AG2 MMK 2014: Unterschied zwischen den Versionen

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Menschen handeln folglich nicht, wie in der Ökonomik stets unterstellt, als von gegenwärtigem oder vorgestelltem künftigen Nutzen ursächlich Getriebene – nicht als „nutzenmaximierende Automaten“ –, sondern weil sie Dinge oder Vorgänge interpretieren, erkennen, sich davon ansprechen oder zu neuen Handlungsweisen inspirieren lassen, kurz: ihnen situativ Bedeutung verleihen und dadurch motiviert handeln. Sie handeln mithin in der von ihnen selbst gemachten, geschichtlich gewordenen sozialen Praxis, deren Regeln sie durch ihr Tun selbst fortschreiben.
 
Menschen handeln folglich nicht, wie in der Ökonomik stets unterstellt, als von gegenwärtigem oder vorgestelltem künftigen Nutzen ursächlich Getriebene – nicht als „nutzenmaximierende Automaten“ –, sondern weil sie Dinge oder Vorgänge interpretieren, erkennen, sich davon ansprechen oder zu neuen Handlungsweisen inspirieren lassen, kurz: ihnen situativ Bedeutung verleihen und dadurch motiviert handeln. Sie handeln mithin in der von ihnen selbst gemachten, geschichtlich gewordenen sozialen Praxis, deren Regeln sie durch ihr Tun selbst fortschreiben.
 
Diese Sicht der Dinge erlaubt insbesondere auch, die Doppelnatur von Organisationen als funktional zweckmäßig gestalteten Aufgaben und Verfahren einerseits und als eingespielter sozialer Praxis andererseits angemessen zu analysieren. Ferner erlaubt sie, die Beharrung wie auch die Veränderungsdynamik von Organisationen sowie die Konstitution von Sinn, Macht und Legitimation zu verstehen. Vor allem können damit auch Gestaltung und Gebrauch von Computersystemen in ihrer sozialen Einbettung in organisationale Zusammenhänge angemessen analysiert und einer effektiven wie effizienten medialen Nutzung zugänglich gemacht werden. Schließlich können mit ihr dafür angemessene Vorgehensweisen wie partizipatives, zyklisch-evolutionäres Projektmanagement oder agile Methoden begründet werden.
 
Diese Sicht der Dinge erlaubt insbesondere auch, die Doppelnatur von Organisationen als funktional zweckmäßig gestalteten Aufgaben und Verfahren einerseits und als eingespielter sozialer Praxis andererseits angemessen zu analysieren. Ferner erlaubt sie, die Beharrung wie auch die Veränderungsdynamik von Organisationen sowie die Konstitution von Sinn, Macht und Legitimation zu verstehen. Vor allem können damit auch Gestaltung und Gebrauch von Computersystemen in ihrer sozialen Einbettung in organisationale Zusammenhänge angemessen analysiert und einer effektiven wie effizienten medialen Nutzung zugänglich gemacht werden. Schließlich können mit ihr dafür angemessene Vorgehensweisen wie partizipatives, zyklisch-evolutionäres Projektmanagement oder agile Methoden begründet werden.
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== Thesenpapier Gunter Dubrau ==
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Als Organisator habe ich für jede AG ein paar Thesen formuliert, um mit gutem Beispiel voranzugehen.
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These 1:
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Arbeitnehmer haben verschiedene Stragien entwickelt, mit diesen Graubereichen umzugehen. Z.B. ist zu beobachten, dass Kollegen Arbeiten des unmittelbar Vorgesetzten über-priorisieren und dabei das Team eher vernachlässigen.
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These 2:
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Teams sind dazu verführt, sich zu kapseln. Sie grenzen sich überdeutlich ab und bauen so einen Schutz für die Team-Mitglieder auf, die von den Einflüssen von außen abgeschottet arbeiten.

Version vom 3. September 2014, 16:42 Uhr

       

Arbeitsgruppe 2: Sprachlos zwischen unsichtbaren Prozessen

Moderation: René Hoffmann


Moderationspapier

     

Unter dem Arbeitsgruppen-Titel "Sprachlos zwischen unsichtbaren Prozessen" soll mit der typischen MMK-Workshop-Arbeitsweise die Konzepte für IT-Projekte in Organisationen reflektiert werden. Es hat sich ein Stillstand eingestellt den es zu überwinden gilt. Alles dreht sich um die zwei Wörter "Sprachlos" und "Unsichtbar" die sowohl als Startpunkte für die Analyse, aber auch Impulse für die Lösung bieten. Beide Begriffe besitzen eine negative, aber auch eine positve Seite. Das Potenzial der positiven Seite liegt brach - es muss schöpferisch erobert werden. Das gelingt nur mit den richtigen Konzepten und Einordnungen und dazu ist der Arbeitsrahmen der MMK-Tage in seiner kritischen offenen Diskussion hilfreich.

Von einem Moderationspapier wird erwartet, dass es ein Schlaglicht liefert. Das Schlaglicht soll in das Thema einzuführen und zu „optionalen“ eigenen Thesenpapieren anzuregen. Dieses Thema liegt in einer Gemengenlage, daher gibt es drei Schlaglichter als Einstieg.

Das Erste Schlaglicht auf das Schein-Projektumfeld

Seit gut 40 Jahren sind wir dabei Computerarbeitsplätze in Organisationen menschenfreundlicher zu gestalten. Unsere Erfolge sind durchwachsen. Am Anfang ging es uns darum den sprachlosen Benutzern eine Stimme zu geben im IT-Projekt. Ihre Probleme und Anforderungen in eine Sprache zu transformieren die anschlussfähig ist im IT-Projekt. Dialogprinzipien, Gebrauchstauglichkeit und Gestaltgesetze halfen die Diskussion vom emotionalen Geschmack zu versachlichen auf eine objektiv prüfbare Qualität. Später kamen Ansätze zur systematischen Einbindung von Benutzern im IT-Projekt hinzu mit der auch dem Entwicklungsprozess seine Unsichtbarkeit genommen wurde.

Inzwischen sind wir an einem Punkt angekommen bei der wir reflektieren müssen, dass die Professionals selber oft sprachlos sind im IT-Projekt um als Fürsprecher agieren zu können. Dieses „sprachlos“ hat viele Erscheinungsformen. Eine davon ist das haushalten mit den eigenen Diskussionskräften, was aber auch bedeutet etwas sprachlos zur Kenntnis zu nehmen. Wie kommt es, dass Professionals mit dem Anspruch das Umfeld Anderer zu gestalten am Gestalten des eigenen Umfeld so selten ansetzen?

Eine mentale Barriere ist der Begriff Projekt. (1) Ein Projekt definiert sich mit einem Anfang und einem Ende. Der Bau eines Gebäudes von einem Architekten ist ein Projekt. Das entwickeln einer Software ist hingegen kein Projekt, es ist eine Daueraufgabe. Wenn es doch ein Ende gegeben sollte mit dem entwickeln, so liegt die Software unmittelbar im sterben. Daher sprechen alle von Version, Releases und Updates. Dennoch halten wir am Leitbild Projekt fest.

(2) Charakteristisch am Projekt ist seine Organisationsform. Das Projektmanagement beschränkt sich - mit seinen Projektdreieck, Meilensteinen, Arbeitspaketen und vielen weichen Themen wie etwa Moderation - im Kern auf den administrativen Teil eines Projektes mit dem klaren Blick auf das Ende. Der schöpferische operative Teil eines Projektes gehört nicht dazu und wird als Ressource dazu geholt, abgerufen und mit dem Statuswechsel erledigt abgehackt. In einem Projekt ist alles nur temporär: Thema und Hilfsmittel bis zur Teilnahme (der so genannten Projektmitglieder). Dieser temporäre Charakter entzieht sich einer nachhaltigen Gestaltung.

(3) Viele Annahmen, Vorschläge und Entscheidungen fallen in einen IT-Projekt parallel verteilt, aber unsere Projektansätze kennen diese Parallalität nicht. Egal ob Wasserfall, inkrementiell, iterativ oder agil - sie alle adressieren nur den Reifegrad und Stabilität von Anforderungen, Annahmen und Rahmenbedingungen. Die Dynamik in einen Projekt die als parallele Ereignisse ablaufen bilden diese nicht ab - sie wird reduziert auf sequentuelle Konsenspunkte. Als Workarround hilft viel moderierte Kommunikation, aber auch das hat seine Grenzen in Besprechungszeiten, Mails lesen, Protokolle von parallel tagenden Gremien lesen, Status-Listen, Offene-Punkte-Liste und Dokumente reviewen. Ab einer gewissen Projektgröße gibt es einen immer größeren Zeitverzug in der moderierter Kommunikation die Dynamik der parallelen Ereignisse zu vermitteln. Die Folge sind unsichtbare Prozesse mit relativ zufälligen Entscheidungswegen und Ergebnissen. Wenn das Projekt zusätzlich in einen so genanntem "Multiprojektmanagement" eingebettet ist, dann sind alle frühzeitig eingebunden, aber alle kommen nicht hinterher zu durchschauen in welcher Art und Weise sie davon negativ betroffen sind oder wo sich positives Gestaltungspotenzial bietet wenn man sich rechtzeitig einbringt.

Soviel im ersten Schlaglicht zu der dunklen Seite von sprachlos und unsichtbaren Prozessen im Scheinprojektumfeld. Einer der Fragen der Arbeitsgruppe kann sein die helle Seite von sprachlos und unsichtbaren Prozesse zu entdecken als Entlastung der moderierten Kommunikation, der moderierten Entscheidungswege und mehr Raum für die Gestaltung und sich einbringen können zu geben. Und nicht zuletzt das Scheinprojektumfeld durch eine realitätsnähere „Organisationslebensform“ zu ersetzen mit einem neuen Kulturwissen für Zusammenarbeit in verteilte und parallele Prozesse.

Das Zweite Schlaglicht auf die Schein-Organisationsfähigkeit

Im zweiten Schlaglicht steht der Professional sprachlos vor der Situation, dass die geringe Effizienz von IT-Arbeitsprozessen im Organisationen im Regelfall kein Thema ist. Das populäre Schlagwort „IT-Produktivitätsparadoxon“ verstellt den Blick vor der Tatsache, dass eine Organisation im Regelfall alles andere als ein Gebilde darstellt bei der Effektivität und Effizienz gegeben ist. Wenn es beim organisieren von Abteilungen, Teams, Projekten und zugehöriger Zusammenarbeit und Entscheidungswege nicht stimmt, dann relativiert sich die Optimierung von Gebäude, Systeme und Arbeitsplätze.

Die Probleme geringer Effizienz von IT-gestützten Arbeitsprozessen äußern sich stattdessen subtil in einen ständigem Aktionismus Prozesse oder Systeme anzupassen.

(1) Bei einem Prozess ist oft zu beobachten, dass sobald dieser in den GoLive geht dieser schon den "Zerfall freigegeben" ist. Ursprünglich übersichtliche Prozesse verwandeln sich zum Beispiel mit weiteren Freigabepunkten und Kopie-Info in ein Prozessgewirr. Selbst wenn ein Prozess den offiziellen Weg nimmt, so gibt es oft unsichtbare Parallelaktivität der Begleitung in Form von Telefonanrufen, Mails oder Vorausarbeit bevor zum Beispiel ein Freigabestatus in einem IT-System gesetzt wird.

(2) Das ganze Elend mangelhafter IT-Organisationsfähigkeit läßt sich illustrieren wenn man sich die sogenannte "IT-Landschaft" einer Organisation zeigen läßt. Zu sehen sind dann Darstellungen, die ein Architekt aus der Bauwirtschaft beschreiben würde als einen Stadtkern mit einer riesigen nicht dargestellter IT-Blechhütten-Periperhie. Ein Architekt würde einen grafischen Flächenentwicklungsplan aufstellen, wo nicht nur Bauland ausgewiesen ist, sondern auch im übertragenden Sinne gemeinsame Plätze, Grünflächen, Kindergärten, Einkaufsmöglichkeiten oder Verkehrsinfrastruktur reserviert ist. Sprachlos steht der Professional vor dieser "Bautätigkeit" und kann nicht einschreiten, weil die Übertragung der Methodiken von Flächenentwicklungsplänen auf IT-Landschaften selten ein Gegenstand in der Wissenschaft und Forschung sind.

(3) Weitgehend aus unserem Bewusstsein ist, dass auch Prozesse verschleißen und zum "vermüllen" neigen. In einen realen Zimmer ist unmittelbar ersichtlich, wenn etwas nicht aufgeräumt, nicht gepflegt oder seit langem nicht mehr benutzt wurde. In der digitalen Welt fehlt uns so eine unmittelbare Visualisierung und damit auch Anreize solche Pflegemaßnahmen im Tagesgeschäft regelmäßig durchzuführen. Inzwischen muss festgestellt werden dass wir uns einer Kultur nähern wo statt aufräumen und Pflege ein Mentalität an deren Stelle tritt mit Kopie an neuen Ort. Wir sind angetreten für Gebrauchstaugliche Software und stellen fest, dass wir regelmäßig zuerst das Aufräumkommando spielen müssen was sich im Prozess, Stammdaten und Software angesammelt hat. Alle Beteiligte sind anschließend so mental geschafft vom aufräumen, dass sich keine Freiwilligen mehr finden die noch Kraft haben für das eigentliche Hauptprogramm Optimierung der Prozesse durch Gestaltete Gebrauchstauglichkeit. Ernüchternd ist, das alle bereits mit dem Vorprogramm zufrieden sind, weil Korrekturen auch als Optimierung gelten.

(4) Konzeptionell stehen wir vor dem Problem, dass Prozesse, Daten und Systeme in Organisationen als Hilfsmittel betrachtet werden, anstatt anzuerkennen, dass sie "bewohnt" werden als Lebensraum. Auf der einen Seite werden die unsichtbaren Prozesse bekämpft, auf der anderen Seite werden diese kultiviert, weil die „sprachlose Abstimmung“ oft die Organisation am laufen hält. In der Stadtplanung gibt es so was ähnliches zu beobachten mit den Ziel "Urbanität in der Stadt" zu erhalten, denn Urbanität kann man nicht anbauen — sie entsteht wenn sich mehrere kreative Benutzer an einem Ort ansammeln und es wird durch Gentrifizierung verdrängt.

Einer der Fragen für die Arbeitsgruppe könnte aus diesem Schlaglicht Scheinorganisationsfähigkeit sein mit welchen subtilen Mitteln eine IT-Urbanität in der Organisation gelebt werden kann, weil Urbanität entsteht aus Dichte und Umnutzung. Etwas erschaffen und dann verändern es die Benutzer, also einer gepflegten Langlebigkeit aus Wertschätzung. Das ist ein anderes Paradigma als ein klassisches Informationsmanagement in einem Unternehmen.

Drittes Schlaglicht auf Schein-Prozessmanagement

Beim dritten und letzten Schlaglicht im Moderationspapier geht es um das Scheinprozessmanagement. Zum knappen Einstieg gibt es drei Fragen:

  • Wieso funktionieren Prozesse auch wenn Keiner diesen fehlerfrei selber beschreiben kann?
  • Müssen Geschäftsprozesse sichtbar und Bewusstseinspflichtig sein? Es gibt so viele Vorbilder in der Natur wo die Einzelteile zusammenwirken auch ohne dass sie wissen dass sie "als Geschäftsprozess“ wirken.
  • Sollte ein gutes Prozessmanagement nicht daran erkennbar sein, dass es unsichtbar ist? Ähnlich wie gutes Design nicht erkannbar ist am Grad des Styling (künstliche Komplexität), sondern mit dem Kennerauge was alles weggelassen wurde…

Wenn wir versuchen Prozesse aufzuschreiben so wir ertappen uns ständig dabei alles in eine Perlenkette anzuordnen: Von links nach rechts und mit ganz vielen Abzweigungen und Hierarchieebenen. So etwas kann sich Keiner merken und alle starren am Ende auf die viele Dokumente. Da gibt es die Wertschöpftungskette, die Hauptprozesse, Querschnittsprozesse, Arbeitsprozesse usw. - und das alles nur, weil es Nebenläufigkeit und freie Anordnung gibt. Beim aufschreiben wird es defniert und damit starr. Der Professionell steht sprachlos vor dieser Vielfalt in der Praxis die er weder in Worte packen kann und noch weniger visuell greifbar ist.

Vor der Neuzeit war die Welt übersichtlicher. Alles war mit einfachen Grundregeln organisert als wiederholender Kreislauf mit Rhythmus und organisierter Gemeinsamkeit. Die Uhr dreht sich im Kreis statt heute als Zahl hochgezählt zu werden. Viele Systeme stürzen ab, weil sie von links nach rechts programmiert sind - das aufräumen und zurückkehren zum Ausgangszustand fehlt für einen neuen Lauf, ebenso kann Selbststeuerung erst über einen Kreislauf erfolgen. Wir gestalten heute Geschäftsprozesse wie ein Softwareprogramm: Es kann beliebig oft parallel gestartet werden - die Rückkopplung zur „Hardware“ (u. a. Menschen und Realität) fehlt.

In Geschichtsbüchern wundern wir uns wie Gesellschaften ohne Computer gigantische Logistische Operationen bewerkstelligt haben. Das Wissen um den Kreislauf vereinfacht viele Organisationsabsprachen, weil die Koordination sprachlos erfolgen kann. Eine typische Lösung von sprachlos und Kreislauf ist die Materialkarte. Wenn ein Artikel im Lager zur Neige geht, dann liegt an drittletzter Stelle die Bestellkarte. Die Bestellkarte wird losgesendet und kommt bei der Lieferung wieder zurück ergänzt um die neuste erledigte Bestellung. Ähnlich ist die Laufkarte am Fließband: Die Laufkarte am Produkt enthält alle Informationen für jede Stadion. Es ist keine zentrale Koordination erforderlich. Auf den ersten Blick sieht das alles wie ein Prozess aus, aber der charakterischische Unterschied ist, dass die Definition über das Dokument „Karte“ erfolgt mit einem Wissen von Kreisläufen und damit von Kapazitäten.

Warum ist uns das Denken in Kreisläufen so fremd? Je arbeitsteiliger man arbeitet desto seltener sieht man Anfang und Ende selber. Stattdessen ist nur eine Teilstrecke erfahrbar und die erscheint uns wie ein Prozess. Er beginnt und endet im Nichts. Alles erscheint entkoppelt und ist doch netzartig verbunden. Anderseits Etwas nicht als Kreislauf, sondern als Prozess aufzufassen bringt uns Freiheit es jedesmal auch anders tun zu können.

Eine der Aufgabe der Arbeitsgruppe aus diesem Dritten Schlaglicht könnte sein, wie Prozesse sprachlos koordiniert werden können ohne dass diese gleichzeitig auch wieder starr werden. Wie lässt sich die Grenze der Sprache für Merkfähigkeit von „Prozessen in Organisationen“ dehnen? Sprachlos zwischen unsichtbaren Prozessen dass kann auch menschenfreundlich sein, weil es entlastet und macht Dinge durchschaubar indem der Rhytmus sichtbar wird. Wie könnte eine geeignete kommunikationsfähige Darstellungsform aussehen?

Soviel zu den ersten drei Schlaglichtern in dieser Gemengenlage Sprachlos zwischen unsichtbaren Prozessen zur Diskussion und Konzepte für eine andere Kultur. Weitere „Schlaglicher“ oder klassische Thesenpapiere sind willkommen für die MMK-Tage.

Thesenpapier von ...

...ein Platzhalter. ...ein Platzhalter. ...ein Platzhalter.


Thesenpapier von Peter Brödner: Soziale Praktiken – sprachlos und gleichwohl wirkmächtig

„Sprachlos zwischen unsichtbaren Prozessen“ – das beschreibt recht gut aus dem inneren Erleben das Geschehen in digitalen Organisationen. Das heißt aber nicht, dass man keine Einsicht in dieses Geschehen zu gewinnen und die zugrundeliegenden sozialen Praktiken nicht zu verstehen vermöchte. Das will ich nachstehend aus praxistheoretischer Perspektive unter Beweis stellen, die sich von Marx über Mead bis Bourdieu und Giddens als außerordentlich hilfreiches Analysemittel bewährt hat. Dieser theoretischen Perspektive zufolge entstehen und reproduzieren sich soziale Praktiken in Organisationen durch fortgesetztes, sinnvoll aufeinander bezogenes, koordiniertes Handeln ihrer Mitglieder, das auf deren jeweils vorgefundenen oder unterstellten Handlungserwartungen und -routinen beruht. Es macht das Handeln selbstverständlich und routiniert; es geschieht quasi von selbst und wird über Sozialisationsprozesse tradiert. Angestoßen durch Irritationen, etwa durch Erlebnisse des Scheiterns, durch Überraschungen oder die Begegnung mit fremden Praktiken, werden die Akteure zur Beobachtung ihres eigenen Tuns, zu Reflexion und Begriffsbildung über bestehende soziale Praktiken, angeregt (die ihnen normalerweise gar nicht bewusst sind). Eben dadurch finden sie dann doch zur Sprache und können explizites Wissen über Erfahrungen und Aspekte ihres Handelns erzeugen, das in bestimmten Formen – etwa in Gestalt von Sprachäußerungen, Organisationsformen oder technischen Systemen – zum Ausdruck gebracht oder vergegenständlicht werden kann. Ihrerseits können diese vergegenständlichten Ausdrucksformen wiederum als Ressourcen für weiteres Handeln angeeignet und genutzt werden; sie eröffnen, insoweit sie passend interpretiert werden, auch neue Handlungsmöglichkeiten. Dabei bilden sich im praktisch wirksamen Gebrauch stets auch Regeln für den Umgang mit diesen Formen heraus (auch formativer Kontext oder Organisationskultur genannt). Erst diese sich neu einspielenden und kollektiv geteilten, aber ohne Absicht entstandenen (daher zumeist unbewussten) Regeln ermöglichen es den Akteuren, eingetretene Situationen oder Sachverhalte, etwa vorgefundene Instrumente, Daten oder Anweisungen, sachgerecht und angemessen zu interpretieren und im organisationalen Kontext flüssig zu handeln (vgl. Abb.). So kommt es, dass sowohl die sprachlichen, organisatorischen und technischen Ausdrucksformen zusammen mit den Regeln, sie zu verwenden, also die im kollektiven Handeln gewachsenen Routinen, Einstellungen, Werte, Deutungs- und Handlungsmuster künftiges Handeln zugleich ermöglichen und beschränken. Was sich die Akteure in ihrem jeweiligen sozialen System vorstellen können und über welche Handlungsmöglichkeiten sie verfügen, ist also weitgehend gebunden an und strukturiert durch ihre im Handeln geschaffenen Ausdrucksformen und durch ihre Regeln, damit umzugehen. Je besser diese Formen zum Handlungskontext passen und je angemessener sie (möglicherweise auch neu) interpretiert werden, desto wirkungsvoller kann sich ihre Praxis entfalten. Auf diese Weise bringen sich Ausdrucksformen (als Handlungsressourcen) und formativer Kontext (Regeln) in der Praxis kollektiven Handelns wechselseitig hervor; sie sind Produkt und Medium des Handelns zugleich („Dualität sozialer Struktur“).

Abb.: Strukturation: Rekursive Konstitution von Handeln und Struktur (Angelehnt an Giddens 1988, Ortmann 1995, Ortmann & Sydow 1999)

Die Entstehung von Regeln ist ebenso unvermeidlich wie unverzichtbar: Unvermeidlich ist sie, weil die Interaktion stets von selbst, ohne das bewusste Zutun der Akteure, eine regelmäßige Praxis mit Regeln der Sinngebung, Machtausübung oder Sanktionierung hervorbringt. Unverzichtbar ist sie, weil ohne sie der Sinn der vergegenständlichten Formen oder Ressourcen für koordiniertes Handeln intersubjektiv nicht zu vermitteln wäre. Sie bilden sich erst im Vollzug der wechselseitig aufeinander bezogenen Handlungen, durch die sie sich reproduzieren und zugleich das gemeinsame Handlungsfeld strukturieren. Durch ihr alltägliches Handeln in sozialen Praktiken sind Menschen bereits im Umgang mit Sprache, Technik, Kultur und gemeinsamen Lebenssituationen, kurz: durch geteilten Handlungskontext „vergesellschaftet“. Menschen handeln routiniert nach Konventionen, nach Vorbildern, aber eben auch kreativ auf ganz ungewohnte Weise. Sie entwerfen, verwerfen und gestalten die Regeln ihres Handelns im Verlauf des gemeinsamen Handelns selbst – wie Kinder beim Spielen. Sie erfinden neue Produkte und Prozesse und bilden neue Institutionen, durch deren Aneignung sie ihre soziale Praxis verändern. So wird ihre soziale Wirklichkeit durch ihr kollektives Handeln erst hervorgebracht und durch Handlungsroutinen – veränderlich – reproduziert: Als „Verfasser und Schausteller ihres eigenen Dramas“ machen sie „ihre eigene Geschichte, aber sie machen sie nicht aus freien Stücken, nicht unter selbst gewählten, sondern unter unmittelbar vorgefundenen und überlieferten Umständen“ (Marx MEW 8: 115). Alles gesellschaftliche Sein ist ein Werden – eben auch das in Organisationen. Menschen handeln folglich nicht, wie in der Ökonomik stets unterstellt, als von gegenwärtigem oder vorgestelltem künftigen Nutzen ursächlich Getriebene – nicht als „nutzenmaximierende Automaten“ –, sondern weil sie Dinge oder Vorgänge interpretieren, erkennen, sich davon ansprechen oder zu neuen Handlungsweisen inspirieren lassen, kurz: ihnen situativ Bedeutung verleihen und dadurch motiviert handeln. Sie handeln mithin in der von ihnen selbst gemachten, geschichtlich gewordenen sozialen Praxis, deren Regeln sie durch ihr Tun selbst fortschreiben. Diese Sicht der Dinge erlaubt insbesondere auch, die Doppelnatur von Organisationen als funktional zweckmäßig gestalteten Aufgaben und Verfahren einerseits und als eingespielter sozialer Praxis andererseits angemessen zu analysieren. Ferner erlaubt sie, die Beharrung wie auch die Veränderungsdynamik von Organisationen sowie die Konstitution von Sinn, Macht und Legitimation zu verstehen. Vor allem können damit auch Gestaltung und Gebrauch von Computersystemen in ihrer sozialen Einbettung in organisationale Zusammenhänge angemessen analysiert und einer effektiven wie effizienten medialen Nutzung zugänglich gemacht werden. Schließlich können mit ihr dafür angemessene Vorgehensweisen wie partizipatives, zyklisch-evolutionäres Projektmanagement oder agile Methoden begründet werden.


Thesenpapier Gunter Dubrau

Als Organisator habe ich für jede AG ein paar Thesen formuliert, um mit gutem Beispiel voranzugehen.

These 1: Arbeitnehmer haben verschiedene Stragien entwickelt, mit diesen Graubereichen umzugehen. Z.B. ist zu beobachten, dass Kollegen Arbeiten des unmittelbar Vorgesetzten über-priorisieren und dabei das Team eher vernachlässigen.

These 2: Teams sind dazu verführt, sich zu kapseln. Sie grenzen sich überdeutlich ab und bauen so einen Schutz für die Team-Mitglieder auf, die von den Einflüssen von außen abgeschottet arbeiten.