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Als Angst bezeichne ich eine Emotion, die sich in als bedrohlich empfundenen Situationen als Besorgnis und unlustbetonte Erregung äußert. Auslöser können dabei erwartete Bedrohungen etwa der körperlichen Unversehrtheit, der Selbstachtung oder des Selbstbildes sein. Begrifflich wird dabei die objektunbestimmte Angst von der objektbezogenen Furcht unterschieden.

Ich unterscheide Angst und Furcht. Von Furcht spreche ich, wenn ich den Grund dafür sinnlich wahrnehmen und bezeichnen kann. Vor einem Tiger habe ich Furcht, wenn er vor mir steht. Wenn der Tiger vor mir steht, ist meine Furcht auch darin begründet, was ich über Tiger weiss, aber ich weiss dann genau, dass ich guten Grund habe, mich zu fürchten. Wenn der Tiger nicht vor mir steht, weiss ich auch, dass ich ihn fürchten würde.

Ohne an S. Kierkegaard, S. Freud oder M. Heidegger - die diese Unterscheidung auch machten - anzuschliessen, spreche ich von Angst, wenn ich keinen Grund zur Furcht habe, weil ich nicht sagen kann, wovor ich Angst habe. Im neurotischen Fall habe ich Angst vor einem Tiger, wenn weit und breit kein Tiger zu sehen ist.

siehe auch Gefühl

[ Heidegger und Freud ]
"Der jüdische Begründer der Psychoanalyse führt die Angst als »Affekt« ein und definiert sie zunächst als Gemütsregung infolge einer Abwehrreaktion des »Ichs« auf Gefahren (GW XV, 87).11 Ein Signal ausgelöst vom »Ich«, dem Sitz der Wahrnehmung und des Bewusstseins, steht die Angst vornehmlich im Dienst der Selbsterhaltung. Je nach Art der drohenden Gefahr unterscheidet Freud eine »Realangst«, eine »neurotische Angst« und eine »Gewissensangst«. Angst ist immer dann »Realangst«, wenn sie als Signal uns zur Flucht oder Verteidigung angesichts »äußerer Gefahren« vorbereitet (GW XIV, 181).12 So entspricht die »Realangst« wohl der Furcht, die sich auch bei Freud gemäß dem Sprachgebrauch »gerade auf das Objekt richtet« (GW XI, 410). Sollte aber die Gefahrensituation nicht erkennbar sondern nur erinnert sein, nennt Freud die Angstreaktion darauf eine »neurotische«. "
 


Literatur

Hans Rudi Fischer: Kreativität: Lohn der Angst? Von der Zauberkraft des Verweilens. in: Familiendynamik 33. Jahrgang Heft 1, 2008, Klett-Cotta Stuttgart

Übersicht: Dieser Beitrag unternimmt den Versuch, Angst als Ressource zu begreifen, die nicht nur jede Veränderung, vor allem des Selbstbildes und des Selbstverständnisses eines Menschen begleitet, sondern auch Kreativität ermöglicht und insofern einen Motor persönlicher Entwicklung darstellt. Der Zusammenhang zwischen Angst und Kreativität wird über die Ritualtheorie (van Gennep, Turner) und der Theorie der Kreativität, wie sie sich bei Bateson (double bind) und Koestler (double mind) finden, plausibel gemacht. Dabei zeigt der Autor mit Bezug auf Kierkegaard, dass Angst – im Gegensatz zur Furcht – ein Erwartungsaffekt ist, in dem die Möglichkeit der Veränderung aufblitzt. Angst wird so verständlich als Zeichen dafür, dass bestimmte existentielle Fragen zur Beantwortung anstehen. Die Beziehung zu uns selbst steht im Zentrum der Angsttherapie. Es geht darum, der Angst ins Angesicht zu schauen, bei ihr zu verweilen, um ihre Zauberkraft zu entfalten. Das heißt 1. Klienten einzuladen, mit ihren Ängsten zu tanzen, um so die Angst vor der Angst zu unterbrechen, und 2. Den dahinter stehenden existentiellen Fragen Gehör zu verschaffen, sie zu reflektieren, um sie ins eigene Leben zu integrieren.


 
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