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Als Organprojektion bezeichne ich ein Konzept von E. Kapp, wonach Artefakte den Organen nachempfunden seien und insbesondere Werkzeuge der Hand. Er hat damit an die philosophische Lehre angeschlossen, wonach der Mensch ein kompensierendes Mängelwesen sei, hat aber die Argumentation gedreht. Die Organe sind Vorbild geworden. Die Projektionen seien bei der Herstellung unbewusst, aber leicht rekonstruierbar. Sie zeigen das kulturschaffende Bewusstsein als Selbst-Bewusstsein. In der Herstellung erkenne ich meine Organe und so mich selbst.

Kritik:
E. Kapp hat einerseits ziemlich unsinnig argumentiert und andrerseits selbst Beispiele gegeben, die zur Auffassung passen, dass ge/erfundene Gegenstände als Proto-Werkzeuge in die Hand passen, ohne jede Ähnlichkeit mit der Hand zu haben: beispielsweise Hirschgeweihteile als Hacke.
Im Film Space Odysee zeigt S. Kubrik wie ein Knochen zum Hammer und zur Waffe wird, was er als Götterdämmerung bezeichnet.

Eine weiter Argumentation betrifft Bezeichnungen von Werkzeugen, die zuvor schon für die gleiche Funktion, resp Tätigkeit verwendet wurden. Mahlen etwa bedeutete mit den Fingern zerreiben als es noch keine Mahlsteine gegen hat. Das sind einfach unglaubliche Geschichten!
Diese Ansicht hat sich mir besonders aus der Beobachtung gebildet, dass die Werkzeuge niemals von einer Bearbeitung benannt sind, sondern immer von der Verrichtung, die sie auszuführen haben. Eine Scheere, eine Säge, eine Hacke sind Dinge, die scheeren, sägen, hacken. Dieses Sprachgesetz muss um so auffallender erscheinen, als die Geräthe, die | nicht Werkzeuge sind, genetisch, passivisch nach ihrem Stoff oder der Arbeit benannt zu werden pflegen, aus der sie hervorgehen. Der Schlauch z. B. ist überall als eine abgezogene Thierhaut aufgefasst. Bei den Werkzeugen ist dies nicht der Fall, und sie können daher, soweit es die Sprache angeht, sehr wohl anfangs gar nicht bereitet, das erste Messer kann ein zufällig gefundener, ich möchte sagen, spielend verwendeter, scharfer Stein gewesen sein.“ (a. a. O., S. 31 – 37.)

Kiritk: Im Verlauf des Textes wird immer klarer, wie Kapp die unbewusste Projektion meint: Die Brückenbau-Statik entdeckt er in den Knochen, wie wenn Menschen von den Knochen unbewusst solche Kentnisse gehabt hätten, als sie die ersten Brücken gebaut haben (die ja ohnehin nur schwer als Werkzeuge zu sehen sind. (Kapp, S. 109f)
Kapp schreibt, dass die Architektur der Knochen schon sehr lange bekannt gewesen sei, während ich annehme, dass Knochen schon Raubtieren bekannt sind, und Kubrik sie als ersten Hammer verwendet.
Hier schleicht sich auch die Vorstellung von Mathematik/Physik ein, weil von statischen Berechnungen die Rede ist.

Wolff verkündet: „Die Natur hat, so zu sagen, ein mathematisches Problem gelöst und eine wunderbare Bestätigung der Zug- und Drucklinien gegeben.“ So ist der Mechanismus die Fackel zur Erleuchtung des Organismus.


Literatur

"Der Sprachgebrauch des Ausdrucks „Projektion“ hält in allen Fällen an dessen etymologischer Grundbedeutung fest. Abgesehen vom Geschützwesen, welches alle Geschosse Projektile, von der Architektur, welche einen Vorsprung Projektur nennt, und von den Projekten des Geschäftslebens, ist das Wort besonders in der Zeichnenkunst heimisch für | jede Art von Vorwurf, Entwurf, Plan, Riss, Skizze, insbesondere aber für das Entwerfen der dem Kartografen nötigen Gradnetze. Wer kennte nicht z. B. die so oft genannten parallellinigen Gradnetze „nach Mercator’s Projection“ ? (E. Kapp: Technikphilosophie: 40), wo es um Organprojektion geht.

Das Bruchstück vom Hirschgeweih mit einer Endzacke, die halbe Kinnlade vom Höhlenbär konnten, so wie sie waren, zur Verlängerung der Hand, deren gekrümmte Finger härteren Boden nicht zu lockern vermochten, benutzt werden. (Fig. 7, 8.) Aus solchem ersten Notbehelf mochte die Hacke hervorgehen, welche, in der Winkelrichtung des Eisens die Hand und in dem Holzteil den Arm vorstellend, nach A. Schleichers für Ähnliches gebrauchtem, auch hier durchaus passendem Ausdruck, „eine Art Erscheinung des Organs selbst“ ist.


 
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  https://de.wikipedia.org/wiki/Dornier-Nierensteinzertr%C3%BCmmerer https://de.wikipedia.org/wiki/Extrakorporale_Sto%C3%9Fwellenlithotripsie https://suche.uni-regensburg.de/index.php?q=helmut+braun&t=&ps=20&vl=0&m=all&wm=wrd&wf=9009005111&ul=