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Assimilation von Textteilen

Zum Ausdruck
"Assimilation" nenne ich Prozesse, in welchen ein System Zuordnungen zu bereits vorhandenen Kategorien macht. Biologisch/materiell etwa dadurch, dass Nahrungsmittel in zum System passende Baustoffe umgewandelt werden ("anpassende Einverleibung"), wobei Reste anfallen, die ausgeschieden werden. Begrifflich dadurch, dass Phänomene so wahrgenommen werden, dass sie zu den bereits bestehenden sensomotorischen oder begrifflichen Schemata passen. Wenn ein Kind ein Schema "wau-wau" aufgebaut hat, mag es auch zunächst etwa auch eine Kuh als "wau-wau" wahrnehmen, indem es schematisch "lebendig auf vier Beinen" wahrnimmt (und einige Merkmale, die anderer wahrnehmen kann, nicht berückichtigt, also quasi ausscheidet).

Die Bibliothek als System nimmt Texte auf, die in irgendeinem Sinn zu den bereits vorhandenen Texten der Bibliothek "passen". Die Bibliothekare, die die Texte auswählen, spielen dabei Gatekeeper, sie entscheiden, ob ein Buch in welcher Hinsicht auch immer gut genug "passt". Ob etwas passt, ist eine Frage der Assimilation.

Die Auswahl der Texte ist unserer Hyperbibliothek zunächst beliebig. Durch die Verlinkung von Textauslagerungen entsteht ein gewisser Aequilibrierungsdruck [ Anmerkung ] bezüglich Konsistenz oder Kohärenz der Texte. Die Bibliothekare müssen entscheiden, ob verschieden Formulierungen zusammen "passen". Dabei können sie bestimmte Textteile als überschüssig wegschneiden (ausscheiden) und andere Texte durch entsprechende Interpretationen "passend" finden.

Beispiel für Assimilation
 
 

      

Ich habe nun den Text "Computerprogramm" einerseits auf das mir wesentlich scheinende reduziert, also viele Textteile der ursprünglichen Formulierungen weggelassen, weil sie mir redundant schienen, und andrerseits den Ausdruck "ein Computerprogramm ist ein Gegenstand" durch den Ausdruck "ein Computerprogramm ist ein Text" ersetzt, weil ich die beiden Formulierungen hier für gleichwertig interpretiere.

Meine "Interpretation" ist hier also eine wirksame, eingreifende Interpretation. Ich verändere "ausgelagerte" Texte. Danach hat der Ausdruck "ausgelagert" natürlich eine uneigentliche Bedeutung: Man muss durch eine passende Interpretation (Assimilation) erkennen, dass der "ausgelagerte" Text mit seinem Herkunftstext übereinstimmt.

Dieses Verfahren bezeichne ich als Assimilation: ich nehme die Texte so wahr, dass sie für mich - also für einen beliebigen Bibliothekar - zueinander passen. Oder (bibliotheks)-entwicklungslogisch gesehen, so, dass die zweite Textauslagerung zur ersten passt. Als Assimilation erscheint dieser Prozess natürlich nur einem Beobachter, der einen Akkomodationsbedarf sieht, weil er diesen Umgang mit den Texten für nicht sinnvoll, falsch oder nicht zulässig hält. Wer assimiliert, sieht die Unterschiede eben gerade nicht.

Im Alltag gibt es noch eine spezielle Variante der Assimilation, die als Toleranz bezeichnet wird. Wenn etwas nicht richtig passt, kann man auf verschiedene Weisen tolerant sein. Wenn ich selbst merke, dass meine Formulierung nicht passt, sage ich etwa: "Weisst Du, wie ich meine?" Und umgekehrt denke ich oft, "I cant stand to be understood "(Eric Burdon), wenn jemand meines Erachtens vorschnell sagt, dass er mich verstanden hat.


 

Eine Bibliothek und ein Glossar kann man insbesondere als Mittel gegen Assimilationen (und sinnlose Toleranz) verstehen. Die Auslagerung von Texten verlangt dann Akkomodtion.