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Mit der Wortendung "-ik" verweise ich auch auf eine relative Indifferenz zwischen Gegenstand und Lehre, die dann oft durch die Wortendungen "-logie" und "-nomie" aufgehoben wird.

Als Mathematik bezeichne ich die Lehre des Rechnens. Weil "Lehre" als etwas Höheres erscheint als das "Rechnen", bezeichnet der schulmeisterliche Volksmund das Rechnen als Mathematik, sowie andere Schulmeister ihre Moral als Ethik bezeichnen.
Nicht nur die Schulmeister sind bezüglich der Mathematik konfus. Viele zählen die Geometrie und die Statistik zur Mathematik, andere zählen alles zur Logik oder zur Philosophie. Noch andere führen Technik und Informatik als Anwendung von Mathematik an. Es herrscht Beliebigkeit.


 

Als Mathematik bezeichne ich die Lehre des Rechnens. Sie beschreibt die Operationen und Algorithmen, die im jeweiligen Kalkül zulässige Zustandsänderungen bewirken.

Mathematik wurde historisch - mangels technologischem Wissen - sehr lange als geisteswissenschaftliche Logik betrachtet, für welche das Rechnen eher eine praktische Anwendung ist. Erst die Programmierung von Automaten, die aus der Algebra eine Schaltalgebra (Kybernetik) machte, zeigte, was in der Mathematik systematisch behandelt wird. []

Mathematik hat in verschiedene Aspekte, die oft als Teilgebiete bezeichnet werden:

  • Arithmetik als Lehre zum elementaren Rechnen im Sinne des Zählens (Variation der Addition)
  • Zahlentheorie als eine Reflexion des Rechnens, untersucht die Zahlen als solche (und wie sie in einem Kalkül verwendet werden (können)
  • Mengenlehre als eine weitere Reflexion des Rechnens
  • Algebra als Inversion der Addition in eine Gleichung
  • Analysis weil die Arithmetik in Bezug auf Kurven nicht hinreichend ist (Differentilal und Paradox)
  • Stochastik weil die Arithmetik in Bezug auf Erwartungen nicht hinreichend ist (Statistik)
  • diskrete Mathematik weil die Analysis zu kompliziert oder in sehr vielen praktischen Fällen nicht effizient ist

Was nicht zur Mathematik gehört, aber oft mitgemeint ist und viele Probleme und Anwendungen liefert:

  • Geometrie ist analog
  • quantitative Wissenschaft (zb Physik, Ökonomie) ist empirisch („Ich behaupte aber, daß in jeder besonderen Naturlehre nur so viel eigentliche Wissenschaft angetroffen werden könne, als darin Mathematik anzutreffen ist.“ I. Kant: Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft, A VIII)

Diese Gebiete können auch ohne Mathematik erforscht werden, weil ihr Gegenstand nicht das Rechnen, sondern ein vom Rechnen unabhäniger Gegenstand ist.

https://mathshistory.st-andrews.ac.uk/Miller/mathword/b/
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Anmerkungen

Mathematik reflektiert sich selbst und begründet sich in der dabei beobachteten Tätigkeit. Mathematik ist also keine "Sprache" zur Beschreibung von Sachverhalten jenseits der Mathematik. Mathematik hat als Kalkül Figuren und Regeln wie beispielsweise Schach. Zahlen sind Figuren und werden - etwa in der Backus-Naur-Form - auch so eingeführt.

Die durch die Regeln gegebenen Operationen bilden einen Kalkül. Zahlen und Operatoren erlauben es, die Operationen im Kalkül "lesbar" darzustellen, so wie Programmiersprachen es erlauben, die Operationen eines Computers in Form von Programmen sekundär lesbar zu machen.

In dieser Perspektive beschreibt die Mathematik einen Kalkül, der historisch der Mathematik nachfolgte, weshalb die Mathematik einen grossen uneigentliche Teil besitzt, der im bewussten Kalkül (noch) keinen Sinn hat.


Symbolische Mathematik

Man kann Mathematik auf zwei Ebenen "artefaktisch" verstehen:
- A. Turing zeigte, dass Algorithmen Maschinen "sind".
- K. Gödel ist Vertreter einer radikalen Formalisierung, nach welcher Mathematik untersucht, welche Konstellationen mit welchen Regeln auf welcher Menge von Entitäten folgerichtig erreichbar sind.
A. Turing hat eine Maschie rekonstruiert, K. Gödel hat eine Maschine imitiert.

Formalisiert kann man Mathematik analog zur Schachtheorie betrachten. Die Schachtheorie untersucht welche Züge in welchen Konstellationen zum Matt führen, wobei das Schachbrett und die Figuren Artefakte sind, die nach Regeln verwendet werden. Die Figuren haben zwar Namen wie "Springer" oder "Bauer", das ist aber für das Spiel bedeutungslos. Formal sind sie Entitäten, die bestimmte Eigenschaften haben, die festlegen, wann sie wie bewegt werden können. Die Artefakte der Mathematik sind Zeichenkörper. Die Zeichenkörper der - so verstandenen, nach Gödel idealistischen - Mathematik sind keine Zeichen, die für etwas anders stehen, also keine Symbole, sondern - wie Schachfiguren - Figuren, die Namen haben. Auch die Figuren der Mathemathik können aus verschiedensten Materialien hergestellt werden, sehr verbreitet sind Mathematikfiguren als Graphitstrukturen, die man mit einem Bleistift oder mit einem Laserprinter produziert. Natürlich kann man das Spiel nicht ohne Figuren spielen. Aber wenn man keine Figuren hat, kann man sich Figuren - wie etwa beim Kopfrechnen - vorstellen.

Die Figuren sind Objekte, mit zulässigen Methoden. Einige Figuren heissen Ziffern. Eine der Ziffern sieht beispielsweise so aus: 2, sie heisst "zwei". Es gibt auch andere Figuren, beispielsweise Operationszeichen oder Klammern usw. Und es gibt Regeln, wie die Ziffern kombiniert werden können und welche Kombinationen durch welche andern Kombinationen ersetzt werden können. Beispielsweise kann man die kombinierte Figur "2 + 2" durch die Figuren "4" oder " 2 x 2" oder "9 - 5" ersetzen, aber nicht durch die Figur "5" oder " 6 : 2".

Wie Schach sagt das Mathematik-Spiel nichts aus über die Welt. Die Regeln, die in der Mathematik gelten, bewirken dass "2 + 2 = 4" eine gültige Figur ist. Ganz unabhängig vom Spiel Mathematik - und das ist K. Gödels Position im Formalismusstreit etwa gegen Finsler - sage ich, das 2 Golddukaten und 2 weitere Golddukaten 4 Golddukaten sind. Wenn ich meine Golddukaten (zusammen) zähle, dann mache ich keine Mathematik, sondern zähle Goddkaten. Und in dieser Golddukaten-Welt ist "2" kein Gegenstand, sondern eine Anzahl (Grösse einer Menge) von Golddukaten.

Und schliesslich bin ich tätig, wenn ich Mathematik spiele und wenn ich Golddukaten zähle. In beiden Fällen kann ich meine Tätigkeit als Operationen auffassen, die ich auch als rechnen im engeren Sinne (to compute) bezeichen kann, wenn ich sie auf eine Halbaddierermechanik zurückführe, respektive mit einer Halbaddierermechanik erkläre.

Ein spezielles Problem der Mathematik ist die Selbstbezüglickeit in Paradoxien, etwa in der Principia Mathematica von B. Russell während etwa der Mathemtiker J. Bertrand, zeigte, dass viele Paradoxien gar keine sind.


Zur Differenz Mechanismus und siehe Kalkül.

Zur Mathematik und Technik siehe auch R. Todesco 1992:168f.


Sprüche (Zitate)

From G. H. Hardy, A Mathematician's Apology:
"A science is said to be useful if its development tends to accentuate the existing inequalities in the distribution of wealth, or more directly promotes the destruction of human life."
"There is one comforting conclusion which is easy for a real mathematician. Real mathematics has no effects on war. No one has yet [c. 1940] discovered any warlike purpose to be served by the theory of numbers or relativity... there are branches of applied mathematics, such as ballistics and aerodynamics, which have been developed deliberately for war and demand a quite elaborate technique: it is perhaps hard to call them 'trivial', but none of them has any claim to rank as 'real'. They are indeed repulsively ugly and intolerably dull.... "

"Die Mathemata, das Mathematische, das ist jenes "an" den Dingen, was wir eigentlich schon kennen, was wir demnach nicht erst aus den Dingen herholen, sondern in gewisser Weise selbst schon mitbringen. Von hier aus können wir jetzt verstehen, warum z.B. die Zahl etwas mathematisches ist." (Heidegger, Die Frage nach dem Ding, Tuebingen 1962:57).

„Mathematics is the science of what we KNOW of what we have defined. It has no place for opinions or beliefs of any kind” (LoF, Vorwort zur Int. Ausgabe, S. X)



 
[ Die Sprache der Mathematik ]

Cf. beispielsweise die Begriffe der »sekundären Ausarbeitung« oder des >>Symbolismus zweiter Intention<< in E. Ortigues, Le discours er le Symbole, pp. 62 und I71.
"Der mathematische Symbolismus ist eine schriftliche Konvention, ein skripturaler Symbolismus. Nur aufgrund eines falschen Sprachgebrauchs oder im Sinne einer Analogie können wir von einer >mathematischen Sprache< sprechen. In Wirklichkeit ist der Algorithmus eine >Charakteristik<, er besteht aus geschriebenen Zeichen. Er spricht nur vermittels einer Sprache, die nicht nur den phonetischen Ausdruck der Zeichen, sondern auch die Formulierung der Axiome ermöglicht, mit deren Hilfe der Wert dieser Zeichen bestimmt werden kann. Es ist wahr, daß man strenggenommen unbekannte Schriftzeichen entziffern könnte; das setzt jedoch immer ein erworbenes Wissen, ein schon durch Sprechen geformtes Denken voraus. Wir müssen also annehmen, daß der mathematische Symbolismus das Ergebnis einer sekundären Ausarbeitung ist, die den Gebrauch der Rede und die Möglichkeit, explizite Konventionen zu erschließen, voraussetzt. Es bleibt aber dabei, daß der mathematische Algorithmus formale Gesetze der Symbolisierung und syntaktische Strukturen ausdrückt, die von diesem oder jenem besonderen Ausdrucksmittel unabhängig sind."


[ jüngster Doktorand ]
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