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John Richards / von Glasersfeld, Ernst: Die Kontrolle von Wahrnehmung und die Konstruktion von Realität. Erkentnistheoretische Aspekt des Rückkoppelungs-Kontroll-Systems. In: Schmidt, Siegfried J. (Hrsg): Der Diskurs des Radikalen Konstruktivismus (192 - 228).

Zum Inhalt

Die Autoren begründen im Sinne des Radikaler Konstruktivismus - hier mit intensivem Bezug auf W. Powers -, warum wir nie wissen können, wie es wirklich ist. Ihre Fragestellung ist doppelt bestimmt: als Skeptiker wissen sie, dass sie nichts wissen können und als Pragmatiker wissen sie, was sie doch wissen. Wie kann man diesen Widerspruch aufheben? Die Autoren argumentieren dafür, Wissen innerhalb eines operationell geschlossenen System anzusiedeln und so auf jede Ontologie zu verzichten.

Kritik

Die radikalkonstrutivistischen Formulierungen von E. von Glasersfeld richten sich immer gegen das drohende Ungeheuer "Ontologie". Dieser Fokus nimmt die Formulierungen in Bann, E. von Glasersfeld schreibt so, wie wenn "man" (gemeint sind "die" Menschen überhaupt) wirklich nichts über die Wirklichkeit wissen könnte, statt zu schreiben, warum er nichts über die Wirklichkeit weiss.

Zuerst musst ich lernen, weshalb alle Ontologien unsinnig sind. Nachdem ich das aber begriffen habe, irritieren mich Formulierungen, die gegen Ontologien gerichtet sind. Da ich mich als operativ geschlossenes System betrachte, macht die Unterscheidung zwischen innen und aussen keinen Sinn. Ich spreche also von Artefakten und von richtigen oder falschen Abbildungen von Artefakten ganz unabhängig von allen Ontologien, weil mir das eine ganz einfache und normale Redeweise möglich macht.

weitere Anmerkungen

Es gibt in diesem Aufsatz den Zwischentitel: Ein kybernetisches Modell. Ich kritisiere hier die Verwendung des Ausdruckes "Modell", um auf eine generelle Problematik hinzuweisen: ich kann in diesem Aufsatz keine (konsequente Einhaltung einer) Terminologie erkennen. Der Ausdruck "Modell" wird halb im alltäglichen Sinn verwendet, weil an der Alltagssprache angeschlossen wird, der Ausdruck wird aber für eine terminologisch bestimmte Sache verwendet, die im Alltag gerade nicht gemeint ist.

Was ist ein Modell?

Die Autoren schreiben (195): "In diesem Zusammenhang verwenden wir den Begriff "Modell" so, wie er in der Kybernetik verwendet wird. Das heisst, ein Modell soll eine Struktur weder abbilden noch verdoppeln, sondern einen möglichen Weg zur Ausführung einer Funktion illustrieren, die zu einem gegebenen Resultat führt".

Ich "interpretiere": Die Kybernetik verwendet Blackboxes zur Rekonstruktion von "Funktionen" (Funktion ist hier auch ein kritischer Ausdruck). Eine Beispiel für eine Funktion wäre etwa die konstante Körpertemeratur eines Menschen. Die Rekonstruktion beschreibt einen Mechanismus, der diese Funktion erfüllt, da aber die Blackbox nicht einsehbar ist, weiss der Kybernetiker nicht, ob seine Rekonstruktion ein mehr oder weniger gutes Abbild des Inhaltes der Blackbox ist.

Ich gehe davon aus, dass ich eine äquivalenten Ausdrucksweise gegeben habe und vergleiche die verwendeten Formulierungen auf einer begrifflichen Ebene:

Ich spreche von einer Rekonstruktion, die Autoren sprechen von einem Modell. Was wird rekonstruiert, resp. modelliert? Die Autoren sprechen von einer "Struktur" (Struktur ist hier auch ein kritischer Ausdruck), ich spreche von einer Blackbox, resp. vom Inhalt der Blackbox. Im Falle der Autoren produziert die Struktur die Funktion, in meiner Redeweise produziert die Blackbox das Phänomen, also beispielsweise eine konstante Körpertemperatur. Beispielsweise könnten die Autoren und ich dabei an eine thermostatengeregelte Oelheizung denken, und wir würden dabei nicht annehmen, dass im menschlichen Körper eine solche Heizung existiert. Die Autoren schreiben, dass das Modell die Struktur nicht abbilden soll und meinen damit, dass die Heizung kein Abbild des Körpers darstellt. Ich meieine, dass die Rekonstruktion ein Abbild und ein Modell davon ist, wie ich mir die konstante Körpertemperatur erkläre. In meiner Redeweise ist ein Modell eine Abbildung, und die Rekonstruktion ist ein Modell meiner Vorstellung, oder noch etwas genauer, meine Vorstellung ist immer an ein Modell gebunden, weil ich nur einen Gegenstand vor-mich-stellen kann.

Fazit: wir sprechen verschieden und damit verbunden denken wir verschieden, obwohl wir lokal kompatibel erscheinen. Meine Begriff sind technologisch fundiert, die Autoren sprechen in einer Kybernetik, die keinen exemplarischen Gegenstand hat.