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beobachten
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H. Maturana beispielsweise sagt: "Alles, was gesagt wird, wird von einem Beobachter gesagt." Er sagt nicht, weshalb er den dabei gemeinten Menschen als Beobachter bezeichnet. N. Luhmann verwendet beobachten in einer von ihm selbst erfundenen Anlehnung an G. Spencer-Brown extrem eigenwillig für das Bezeichnen einer Seite einer Unterscheidung. Ich weiss gerade nicht, wo er das erläutert hat.
Die Sprache von Maturana ist wahnsinnig, wo sie Geist und Bewusstsein thematisiert. Auch Erfahrung passiert im Geist. Auch Wissen ist im Geist. Auch zirkuläres Denken ist im Geist. Im Kopf / im Denken / im Geist / ...
Für J. Piaget war Verhalten wichtig, weil ein Beobachter daraus oft erschließen kann, was im Kopf eines anderen Menschen vorgehen könnte - und Piagets primäres Interesse galt dem Funktionieren des Verstandes.
POERKSEN (zu H. Maturna): Ein terminologischer Punkt: Was ist eigentlich ein Beobachter? Wie würdest du diesen Begriff definieren?
MATURANA: Beobachten ist für mich eine menschliche Operation, die Sprache und das Bewusstsein erfordert, dass man etwas beobachtet. Eine Katze, die eine Maus anschaut, ist für mich kein Beobachter. Sie schaut einfach die Maus an und kann, soweit wir wissen, nicht über ihr Verhalten reflektieren oder sich kritisch fragen, ob sie richtig handelt. Aus unserer Sicht kann die Katze angemessen oder unangemessen handeln, aber sie reflektiert ihr Verhalten nicht. Nur der Mensch kann das tun.
Maturana "meint" die Katzen würden nicht beobachten, eben weil er das Wort so verwendet. Maturana beantwortet die Frage nach dem BeobachtER mit beobachtEN.
Was weiss er über Katzen? Ich kann mit meiner Katze NICHT sprechen - nicht weil sie kein Bewusstsein hat, sondern weil ES nicht geht. Soll ich das erklären?
Maturana IMPLIZIERT
Das Beobachten ist eine Tätigkeit (Operation??), die sich nicht bei anderen beobachten lässt, weil sie im Bewusstsein IST. Ich kann mir erzälen lassen, was andere beobachtet haben.
Beobachten interessiert nur sekundär als das was ich beim Beobachten 2. Ordnung beobachte.
Natürlich kann ich mein Beobachten Beobachten, das ist aber jenseits von Solipsmus sinn-los.
Ich muss es mit dem Beobachten von anderen Menschen vergleichen - und dazu muss es aus meinem Bewusstsein raus in das Sprechen.
Maturana kennt "äussere Gegestände wie ein Glas oder einen Tisch. Sie entstehen aber bei ihm durch Beobachtung, nicht durch Herstellung -- Allopoies suchen !!
vor dem "beobachten" hiess es Perspektive !! Das betonte den Standpunkt statt der Kategorie
Beobachten in meiner Theorie
Meine Theorie ist ein Text darüber, wie ich mein Beobachten beobachte. Der Gegenstand der Projektes ist zunächst ein Text, jenseits davon, was im Text behandelt wird. Als Text ist der Projektgegenstand ein Artefakt, das aus materiellen Zeichenkörpern, beispielsweise aus Graphitstrukturen besteht, die hergestellt werden. Umgangssprachlich könnte man sagen, dass ein Text eine Beobachtung beschreibt. Ich verwende den Ausdruck beobachten dagegen - in vager Anlehnung an die Kybernetik 2. Ordnung (10) - in einem etwas anderen Sinn. Als eigentliches Beobachten bezeichne ich eine textherstellende, gegenständliche Tätigkeit, in welcher ich Unterscheidungen bezeichne, die ich dann im Hinblick auf Kategorien beobachten kann.
Die umgangssprachliche Metapher "beobachten" interpretiere ich als Verkürzung, in welcher nur noch Teile oder Aspekte des eigentlichen Beobachtens gemeint sind. Die Herstellung von Text wird in der umgangssprachlichen Verkürzung zunächst auf Sprechen reduziert und schliesslich sogar auf ein bewusstes Wahrnehmen, wofür ich die Wörter schauen oder betrachten verwende.
Im umgangssprachlichen Sinn nehme ich beim Beobachten Dinge, Eigenschaften oder Verhältnisse wahr, die ich bezeichnen könnte, die ich aber eben auch nur wahrnehmen kann. Auch wenn ich sprechend bezeichne, was ich wahrnehme, übe ich damit keine herstellende Tätigkeit aus. Sprechen wird nur zu einer herstellenden Tätigkeit, wenn ich dabei eine Maschine verwende, die die gesprochenen Worte in einen Text transformiert. Dann spreche ich aber nicht von sprechen, sondern von diktieren. Gleichgültig wie ich einen Text herstelle, kann ich davor über Dinge und Eigenschaften nachgedacht haben, die ich wahrgenommen habe. Aber hier interessiert mich das Beobachten als Schreibtätigkeit.
Wenn ich mein Beobachten so beobachte, setze ich ein wohl vorgängiges, aber sicher ein zweites - simultanes - Beobachten voraus, weil ich zwar mehrere Texte parallel schreiben, aber immer nur an einem Text schreiben kann. Ich schreibe diesen Text, in welchem ich beobachte, wie ich einen anderen Text schreibe, während ich den anderen Text schreibe. Der Text, dessen Herstellung ich hier beobachte, hat den Titel "Schrift-Sprache". Darin behandle ich die materielle Textherstellung. Dort beobachte ich, dass Texte mit verschiedenen Werkzeugen hergestellt werden, mit einer Feder, einer Schreib- oder mit einer Buchdruckmaschine. Im vorliegenden Text mache ich mir die Textherstellung als Tätigkeit im Sinne einer dort verwendeten Kategorie bewusst. Text sehe ich als bewusst hergestelltes Produkt, in welchem die Herstellung wie in jedem Produkt aufgehoben ist. Die Unterscheidung zwischen Produktion und Produkt, hier also zwischen Schreiben und Text, sehe ich als Explikation der Kategorie des Herstellens.(11)
Wenn ich hier schreibe, was ich in einem anderen Text schreibe, sage ich in gewisser Weise das gleiche nochmals. Ich mache damit keine neue oder andere Beobachtung, ich wiederhole sie. Deshalb spreche ich dabei auch nicht von einer 2. Ordnung.
Als Theorie bezeichne ich das Beobachten von Kategorien. Der Gegenstand dieses Projektes repräsentiert die Kategorien, die ich in einem beobachteten Text verwende, aber - vorerst hypothetisch - als für mein Beobachten allgemein erachte.(12)
Umgangssprachlich wird "Theorie" nicht für eine Beobachtung verwendet. Als Theorie gilt viel mehr das Resultat einer je bestimmten Beobachtung, das eine Lehre oder Dogma darstellt. Die darwinistische Evolutionstheorie etwa - die eben keine Theorie im hier gemeinten Sinne ist - impliziert, wie ich beobachten muss, wenn ich sehen will, dass Menschen von Affen abstammen oder wenn ich sehen will, dass die Tüchtigen überleben. Ich verwende den Ausdruck Theorie dazu quasi invers. Wenn ich schreiben würde, dass Menschen von Affen abstammen, würde ich in meiner Theorie nach den dazu passenden Kategorien suchen. Die Perspektive in der Evolutionsgeschichte, die C. Darwin sich in Herrschaftsmanier von A. Wallace angeeignet hat, ist jene eines hilflosen Züchters mit sehr viel Geduld. J. Lamarck dachte noch, dass der Schöpfer die Zucht nicht dem Zufall überlässt, während die Kreationisten den Schöpfer sogar noch als Hersteller, nicht nur als Züchter sehen. C. Darwin, J. Lamarck und die Kreationisten beschreiben, wie der Mensch entstanden ist. Dass und was sie dabei denken, interessiert sie nicht - jedenfalls nicht so, dass sie ihre Kategorien explizit als kontingent erwägen. In meinem - hier noch konzeptionellem - Theorieverständnis, folgt die Theorie als Reflexion solcher Beobachtungen. Als Theorie bezeichne ich, dass die in der Geschichte von C. Darwin gemeinte Evolution durch die - in jeder Zucht relevanten - Kategorien Differenzierung und Selektion beobachtet wird.(13)
Jede Theorie im hier gemeinten Sinne ist die Theorie eines Beobachters. Eine bestimmte Theorie kann aber von verschiedenen Beobachtern als adäquate Beschreibung ihres Beobachtens gesehen werden. Jeder Theorietext wird von jemandem geschrieben. Aber wenn der Text vorliegt, ist der Schreibprozess aufgehoben. Die Bedeutung des Textes liegt dann unabhängig davon, was der Autor gemeint hat, im Text und wird in jedem Lesen durch den jeweils Lesenden realisiert. Beim Lesen irgendeines Textes frage ich mich, ob und unter welchen Umständen ich den Text auch so schreiben würde. Ich eigne mir so die Bedeutung des Textes in der Vorstellung an, dass ich den Text auch so geschrieben hätte - und dabei gewusst hätte oder weiss, was ich so zur Sprache bringe.
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[ 27. 8.25 ]