Vertrag        zurück ]      [ Stichworte ]      [ Die Hyper-Bibliothek ]      [ Systemtheorie ]         [ Meine Bücher ]
 
bild

Vorab: "Vertrag" ist eine Redeweise, die auf spezifische Weise offenlässt, was bezeichnet wird. Im Obligationenrecht der Schweiz beispielsweise wird vorausgesetzt, was ein Vertrag ist, es behandelt nur Vertragsbedingungen. Insbesondere wird nicht unterschieden zwischen der Beschreibung und dem Beschriebenen also zwischen dem Vertragsdokument und dem Vertragsinhalt. Eigentlich ist der Vertrag an einen illokutiven Akt gebunden, subtilerweise gibt es aber auch den stillschweigenden Vertrag, dem ich mich durch Verhalten in - von mir nicht notwendigerweise erkannten - Rechtsräumen unterwerfe.
Für das hier angesprochene sprachliche Problem - das ich als Sprechweise behandle - ist der Vertrag (nur) ein exemplarisches Beispiel.

Homonym: Seit J. Rousseau wird der Ausdruck Vertrag umgangssprachlich oft synonym zu Gesetz und Verfassung verwendet; innerhalb der Verfassung ist damit aber ein Rechtsverhältnis bezeichnet, das von der jeweiligen Verfassungsmacht - etwa von Rechtsinstitutionen des Staates - durchgesetzt wird.
Der Ausdruck "Gesellschaftsvertrag" bezeichnet sowohl den privatrechtlichen Vertrag, mit welchen eine privatrechtliche Gesellschaft gegründet wird, als auch die Ideologie, die das Privatrecht durch einen Souverain, also durch gesetzgebende Gewalt begründet.
Staatsverträge sind in dem Sinnen keine Verträge, als sie nicht bei einer übergeordneten Macht eingeklagt werden können.

Als Vertrag bezeichne ich differenztheoretisch die Differenz zwischen einem Dokument, in welchem die Vertrags-Parteien festhalten, welche Leistungen jede der Parteien künftig unter welchen - zum Teil bereits erbrachten - Bedingungen erbringen wird, und dem im Dokument dokumentierten Verhältnis. Im Alltag wird die Einheit dieser Differenz zwischen der Urkunde und dem Inhalt des Vertrages als Vertrag bezeichnet. Das Google-Wörterbuch etwa schreibt: "Ein Vertrag ist ein Schriftstück, in dem ein Vertrag (a) niedergelegt ist."

Jenseits der Differenz kann man den Vertrag als gegenseitig akzeptierte Obligation sehen, also das Schriftstück ausser Acht lassen, zumal die Rechtsprechung auch nicht geschriebene Verträge als solche anerkennt. Durch die Rechtsprechung wird der Vertrag als Institution zu einem die Vertragsparteien unterwerfenden Rechtsverhältnis, in welchem die Erfüllung der Vereinbarung im Prinzip durchgesetzt werden kann.

Das Recht bestimmt, was als Vertragsinhalt in Frage kommt und in welcher Form der Vertrag vorliegen muss. Das Recht bestimmt auch Bedingungen wie Zurechnungsfähigkeit und freier Wille und die Verfahren der Durchsetzung: Beweislast, Zeugen, Richter, Register, Grundbuch, usw.

Ich kann im Sinne einer performative Äusserung sagen: Ich verspreche, dass ich den Kredit zurückzahlen werde. Das Versprechen ist natürlich nicht nötig, weil ein Kredit - tautologischerweise - zurückgezahlt werden muss. Dazu braucht es kein Versprechen und kein Schriftstück. Aber natürlich muss vereinbart sein, ob das Geld, das ich bekomme, ein Kredit - oder ein Geschenk - ist.

Als Vertrag bezeichne ich in diesem Sinne die Zuordnung einer Handlung zu einem Rechtsverhältnis, das im Recht als Vertrag bezeichnet wird. Als Vertrag bezeichne ich dann eine Kategorie von Rechtsverhältnissen.

Im Beispiel:
Im Recht (wie verschlüsselt auch immer) steht, dass ein Kredit ein Vertrag ist und welche Bedingungen dabei gelten. Wenn zwischen zwei Parteien ein Kredit gegeben wird, ist das ein Vertrag.
Im Recht ist der Kredit nicht hinreichend definiert. Deshalb können die Parteien weitere Bestimmungen wie Zins und Rückzahlungsmodalitäten einführen, die im Recht nicht festgelegt sind. Damit begründen sie keinen Vertrag, sie erweitern ihn nur.

Eine ursprüngliche Form des Vertrages ist der Wechsel, der die Finanzierung einer Schuld beschreibt. Ein typischer (häufiger) Vertrag ist der Dahrlehensvertrag (Hypothek, Kredit, Abzahlung, Miete usw).
Der den Kapitalismus konstituierende Vertrag betrifft die Arbeitskraft und den Lohn.

Damit jemand einen Vertrag abschliesst oder in einen Vertrag einwilligt, muss er darin einen Gewinn erkennen und natürlich einen Vertragspartner, der darin seinerseits einen Gewinn erkennen kann. Der Gewinnerkennung kann sehr verschieden motiviert sein, sie wird euphemistisch als Freiwilligkeit bezeichnet. Wenn ich beispielsweise kein Haus besitze und auch nicht genug Geld, um eines zu kaufen, kann ich frei entscheiden, mit wem ich einen Miet- oder einen Hypothekvertrag eingehe. Und letzlich steht es mir ja auch frei, aufs Wohnen überhaupt verzichten. Was aber Miete oder Hypothek bedeutet ist Gegenstand des Rechtes.

Der Vertrag ist der Abschluss der Vertragsverhandlung. Jeder Vertrag kann jederzeit aufgehoben werden, innerhalb des jeweiligen Rechtes durch Aufkauf (Vergleiche, Konkurse, usw.) und ausserhalb des jeweiligen Rechtes durch Rechtsänderungen (neue übergeordnete Gesetze, Revolutionen, usw.).


 

Vertrag als Sprechweise

[ Begriffe ]
[ Googles deutsches Wörterbuch ]
[ Beispiele ]
[wp]