PrologHier beschreibe ich das Herstellen von Gegenständen. Dass ich schreiben kann, erachte ich als ein Geschenk des Himmels, es gehört zu meiner Natur. Und wer lesen kann, was ich schreibe, ist von derselben Natur. Schreiben und Lesen ist wie das Spielen einer Geige oder Töpfern einer Schale den Menschen in die Wiege gelegt.[1] Das Herstellen von Schriftzeichen ist mit dem Menschen zusammen vom Himmel gefallen. Die allenfalls evolutionären Umwege spielen hier so wenig eine Rolle, wie dass der Mensch in der Wiege noch nicht alles kann, was er kann. Wenn ich nicht schreiben könnte, könnte ich vielleicht etwas herstellen, aber ich könnte nicht davon schreiben. Schreiben ist wie das Ei aus dem Huhn aus dem Ei. Hier geht es ums Herstellen. |
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Was ich hier schreibe, ist trivial und nur in dem Sinne voraussetzungslos, als jeder Mensch, der schon einmal etwas hergestellt hat, das alles in seiner je eigenen Sprache auch schreiben könnte. Ich mache mir damit bewusst, wie ich über die Sache spreche, die ich jenseits vom Sprechen mache, wenn ich etwas herstelle. Lesende Personen, die erkennen, worüber ich spreche, können wie ich erkennen, wie ich welche Wörter wofür verwende, und ob sie dieselbe Sache auch so beschreiben würden. Genau darin erkenne ich das Wesen eines Dialoges. Jenen, die diesen Text lesen können, zeige ich, wie ich die Wörter im vorausgesetzten Fall verwende. Dass die Wörter - etwa als Metaphern oder in anderen Sprachspielen - auch für ganz andere Sachen verwendet werden können, spielt hier keine Rolle. Ich spreche über das Herstellen von Gegenständen und lege meine Wortverwendungen in genau diesem Kontext fest[2]. |
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Es geht mir hier zunächst weniger um die verschiedenen Tätigkeiten, über die ich schreibe, als darum, wie ich worüber spreche, wenn ich von Tätigkeit und Herstellen spreche, respektive schreibe. Ich setze dabei nicht nur voraus, dass mein Text gelesen werden kann, sondern auch, dass in einem pragmatischen Sinn hinreichend bekannt ist, was ich beschreibe, so dass jede lesende Person den Text auf die je eigene Lebenswelt beziehen kann. Wer aber keinen Ahnung davon hat, was eine Tonschale ist und wie sie hergestellt werden kann, dem hilft dieser Text so wenig weiter, wie jenem, der die Wörter, die ich verwende, gar nicht kennt oder ganz anders verwendet. Die lesende Person muss unabhängig von diesem Text wissen, was eine Schale ist und wie eine Schale im Prinzip hergestellt wird, und diesen Text pragmatisch darauf beziehen, also beim Wort Schale auch an eine hergestellte Schale denken können.
Ich werde in diesem Text auch darstellen, wie ich bestimmte Wörter in einem abgeleiteten Sinn verwende. Dabei erläutere ich diese Ableitungen immer in Bezug auf die hier in Bezug auf das Herstellen vereinbarte Verwendung, das wird ein ziemlich kompliziertes Spiel, in welchem ich Vieles nicht sagen kann. Was ich aber über das Herstellen sagen kann, kann ich klar sagen.
Als Herstellen bezeichne ich das Hervorbringen von Gegenständen, die es davor nicht gibt, gleichgültig wie viele Exemplare des gleichen Gegenstandes schon vorhanden sind.[3] Jeder Schale, die ich herstelle, ist eine neue Schale. Und als Gegenstand bezeichne ich genau das, was hergestellt wurde. Ein Baum ist - in meiner Sprache - kein Gegenstand, sondern ein Ding. Freiheit ist - in meiner Sprache - kein Gegenstand, sondern eine Sache.[4]
Ich kann zwar über das Herstellen sprechen, aber herstellen kann ich nur konkrete, anfassbare Gegenstände. Ich kann beispielsweise ein Schale aus Ton herstellen. Dabei mache ich etwas ganz anderes als wenn ich eine in gewisser Hinsicht sehr ähnliche Schale aus Holz herstelle. Den Ton forme ich im einfachsten Fall mit meinen Händen, was ich als töpfern bezeichne. Das kann ich tun, weil Ton eine plastische Masse ist, die die Form behält, die ich ihr mittels meiner Hände gebe. Das Holz, das ich für eine Schale verwende, kann ich praktisch nicht mit meinen Händen formen. Ich bearbeite es im einfachsten Fall mit einem Werkzeug. Dieses Herstellen, bei welcher ein Teil des Holzes verloren geht, bezeichne ich als schnitzen. Wenn ich kompliziertere Werkzeuge verwende, spreche ich beispielsweise von stechen, hobeln oder drechseln. Ich kann sagen, dass ich das Holzstück, aus welchem ich eine Schale herstelle, auf eine bestimmte Art aushöle. Ich mache dabei Vertiefungen in einem Stück Holz, das ich zuvor durch andere Tätigkeiten in eine passende Form gebracht habe.
Wenn ich diese beiden an sich sehr verschiedenen Tätigkeiten als Herstellen bezeichne, betrachte oder beschreibe ich sie in gewisser Hinsicht als dasselbe, obwohl das Material, das ich verwende und die Art, wie ich mich dabei bewege, ganz verschieden sind. Das Gemeinsame, das ich bezeichne, besteht darin, dass ich in beiden Fällen Gegenstände hervorbringe. Ich kann auch ganz andere Gegenstände als Schalen herstellen, etwa einen Backstein oder einen Nagel. Einen Gegenstand kann ich bewegen und transportieren. Die einfachsten Gegenstände sind handlich und bestehen aus einem einzigen Material.
Ich unterscheide eigentlichen Gegenstände, die ich zum Ge-brauch herstelle, von uneigentlichen Gegenständen, die ich zum Ver-brauch herstelle. Die Kuchenform verwende ich, um Kuchen herzustellen. Den Kuchen esse ich, die Kuchenform nicht. Die Kuchenform gebrauche ich.
Gegenstände haben eine Gegenstands-Bedeutung, ich weiss, wozu ich sie herstelle. Mit dem Wort "Schale" verweise ich auf diese Bedeutung. In einer sprachlichen Verkürzung, die viele Missverständnisse verursachen kann, sage ich, dass das Wort diese Bedeutung habe. Wörter haben die Bedeutung Wörter zu sein, was etwas ganz anderes ist, als wofür ich sie verwende. Wörter sind hergestellte Schriftzeichen, mit einer Gegenstandsbedeutung.
Ein Gegenstand ist hergestellt. Ein Veilchen, das ich auch anfassen oder zeichnen kann, ist kein Gegenstand.
Ich spreche in bestimmten Fällen auch von Herstelllen, wenn ich keinen Gegenstand herstelle. Ich stelle etwa eine Markierung her, indem ich eine Kerbe in einen Baumstamm ritze. Die Kerbe ist hergestellt, aber keine Gegenstand. Ich spreche von Keimformen des Herstellens, weil ich die Intention erkenne und auch eigentliche Gegenstände, die als Zeichenkörper dieselbe Bedeutung haben.
Beim Herstellen eines Gegenstandes forme ich Material. Als Material bezeichne ich genau das, was ich beim Herstellen forme[5]. Oft - etwa wenn ich eine Schale aus Ton herstelle - fasse ich das Material dabei als homogene Masse auf, deren Form ich durch Operationen wie drehen, schnitzen oder drücken verändere. Bei anderen Gegenständen - etwa bei einer Mauer oder einer Steinbrücke - verwende ich Bausteine, die ich anordne und durch Operationen wie kleben oder schweissen verbinde, wodurch auch ein Gegenstand mit einer je bestimmten Form entsteht. Ich unterscheide bezüglich der Formgebung verschiedene Operationen, für die ich auch verschiedene Werkzeuge verwenden kann.
Ich unterscheide verschiedene Herstellungsarten, die hauptsächlich durch die verwendeten Materialien bestimmt sind. Ton kann ich von Hand formen, einen Nagel oder ein Hufeisen muss ich schmieden. Wenn ich von Herstellen spreche, lasse ich ausser Betracht, um welchen Gegenstand aus welchem Material es sich handelt, und was ich im konkreten Fall wie mache. Das, was ich mit Herstellen bezeichne, besteht darin, dass ich dabei ein Ziel verfolge, das in allen Fällen in einem hervorgebrachten Gegenstand besteht, gleichgültig wie verschieden diese Gegenstände sind.[6]
Ich habe sehr viele Wörter für verschiedene Tätigkeiten, Gegenstände und für die Materialien, die ich verwende. Statt von einer Schale kann ich beispielsweise von einer Schüssel, einer Tasse, einem Teller sprechen. Ich kann für die Schale Ton oder Lehm, verschiedene Hölzer oder Metalle und Kunststoffe verwenden. Ich kann das Material drechseln oder schmieden. All diese Unterschiede sind im Ausdruck herstellen aufgehoben.
Ich habe bereits einige Beispiele dafür gegeben, wie ich das Wort herstellen wofür verwende. Natürlich habe ich mir nicht vorab überlegt, was ich mit Herstellen bezeichne, ich habe das Wort naturwüchsig angeeignet, als ich sprechen lernte. Ich erkannte dabei, wann ich das Wort sinnvoll wie verwende, ohne mir das bewusst zu machen. Ich wähle hier also im Nachhinein eine Hinsicht, durch welche ich das Gemeinsame in verschiedenen Fällen des Herstellens erkenne. Beim Töpfern forme ich Ton, beim Schnitzen forme ich Holz. Herstellen heisst formen oder genauer umformen. Die Gegenstände, die hergestellt werden, haben eine Form.
Mit dieser generalisierten Hinsicht habe ich ein paar für mich wichtige Begriffe eingeführt, jetzt will ich das Formen genauer beobachten.
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Das generalisierte Wesen des Herstellens bezeichne ich als Formen, jenseits davon, was ich wie forme. Mit dem Tätigkeitswort "formen" bezeichne ich zwei Sachen. Zum einen, dass die Gegenstände, die ich herstelle, nicht wie natürliche Dinge von selbst entstehen, sie sind ein Resultat (m)eines Tuns. Ich bestimme die Form der Gegenstände. Und zum andern beziehe ich damit auf die Form der Gegenstände und nicht etwa auf deren Bedeutung oder auf Funktionen, die sie erfüllen können[7]. Eine Schale beispielsweise kann fast beliebig viele verschiedene Formen haben. Sie hat immer eine bestimmte Form und sie hat immer dieselbe Gegenstandsbedeutung, auf die ich mit dem Wort Schale verweise. Das Wort Schale referenziert nicht deren Form. Die Bedeutung bekommt die Schale bei deren Herstellung. Die Bedeutung entspricht der Intention des Herstellers und besteht im Falle der Schale darin, Mengen von Flüssigkeiten oder relativ losen Objekten aufzubewahren. Eine Schale kann ganz verschiedene Funktionen erfüllen. Ich kann sie beispielsweise als Briefbeschwerer oder als Dekorgegenstand benutzen[8].
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Als Form bezeichne ich im Kontext der Herstellung in einem operativen Sinn genau das, was ich von einem Gegenstand zeichnen kann.[9] Jede Zeichnung repräsentiert einen Aspekt der Form des gezeichneten Gegenstandes. Die Form selbst kann ich nicht zeichnen, ich zeichne Umrisse, die die Form aus einer je bestimmten Perspektive zeigen. Dreirissige Konstruktionszeichnungen sind in diesem Sinne idealtypische Zeichnungen der Form, während einfache Zeichnungen konventionelle Normalansichten darstellen. Dabei spielt keine Rolle, inwiefern die Zeichnung perspektivisch ist. Wenn ich den Umriss des Gegenstandes und eine Zeichnung von ihm betrachte, mache ich mit dem Focus meiner Augen analoge Bewegungen. Mental mache ich diese Bewegungen, wenn ich die Augen dabei nicht bewege, sondern mich der Bewegungen (nur) erinnere. Beim Zeichnen mache ich die Bewegung mit der Hand, respektive mit dem Zeichenstift. Jeder Umriss ist in diesem Sinne eine gedachte Linie zwischen der Oberfläche und der Umgebung des Gegenstandes. |
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Als Form bezeichne ich eine Hypostasierung von formen, ich welcher ich einen Aspekt des Resultates der Tätigkeit bezeichne. Die Form ist also kein Gegenstand, sondern ein Aspekt des Gegenstandes. In einer sprachlichen Verkürzung spreche ich aber von einer Form, wo ich beispielsweise eine Kuchenform meine. Die Kuchenform ist ein Werkzeug, das ich zum Formen des Teiges verwende, wenn ich beispielsweise einen Gugelhopf zubereiten will. Beim Herstellen der Kuchenform forme ich das Material so, dass es gleiche Form hat, wie der damit zubereitete Kuchen. Die Zeichnung der Form zeigt nicht, ob der Kuchen oder die Kuchenform gemeint ist, weil sie dieselbe Form haben.
Der Umriss zeigt in vielen Fällen auch nicht hinreichend, zu welchem Ding er gehört. Die Zeichnung zeigt nicht, wie der Umriss zu deuten ist. Umrisse von sehr verschiedenen Dinge sind gleich. Ein Ball und ein rundes Loch zeichne ich in der Form eines Kreises. Bei einem Loch zeichne ich dabei gewissermassen den Umriss des Loches, oder anders gesagt, den Umriss von Nichts.
Wenn ich eine Kuchenform oder eine Gussform herstelle, forme ich den Gegenstand im Hinblick auf die Form eines anderen Gegenstandes, den ich mittels der Fom formen will. Eine Gussform stelle ich typischerweise her, indem ich ein Model des herszustellenden Gegenstandes herstelle. Die Gussform hat als Gegenstück die Prägeform. Die Gussform bildet dann ein Hohlkörper (Kavität), in den die flüssige Schmelze gegossen wird, dort erstarrt und somit anschliessend die negative Form der Gussform als äussere Gestalt annimmt. Die Prägeform ist positiv, die Gussform negativ.
Die Kuchenform ist ein interessanter Spezialfall, weil sie auf der Aussenseite zeigt, welche Form damit hergestellt wird.
Beim Herstellen mittels einer Form wird das Material in plastischer oder flüssiger Form in die Form gefüllt[10], wo es deren Form annimmt. Wenn ich eine Gussform für flüssiges Material verwende, spreche ich von giessen. Anstelle von giessen sage ich bei Teig füllen oder einfüllen in eine Kuchenform.
Die Gegenstandsbedeutung der Guss- und der Kuchenform besteht darin, dem Material, das eingefüllt wird, die gewünschte Form zu geben. Anstelle von Material ist oft von Inhalt die Rede
Fortsetzung folgt
Anmerkungen
1) Wie Sprache in der Wiege von Menschen liegt, spielt hier keine Rolle. Jede denkbare Form von Sprachwissenschaft oder Linguistik setzt dasselbe voraus. Ich schreibe unabhängig davon, was jede Wissenschaft über das Schreiben schreiben kann.
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2) Einige sehr gängige Wortverwendungen, die ich hier gerade nicht meine, erwähne ich in Fussnoten.
G. Frege, der sich auch mit seinen Begriffen beschäftigt, verwendet fast alle Wörter anders als ich, weil er sich nicht für das Herstellen interessiert. Er verwendet das Wort Gegenstand nicht für hergestellte Gegenstände, sondern für das, was ich als Sache bezeichne, für Gesprächsgegenstände.
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3) Die Konstruktivisten verwende Hervorbringen für etwas in die Wahrnehmung bringen und Wahrnehmung ist ein mentaler Prozess, der nicht davon abhängig ist, dass etwas vor den Augen ist und nicht daran gemessen werden kann, weil man keinen Zugriff auf etwas hat, was jenseits der Wahrnehmung ist.
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4) Das, was oft als Gegenstand eines Gespräches bezeichnet wird, ist hier nicht gemeint.
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5) Als Material bezeichne ich mithin etwas ganz andere als die Materie, von welcher Physiker sprechen. Materie spielt in lebensweltlichen Zusammenhängen keine Rolle.
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6) Oft wird auch vom Herstellen einer Beziehung gesprochen. Hier nicht.
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7) Dass Gegenstände eine Funktion erfüllen ist ein verkürzte Redeweise. Ich erfülle die jeweilige Funktion, wobei ich den jeweiligen Gegenstand verwende. Ich erfülle beispielsweise die Funktion Briefe zu beschweren, indem ich eine Schale auf die Briefe lege. Für mich ist wichtig, dass die Briefe nicht wegfliegen, für die Schale ist es nicht wichtig.
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8) Wer eine Schale in eine bestimmten Situation als Briefbeschwerer verwendet, weiss normalerweise, dass es sich um eine Schale handelt, die nicht dafür hergestellt wurde. Wenn ein Künstler ein Kunstwerk herstellt, das wie eine Schale aussieht, stellt er keine Schale her.
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9) Der Ausdruck Form wird in sehr vielen Bedeutungen verwendet. Eine Variante etwa besteht in der Differenz Form/Medium, die N. Luhmann bei F. Heider gefunden hat. Hier geht es aber ausschliesslich um anfassbare, hergestellte Artefakte, die dort keine Rolle spielen.
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10) Die Redeweise "in flüssiger Form" ist ein Beispiel dafür, dass das Wort "Form" fast beliebig verwendet wird. In diesem Fall steht, das Wort umgangssprachlich für den Aggreagtszustandes des Materials, das in flüssiger Form natürlich gerade keine Form hat.
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