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Dirk Baecker: Die Form der Kultur, Juli 2003, www.uni-wh.de/baecker


Text im Netz (lokal)

D. Baecker entwickelt einen Kulturbegriff, in welchem er drei Begriffe, die sich gegenseiteig paralysierten, aufgehoben sieht. Er erkennt ein antike Kultur als Erziehung zum Wohl der Polis, und zwei moderne Kulturen, wobei die eine aus einem Kulturvergleich hervorgeht und die andere aus einer Abgrenzung des Technisch-Rationalen.

Den neuen - nicht ohne weiteres zitierbaren - Kulturbegriff entwickelt D. Baecker mittels der Form von G. Spencer-Brown. Als Nebenprodukt erscheint so eine Einführung dazu, wie Soziologen das Kalkül verwenden.

Kritik der Form-Überlegungen (zum Kulturverständnis liesse sich auch allerhand sagen, sage ich hier aber nichts):

D. Baecker schreibt, dass Wissenschaft auf Begriff/Gegenbegriff beruhe (was sehr interessant und viel plausibler als der Luhmann-Code wahr/nicht wahr ist). Dann schreibt er, dass die Wissenschaft in die Krise gerate, wo sie keine Gegenbegriffe habe (was für mich extrem interessant ist, weil ich mir dazu keinen einzigen Fall vorstellen kann). Dann schreibt er "Kultur" sei ein Begriff ohne Gegenbegriff (was ich einfach nicht verstehen kann, weil ich Kultur als Gegenbegriff zu Natur sehe).

D. Baecker schreibt, dass er Kultur durch den Formbegriff von G. Spencer-Brown verstehen wolle, der nicht auf Gegenbegriffen, sondern auf Differenzen beruhe. Er schreibt, dass im Materialismus Form und Materie Gegenbegriffe seien, während sein Formbegriff keinen Gegenbegriff habe.

Der Clou des von Spencer Brown entwickelten Kalküls (Laws of Form - Gesetze der Form) besteht darin, daß er zur Aufnahme der Booleschen Algebra, zur Vermeidung des von Alfred North Whitehead und Bertrand Russell ausgesprochenen Sebstreferenzverbots und zur Einführung des Faktors Zeit in ein logisches Kalkül mit einer einzigen Operation, eben der Operation der Unterscheidung, und fünf Zeichen oder Werten auskommt: Innenseite der Unterscheidung („marked state“), Außenseite der Unterscheidung („unmarked state“), die Unterscheidung selbst („call“ beziehungsweise „cross“), das Gleichheitszeichen (interpretiert als „is confused with“) und ein Zeichen für die Wiedereinführung der Unterscheidung in den Raum der Unterscheidung („re-entry“).

D. Baecker verwendet dann (in der Luhmannschen Tradition) einen simplen Satz: Die Kultur macht einen Unterschied. Dann sagt er, dass die markierte Seite dieses Unterschiedes "Kultur" heisse. (Das ist eben die Autopoiese, in welcher sich bei H. Maturana ein Einzeller macht, indem der Einzeller etwas macht, was dann ein Einzeller ist - und (das ist der Hauptpunkt!) als Einzeller bezeichnet wird. (Die Argumentation verzichtet auf die Unterscheidung Zeichen/Referenzobjekt: sie tut (bei H. Maturana) so, als ob Einzeller oder Kulturen sich auch so benennen würden, und bei der D. Baecker so, als ob nur die Kommunikation existieren würde. Diese Abstraktion ist die Grundlage der Differenz ohne Gegenbegriff). Dann frägt D. Baecker aber nach "Zuständen", die die Markierung "Kultur" verdienen, allerdings um explizit betont nicht zu sagen, was mit Zuständen gemeint sein könnte (so dass diese Zustände obwohl markiert keinen Gegenbegriff darstellen (sollen)).

Die differenztheoretisch Fragen lauten dann: „welchen Unterschied macht die Kultur?“ und operational „wie macht sie diesen Unterschied?“