Karlsruher Physikkurs (KPK)        zurück ]      [ Stichworte ]      [ Die Hyper-Bibliothek ]      [ Systemtheorie ]         [ Meine Bücher ]
 
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Vorbemerkung:
Den "Karlsruher Physikkurs" (KPK) sehe ich im Selbstverständnis seiner Erfinder (G. Falk, u.a.) als didaktische Aufbereitung der Physik.
Die Deutsche Physikalische Gesellschaft (DPG) hat diesen Ansatz 2012 als untauglich kritisiert und einen grösseren Streit ausgelöst.
In der Schweiz haben W. Maurer u.a. ihre "Physik der dynamischen Systeme" auf dem KPK aufgebaut.

Interessant finde ich nicht nur das "didaktische Konzept" des Kurs, sondern insbesondere die damit verbundene Darstellung der Physik als Lehre, die ich als meine Physik - auch lerntheoretisch - sprachlich reflektiere.

Homepage mit Unterlagen des KPK.


Ein paar wichtige Texte:

KPK Sekundarstufe 1
und sprachkritische kritische Anmerkungen dazu

Altlasten der Physik
Der Streit mit dem D

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KPK Sekundarstufe 2


Als Karlsruher Physikkurs (KPK) bezeichne ich ein didaktisches Konzept, das auf der Unterscheidung zwischen intensiven und extensiven Grössen und auf der Formulierung von Bilanzgleichungen beruht, die in allen Bereichen - insbesondere auch in der Mechanik - verwendet werden kann.

Der Karlsruher Physikkurs stellt einen Versuch dar, die Physik neu zu denken. Physikalische Inhalte werden mit einer weitgehend veränderten Sachstruktur dargestellt.

Der Karlsruher Physikkurs wird fachlich und fachdidaktisch kontrovers diskutiert. In einem Gutachten, das 2013 von der Deutschen Physikalischen Gesellschaft in Auftrag gegeben wurde, wird dem Kurs die fachliche Fundierung abgesprochen
siehe dazu KPK-Streit.

Als anschauliches Leitbild dient der Strom, in welchem Wasser vom Berg ins Meer und zurückfliesst, was einen Antrieb braucht, wobei einzelne Flüssse beobachtet werden, welchen quantitativ Energie zugeordnet wird - die eine Menge (wovon auch immer) ist.

Der Rhein etwa hat in einem beobachtbaren Ausschnitt am Rheinfall zu einer gegeben Zeit eine gegebene Wassermenge und einen der Fallhöhe entsprechenden Erergiegehalt (extensive Grösse). Damit die entsprechende Wassermenge wieder noch oben gepumpt wird, muss die Sonne einen entsprechende Verdunstungswärme in einem Wärmestrom liefern (intensive Grösse).
Der Rhein interessiert natürlich als Antrieb eines Wasserrades, das unter- oder oberschlächtig konstruiert sein kann, oder als Turbine am Ende einer Druckleitung, die auch Fallhöhe oder Grundströmung repräsentieren kann.

Die Bilanzgleichung setzt Stromstärken und Bestände in Beziehung. In der allgemeinsten Form besagt die Bilanz, dass die Summe über alle Stromstärken gleich der Änderungsrate des Inhaltes ist. Zufliessende Ströme, Erzeugungsraten (positive Produktionsraten) und Quellen (positive Quellenstärken) gehen mit positivem Vorzeichen in die Bilanzgleichung ein, abfliessende Ströme, Vernichtungsraten (negative Produktionsraten) und Senken (negative Quellenstärken) werden negative gezählt.

Der Wärmehaushalt eines Stausees ist von der Sonnenwärme und der Abwärme, die als Entropie gemessen wird abhängig, aber auch von der Wärme des Zuflusses und des Abflusses. Alle Ströme ergeben die Veränderung der Temperatur des Stausees. Das wird in der Bilanz beschrieben.

In der Mechanik wird - in dieser Analogie - eine „Impulsstromstärke“ eingeführt (was von der DGP explizit kritisiert wird). Ein Körper kann sich nur in Bewegung setzen, indem er Impuls mit einem zweiten System austauscht. Fährt ein Auto an, muss der Motor über die Drehbewegung der Räder Impuls der Erde entnehmen und ins Fahrzeug hinein pumpen. Beim Bremsen fliesst dieser Impuls wieder an die Erde zurück. Prallt ein Auto gegen eine Mauer, strömt der Impuls schlagartig über die Frontpartie an die Mauer weg. Der Impulsstrom wird dann so stark, dass er sogar massive Metallteile bleibend verformen kann.

Der Impuls wird - wie Energie - als eine "substanzartige" Grösse verstanden, die ähnlich wie die Ladung in der Elektrizitätslehre in einem Körper "gespeichert" und auf einen anderen übertragen werden kann. Der Impuls wird somit als "Grundgröße" eingeführt mit der Einheit „Huygens“, die es im vorherrschenden internationalen Einheitensystem nicht gibt.
Begründet wird die Einführung der neuen Grundgrösse damit, dass der Impuls der klassischen Mechanik nur den Sonderfall eines allgemeinen Impulsbegriffs darstellt. Die Übertragung von Impuls von einem Körper auf einen anderen wird analog zur Elektrizitätslehre Impulsstrom genannt. An Stelle der Kraft tritt daher die Impulsstromstärke. Sie ist die Ursache für Beschleunigungen und mechanische Spannungen. Die Richtung des Impulsstroms wird ähnlich wie die Richtung des elektrischen Stroms durch eine willkürliche Konvention festgelegt. Dadurch wird sie von der Ausrichtung des Koordinatensystems abhängig.
In einer homogenen Flüssigkeit ohne Scherkräfte hätte in diesem Bild der Druck die Bezeichnung Impulsstromdichte (Impulsstromstärke durch Querschnittsfläche). Die Bedeutung der Impulsstromdichte geht jedoch über die des Drucks hinaus, da sie eine tensorielle Größe ist, der Druck jedoch nur eine skalare. Dies muss im Unterricht bis weit in die Hochschulkonzepte hinein übergangen werden, ermöglicht allerdings auch eine konsistente Beschreibung von Zug-, Schub- und Scherkräften.

Am Beispiel von Billardkugeln kann ich sehen, wie der Impuls weitergegeben wird. Man kann auch von einer Kraft sprechen, die eine Billardkugel beschleunigt. Generell kann jeder Strom auf die Wirkung einer Kraft zurückgeführt werden.

In der Thermodynamik bedeutet das Karlsruher Konzept, dass die komplizierte, aber grundlegende Grösse Entropie viel früher als üblich eingeführt wird. Dies geschieht nach Ansicht der Karlsruher Didaktiker u. a. als genaue und zugleich verständliche Präzisierung von Vorstellungen, die in der Umgangssprache als Wärme bezeichnet werden. Verwendet wird dabei die nicht SI-konforme Einheit „Carnot“.

In der Atomphysik wird auf die üblichen Atommodelle, beispielsweise auf das Bohrsche Atommodell, verzichtet. Stattdessen werden die Elektronen im Atom durch das sogenannte Elektronium modelliert. Elektronium ist demnach eine kontinuierliche, über das ganze Atom verteilte fiktive Substanz, deren Dichte durch die quantenmechanische Aufenthaltswahrscheinlichkeitsdichte gegeben ist.

Geschichte: Die Entstehung des KPK

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Eine eigentlich Geschichte über die Entstehung des Kurses kann ich nicht finden. Die erzählte Geschichte beginnt - wie viele Erzählungen - mit einem dramatischen Ereignis, das nicht am Anfang steht, sondern als Ausgangspunkt für die Rekonstruktion der Geschichte dienen soll. Hier ist es ein kritisches Gutachten, das 2013 veröffentlicht wurde, als der Kus bereits umfangreich existierte. Wie es wann und wo zu Entwicklung des Kurses kam, scheint nicht erzählenswert.

Eine Geschichte:
Es war einmal - etwa dann oder dann, dort oder dort - ein Physiker (etwa 1970 G. Falk am Institut für Physikdiadaktik), der in seiner täglichen Arbeit als Schullehrer merkte, dass sein Unterricht nicht angenommen wurde. Also überlegte er sich, was er anders machen sollte. Er überlegte, wie er Physik - die er nicht verändern wollte - anders erzählen könnte. Da kam ihm - wie jedem Erfinder - eine Idee ... usw.
... Viel später ist das oder das passiert, worauf die Präsidentin zur Verteidigung der Physik ihres Vereins etwas machen musste. Sie liess ein Gutachten erstellen, welches ... usw

Der Entwicklung einer Version für die Schule ging die Entwicklung einer Universitätsversion voraus. So war die Tragfähigkeit des neuen Konzepts gewährleistet. Die ersten Erprobungen aller Unterrichtseinheiten fanden am Europagymnasium Wörth statt.

1988-1992: Erprobung an etwa 20 Schulen in Baden-Württemberg unter Aufsicht des Ministeriums für Kultus und Sport

1994: Dank einer Sonderklausel im Bildungsplan darf der Kurs an Gymnasien in BW eingesetzt werden. Er wird zunächst durch das Landesinstitut für Erziehung und Unterricht Stuttgart vertrieben.

1998: Übernahme von Druck und Vertrieb durch den AULIS-Verlag

1996 bis 2001: Im Rahmen einer Promotionsarbeit am IPN wird der KPK evaluiert.

2004: Zulassung des Kurses in Baden-Württemberg als Lehrbuch für die Sekundarstufe I; Ideen des KPK fließen in die Bildungsstandards ein; Schulbücher anderer Autoren und Verlage übernehmen KPK-Ideen

2013: Nachdem der KPK 20 Jahre im Einsatz ist, wird er von der Deutschen Physikalischen Gesellschaft „entdeckt“. Da er die Lehrtradition in Frage stellt, startet die DPG eine groß angelegte Initiative mit dem Ziel, die Welt vom KPK zu befreien. Eine Folge davon ist, dass der Bekanntheitsgrad des KPK stark zunimmt. Der Vorstand der DPG wird in kurzer Zeit vom Ankläger zum Angeklagten.

2014: Der KPK wird in Shanghai als Schulbuch zugelassen.

2017-2018: Der Verlag Guangdong Education Publishing House in Kanton bringt eine zweisprachige (chinesisch-englische) Version aller KPK-Bände heraus.

Unterrichtseinsatz und Weiterentwicklungen

1988 bis 1992 wurde der Karlsruher Physikkurs an etwa 20 Schulen in Baden-Württemberg erprobt, im Bildungsplan dieses Bundeslandes befand sich ab 1994 eine Sonderklausel, die den Einsatz der Kursmaterialien im Unterricht erlaubte. Im Jahr 2004 wurden die Lehrbücher zum Kurs im Bundesland Baden-Württemberg für die Sekundarstufe I zugelassen. Am Europa-Gymnasium Wörth in Rheinland-Pfalz, wo der Physikkurs erprobt wird, wurde in einem Sonderkurs 2012 auch das Abitur nach diesem Modell abgelegt.

Aufbauend auf dem Karlsruher Physikkurs ist an der Zürcher Hochschule Winterthur von Werner Maurer und Hans Ulrich Fuchs die Physik der dynamischen Systeme entwickelt worden, die systemdynamische Modellierungstechnik benutzt und sich an der mathematischen Sprache der Kontinuumsphysik orientiert. An der heutigen Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften wird die Physik in mehreren Ingenieurstudiengängen auf dieser Grundlage gelehrt.

Gutachten der DPG

Die Deutsche Physikalische Gesellschaft (DPG) ließ 2012 ein Gutachten zum Karlsruher Physikkurs anfertigen. Als Ergebnis lehnt die DPG den Physikkurs deutlich ab. Sie begründet ihre Ablehnung damit, dass der Karlsruher Physikkurs eine grundsätzlich falsche Vorstellung von Physik erzeuge.

Die Richtung des Impulsstroms eine willkürliche Konvention und experimentell nicht überprüfbar. Die Deutung der Entropie als „Wärme“ sei falsch. Wärme stehe in der Thermodynamik für eine klar definierte Prozessgrösse.

Die Formulierungen des Karlsruher Physikkurs seien von der etablierten Fachsprache so weit entfernt, dass sie von keinem Techniker oder Wissenschaftler verstanden werden könnten, nicht einmal an der Hochschule.

Hinweis:
Ich behandle den Streit ausführlicher unter KPK-Streit und KPK-Altlasten
Hier willich nur hervorheben, dass ich darin einen Grundlagensteit darüber erkenne, was Physik sei, respektive wie darüber gesprochen werden müsse:
In meiner Physik unterscheide ich, Physik als Lehre des Messens von einer Lehre darüber, wir die Natur wirklich sei. Der Ausdruck Naturwissenschaft verweist auf letzteres und scheint angesichts der neueren Physik ein "schwarzes Loch" zu sein, in welchem alles von den Beobachtungen abhängig sein soll.

Der Karlsruher Physikkurs versucht meines Erachtens einen Spagat, der aber bereits an der verwendeteten Sprache scheitert:
Der Kurs kennt keinen Beobachter und definiert seine Begriffe nicht, die teilweise widersinnig sind.


 
[ Umwege und Altlasten ]
[ Kontroverse im FB ]

KPK im Netz
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