreibe oder definiere, beziehe ich mich aber auf eine Praxis, ohne deren Widerspiegelung meine Beschreibung sinnlos wären. Wenn ich über Technik oder über Kybernetik spreche, dann in der Gewissheit, was ich mit einem Hammer oder einem Computer mache, sozusagen als toolmaking animal, das seine Sprache erst entwickelt. Ich kann sagen, worauf -  auf welche Praxis - ich mich mit dem Ausdruck "Kybernetik" beziehe, ob ich damit "Kybernetik" definiere oder nicht, ist mir egal. Wenn ich sagen müsste, dass mir selbst unklar ist, was ich als Kybernetik bezeichne, dann würde ich das Wort so markieren oder gar nicht verwenden. Was ich als Kybernetik bezeichne, schreibe ich im nächsten Beitrag.

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