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J. Bertrand, Calcul des probabilités, Paris, 1889
Regles sur la convergence des series. J. Math. Pures Appl., vol. 7, page 1-24, 1842.

Zur Person

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Bildquelle: Wikipedia
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Joseph Louis François Bertrand (1822-1900) war Mathematiker, er hat u.a. sich mit Wahrscheinlichkeitstheorie beschäftigt.

Die Bertrand-Paradoxie

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Der Mathematiker J. Bertrand stellte 1888 folgende Frage, um einen Einwand gegen die Verwendung von Wahrscheinlichkeiten bei überabzählbaren Ereignismengen zu konstruieren:

"In einem Kreis mit Radius r wird ,auf gut Glück‘ eine Sehne gezeichnet. Wie gross ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass diese länger ausfällt als die Seite des einbeschriebenen gleichseitigen Dreiecks?" Der Ausdruck ,auf gut Glück‘ steht dafür, dass jede Sehne mit ,gleicher Wahrscheinlichkeit‘ gezeichnet wird. Die Aufgabe scheint klar zu sein, sie hat aber widersprüchliche Lösungen. Man kann beweisen, dass die Wahrscheinlichkeit sowohl 1/2, als auch 1/3 und 1/4 ist, in Abhängigkeit davon, wie der Zufallsversuch "Zeichnen einer Sehne", der zunächst - paradoxerweise - eindeutig scheint, verstanden wird. Man kann nämlich die Sehnen zeichnen, indem man jeden Punkt der Kreisfläche gleich wahrscheinlich als Sehnenmittelpunkt wählt, oder indem man jeden Punkt auf der Kreislinie gleich wahrscheinlich als Sehnenendpunkt wählt, und schliesslich, indem man jede Richtung der Sehne als gleich wahrscheinlich wählt. Das Zufallsexperiment "eine Sehne zufällig zeichnen" ist nicht ausreichend beschrieben, um ein eindeutiges Resultat zu erhalten. Paradoxe Probleme lassen sich nur lösen, indem man die "Sprache", in der sie vorgetragen werden, problematisiert, weil sie auf - in noch zu diskutierender Weise - nicht zulässigen Sprachhandlungen beruhen." Das Beispiel ist im Mathematik-Duden (1985, 58f) genauer erläutert" (Todesco 1992:173).

Die Bertrand-Paradoxie ist banal - was natürlich ihre Entdeckung absolut nicht betrifft -, weil sie einfach aufgelöst werden kann, indem man die Aufgabe begrifflich vervollständigt. Die Paradoxie beruht nur darauf, dass man die begrifflich Unvollständigkeit der Formulierung zunächst nicht sehen kann.


 
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