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Kontingent und Kontingenz ist nur fast dasselbe: t versus z
Das Adjektiv "kontingent" steht für beides.
In der Soziologie (etwa N. Luhmann) wird von Kontingenz gesprochen, wenn das Kontingent, also die Anzahl der Möglichkeiten nicht bekannt ist.

Als Kontingenz bezeichne ich - vom üblichen Sprachgebrauch etwas abweichend -, dass eine Beobachtung/Beschreibung möglich, aber nicht notwendig ist, weil auch anders beobachtet werden könnte.

Gemeinhin wird Kontingenz auf Realität bezogen, also darauf, dass etwas nicht so sein müsste, wie es tatsächlich ist.

In der Soziologie wird der der Ausdruck oft invers verwendet: Es wird nach Gründen gesucht, weshalb eine bestimmte Möglichkeit Realität ist, obwohl auch andere Möglichkeiten bestanden hätte: Gesagt wird dann, es anders sein könnte, aber SO ist.
N. Luhmann lässt in seinen Formulierungen offen, worauf er sich bezieht.

siehe auch doppelte Kontingenz


 

Anmerkungen:

In der Soziologie wurde der Ausdruck von T. Parsons und N. Luhmann populär gemacht: Dort steht er (im Sinne des Luhmannschen Konstruktivismus) für Konstruktionen, die wir uns von der Wirklichkeit machen. Man kann die Welt ziemlich beliebig sehen, aber nach N. Luhmann ist nicht jede Sicht möglich. Es gibt ein Kontingent von Sichtweisen - wobei es N. Luhmann wichtig erscheint, das Kontingent auch auszuschöpfen, statt immer nur dieselbe Sicht zu verwenden: es könnte auch anders sein. Soziologie soll die Gesellschaft als eine unter vielen möglichen wahrnehmen, die weder notwendig noch beliebig ist. Selbst die Wahrnehmung der Welt ist kontingent, sie beruht auf Unterscheidungen und Konstruktionen, welche auch anders gemacht werden könnten.
N. Luhmann definiert: "Kontingenz ist etwas, was weder notwendig ist noch unmöglich ist; was also so, wie es ist (war, sein wird), sein kann, aber auch anders möglich ist. Der Begriff bezeichnet mithin Gegebenes (zu Erfahrendes, Erwartetes, Gedachtes, Phantasiertes) im Hinblick auf mögliches Anderssein; er bezeichnet Gegenstände im Horizont möglicher Abwandlungen" Soziale Systeme, 152).

In der Philosophie wird der Ausdruck seit Aristoteles sehr verschieden verwendet. Bei Aristoteles steht er für zufällig im Gegensatz zu wesentlich, bei bestimmenden Merkmalen. Man kann den Menschen definieren als "ungefiederten Zweibeiner". Mit dieser Definition wird der Mensch klar von andern Lebewesen abgegrenzt, aber sie sagt nichts "Wesentliches" über den Menschen aus. Sie ist zufällig oder eben kontingent. Kontingent heisst hier: So kann man es ohne Wesensschau aus praktischen Gründen sehen. (Anmerkung: Weil Zufall oft auch als Gegensatz zu Notwendigkeit verwendet wird, herrscht bezüglich Kontingenz begriffliches Chaos).


 
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