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hervorbringen
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In meinem Theorieprojekt – in welchem ich mein je eigenes Schreiben beobachte – verwende ich das gegenständliche Herstellen als primäre Kategorie. Als Herstellen bezeichne ich die Tätigkeit, durch welche ich – als toolmaking animal – Gegenstände zum Ge-Brauch hervorbringe, indem ich Material entsprechend forme und oder anordne. Die logisch-genetische Entwicklung dieser Tätigkeit beschreibe ich im Sinne einer Aneignung als Folge von hervorbringen, zubereiten und herstellen.
Als Hervorbringen bezeichne ich dabei das in mein Gesichtsfeld bringen von Sachen, die ich unmittelbar nicht greifbar habe, obwohl sie vorhanden sind. Es sind Stoffe, die die ich davor der Natur zurechne. Zu je spezifischen Stoffen werden sie für mich durch mein Hervorbringen. Sofern sie mir als Nahrung dienen, bezeichne ich sie in Anlehnung an K. Marx als unorganischen Leib. Durch das Hervorbringen verändere ich diese Sachen nicht, ich lege sie frei und mache sie mir zuhanden. Ich sammle Beeren, ernte Korn, schlage Holz, baue Erze ab.
Korn ist ein Beispiel dafür, dass das Hervorbringen auch verschiedene Tätigkeiten um fassen kann. Ich pflüge, sähe, schneide und dresche das Korn.
Als Zubereiten bezeichne ich, dass ich die mir zuhandenen Sachen so verändere, dass ich sie verbrauchen kann. Die Beeren kann ich ohne Zubereitung essen. Korn muss ich mahlen, wenn ich Teig daraus machen will. Ein erlegtes Wild muss ich zerlegen und kochen, bevor ich es essen kann. Gefällte Bäume muss ich verkleinern, damit sie mir als Brennholz dienen. Erz muss ich zerkleinern und von Gestein trennen, erhitzen, also verhütten, um das Metall zu gewinnen. Durch Zubereiten verändere ich die Stoffe zum Ver-Brauch.
Im Verbrauch verschwinden die Stoffe. Wenn ich das Holz im Ofen verbrenne, verschwindet das Holz, wenn ich Nahrungsmittel esse, verschwinden sie, unabhängig davon, ob ich sie nur hervorgebracht oder auch zubereitet habe. Durch diese Aneignung wird der unorganische zu meinem organischen Leib. Die Stoffen verschwinden, nicht die Materie, die in meiner Lebenswelt keinerlei Rolle spielt.
Als Herstellen bezeichne ich die Tätigkeit, durch welche ich Gegenstände zum Ge-Brauch hervorbringe, indem ich Material entsprechend forme und oder anordne. Als Material bezeichne ich die Stoffe, wenn ich sie beim Herstellen verwende. Wenn ich aus Ton ein Gefäss, aus Holz einen Tisch oder aus Metall ein Messer herstelle, verschwindet das Material nicht, es ist in den Gegenständen aufgehoben. Die hergestellten Gegenstände gebrauche ich, sie haben eine Gegenstandsbedeutung, weil ich sie für je bestimmte Tätigkeiten hergestellt habe.
Meine Theorie bezeichne ich als materialistische Theorie. Sie behandelt das Herstellen als Umgang mit Material. In meiner Theorie beschreibe ich, was Menschen wie ich tun, nicht was sie denken. Ich behandle anders als Philosophen keine Bedingungen der Möglichkeit, keinen Geist und kein Bewusstsein. Ich schreibe anders als Naturwissenschaftler keine Materie und keine Energie. Ich beschreibe anders als behavioristische Sozialwissenschaftler nicht das Verhalten von Menschen, ich beschreibe, was Menschen tun.
Das Material, das ich beim Herstellen verwende, wird aufgehoben im Sinne des Wortes: Ich bringe es hervor, lasse es im Gegenstand verschwinden, wo es erhalten bleibt.
Exemplarisches Beispiel
Ich baue Kohle ab, verarbeite sie zu Graphit und stelle einen Bleistift her, den ich als Werkzeug verwende, um Buchstaben aus Graphit herzustellen.
Kommentare:
robertottiger | September 1, 2025
Ich komme nicht klar mit Ausdruck „Hervorbringen“, habe aber gesehen, dass Du viel investiert hast. Das Auffälligste: Ich sehe zwei verschiedene Verwendungen.
Zuerst machst Du eine Gleichsetzung von Hervorbringen mit Herstellen: indem ich Material forme/anordne bringen ich Gegenstände zum Gebrauch hervor. Dann verwendest Du den Ausdruck um bereits Vorhandenes sichtbar / zugänglich zu machen.
Im ersten Fall würde ich auf Hervorbringen verzichten und sagen: Als Herstellen bezeichne ich die Tätigkeit des Formens und/oder Anordnens von Material zu einem Gebrauchsgegenstand. Herstellen genügt hier. Dann wäre Hervorbringen reserviert für die zweite Verwendung: Ich produziere nicht, ich bringe hervor, was schon in der Natur liegt. Aber auch das ist für mich nicht klar.
Am Beispiel Korn sehe ich: Pflügen und Säen sind produktive Tätigkeiten, durch die die Erde das Getreide hervorbringt. Schneiden und Dreschen sind ebenfalls produktive Tätigkeiten, die das Korn zugänglich machen. Die Frage ist, ob diese beiden Arten des Hervorbringens – einmal ermöglicht durch die Natur, einmal durch die menschliche Tätigkeit – klar unterschieden werden sollten.
Rolf Todesco | September 1, 2025 um 11:00
herzlichen Dank. Beim ersten Teil bin ich ganz Deiner Meinung. Ich habe aufgrund dieser neuen Unterscheidung ein grosses Chaos im Lexikon (und eben auch noch in meinen Formulierungen, wo ich zuweilen wie hier „hervorbringen“ noch nicht kohärent verwende.
Der zweite Einwand ist komplizierter: ich würde nicht (jetzt nicht mehr) sagen, dass die Natur etwas hervorbringt. Natur ist kein Subjekt, sie kann nichts und macht nichts. Natur ist das Vorhandene. Gras und Korn wächst im Sinne der Autopoiese. Eine Kornähre ist nicht ein Produkt der Natur, sie macht sich selbst.
An dieser Stelle registriere ich, was ich schon wusste: Hervorbringen ist das Wort, das H. Maturana verwendet hat: Autopoiesis = sich selbst hervorbringen.
Und ja, das ist eine ganz andere Verwendung des Wortes. Ein Homonym.