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Anmerkungen zu Milieu

1.

  

Ich unterscheide im konsensuellen Bereich Milieu und Umwelt. Das Milieu beruht auf einer zweifachen Unterscheidung. Zuerst unterscheide ich mich von meiner Um-Welt, und dann unterscheide ich innerhalb meiner Um-Welt Gegenstände von deren Milieu. Ich selbst gehöre zu der Um-Welt des von mir beobachteten Beobachtersystems, aber nicht zu dessen Milieu, da dieses Teil meiner Um-Welt ist. Zwei Beobachter haben in diesem Sinne nie dieselbe Um-Welt, weil Um-Welt sich pro Gegenstand konstituiert. Jeder Beobachter gehört in die Um-Welt der anderen Beonachter, aber nicht in seine eigene. Mit dieser Unterscheidung schaffe ich eine objektive Welt und reflektiere den blinden Fleck, den ich als Beobachter habe, weil ich mir nicht in die Augen schauen kann.

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2.

  

In gewisser Hinsicht könnte man sagen, dass ein Beobachtersystem das Milieu nicht sehen kann, in welchem es von andern Beobachtern gesehen werden kann. Und andere Beobachtersysteme sehen ihrerseits ihr eigenes Milieu nicht, weil das nur von einem aussenstehenden Beobachter gesehen werden kann. Dabei würde man im Ausdruck "sehen" Perspektiven vermischen, weil ja kein Beobachter seine Umwelt sehen kann, Umwelt ist immer errechnet.

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3.

  

In meiner Um-Welt gibt es auch vieles, was ich nicht erkläre, weil meine konstruktiven Erklärungen dort gar nicht hinreichen können. Ich kann also auch klären, was ich erklären kann und was nicht.

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4.

  

Ich kann die phänographische Beschreibung beliebig detailliert und methodisch gestützt betreiben, die ganze Statistik dient der Milieu-Darstellung. Statistiken im eigentlichen Sinne erklären nichts, sie beschreiben das zu eklärende Phänomen. Das Verhältnis zwischen Statistik und Systemtheorie ist seinerseits komplex, weil innerhalb der Systemtheorie natürlich wieder Statistik betrieben wird. Hier geht es mir um die primäre Unterscheidung, wonach Statistik eine beschreibende Funktion erfüllt und Systemtheorie eine erklärende. Innerhalb der Statistik wird diese Unterscheidung auch aufgehoben, indem signifikante Beschreibungen als Erklärungen gedeutet werden, insofern, als Voraussagen gemacht werden können.

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5.

  

Ich habe diese "Definition" nicht falsch abgeschrieben! In dieser Definition, die keine ist, kommt System auf beiden Seiten vor. System wird quasi durch System definiert. Lesen sollte man die Definition operativ: Mache eine Unterscheidung zwischen System und Umwelt. Dann schaue nur noch die System-Seite der Unterscheidung an und mache die dieselbe Unterscheidung noch einmal. Die Umwelt kommt so in Form eines re-entrys in das System hinein.

N. Luhmann stellt sich damit in eine philosphische Tradition, die auf G. Hegel zurückgeht und sich seit J. Derrida als Dekonstruktivismus bezeichnet. In dieser Tradition geht es um die Aufhebung des von I. Kant eingeführten Konstruktivismus (vergl. dazu M. Bettoni: Eine konstruktivistische Interpreation von Kants Kognitionstheorie), der eben einen Buchhalter (Beobachter) verlangt, was H. Maturana mit seinem Hauptsatz ausdrückt, wonach jede Aussage von einem Beobachter (der sprechen kann) stammt. Bei N. Luhmann wird - was eben die deutsche Philosophie von Kant bis Hegel ausmacht - genau dieser Beobachter zugunsten der Beobachtung aufgehoben. K. Marx hat den Beobachter als Proletarier eingeführt und damit die deutsche Philosophie auf die Füsse gestellt - oder geschlossen. Im Materialismus von K. Marx kann ich den Beobachter als einen aneignenden Konstrukteur erkennen, der sich materieille Umwelt-Verhältnisse schafft.

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6.

  

H. Maturana steht in einer spezifischen Tradition, in welcher Naturwissenschaftler quasi Philosophie, Erkenntnistheorie und Ethik betreiben. Sie knüpfen gemeinhin nicht am philosophischen Diskurs an, sondern entwickeln ihre "Philosophie" aus ihrer naturwissenschaftlichen Tätigkeit heraus. H. Maturana spricht nicht einmal über die Systemtheorie, er hat für seine Verwendung der Systemtheorie sogar einen eigenen Ausdruck, nämlich Autopoiese, vorgeschlagen. Mit Autopoiese verweist er darauf, dass er "lebende", sich selbst produzierende Maschinen untersucht. H. Maturana nimmt explizit bezug auf das Verhältnis zwischen seiner "Philosophie" und seiner Biologie. Letztere bezeichnet er als Resultat der ersteren (etwa in: Maturana: Explanations and Reality, 1992). Der naturwissenschaftliche Gegenstand scheint in dieser Tradition kein Theoriebewusstsein zu verlangen. Es ist, als ob der Gegenstand diktieren würde, wie etwa I. Prigogine mit seinem Buchtitel "Dialog mit der Natur" suggeriert. Mit mir spricht die Natur leider nicht, aber H. Maturana, dessen Argumentationen über Maschinen ich hier weitgehend teile - auch wenn ich sie in Maschinen, nicht in der Natur festmache, spricht und ich kann ihn "verstehen". Wie man sehen kann, teile ich auch die Tradition, von eigentlicher Philosophie weitgehend unberührt zu sein.

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