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Koestler, A.: Der Krötenküsser

Anmerkungen von rt

Ein tolle Geschichte, die den Wissenschaftsbetrieb beleuchtet. Experimente müssen hoch standardisiert sein, auch wenn sie dadurch jede Aussagekraft verlieren.


DER FALL KAMMERER: Der Krötenküsser

Wie es gewesen sein könnte:

Wüst und naiv zugleich begehrte er weinend die Erfüllung seiner Wünsche." Alma Mahler-Werfel kannte die Männer, aber Paul Kammerer war schon eigenartig. Der innigste Wunsch des Wiener Zoologen war der Nachweis, dass erworbene Eigenschaften im Erbgut fixiert werden und sich vererben, was Darwin bestritten hatte.
Kammerer setzte Geburtshelferkröten hohen Temperaturen aus, um sie ins Wasser zu locken. Um im kühlen, aber ebenso glitschigen Nass die Krötenfreuden voll zu genießen und nicht von der Partnerin abzurutschen, sollten die Männchen Brunft- oder Haftschwielen entwickeln - und der nächsten Generation vererben. Das Experiment "gelang". Zwar erregte Kammerer dadurch weltweit Aufmerksamkeit, Einstein fand seine Ideen "durchaus nicht absurd", aber er erntete auch von Beginn an heftigen Widerspruch.
Einer seiner englischen Widersacher reiste schließlich nach Wien. Die schwarzen Hornhautpunkte seines berühmten Alytes-Exemplar entpuppten sich als unter die Haut gespritzte Tusche. Hoffnungen auf ein gut ausgestattetes Institut in Moskau zerschlugen sich, am 23. September 1926 nahm sich Kammerer das Leben. Um nochmals AMW zu zitieren: "Nicht, dass etwas Schwindelhaftes in ihm war, doch er wünschte die Ergebnisse seiner Forschung so glühend herbei, dass er unbewusst von der Wahrheit abweichen konnte."

Wie es gewesen AUCH sein könnte:

A. Köstler schreibt, dass P. Kammerer eine sagenhafte Fähigkeit im experimentellen Umgang mit Fröschen hatte. Seine Experimente konnten von niemandem wiederholt werden, obwohl sie genau dokumentiert waren, weil niemand es schaffte, mit den Fröschen so umzugehen.
P. Kammer hat sich das Leben genommen, weil er des Betrugs bezichtigt wurde oder wegen einer unglücklichen Liebe oder wegen einer schweren Krankheit oder ... Gegen die Darwin-Mafia war ihm offensichtlich keine Verteidigung möglich.


Kammerer, Paul

     

Kammerer, Paul, * 17. 8. 1880 Wien, † 23. 9. 1926 Puchberg am Schneeberg (Niederösterreich; Selbstmord), Biologe. Versuchte die Vererbbarkeit erworbener Eigenschaften experimentell nachzuweisen und postulierte zielgerichtete Mutationen als die eigentliche Triebkraft der Evolution. Unter dem Verdacht, experimentelle Ergebnisse gefälscht zu haben, nahm er sich das Leben.

Werke:

  • Biologie, 1915
  • Geschlechtsbestimmung und Geschlechtsverwandlung, 1918
  • Das Gesetz der Serie, 1919.

    Literatur:

  • A. Koestler, Der Krötenküsser, 1972
  • R. Freund, Land der Träumer, 2000.

  • Das Gesetz der Serie

    Die Hypothese des "kollektiven Unbewussten", eines unterschwelligen Erinnerungsspeichers, der alle Menschen geistig verbindet, ist von vielen Denkern diskutiert worden. Eine gewagte Theorie zur Erklärung von Koinzidenz stellte der englische Mathematiker Adrian Dobbs in den 1960er Jahren vor. Dobbs prägte den Begriff "Psitron", eine unbekannte Kraft, die wie ein Radar eine zweite, und zwar eher wahrscheinliche als festgelegte Zeitdimension auslote. Das Psitron nehme zukünftige Wahrscheinlichkeiten in sich auf und lenke sie zurück in die Gegenwart, wobei es die gewöhnlichen menschlichen Sinne umgehe und die Information direkt dem Gehirn vermittle.
    Der erste, der die Gesetze der Koinzidenz wissenschaftlich untersuchte, war der Wiener Experimentalbiologe Dr. Paul Kammerer. Seit seinem 20. Lebensjahr führte er Tagebuch über Fälle von Koinzidenz, die er aus der Beobachtung banaler Alltagssituationen sammelte. Die Ergebnisse liefen auf "Zahlenhäufung" hinaus, wie sie auch Statistikern oder Meinungsforschern geläufig sind.
    Kammerer nannte das Phänomen "Serialität" und veröffentlichte seine Schlussfolgerungen 1919 in dem Buch "Das Gesetz der Serie". Koinzidenz, so behauptete er, trete in Serien auf, einer "Wiederholung oder Häufung in Zeit und Raum, deren Einzelfälle nicht durch dieselbe Ursache verknüpft worden sein können."
    Koinzidenz ist wie die Gravitation eine geheimnisvolle Größe. Doch im Unterschied zur Schwerkraft verhält sie sich selektiv und bringt nur Dinge in Zeit und Raum zusammen, die eine gewisse Verwandtschaft besitzen. Laut Kammerer ergibt sich "das Bild eines Weltmosaiks oder kosmischen Kaleidoskops, das trotz fortwährender Verschiebungen und Neuordnungen auch darauf achtet, gleich und gleich zusammenzubringen".


     
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