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Fuchs, Peter: Eine tragische Wahl? Über die Schwierigkeiten und Folgen rechtstaatlichen Folterns.

Text im Netz / lokal

Diskussion

In dem Artikel heisst es, resümierend:

"Ist das alles Unsinn? Ich denke nicht, es zeigt stattdessen, dass Folter (und auch nur der Flirt mit ihr) in demokratischen Gemeinwesen schlicht unmöglich ist. Wo man an sie als ultima ratio denkt, wird im Medium des Schmutzig-Schmuddeligen, in der Domäne des Sinistren gedacht - und folgenabschätzungsfrei, das heißt: dumpf, tumbe, unterkomplex. Man muss, will ich sagen, nicht große Worte bemühen. Es genügt ein einfaches: Respice finem achte darauf, wie es endet."

Ja, womit endet es?

Niklas Luhmann spielt in seinem Text "Gibt es in unserer Gesellschaft noch unverzichtbare Normen?" (der in einem doppelten Sinne - kontextualisierend und darum ungenannt - "in den Hintergrund" des Artikels gerückt scheint) die Atombombengeschichte ebenfalls durch. Nachdem Luhmann zwei juristische Sachverhalte beobachtet, in denen es sich um das kunstfertige juristische Bearbeiten der Paradoxie eines "Rechts auf Rechtsbruch" dreht, zieht er eine Parallele zur Folterfrage (S. 27):

"Man muss nur die Kraft der Imagination ein wenig anstrengen, um zu sehen, dass unser Fall der Folter eine ähnliche Struktur hat. Man könnte deshalb auch hier an eine ähnliche juristische Lösung denken - ungeachtet aller legalistischen bedenken auf Grund von Art. 1 GG. Etwa: Zulassung von Folter durch international beaufsichtigte Gerichte, Fernsehüberwachung der Szene in Genf oder Luxemburg, telekommunikative Fernsteuerung, Verschiebung der Unterscheidung Recht/Unrecht in die Option des Opfers, Held oder Verräter zu sein. Insgesamt keine sehr befriedigende Lösung. Aber es befriedigt ja auch nicht, wenn man gar nichts tut und Unschuldige dem Fanatismus der Terroristen opfert."

Der Unterschied zum besagten Artikel scheint mir aber nicht darin zu liegen, dass Luhmann sich in seinem Text zum Dumpfen, Tumben und Unterkomplexen versteigt. Sondern darin, dass Luhmann nicht (nur) fragt, wo es endet - bei Luhmann: Atombombenexplosion oder nicht? -, sondern, darin, dass er fragt, wie es anfängt. Nein auch nicht, sondern darin, dass er mit der Frage anfängt (S. 1): "Würden Sie es tun?"

Diese gleichsam persönliche Ansprache, die er eine Seite weiter in anderer Formulierung ("Würden Sie foltern?") wiederholt, steht in einem auffälligen Kontrast zum sonstigen Duktus des Textes, in dem ja gerade gefragt wird, ob sich beobachten lässt, wie die Kälte des Funktionssystems eine Art Entlastung von tragischen Wahlen anbieten könnte.

Sie bietet keine "befriedigende" (Luhmann). Das musste Frankfurts Polizeivizepräsident Daschner lernen. Die unaufhebbare Unbefriedigung, die Aporie liegt in der Not des Entscheidens, wie mir scheint, und nicht so sehr in der "Unmöglichkeit der Folter in demokratischen Gemeinwesen". Demokraten, nicht nur amerikanische, können ja sehr gemeine Wesen sein.

Darf "man"/Darf "man" nicht?

Das Setzen auf eine der Seiten dieser Unterscheidung (darf =Daschner, darf nicht = Fuchs) erlöst sozusagen nicht aus der Aporie. Vielleicht liegt ein Weg in der Ersetzung dieses "man" durch ein "ich". Dann kann "ich" mich fragen, ob "ich" foltern würde, auch wenn "man" dann dafür ins Gefängnis kommt (und so verstehe ich auch Luhmanns "Würden SIE es tun?").

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