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Homonym: Im Commonsense (Daten - Information - Wissen) ist Wissen an eine Person gebunden, es zeigt sich in dieser
Emotion: "Ich weiss etwas". Aber wenn ich es sagen muss, dann weiss ich es doch nicht (zb sprichwörtlich: Zeit).
Redeweise: Ich weiss, dass ich es kann! Ich weiss, dass ich es weiss, es fällt mir jetzt nur nicht ein.

Wissen nenne ich Beschreibungen von Operationen, die den jeweiligen Mechanismus zu jeweiligen Zielen führen.

Beispiel:
Die Aussage "Beim Motorradfahren muss ich die Lenkstange nach links drehen (Operation), wenn ich nach rechts fahren will (Ziel)" repräsentiert Wissen, weil ich darin beschreibe, wie ich ein bestimmtes Ziel erreiche. Mit dieser Aussage zeige ich, dass ich etwas weiss. Ich kann das, was ich weiss, in einem Buch gelesen haben, ich kann es unabhängig davon wissen, ob ich Motorrad fahren kann. Und umgekehrt weiss ich, dass ich dieses Wissen einerseits nicht brauche, weil ich mit dem Motorrad schon Kurven gefahren bin, bevor ich wusste, was ich dabei mit dem eigentlich Lenker mache. Und dass dieses Wissen mich natürlich auch nicht befähigt, ein Motorrad zu fahren. Zum Fahren brauche ich "nur" das entsprechende Können.

Können braucht kein Wissen und Wissen ist - jenseits der Konstruktion von Artefakten - bei weitem nicht hinreichend zum Können.Ich kann beispielsweise hundert Bücher über das Motorradfahren (Tätigkeit) lesen. Deswegen kann ich noch lange nicht Motorrad fahren. Wenn ich dagegen weiss (etwa in Form von Konstruktionszeichnungen), wie man ein Motorrad (Artefakt) konstruiert, dann kann ich ein Motorrad konstruieren. Dabei muss ich natürlich viel Können, was mit dem Motorrad nichts zu tun hat: Ich muss beispielsweise Konstruktionszeichnungen lesen und entsprechende Maschinen, die zum Bau von Motorräder gebraucht werden, bedienen können; oder ich muss eine Fabrik managen können, in welcher die Referenzobjekte von Konstruktionszeichnungen hergestellt werden. Aber ich brauche kein motorrad-spezifisches Können, wenn ich alles über die Herstellung von Motorrädern weiss.

Wissen kann sprachlich dar-gestellt werden, Können kann vor-gestellt werden.

   

Kritische Erwägung:
In der Literatur (vor ab zum Wissensmanagement) ist oft von "tacit knowledge", also von "stillschweigendem Wissen" die Rede. "tacit knowledge" ist im Können potentiell enthaltenes Wissen, das nicht ausgesprochen ist. Mit "tacit" signalisiere ich, dass es sich gerade nicht um Wissen handelt, sondern um Orte, wo Wissen ent- oder ausge-wickelt werden könnte. Wenn ich Motorrad fahre, drehe ich den Lenker gegen die Kurve, ob ich das weiss oder ob ich das nicht weiss - weil es anders gar nicht geht. Dabei von unausgesprochenem oder unbewusstem Wissen zu sprechen, scheint mir sinnlos. Als tacit knowledge würde ich allenfalls das bezeichnen, was ich aussprechen könnte, aber nicht ausspreche, weil ich es - Geheimniskrämerei - für mich behalten will oder, weil keinen Sinn darin sehen kann, es auszusprechen.

Die scholastische Frage lautet: Habe ich Beschreibungen von Dingen, auch wenn ich sie noch nicht gesprochen oder geschrieben habe? Meine pragmatische Antwort lautet: Ich weiss es genau dann, wenn ich die Beschreibung mache. Natürlich sehe ich voraus, ob ich eine Beschreibung machen kann. Diese Voraussicht ist aber ungewiss. I. Kant hat sie als Glauben vom Wissen unterschieden.


Konstruktivistische(re) Darstellung:

E. von Glasersfeld bezeichnet Wissen als Re-Präsentation einer Präsentation, wobei beides im Subjekt geschieht. Er schreibt aber unabhängig davon und ganz kybernetisch: In einem Kontrollsystem bedeute Wissen, "wissen, welche Effektor-Funktion ein Fehlersignal, das durch ein Sensorsignal erzeugt wird, erfolgreich eliminiert" (1987:199).

Wissen heisst in diesem operativen Sinn, sagen können, wie "das System" funktioniert. Als konstruktiver Beobachter weiss ich, welchen Sollwert welches System weshalb wählt und mit welchen Massnahmen das System agiert. Das Wissen, das in konstruierten Mechanismen quasi "verkörpert" (embodied) ist, besteht einer Menge von verschachtelten Operationen, um den jeweiligen Sollwert zu erreichen, aufrecht zu erhalten oder anzupassen (Skripte) - und natürlich in der Konstrution der jeweiligen Mechanismen selbst (Frame).

Mein relatives Wissen ist vollständig, wenn ich den jeweils entsprechenden Mechanismus konstruktiv hinreichend beschreiben kann. Ich weiss also alles über ein bestimmtes Artefakt, etwa über ein bestimmtes Motorrad, wenn ich es konstruieren kann. In dieser Bestimmung von relativem Wissen mache ich zwei Abgrenzungen: 1. sage ich damit, dass ich über die Umwelt des Motorrades nichts wissen muss und 2. sage ich, dass über die Herstellung der Bauteile des Motorrades nichts wissen muss. Relatives Wissen beziehe ich auf einen abgegrenzten Gegenstand (Frame). Ein Motorradingenieur muss nicht selbst Motorrad fahren können, er muss nicht wissen, wie Kautschuk zu Motorradreifengummi verarbeitet wird, er muss nicht wissen, wie welche Abgase für das Waldsterben verantwortlich sind, usw. Er muss nur wissen, wie man Motorräder konstruiert. (So sehe ich die Differenz zur Weisheit).

Wissen brauche ich in zwei Zusammenhängen: wenn ich etwas herstellen will und wenn ich etwas erklären will.
In Erklärungen beschreibe ich Mechanismen, die ich herstellen könnte, als mögliche Inhalte von Blackboxes. Wenn ich etwa erklären will, weshalb sich eine Tempeltüre automatisch öffnet, wenn der Priester vor dem Tempel ein Altarfeuer anzündet, kann ich das mittels eines unterirdischen Mechanismus tun. Damit zeige ich, dass ich vollständig weiss, wie man dieses Phänomen produzieren kann, aber ich weiss natürlich nicht, ob es im gegebenen Fall tatsächlich so produziert wird. Ich weiss, wie es sein könnte, aber nicht, wie es ist. Aber mithin, weiss ich wie man es herstellen könnte.

Sehr oft ist auch mein relatives Wissen unvollständig. Ich kenne nur einzelne Funktionen eines eigentlichen Mechanismus oder ich kann nur eine Teilmenge der mir bekannten Funktionen erklären. Ich nenne dieses unvollständige Wissen" paradigmatisches" Wissen, wenn ich glaube, dass es sich bewähren wird. Paradigmatisches Wissen ist auf Frames bezogen, die durch neue Erfahrungen verschoben werden können (vgl T. Kuhn: Wissenschaftliche Revolutionen). Diese Art "Wissen" wird oft auch als hypothetisches Wissen bezeichnet. Die Adjektive paradigmatisch und hypothetisch drücken aus, dass das Wort Wissen so - wie bei tacit - uneigentlich verwendet wird. Ich spreche dabei von "Wissen", um auszudrücken, dass ich glaube, dem Wissen auf der Spur zu sein.

Mechanismen, die ich beschreibe sind als Artefakte externe Gedächtnisse, also auch eine Art implizites Wissen, weil sie einer eigentlichen Re-Konstruktion zugänglich sind. Das ist natürlich etwas völlig anderes als das "tacit knowledge".


weitere Erwägungen

Wenn ich weiss, dass ich beim Motorradfahren die Lenkstange nach links drehen muss, wenn ich nach rechts fahren will, weiss ich natürlich auch, was ein Motorrad ist und was Motorradfahren heisst, ich weiss, dass es Kurven und Lenkstangen gibt und ich weiss, dass der Mailänder Dom mit dem allem nichts zu tun hat. Ich weiss also nicht nur, wie das bewusste System funktioniert, sondern auch wie ich es konstruiert und abgegrenzt habe.

Kritische Erwägung:
In der KI-Literatur (auch in jener der Konstruktivisten) wird von "Embodied Systems" (und von "embodied knowlegde") gesprochen. Hinter diesen Ansätzen steckt die Entdeckung, dass Wissen nicht hinreichend für das Können ist und vor allem, dass Wissen keine Operationen, geschweige denn Handlungen ermöglicht. Mit einer noch so auführlichen und perfekten Beschreibung einer Bohrmaschine kann ich nicht bohren. Intelligente KI-Systeme, beispielsweise Roboter sollten aber etwas tun (können). Insbesondere geht es auch darum, dass die KI-Systeme so konstruiert werden, dass sie ihr Können, das als embodied knowlegde bezeichnet wird, innerhalb eines Kontextes - was als "framing" bezeichnet wird - aufbauen.

Das Embodied Systems-Konzept ist ein Reflex auf die Verwechslung von Wissen und Intelligenz, die die KI-Forschung von anfang an beherrschte. Der General-Prolem-Solver

Ich gebe ein Beispiel: Die Aussage "Paris liegt in Frankreich" ist Bestandteil von operativem Wissen, wenn ich als Schüler in einer Prüfung gefragt werde, wo Paris ist. Indem ich diesen Satz sage, hande ich im Sine eines Soll-Wertes, eines guten Prüfungsresultates. Und zwar ist dabei ganz gleichgültig, ob Paris in Frankreich liegt oder nicht, entscheiden ist, ob der Prüfend diese Antwort akzeptiert. Ich bin ein System mit Sollwert gute Note und Operation, das Richtige zu sagen. Wenn ich mit dem Auto nach Paris fahren will und wie etwa in Basel zwei Schilder sehe mit Deutschland und Franreich, dann muss ich wissen, dass Paris in Frankreich liegt, um so die richtige Richtung zu whlen. Meine Operation ist dann die richtige Spur zu wählen, dabei werde ich nichts sagen.

Und natürlich gibt es grenzenlos viel Pseudo-Wissen: Ich habe eigentlich keine Ahnung, wie meine Katze es macht, dass sie auf ihren Füssen landet, wenn ich sie fallen lasse, obwohl ich die Redeweise aus den Physikunterricht kenne, dass sie sich mit einem Gegenimpuls mit dem Schwanz drehen kann. G. Spencer-Brown sagt: Du kannst nicht wissen, was Du nicht operierst. Du weisst nicht, wie es eine Katze macht, dass sie auf die Füsse fällt, es sei denn, Du fällst selbst auf die Füsse.


Einige Definitions- oder Bestimmungsansätze (zum Nachdenken):

Wissen heisst die Menge der Eigenschaftszuschreibungen
Wissen steht für die Menge der logischen Urteile
Wissen steht für die Menge der mentale Operation
3-stufigen Modell: Daten - Information und Wissen

Wir unterscheiden im erfahrbaren Wissen ein formales Wissen, das nicht an sinnliche Erfahrung anknüpft, beispielsweise die Evidenz eines logischen Beweises.

vgl. W. Rammert: Nicht explizites Wissen in der Soziologie und der Sozionik
vgl. Gerd Antos: Nicht explizites Wissen in der Soziologie und der Sozionik

Als Wissen bezeichnet man den Erkenntniszustand allgemeiner intersubjektiv-vermittelter Sicherheit. Wissen wird von Erfahrung, Erkenntnis, Gewißheit, Empfinden, Meinen und Glauben abgegrenzt.
Wir unterscheiden zumindest drei Formen des Wissens: Wissen-Daß, Wissen-Von und Wissen-Wie. (http://www.phillex.de/wissen.htm)

Kategorien des Wissens
semantsches Wissen (Faktenwissen zu grundlegenden Konzepten)
prozedurales Wissen (Methodenwissen zur Ausführung elementarer Grundoperationen)
schematisches Wissen (zur Anwendbarkeit. Eignung, Verkmnüpfung von Methoden)
kausales Wissen (Anwendung erlernter Prinzipien in anderen Umgebungen)
nach Leddo 1996

Aristoteles unterscheidet verschiedene epistemische Stufen des Wissens, die sich folgendermaßen darstellen lassen (Metaphysik):
Wissen Mensch
Erfahrung einige Tiere im eingeschränkten Sinn; Mensch
Erinnerung die meisten Lebewesen
Wahrnehmung alle Lebewesen
Mit dieser Stufung beschreibt Aristoteles auch, wie Wissen entsteht: Aus Wahrnehmung entsteht Erinnerung und aus Erinnerung durch Bündelung von Erinnerungsinhalten Erfahrung. Erfahrung besteht in einer Kenntnis einer Mehrzahl konkreter Einzelfälle und gibt nur das Dass an, ist bloße Faktenkenntnis. Wissen hingegen (oder Wissenschaft; epistêmê umfasst beides) unterscheidet sich von Erfahrung dadurch, dass es
(i) allgemein ist;
(ii) nicht nur das Dass eines Sachverhalts, sondern auch das Warum, den Grund oder die erklärende Ursache angibt.
In diesem Erkenntnisprozess schreiten wir nach Aristoteles von dem, was für uns bekannter und näher an der sinnlichen Wahrnehmung ist, zu dem vor, was an sich oder von Natur aus bekannter ist, zu den Prinzipien und Ursachen der Dinge. Dass Wissen an oberster Stelle steht und überlegen ist, bedeutet aber nicht, dass es im konkreten Fall die anderen Stufen in dem Sinne enthält, dass es sie ersetzte. Im Handeln ist zudem die Erfahrung als Wissen vom Einzelnen den Wissensformen, die aufs Allgemeine gehen, mitunter überlegen (Met. 981a12-25).


Literatur

I. Kant (Kritik:830) schrieb: "Das Für-wahr-halten ... hat folgende drei Stufen: Meinen, Glauben, Wissen". I. Kant unterscheidet subjektive und objektive Gründe für das Wahrhalten. Wenn beide fehlen, spricht er von Meinen, wenn nur der objekte fehlt von Glauben und wenn beide gegeben sind von Wissen. Beide sind gegeben, wenn ich jemandem so sagen kann, wie er ein Motorrad bauen kann, dass er ein Motorrad bauen kann.

"Wissen" = reproduzierbare Gedächtnisinhalte (Ropohl, 1979 , 216).

"Das rasende Rennen, das heute die Wissenschaften fortreisst, sie wissen selber nicht wohin, kommt aus dem gesteigerten, mehr und mehr der Technik preisgegebenen Antrieb der Methode und deren Möglichkeiten. Bei der Methode liegt alle Gewalt des Wissens" (Heidegger, 1985, 168).

"Natur und Wort werden gemeinsam gelernt. Um es mit Michael Polanyis hilfreicher Formulierung zu sagen: das Ergebnis dieses Prozesses ist 'stillschweigendes Wissen', das durch die wissenschaftliche Betätigung und nicht durch Aneignung von Regeln dafür erworben wird" (Kuhn, 1978, 203, vgl. 203ff).
"Wir haben keinen Zugang zum Inhalt unseres Wissens, keine Regeln oder Verallgemeinerungen, mit denen sich dieses Wissen ausdrücken liesse. Regeln, die diesen Zugang ermöglichen könnten, würden sich auf Reize, nicht auf Empfindungen beziehen, und Reize werden uns nur durch eine komplizierte Theorie bekannt. Fehlt sie, dann bleibt das in den Übergang von Reiz zu Empfindung eingebettete Wissen ein stillschweigendes" (ebd, 208).

... die kognitiven Strukturen, die wir "Wissen" nennen (aus: Einführung in die konstruktivistische Erkenntnistheorie)

(Wissenschaftliches) Wissen ist die Menge der in einer (wissenschaftlichen) Sozietät akzeptierten Behauptungen, also die Menge der Beschreibungen, die einer Entität eine Eigenschaft zuordnen ("ist"-Sätze). Wissenschaftliches Wissen erfüllt im wesentlichen folgende Bedingungen: Es charakterisiert ein System, das ein zu erklärendes Phänomen erzeugt (Maturana, 1984:34f).

Eine Hypothese als falsch erwiesen zu haben ist in der Tat der Gipfel des Wissens (McCulloch 1970:154, in EvG:RK:252)

"Der entscheidende Aspekt unserer Theorie des Wissens liegt darin, dass die Idee der Übereinstimmung mit der Wirklichkeit durch die Idee des Passens ersetzt wird. Wissen ist dann gut, wenn es zu den einschränkenden Bedingunen der Realität passt und nicht mit ihnen kollidiert. Dieses Wissen muss nicht nur so erreicht werden, dass kognitive Strukturen, Schemas und Theorien geenüber neuen Erfahrungen und Experimenten viabel bleiben, sondern auch insofern, als sie mit anderen benutzten Schemas und Theorien vereinbar sind" (E.von Glasersfeld: 253)

ich weiss, weil ich weiss ..., ich weiss, was ein Baseballspieler macht, weil ich weiss, was Baseball ist (J. Searle: 12)


http://www.uselessfacts.net/jobs.html

Denn uselessfacts verrät beispielsweise, dass Honigbienen Haare auf den Augen haben, dass das menschliche Gehirn an einem einzigen Tag mehr elektrische Impulse produziert als alle Telefone auf der ganzen Welt oder dass es in Cleveland gesetzlich verboten ist, Mäuse ohne Jagdschein zu fangen.

Wissen ist Macht (Francis Bacon, 1561-1626), (aber nichts wissen macht auch nichts)


suchen wissen

ich was suchen
ich nicht wissen was suchen
ich nicht wissen wie was suchen
ich suchen wie wissen was suchen

ich wissen was suchen
ich suchen wie wissen was suchen
ich wissen ich suchen wie wissen was suchen
ich was wissen

Ernst Jandl, 1978


 
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