Ein paar kritische Anmerkungen zur
Gutenberg-Geschichte
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"Gutenberg" ist der Name einer dramatischen Geschichte, in welcher ein simples technisches Verfahren als Grundlage einer Revolution, die ihresgleichen sucht, dargestellt wird. Johannes Gutenberg, der Namensgeber dieser Geschichte, wird oft als Erfinder des Buchdrucks bezeichnet, der so die Reformation, die Renaissance und die moderne Wissenschaft wenn nicht verursacht, mindestens ermöglicht habe.

Ich erzähle die Geschichte etwas anders, also eine andere Geschichte. Ich erzähle nicht die Geschichte eines Erfinders, sonder eine technische Entwicklungsgeschichte, in welcher auch gedruckte Bücher eine Rolle spielen. Ich betrachte dabei verschiedene Stadien der Textherstellung als Lösungen von jeweiligen Problemen, die ich anhand der Lösungen rekonstruiere. Die Perspektive oder Theorie, die ich dabei zugrunde lege, entwickle ich in meinem Blog Schrift-Sprache. Hier geht es um eine Geschichte der Technik, nicht um die Geschichte von Helden, die die patriarchalische Geschichtsschreibung bevölkern. Hier geht es darum, die Erfindungen von Gutenberg als Momente einer evolutionären Entwicklung der werkzeugherstellenden Tätigkeit des toolmaking animals zu begreifen.

Die Gutenberg-Geschichten bezeichnen Gutenberg oft halbwegs bewusst verkürzt als Erfinder des Buchdruckes, und wenn sie etwas genauer bezeichnen wollen, als Erfinder des Buchdruckes-mit-beweglichen-Lettern und der Druckerpresse. Unabhängig davon, was der Held dieser Vorstellung wirklich erfunden hat, kennzeichnet Buchdruck allenfalls (s)ein Gewerbe, worin er in seiner Manufaktur gedruckte Bibeln verkauft hat. Der Ausdruck Buchdruck zeigt gut, dass nicht eine Technik sondern eine sozialhistorisch srevolutionäre Epoche gemeint ist. Das Drucken, gleichgültig mit welcher Art von Lettern und Pressen, produziert Texte oder Abbildungen, aber sicher keine Bücher. Für das Buch ist gleichgültig, ob die Seiten gedruckt sind, und für die gedruckten Seiten ist gleichgültig, ob sie zu einem Buch gebunden werden.

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In der Wikipedia steht "Buchdruck ist ein mechanischer Prozess, bei dem Schriften und Bilder in großer Anzahl auf ebenen Flächen, meist aus Papier, reproduziert werden". Weshalb dabei von Buchdruck die Rede ist, bleibt offen, vielmehr wird nicht nur gesagt, dass es nicht um Bücher geht, sondern dass auch nicht das Drucken mit einer Presse gemeint ist. Die ersten mechanisch vervielfältigten Texte wurden per Abreibtechnik reproduziert.

Natürlich kann man für alles beliebige Bezeichnungen wählen. Erdbeeren sind ja auch keine Beeren. Das Wort Buchdruck mag in diesem Sinne dafür stehen, dass Bücher seit der bezeichneten Epoche hauptsächlich aus bedruckten Seiten gebunden werden. Und auch natürlich setzt auch diese Redeweise voraus, dass mit "Buch" ein Buch aus gebundenen Seiten und nicht grössere Textteile wie das "Buch Moses" oder "Der Produktionsprozess des Kapitals" bemeint ist, also das, was ein Buchbinder herstellt. Bücher gab es schon lange bevor Gutenberg auf die Welt kam, und es gab wohl vereinzelt auch Bücher, deren Seiten durch Abreiben von Holzschnitten "bedruckt" waren.

Mittlerweile gibt es beachtlich viele Hinweise darauf, dass in Asien schon lange vor der Buchdruckepoche in Europa verschiedene Verfahren zur Herstellung von Textkopien verwendet wurden, insbesondere auch bewegliche Lettern. Allerding ist wenig darüber bekannt, wann welches Wissen darüber wie nach Europa kam. Man kann also gut annehmen, dass Gutenberg diese Technik nochmals erfunden hat - was hier einfach keine Rolle spielt, weil es um die Technik, nicht um Erfindungen oder Sozialgeschichte geht. Hier spielt auch keine Rolle, warum die asiatischen Völker von ihren Erfindungen kaum Gebrauch machten. Und warum sich in Europa im 15. Jahrhundert ein Bedürfnis nach Vervielfältigungen von Texten entstand.

Aber wenn schon die Rede vom Erfinder ist: Gutenberg scheint keineswegs den massenhaften "Buchdruck" im Sinn gehabt zu haben, obwohl er mit den Büchern Geld verdienen wollte. Er wollte nicht vor allem effizienten kopieren, sondern war vielmehr daran interesiert, dass die Dokumente, die er mit seinen Verfahren herstellte, typographisch wohlgestaltet - wie Kunstwerke - waren.Er betrieb sehr viel Aufwand, die besten Handschriften und Malereien zu kopieren. Wäre ihm an einer massenhaften Verbreitung der Bibel gelegen, hätte er ganz sicher ganz anders gearbeitet: Einfache Schriften, kein aufwendiger Blocksatz und keine Ornamente, die er in Handarbeit herstellen liess. Man würde dann wohl auch nicht von Drucker-Kunst sprechen. Zu seiner Zeit gab es noch keinen Massenmarkt, weil fast niemand lesen konnte und kaum jemand Geld für Bücher hatte.

Medienhistorisch wird Gutenberg heute denn auch weniger als technischer Erfinder gewürdigt denn als technisch inspirierter Kaufmann, der ein Produktionsverfahren mit erheblichen Geldmitteln erschloss. Seine 42-zeilige Bibel wie auch die Lutherbibel, die dieser Technik wohl zum Durchbruch verholfen hat, hätte auch ohne seine Erfindung der beweglichen Lettern "druckmässig" vervielfältiget werden können, denn der Text änderte sich ja nicht so schnell, sodass feste, „gravierte“ (embossierte) Platten ebenso gut bzw. besser als die Gebinde einzelner, eigentlich loser Lettern in der mittleren Auflage durchgehalten hätten. Es ist ja auch immer noch strittig, ob die Gutenberg-Bibel tatsächlich mit losen Lettern gedurckt worden ist (Bruno Fabbian).

Wenn man die technische Entwicklung beobachtet, in welcher die Verfahren, die Gutenberg zugeschrieben werden, beobachtet man sinnigerweise nicht die Herstellung von Büchern oder Bibeln, sondern die Herstellung von Text. Dazu will ich ein paar begriffliche Anmerkungen machen. Als Text bezeichne ich ein materielles Artefakt. Dabei interessiert mich nicht, was mit dem Text gesagt wird, sondern dass er durch Formen von Material hergestellt wird. Die gegenständliche Bedeutung von Text besteht darin, das Licht, das in das Auge des Lesers fällt zu strukturieren. Die Herstellung von Text ist eine handwerkliche Tätigkeit, die mechanisiert und automatisiert werden kann. Ich kann mit dem Finger im Sand schreiben oder mit einer Feder Tinte auf ein Papier auftragen. In jedem Fall forme ich ein Material nach grammatikalisch festgelegten Regeln. Und wenn ich will und kann, kann ich die Zeichenkörper sehr schön gestalten und mich dabei auch daran orientieren, das der Text gut lesbar ist.

Auch das Herstellen von Text unterliegt einer Technik, also einer Kunst des Effizient-Seins. Als Technik im engeren Sinne bezeichne ich die in materiellen Artefakten konservierten Verfahren, die mich effizient machen. Jedes Werkzeug repräsentiert ein solches Verfahren. Mit einem Meisel kann ich in einen Stein schreiben, mit einer Feder und Tinte kann ich auf ein Papier schreiben. Mit dem Stempel kann ich prägen oder Farbe auftragen. In beiden Fällen forme ich Material. Auch ein Schriftzeichen aus Tinte ist ein dreidimensionaler Körper auf einem Textträger, der oft als Beschreibstoff bezeichnet wird.

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Entscheidend am Stempel als Textwerkzeug ist, dass in ihm die Form des herzustellenden Zeichens aufgehoben ist, so dass Exemplare des Zeichens mit weniger Aufwand und weniger Geschick hergestellt werden können als wenn sie von Hand anfertigen geschrieben werden.

Es ist entwicklungslogisch unerheblich, wann Meissel, Feder und Stempel von wem zum ersten Mal verwendet wurden. Historiker mögen es interessant finden, dass in Asien viel früher als in Europa Schriftzeichen mit Stempeln hergestellt wurden. Wenn man - aus welchem Grund auch immer - solche Erfindung einem Erfinder zurechnen will, muss man sich mit solch peinlichen Fragen befassen. Wenn ich dagegen nur beschreiben will, was Gutenberg gemacht hat, spielt es keine Rolle, ob er es als erster gemacht hat oder welche Vorbilder er gekannt hat.

J. Gutenberg hat sicher nicht den "Buchdruck" erfunden, aber er hat einige Verfahren verwendet, die das Herstellen von Textkopien effizient gemacht haben. Ein wichtiges Verfahren mit allerlei Voraussetzungen, das als "Buchdruckes-mit-beweglichen-Lettern" bezeichnet wird, besteht darin, Zeichenstempel aus einem Setzkasten auf einem Winkelhaken anzuordnen.

Das vielleicht wichtigste Verfahren von J. Gutenberg betrifft die Herstellung von Stempeln durch Giesen, wozu eine Patrize und eine Matrize hergestellt werden. Dabei geht es nicht darum, mit einem Stempel mehrfach zu drucken, sondern den Stempel durch Giessen mehrfach herzustellen, was für den Setzkasten und für das damit verbundene Verfahren, in welchem die Letter-Stempel in einen Rahmen gebracht werden, notwendig ist. Dabei wird also nicht die Form des herzustellenden Buchstabens sondern jene des Letters in der Gussform aufgehoben, so dass die Exemplare des Letters mit weniger Aufwand und weniger Geschick hergestellt werden können als wenn sie - wie die jeweilige Patrize - von Hand anfertigt würden.

Das Herstellen des Textes beruht darauf, dass Farbe auf den Textträger (Beschreibstoff) aufgetragen wird. Dazu gibt es sehr verschiedene Verfahren, wobei hier nur solche mit Drucktypen interessieren. Bei der Schreibmaschine beispielsweise wird die Drucktype auf ein Farbband geschlagen. Im hier interessierenden Fall unterscheide ich eine Abreibtechnik und das eigentliche Drucken, wobei in beiden Fällen die Farbe vom eingefärbten Bleisatzes (oder Holzschnittes) mit Druck übertragen wird. Beim Abreiben wird das Papier auf den Bleisatz gelegt und mit dem Handballen oder beispielsweise mit einer Bürste durch Reiben angedrückt. Mit einer Druckerpresse dagegen werden der Drucksatz und das Papier auf Platten aufgespannt, die mit einem Mechanismus zusammengedrückt werden. In der einfachsten Form, die Gutenberg von einer Weintraubenpresse übernommen hat, wird eine Spindelpresse mit einem Hebelarm verwendet. Dabei Damit wird der ganze Drucksatz schnell und überall gleich stark belastet, so dass die Farbe gleichmässig übertragen wird.

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Bildquelle: Stephan Füssel

Der sogenannte "Buchdruck" besteht aus einer Reihe verschiedener und unabhängiger Verfahren, die alle den Zweck haben, mehrere Exemplare eines Textes herzustellen, wobei jedesmal wohlgeformte Tintenkörper auf einen Textträger aufgetragen werden - die unter anderem auch als Buchseiten verwendet werden können. Die gedruckten Seiten sind keine Kopien eines Originales, wenn man von einer Kopie verlangt, dass sie gleich aussehen soll wie das Original. Texte die in Skriptorien von Hand abgeschrieben werden, sind dagegen Kopien und auf einem Fotokopiergerät werden Kopien erstellt.

Die Mechanisierung der Textherstellungsverfahren ist exemplarisch für die Mechanisierung jeder Handarbeit. Die Gutenbergverfahren sind in dem Sinne primitiv, als die Mechanismen noch von Hand angetrieben und gesteuert werden, also noch keine Maschinen, geschweige denn Automaten darstellen. Die Werkzeuge sind aber bereits so weit entwickelt, dass die Arbeit wesentlich effizienter und vor allem arbeitsteilig organisiert werden kann.

Der Sage nach gab es seit dem 1. Jh. v. Chr. einen "Buchmarkt" für griechische und lateinische Literatur. Die Herstellung der Texte erfolgte durch Sklaven und Freigelassene, es gab aber auch schon Verleger wie Atticus und Buchhändlern wie die Gebrüder Sosius. Das Gewerbe ist also in keiner Weise an den "Buchdruck" oder an eine bestimmte Technik gebunden. Es scheint vielmehr so, dass Sklavenhalter nicht erkennen konnten, dass industrielle Mechanisierung, wie sie Gutenberg geleistet hat, viel mehr Mehrwert abwerfen als Slavenarbeit.

Jenseits von antiken Sagen und kapitalistischen Interessen ist jedes technische Verfahren ein Lösung für das Problem, das in der Beschreibung des Verfahrens erläutert wird. Verfahren, die durch Technik aufgehoben werden, bezeichne ich als Operationen. Auf der Ebene von Handlungen hat die Lösung von Gutenberg das Problem gelöst, dass die Sklaven in den Skriptorien die Texte, die sie schreiben mussten, langsam und schlecht herstellten und viel kosteten, auch wenn sie für mager Kost und karge Logie geschrieben haben. Auf der Ebene von Operationen beobachte ich konstruktiv beschreibbare Aspekte von Handlungen, also konstruktiv festgelegte Teile eines Verfahrens. Hier geht es darum, wie die Zeichenkörper hergestellt und platziert werden. Wenn jemand im Skriptorium einen Buchstaben schreibt, stellt er ihn dadurch her, dass er ihn mit der Feder auf dem Papier formt. Wenn der Buchstaben mit einem Stempel hergestellt wird, muss er nicht geformt werden. Der Stempel löst also das Problem, dass der Buchstabe geformt werden muss. Der Stempel oder bei Gutenberg der einzelne Letter muss wie die Feder mit Farbstoff angereichert auf das Papier gedrückt werden. Dieses Problem wird also nicht gelöst, es wird nur ein anderes Verfahren verwendet. Wie eine technisch viel weiter entwickelte Lösung, nämlich der Tintenstrahldrucker zeigt, ist das Verfahren mit der Feder, bei welchem flüssige Tinte geziehlt aufgetragen wird, auch auf ganz andere Weise aufhebbar.

Weil der Handgiessapparat oft als Kern von J. Gutenbergs Erfindung bezeichnet wird, soll hier auch dieses Verfahren unter dem Gesichtspunkt der Technik betrachtet werden. Das Giessen war zur Zeit von Gutenberg von der Herstellung von Glocken schon gut bekannt. Der Sage nach hat Gutenberg in seiner Handwerkerkarriere selbst Rahmen für Spiegel gegossen. In seinem Apparat hat er Drucktypen aus einer Bleilegierung hergestellt, wozu er eben Matrizen verwendet hat, die er mit Patrizen, also mit Stempeln geprägt hat, die von Hand aus Stahl hergestellt wurden. Die Patrize und die Drucktype sind in der wesentlichen Hinsicht gleich, sie werden nur mit verschiedenen Verfahren hergestellt. Die Patrize wird graviert, die Letter gegossen. Das Giessen verlangt viel mehr Infrastruktur, ist aber handwerklich einfacher und effizienter. Mit den Handgiessapparat wird also vor allem ein ökonomisches Problem gelöst, denn die Letter könnten natürlich genauso wie die Patrizen hergestellt werden. Dieses Beispiel zeigt auch, inwiefern Gutenberg zurecht eher als Geschäftsmann als als Techniker gelobt wird. Für einen Setzkasten braucht man viele Exemplare von jedem Typ.

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Bildquelle: Stephan Füssel

Die Verfahren, die Gutenberg angewendet hat, haben ältere Verfahren ersetzt und wurden in der technischen Entwicklung ihrerseits durch neuere ersetzt. Die Produktion von Text unterliegt einer Evolution, in welcher sehr viele Entwicklungsstufen immer noch rezent sind. Ich schreibe immer noch mit einem Bleistift, weil das in vielen Situationen für mich das beste Verfahren ist. Diesen Text schreibe ich aber mit einem sehr handlichen Computer und lege eine Kopie davon auf einen Internetserver, von wo er on demand auf beliebige andere Computer kopiert werden kann. Alle Verfahren, die Gutenberg verwendet hat, spielen dabei absolut keine Rolle mehr. Und wenn ich diesen Text in einem Buch veröffentliche, wird der Text wie bereits vor Gutenbergs Zeiten auf Papier aufgetragen, das als Seiten des Buches "gebunden" wird. Natürlich wird Papier mittlerweile anders hergestellt und Bücher werden nur noch selten wirklich gebunden, weil auch diese Verfahren einer technischen Entwicklung unterliegen.

In primitiven Technikgeschichten stehen Namen von Erfindern, obwohl diese Namen über die Technik und deren Entwicklung nichts sagen. Was wäre wohl passiert, wenn J. Gutenberg, wie viele Menschen in seiner Zeit, bereits als Kind gestorben wäre. Hätte sich dann die Welt oder wenigsten die Technik der Textproduktion ganz anders entwickelt? Im einfachsten Fall hätte einfach ein anderer Mensch alles anstelle von J. Gutenberg gemacht, so dass nur der Name des Erfinders ein anderer wäre. Aber unabhängig von dubiosen Erfindergeschichten unterliegt jede Evolution einer Kontingenz, sie hätte auch anders verlaufen können. Die Geschichte der Schreibmaschine beschreibt verschiedene Verfahren der Textproduktion, die relativ unabhängig von den Druckverfahren sind und sich auch weitgehend automatisieren lassen hätten, noch bevor Computer erfunden wurden. Schliesslich sollte man auch nicht ausser Acht lassen, dass Computer auch ohne Drucktechnik auskommen, die sie ja in vielen Bereichen verdrängt haben.

Schliesslich hätte J. Gutenberg auch in einer anderen Zeit an einem anderen Ort leben können. Wenn er all seine Verfahren dreihundert Jahre früher oder in Asien erfunden hätte, wären sie wohl nicht auf so fruchtbaren Boden gefallen, der seinerseits wohl auch eine Voraussetzung für die von ihm verwendeten mechanischen Verfahren war. Ein sehr grosser Teil des technologischen Wissens kam durch Besetzer aus dem arabischen Raum in Buchform nach Europa und wurde dort als "Reconquista" in die Klosterbibliotheken gebracht, wo die Texte in den Skriptorien vervielfältigt wurden. Ein Sinn von Büchern zeigte sich im Ingenieurswesen des dunklen Mittelalters, das das technologische Wissen in den Dienst der Produktion gebracht hat. Man kann gut begründet vermuten, dass J. Gutenberg, über dessen Ausbildung kaum etwas bekannt ist, sein Wissen aus Büchern bezogen hat und so den Bedarf an Büchern quasi am eigenen Leib kennenlernte. Dass er sich dann zuerst mit der Bibel befasste, dürfte Finanzierungsüberlegungen geschuldet sein.

Die Universitäten und allerlei Bildungsstätten wie Domschulen sind viel älter als die Gutenbergbibel. Der Bedarf an Wissen war mithin eher Ursache einer zunehmenden Textproduktion als deren Wirkung. Bis zur Gutenbergzeit gab es nur wenige Menschen, die des Lesens kundig waren. Es waren Privilegierte, die sich schöne Bücher leisten konnten, was Gutenberg ja vor allem herstellen (lassen) wollte. Dass je viele Menschen lesen würden, war damals noch kaum absehbar und wohl auch nicht von vielen Menschen gewünscht. Dazu gibt es die moderne Anekdoten, wonach der Chef der IBM meinte, dass es auf der Welt einen Bedarf von vielleicht fünf Computern geben werde und den Computer trotzdem entwickeln liess.

Das technische Wissen hätte sich auch ohne Drucktechnik, die ja ein unmittelbares Resultat davon ist, weiter verbreitet. Ein bisschen erstaunlich ist in diesem Zusammenhang, dass es bei aller Textproduktion sehr lange gedauert hat, bis die Entwicklung der Technik Gegenstand der Geschichtsschreibung wurde. Und auch dann noch ging es mehr um das Ansehen von Erfindern, als um die Technik selbst. Dass von J. Gutenberg als dem Erfinder des "Buchdruckes" gesprochen wird, spricht Bände.

Literatur:

Füssel, Stephan: Johannes Gutenberg
Kästner, Ingrid: Johannes Gutenberg
Ruppel: Grosse Drucker
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