Diskussion:AG2 MMK 2014: Unterschied zwischen den Versionen

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Arbeitnehmer haben verschiedene Stragien entwickelt, mit diesen Graubereichen umzugehen. Z.B. ist zu beobachten, dass Kollegen Arbeiten des unmittelbar Vorgesetzten über-priorisieren und dabei das Team eher vernachlässigen.
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* Arbeitnehmer haben verschiedene Stragien entwickelt, mit diesen Graubereichen umzugehen. Z.B. ist zu beobachten, dass Kollegen Arbeiten des unmittelbar Vorgesetzten über-priorisieren und dabei das Team eher vernachlässigen.
  
 
These 2:
 
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Teams sind dazu verführt, sich zu kapseln. Sie grenzen sich überdeutlich ab und bauen so einen Schutz für die Team-Mitglieder auf, die von den Einflüssen von außen abgeschottet arbeiten.
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* Teams sind dazu verführt, sich zu kapseln. Sie grenzen sich überdeutlich ab und bauen so einen Schutz für die Team-Mitglieder auf, die von den Einflüssen von außen abgeschottet arbeiten.
  
 
These 3:
 
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Selbstreflektion, so sie denn möglich ist, führt nicht zur Änderung der Umstände, sondern zu einen anderen, besseren Umgang mit den Gegebenheiten.  
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* Selbstreflektion, so sie denn möglich ist, führt nicht zur Änderung der Umstände, sondern zu einen anderen, besseren Umgang mit den Gegebenheiten.  
  
 
These 4:
 
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Radikale Ideen, wie z.B. die bei der letzten MMK formulierte Sicht der Geschlossenen Systeme, kann zu einfachen Erklärungsmodellen führen, die den Alltag einfacher und erträglicher gestalten. Es gibt vielleicht noch weitere, ebenso radikale Erklärungsansätze, die aber nicht kontra-produktiv eingesetzt werden sollten, wie z.B. "Alles ist schlecht" etc.
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* Radikale Ideen, wie z.B. die bei der letzten MMK formulierte Sicht der Geschlossenen Systeme, kann zu einfachen Erklärungsmodellen führen, die den Alltag einfacher und erträglicher gestalten. Es gibt vielleicht noch weitere, ebenso radikale Erklärungsansätze, die aber nicht kontra-produktiv eingesetzt werden sollten, wie z.B. "Alles ist schlecht" etc.

Version vom 3. September 2014, 17:26 Uhr

Thesenpapier von Peter Brödner: Soziale Praktiken – sprachlos und gleichwohl wirkmächtig

„Sprachlos zwischen unsichtbaren Prozessen“ – das beschreibt recht gut aus dem inneren Erleben das Geschehen in digitalen Organisationen. Das heißt aber nicht, dass man keine Einsicht in dieses Geschehen zu gewinnen und die zugrundeliegenden sozialen Praktiken nicht zu verstehen vermöchte. Das will ich nachstehend aus praxistheoretischer Perspektive unter Beweis stellen, die sich von Marx über Mead bis Bourdieu und Giddens als außerordentlich hilfreiches Analysemittel bewährt hat. Dieser theoretischen Perspektive zufolge entstehen und reproduzieren sich soziale Praktiken in Organisationen durch fortgesetztes, sinnvoll aufeinander bezogenes, koordiniertes Handeln ihrer Mitglieder, das auf deren jeweils vorgefundenen oder unterstellten Handlungserwartungen und -routinen beruht. Es macht das Handeln selbstverständlich und routiniert; es geschieht quasi von selbst und wird über Sozialisationsprozesse tradiert. Angestoßen durch Irritationen, etwa durch Erlebnisse des Scheiterns, durch Überraschungen oder die Begegnung mit fremden Praktiken, werden die Akteure zur Beobachtung ihres eigenen Tuns, zu Reflexion und Begriffsbildung über bestehende soziale Praktiken, angeregt (die ihnen normalerweise gar nicht bewusst sind). Eben dadurch finden sie dann doch zur Sprache und können explizites Wissen über Erfahrungen und Aspekte ihres Handelns erzeugen, das in bestimmten Formen – etwa in Gestalt von Sprachäußerungen, Organisationsformen oder technischen Systemen – zum Ausdruck gebracht oder vergegenständlicht werden kann. Ihrerseits können diese vergegenständlichten Ausdrucksformen wiederum als Ressourcen für weiteres Handeln angeeignet und genutzt werden; sie eröffnen, insoweit sie passend interpretiert werden, auch neue Handlungsmöglichkeiten. Dabei bilden sich im praktisch wirksamen Gebrauch stets auch Regeln für den Umgang mit diesen Formen heraus (auch formativer Kontext oder Organisationskultur genannt). Erst diese sich neu einspielenden und kollektiv geteilten, aber ohne Absicht entstandenen (daher zumeist unbewussten) Regeln ermöglichen es den Akteuren, eingetretene Situationen oder Sachverhalte, etwa vorgefundene Instrumente, Daten oder Anweisungen, sachgerecht und angemessen zu interpretieren und im organisationalen Kontext flüssig zu handeln (vgl. Abb.). So kommt es, dass sowohl die sprachlichen, organisatorischen und technischen Ausdrucksformen zusammen mit den Regeln, sie zu verwenden, also die im kollektiven Handeln gewachsenen Routinen, Einstellungen, Werte, Deutungs- und Handlungsmuster künftiges Handeln zugleich ermöglichen und beschränken. Was sich die Akteure in ihrem jeweiligen sozialen System vorstellen können und über welche Handlungsmöglichkeiten sie verfügen, ist also weitgehend gebunden an und strukturiert durch ihre im Handeln geschaffenen Ausdrucksformen und durch ihre Regeln, damit umzugehen. Je besser diese Formen zum Handlungskontext passen und je angemessener sie (möglicherweise auch neu) interpretiert werden, desto wirkungsvoller kann sich ihre Praxis entfalten. Auf diese Weise bringen sich Ausdrucksformen (als Handlungsressourcen) und formativer Kontext (Regeln) in der Praxis kollektiven Handelns wechselseitig hervor; sie sind Produkt und Medium des Handelns zugleich („Dualität sozialer Struktur“).

Abb.: Strukturation: Rekursive Konstitution von Handeln und Struktur (Angelehnt an Giddens 1988, Ortmann 1995, Ortmann & Sydow 1999)

Die Entstehung von Regeln ist ebenso unvermeidlich wie unverzichtbar: Unvermeidlich ist sie, weil die Interaktion stets von selbst, ohne das bewusste Zutun der Akteure, eine regelmäßige Praxis mit Regeln der Sinngebung, Machtausübung oder Sanktionierung hervorbringt. Unverzichtbar ist sie, weil ohne sie der Sinn der vergegenständlichten Formen oder Ressourcen für koordiniertes Handeln intersubjektiv nicht zu vermitteln wäre. Sie bilden sich erst im Vollzug der wechselseitig aufeinander bezogenen Handlungen, durch die sie sich reproduzieren und zugleich das gemeinsame Handlungsfeld strukturieren. Durch ihr alltägliches Handeln in sozialen Praktiken sind Menschen bereits im Umgang mit Sprache, Technik, Kultur und gemeinsamen Lebenssituationen, kurz: durch geteilten Handlungskontext „vergesellschaftet“. Menschen handeln routiniert nach Konventionen, nach Vorbildern, aber eben auch kreativ auf ganz ungewohnte Weise. Sie entwerfen, verwerfen und gestalten die Regeln ihres Handelns im Verlauf des gemeinsamen Handelns selbst – wie Kinder beim Spielen. Sie erfinden neue Produkte und Prozesse und bilden neue Institutionen, durch deren Aneignung sie ihre soziale Praxis verändern. So wird ihre soziale Wirklichkeit durch ihr kollektives Handeln erst hervorgebracht und durch Handlungsroutinen – veränderlich – reproduziert: Als „Verfasser und Schausteller ihres eigenen Dramas“ machen sie „ihre eigene Geschichte, aber sie machen sie nicht aus freien Stücken, nicht unter selbst gewählten, sondern unter unmittelbar vorgefundenen und überlieferten Umständen“ (Marx MEW 8: 115). Alles gesellschaftliche Sein ist ein Werden – eben auch das in Organisationen. Menschen handeln folglich nicht, wie in der Ökonomik stets unterstellt, als von gegenwärtigem oder vorgestelltem künftigen Nutzen ursächlich Getriebene – nicht als „nutzenmaximierende Automaten“ –, sondern weil sie Dinge oder Vorgänge interpretieren, erkennen, sich davon ansprechen oder zu neuen Handlungsweisen inspirieren lassen, kurz: ihnen situativ Bedeutung verleihen und dadurch motiviert handeln. Sie handeln mithin in der von ihnen selbst gemachten, geschichtlich gewordenen sozialen Praxis, deren Regeln sie durch ihr Tun selbst fortschreiben. Diese Sicht der Dinge erlaubt insbesondere auch, die Doppelnatur von Organisationen als funktional zweckmäßig gestalteten Aufgaben und Verfahren einerseits und als eingespielter sozialer Praxis andererseits angemessen zu analysieren. Ferner erlaubt sie, die Beharrung wie auch die Veränderungsdynamik von Organisationen sowie die Konstitution von Sinn, Macht und Legitimation zu verstehen. Vor allem können damit auch Gestaltung und Gebrauch von Computersystemen in ihrer sozialen Einbettung in organisationale Zusammenhänge angemessen analysiert und einer effektiven wie effizienten medialen Nutzung zugänglich gemacht werden. Schließlich können mit ihr dafür angemessene Vorgehensweisen wie partizipatives, zyklisch-evolutionäres Projektmanagement oder agile Methoden begründet werden.

Thesenpapier von Gunter Dubrau

Als Organisator habe ich für jede AG ein paar Thesen formuliert, um mit gutem Beispiel voranzugehen.

These 1:

  • Arbeitnehmer haben verschiedene Stragien entwickelt, mit diesen Graubereichen umzugehen. Z.B. ist zu beobachten, dass Kollegen Arbeiten des unmittelbar Vorgesetzten über-priorisieren und dabei das Team eher vernachlässigen.

These 2:

  • Teams sind dazu verführt, sich zu kapseln. Sie grenzen sich überdeutlich ab und bauen so einen Schutz für die Team-Mitglieder auf, die von den Einflüssen von außen abgeschottet arbeiten.

These 3:

  • Selbstreflektion, so sie denn möglich ist, führt nicht zur Änderung der Umstände, sondern zu einen anderen, besseren Umgang mit den Gegebenheiten.

These 4:

  • Radikale Ideen, wie z.B. die bei der letzten MMK formulierte Sicht der Geschlossenen Systeme, kann zu einfachen Erklärungsmodellen führen, die den Alltag einfacher und erträglicher gestalten. Es gibt vielleicht noch weitere, ebenso radikale Erklärungsansätze, die aber nicht kontra-produktiv eingesetzt werden sollten, wie z.B. "Alles ist schlecht" etc.