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G. Frege: Begriffsschrift, eine der arithmetischen nachgebildete Formelsprache des reinen Denkens, Halle a. S., 1879

Die Begriffsschrift ist ein schmales, nur etwa achtzig Seiten umfassendes Buch des Jenaer Mathematikers und Philosophen Gottlob Frege zur Logik. Es wurde 1879 mit dem Untertitel „Eine der arithmetischen nachgebildete Formelsprache des reinen Denkens“ veröffentlicht und gilt allgemein als die wichtigste Veröffentlichung im Bereich der Logik seit Aristoteles’ Organon.
 

Sprachkritische Anmerkung
Dass G. Frege seine Schrift (Schrift im Sinne eines Buches) als Schrift bezeichnete, zeigt sein "Gefühl für natürliche Sprache" (Der Hund des Filminspektors Colombo heisst Hund). Er hat sich auch nicht darum gekümmert, was andere Logiker in seiner Zeit gemacht haben.

Die Bezeichnung Begriffsschrift wird auch für den von G. Frege definierten logischen Kalkül sowie für G. Freges logische Notation verwendet. Auch darin zeigt sich "Sprachgefühl".

Zum Ausdruck "Begriffsschrift"
Die Begriffsschrift sollte eine Universalsprache sein, die ein geordnetes System aller Begriffe nach mathematischem Vorbild darstellen sollte. Im Vorwort steht das ausdrücklich mit Bezug auf die Leibnizsche lingua characterica universalis.
Die Bezeichnung Begriffsschrift stammt wohl aus einer Abhandlung von A. Trendelenburgs über Leibniz’ Entwurf dieser Universalsprache, die Frege im Vorwort zitiert. Das Wort „Begriffsschrift“ war zu dieser Zeit bereits als Eindeutschung von „Ideographie“ gebräuchlich.

Kritik

Die "Sprache" ist jenseits von allem, was gemeinhin als Sprache bezeichnet wird. Eine "Schrift" kann ich in der Notation sehen, wie diese "universell" sein könnte, bleibt schleierhaft - oder aber turing-universell-artig.
Da G.Frege einen Kalkül vorlegt, ist auch sein Begriff "Begriff" nur auf den Kalkül bezogen. Es wird damit NICHTS begriffen, was nicht zum Formalismus gehört - wie mit der Mathematik insgesamt.

Kontext:

G. Frege stellte in diesem Buch die erste Formalisierung der Prädikatenlogik dar. Gemeinsam mit G. Booles Mathematical Analysis of Logic von 1847 markiert die Begriffsschrift deshalb den Beginn der modernen formalen Logik.

G .Frege führte den Allquantor sowie mehrstellige Prädikate ein, er verwendete dazu eine eigenwillige "Notation", die sich nicht durchgesetzt hat (von wegen Sprachgefühl).

Logizismus
Freges vorrangiges Ziel war es, die Mathematik als Teil der Logik auszuweisen, also zu zeigen, dass alle mathematischen Sätze aus wenigen rein logischen Axiomen abgeleitet werden können. Dazu brauchte er ein Mittel, mit dem sich die Lückenlosigkeit einer Schlusskette zweifelsfrei überprüfen liess. Die traditionelle Aristotelische Logik (Syllogistik) war für diesen Zweck unbrauchbar, weshalb er eine neue, geeignetere Logik schaffen wollte. Die Begriffsschrift war nur die erste Etappe auf dem Weg zu einer vollständigen Formalisierung der Mathematik insgesamt, die er in den Grundgesetzen der Arithmetik für die Zahlentheorie teilweise durchführte. Das logizistische Programm scheiterte zunächst (noch vor dem Erscheinen des zweiten Bandes der Grundgesetze) an der Russellschen Antinomie, es wurde aber von B. Russell, R. Carnap und anderen fortgeführt.

Zur Notation
G. Frege verwendete in der Begriffsschrift eine eigens von ihm geschaffene Schreibweise (Notation) für Ausdrücke der Aussagen- und Prädikatenlogik. Obwohl es die erste formalisierte Schreibweise für uneingeschränkte Prädikatenlogik war, hat sie sich nicht durchgesetzt. []

Zur Syntax
Die Begriffsschrift kennt nur zwei syntaktische Grundelemente: Funktionsausdrücke und Eigennamen, wobei beide auch durch Variable vertreten werden können. Alle syntaktischen Operationen folgen dem Schema Funktion – Argument – Wert:
Wenn man beispielsweise in dem komplexen Ausdruck '1×1' beide Vorkommnisse des Zahlzeichens '1' durch die Variablen 'n' bzw. 'm' ersetzt, so erhält man den Funktionsausdruck 'n×m'. Die Variablen machen deutlich, dass der Ausdruck „ungesättigt“ ist, wie Frege sagt: Er bezeichnet in dieser Form keinen Gegenstand, sondern bedarf der Vervollständigung durch zwei Argumente. Durch erneute Substitution von Zahlzeichen für die Variablen erhält man eine Reihe von arithmetischen Termen, z. B. '1×1', '1×2', '2×1' usw. Die verschiedenen möglichen Einsetzungen für die Variablen sind Argumentausdrücke. Das durch den komplexen Ausdruck Bezeichnete ist der Wert der Funktion. Der Wert der Funktion n×m für die Argumente 2 und 3 ist beispielsweise die Zahl 6.

Dieses Grundschema ist in seiner Anwendbarkeit keineswegs auf den Bereich der Mathematik beschränkt: Ersetzt man beispielsweise in 'der Eroberer von x' die Variable 'x' durch 'Gallien', so nimmt die Funktion den Wert Julius Cäsar an. Auch Prädikate sind nach Frege Funktionen: Die durch 'x eroberte Gallien' ausgedrückte Funktion nimmt für das Argument Julius Cäsar den Wert Wahr an, für das Argument Hannibal den Wert Falsch. Die Ersetzung der Subjekt-Prädikat-Form durch die Funktion-Argument-Form des Urteils war bereits ein erheblicher Fortschritt gegenüber der traditionellen Logik, weil sie es ermöglicht, eine Logik der Relationen zu formulieren: Die moderne Logik kennt (anders als die Syllogistik) auch zwei- und mehrstellige Prädikate (Relationsausdrücke), wie 'x liebt y', 'x steht zwischen y und z' usw.

Wahrheitsfunktionalität []
Inhaltsstrich und Urteilsstrich []
Junktoren
Quantoren []
Das Axiomensystem der Begriffsschrift []
Rezeption und Wirkung []

Tabellarische Übersicht der Schreibweise []

Zitate

Ersetzen wir nun in [dem Satz] ein Wort durch ein anderes von derselben Bedeutung, aber anderem Sinne, so kann dies auf die Bedeutung des Satzes keinen Einfluss haben. - Frege "Über Sinn und Bedeutung" (S. 47).


 
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