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Luhmann, Niklas: Soziologische Aufklärung 5. Konstruktivistische Perspektiven, Westdeutscher Verlag: Opladen 1990

Volltext (Passwort)

enthält Das Erkenntnisprogramm des Konstruktivismus und die unbekannt bleibende Realität

Inhalt
Vorwort ... 7
1. Identität -was oder wie? ... 14
2. Das Erkenntnisprogramm des Konstruktivismus und die unbekannt bleibende Realität ... 31
3. Haltlose Komplexität ... 59
4. Die Weisung Gottes als Formder Freiheit ... 77
5. Gleichzeitigkeit und Synchronisation ..... 95
6. Risiko und Gefahr ............... 131
7. Gesellschaftliche Komplexität und öffentliche Meinung ... 170
8. Der medizinische Code ....... 183
9. Sozialsystem Familie ........ 196
10.Glück und Unglück der Kommunikation in Familien: Zur Genese von Pathologien ... 218
11. Ich sehe was, was Du nicht siehst ... 228

Zitate

"Im vorliegenden Band werden Texte zusammengestellt, die diese systemtheoretische Perspektive zwar beibehalten, sie aber als Anwendungsfall eines anderen logischen Typs, einer Metaperspektive auffassen, also auch über Systemtheorie noch aufzuklären versuchen. Die Voraussetzung ist, daß alles, was beobachtet und beschrieben werden kann, durch einen Beobachter beobachtet und beschrieben wird, und zwar mit Hilfe einer Unterscheidung [...]" ( 7).

"Dieser Überlegungsgang könnte zu der Annahme verleiten, daß damit nun auch die Unterscheidung von System und Umwelt eines von vielen Schemata ist, mit denen man die Welt beobachten und beschreiben kann. Das trifft in gewisser Hinsicht zu. Andererseits hat es mit dem Beobachter eine besondere Bewandtnis. Er benötigt Unterscheidungen, um etwas bezeichnen zu können. Er muß die eine und dann eben nicht die andere Seite der Unterscheidung bezeichnen, um den Anknüpfungspunkt für weitere Operationen zu markieren. Für weitere Operationen! [...] Es entsteht im Vollzug der Operation eine Differenz – eben eine Differenz von System und Umwelt. Ob der Beobachter, der so operiert, nun seinerseits sich selbst beobachtet und mit der Unterscheidung von Selbstreferenz und Fremdreferenz zu kontrollieren versucht, welche Operationen er passend anschließen kann und welche nicht, ist eine weitere Frage. Die bloße Tatsache, daß er als Beobachter operiert, setzt ihn der Beobachtung mit dem Schema System/Umwelt aus. [...] Mit dem systemtheoretischen Unterscheidungsschema kann man mithin Beobachter über sich selber aufklären, was immer ihr primäres Beobachtungsschema gewesen sein mag" (9).

Luhmann zufolge handelt es sich bei second order cybernetics "nicht um einen Fall der logischen oder linguistischen Ebenenarchitektur, nicht um einen Fall der zur Lösung des Paradoxieproblems erfundenen Typenhierarchie. Vielmehr ist die Unterscheidung [von Beobachtung erster und zweiter Ordnung] empirisch gemeint, und unter Philosophen mag es zweckmäßig sein, dies ausdrücklich zu betonen" (14 f.).

"Sie [die Beobachtung zweiter Ordnung] muß einerseits den Beobachter von dem unterscheiden, was er beobachtet; sie muß aber zugleich die Beobachtungsoperation von anderen Operationen, etwa der bloßen Erzeugung eines Unterschiedes, unterscheiden können" (15).

„Man wird darüber belehrt, dass man nicht sehen kann, was man nicht sehen kann. Man wird über Sachverhalte unterrichtet, die man immer schon gewusst hat – aber in einer Weise, die das Gewusste in ein neues Licht versetzt und neue Anschlussüberlegungen ermöglicht, die viel radikalere Konsequenzen haben als bisher für möglich gehalten wurden.“ (S.31).

"Die Unterscheidung kann nur selbstimplikativ eingeführt werden, und das wird zum Paradox, wenn man mit dem Unterscheiden beginnt. Denn die Unterscheidung ist eine Form die ihrerseits eine Innenseite (das Unterschiedene) und eine Außenseite (das Sonstige) unterscheidet."(S. 84)

"Es ist eine zweite, durchaus sekundäre Frage, ob und wie weit Sprachen dann in der Lage sind, Zeitverhältnisse sprachlich zum Ausdruck zu bringen. Das ist, wenn auch mit erheblichen Unterschieden im einzelnen, als normal zu vermuten; denn wenn Kommunikation läuft und ein Formulierbedarf besteht, wird die Sprache schon eine Möglichkeit finden, dem nachzukommen. Jedenfalls findet die gegenteilige Hypothese (Whorf, Sapir) heute kaum noch Anhänger." (Gleichzeitigkeit und Synchronisation, S.124, Anm. 55)

"Die Unterscheidung von Risiko und Gefahr liegt ein Attributionsvorgang zugrunde, sie hängt also davon ab, von wem etwaige Schäden zugerechnet werden. Im Falle von Selbstzurechnung handelt es sich um Risiken, im Falle von Fremdzurechnung um Gefahren. Nur für Raucher ist Krebs ein Risiko, für andere ist er nach wie vor eine Gefahr. Wenn also etwaige Schäden als Folge der eigenen Entscheidung gesehen und auf diese Entscheidung zugerechnet werden, handelt es sich um Risiken, gleichgültig, ob und mit welchen Vorstellungen von Rationalität Risiken gegen Chancen verrechnet worden sind. Man nimmt dann an, daß die Schäden nicht eintreten könnten, wenn eine andere Entscheidung getroffen worden wäre. Von Gefahren spricht man dagegen, wenn und soweit man die etwaigen Schäden auf Ursachen außerhalb der eigenen Kontrolle zurechnet. Das mögen unabwendbare Naturereignisse sein oder auch Entscheidungen anderer Personen, Gruppen, Organisationen." (Risiko und Gefahr, S. 148/149; In: Soziologische Aufklärung 5. Konstruktivistische Perspektiven. Opladen. S. 131-169)


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