MMK 2021 AG1

Aus Mmktagung
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AG1 - Lernen mit Baukästen

Moderation: Hartmut Barthelmeß, Norbert Nowotsch

Es handelt sich um einen vorläufigen Arbeitstitel, der im bald kommenden Moderationspapier mit inhaltlichen Angaben präzisiert und festgelegt wird.

Moderationspapier

"Erkenntnistheoretischer Baukasten für das "multi-mediale" Gestalten von Leben, Lernen und Arbeiten"

Das immer mächtigere Getriebensein von Politikern, aber ebenso Wissenschaftlern zum Schlagwort „Digital“ und die zwanghafte Verengung auf eine einzige mediale Kommunikations-Linie hat auch die Welt von Schule - Kinder - Eltern, Studierenden - Uni - Arbeitsplatz und Folgeumgebungen extrem ins monochrome verengt, auch die Kunst bleibt nicht verschont. Gleichzeitig dominiert das Schlagwort alle Bereiche des Alltags incl. zwischenmenschliches Verhalten, wie, wurde im „Adapter zur Welt“ auf der MMK 2019 vorgestellt. „Digital“ langt schon als Erfolgsschlagwort, aber VR und KI kommen in Folge auf Platz 2 und 3, auch nur als platte Begriffe.

Eine derartige, rein am Interesse der Digitalkonzerne ausgerichtete Verengung des Lebens hatten die frühen Entwickler und Medientheoretiker weder angestrebt noch vorausgesehen. Man sah kreative Möglichkeiten, eine Erweiterung gestalterischer Vielfalt, der Vermittlung, Freiheit der Kommunikation etc. Beispiele finden sich u.a. auf der 12. MMK, 1992 in Berlin. Dazu von Sörgel/Keil-Slawik, „Virtuelle Realität“ mit dem Untertitel „Sinnliche Wahrnehmung in der Mensch-Maschine-Interaktion, u..a. mit Verweisen auf die Vielfalt der Sinne (S. 25) oder mit Aufzählungen von Anwendungsfeldern ebenso wie von Gefahren (S. 27) Weiteres findet sich auch in „Wie wirken Hypertexte“ von Riehm/Wingert…

Ein Jahr später kam eine mediale, interaktive Umsetzung mit „Staub rauscht durch die Labyrinthe“, der Entwurf unserer Arbeitsgruppe aus Münster für ein „elektronisches Buch“, vorgestellt auf der MMK 1993 Bretten. In Folge blieb die erwartete Gestaltungs-Vielfalt allerdings aus - zumindest in nicht-künstlerischen Medienproduktionen, dafür erfolgte aber eine Verflachung auf inhaltlose Nutzungsattrappen, Hauptsache: “Digital“.

Aktuell gibt es in der Schlagwortwelt unzählige Beispiele, etwa einen „Digitalen Moderationskoffer“, er braucht noch Verweise in die analoge Welt, brauchbarer ist er nicht. Oder gedankenlose „Virtualisierungen der musealer Bestände“ (sogar des Holocaust, etwa in Projekten wie „Apokalypse Münsterland“) oder, als Projekttitel, „Uploading Auschwitz“. Sie zeigen was mit Inhalten in medialer Transformation, besser „Verwurstung“ passiert.

In der AG sollen vielfältige, echte „multimediale“ Ideen für die Kombination verschiedener, bei Bedarf auch „digitaler“ Mittel entwickelt und vorgestellt werden, dabei ist der Begriff „medial“ nicht technisch zu verstehen sondern als echtes, offenes „Mittel“.

Und, als Merksatz: Je unglücklicher die Zeiten sind, um so mehr vermehren sich die Idiotismen. Diderot: 1713 - 1784, Übersetzung von Johann Wolfgang Goethe

Positionspapiere der Teilnehmenden

Thesenpapier René Hoffmann

Seit 16 Jahren nehme ich an der MMK teil und langsam greift die Erkenntnis, dass man viel früher ansetzen muss. Lernen mit Baukästen ist ein guter Titel, weil die Gesellschaft, aber auch jeder einzelne Nutzer, im heutigen Alltag und im Berufsleben mit einer Vielzahl von „Baukästen“ konfrontiert werden und oft zu beobachten ist, dass die Kulturtechniken fehlen sich damit auf Augenhöhe auseinandersetzen zu können.

Im Zeitalter des Sparen von Energie und Ressourcen sind Baukästen der Schlüssel um Wiederverwendung, rekombinieren, oder kreative Aneignung durch Nutzer zu ermöglichen. Wenn wir die Energiewende schaffen wollen, dann stehen wir vor einem Zeitalter der Baukästen. Wir müssen in sehr kurzer Zeit sehr viel anpassen. Das geht nur mit benutzen von Baukastenelementen.

Anhand von drei Beispiel aus der Prozessmodellierung, Bauwirtschaft und Informatik will ich das Drama des Unverständnis zu Baukästen zeigen zu der vielleicht die AG 1 hilft es zu überwinden.

(1) Prozessmodelle: Zu oft steht die Reihenfolge fälschlicherweise im Mittelpunkt. Lernen mit Baukästen könnte zur Einsicht helfen, dass es weniger auf die Verbindungslinien ankommt, sondern mehr auf seine Bestandteile und dessen Fähigkeiten. Aus dem Baukasten entsteht ein Modell, dass im "Spielmodus" unterschiedlich eingesetzt werden kann. Bei Kindern ist schön zu beobachten wie adhoc etwas anders betrachtet und eingesetzt wird ohne dass am Modell konstruktive Änderungen erfolgen. Diese Fähigkeit gehen verloren gerade in der Gruppenkommunikation. Die Sprache der Prozessmodellierung hilft da nicht. Der Gedanke, dass es mehr auf die Bestandteile und den Nachrichten ankommt und dessen Kapselungen lässt sich im Hololistischen Ansatz wiederfinden, aber das ist für Viele kaum begreifbar, weil die Kulturtechnik Baukasten in Vergessenheit geraten ist.

(2) Bauwirtschaft: Kinder lernen bei Lego rekombinieren und wiederverwenden und erleben Standardisierung positiv, weil dennoch viel Individualismus und kurze Bauzeiten möglich sind aufgrund vieler kompatibler Spezialteile. Die Kultur der Erwachsenwelt ist hingegen aus der Rolle des Komsumenten geprägt in der Individualität aus wegwerfen und neu geprägt ist. Vereinzelt finden sich Anbieter die das Baukastenprinzip in die Bauwirtschaft bringen wollen, aber diese scheitern, weil sie das Baukastenprinzip immer nur für kleine Bereiche einführen, aber es sich nicht wie Lego mit allem kombinieren und rekombinieren lässt. In der Möbelwirtschaft ist ähnliches zu beobachten.

(3) Informatik: In der Informatik sind Begriffe popular wie Modularisierung, API, Framework, Controls usw., aber anhand der Praxis und Ergebnisse ist erkennbar, dass das Konzept mit Baukästen nicht durchdrungen worden ist wie im Ingenieurwesen. In typischen Softwareprojekten werden viele Plugins und API's eingebunden nur um davon nur eine oder zwei Funktionen zu nutzen. Lernen mit Baukästen könnte für einen Kulturwandel führen im erkennen, dass Bausteine eines Baukasten anders geschnitten und mit viel einfacheren generalistischen Montage-Verknüpfungstechniken ausgestattet sein müssen als wir es heute in der Informatik antreffen. Aber auch die Thema Dokumentation und Kommunikation im Projekt lassen sich mit der Kultur von Baukästen besser lösen.

In der Informatik ist die fehlende Kultur des lernen mit Baukästen und das richtige anwenden des Konzepts der Baukästen dramatisch worden, weil seit Jahren zu beobachten ist, dass neue Generationen von Software nicht besser werden. Typische Befunde sind, dass Funktionen die vorher da waren urplötzlich nicht mehr da sind und auch nach Jahren nicht nachgereicht werden können. Auch die einzelnen Bausteine werden von Generation zu Generation nicht besser sondern überwiegend nur komplexer. Ein besonders anschauliches Beispiel sind die so genannten Controls die an der Benutzungsoberfläche anzutreffen sind. Einmal erfunden wurden diese über Jahrzehnte nicht weiterentwickelt, obwohl diese viel Potenzial bieten, das gerade diese Basis-Bausteine viele kleine Bausteine einsparen könnten. Die UseLib von Dirk Fischer zeigt es auf anschauliche Weise.

Soviel als Thesenpapier und ich freue mich auf die Diskussionstage in der MMK.


Thesenpapier Dirk Fischer

  • Beim Lernen konkurrieren horizontale und vertikale Vernetzung des (Vor-)Wissens miteinander.
  • Die horizontale Vernetzung basiert auf assoziativem Wiedererkennen von Bekanntem (Assioziationtheorie, Intuition, Erwartungskonformität etc.)
  • Die vertikale Vernetzung erklärt sich aus einem konzeptualen, verinnerlichtem Konstrukt, in das Wissen eingearbeitet wird/ist (Konzepttheorie, Handlungsregulationstheorie, Prozess-, Organisations- und Aufgabenstruktur).
  • Je nachdem welche Anteile zu einem Erkenntnisbereich stärker ausgeprägt sind, desto mehr muss der schwächere Bereich intensiver bearbeitet / berücksichtigt werden.
  • Gibt es beispielsweise diverse Design- und Interaktionsregeln können diese in anderen GUIs assoziativ wiedererkannt werden, ein Bruch erschwert das Lernen erheblich (Konsistenz).
  • Soll umgekehrt ein neues Konzept vermittelt werden, so sind assoziative Verbindungen zu minimieren, damit in der Wissensvernetzung klar getrennt werden kann (Paradigmenwechsel).
  • Gibt es beispielsweise ein im wesentlichen aus Erfahrung gewachsenes Vorgehen/Verfahren, ist es sinnvoll dieses mittels Analyse, Wissenschaft etc. nach konzeptionellen Aspekten zu untersuchen und das ermittelte Konzept zu vermitteln (Konzeptlernen). So schließen sich Lücken und das Know-How verschiebt sich zum Know-Why.
  • Ein zu vermittelndes Wissenskonzept wird sehr viel besser verstanden, gemerkt und in Handlungen eingebunden, wenn man es mit bekannten Beispielen erläutert (und so auch assoziativ vernetzt).
  • Ein Baukasten benötigt ein klares hierachisches Konzept dessen Informationsstruktur sich an den mentalen Rahmenbedingungen des Menschen orientieren muss.
  • Informationsstrukturierung in je 4-5 Items (ohne Zählen erkenn- und merkbar).
  • Horizontale Breite maximal 7-9 Items (Kurzzeitgedächtnis).
  • Hierachische Tiefe maximal 3-4 (im Moment vergessen, wo das herkommt;-).
  • Ein Wissensystem aus 5 * 9 * 4 = 180 Items wäre ungewöhnlich groß und passt nur noch auf wenige Zielgruppen.
  • Verwendete Begriffe dürfen Items synonym erläutern. Nebeneinander stehende Begriffe grenzen sich automatisch inhaltlich gegeneinander ab (Wortfeldtheorie,

Card-Sorting). Oft braucht es daher keine Definitionen.

  • Ein ebenfalls erläuterbares Metakonzept kann so etwas wie eine Vollständigkeit/Geschlossenheit vermittelt.
  • Auf Basis eines Metakonzeptes lassen sich nicht relevante Items wegstreichen, wenn diese für eine konkrete Fragestellung irrelevant sind. Dies lässt sich digital-technisch gut unterstützen.
  • Wegstreichen ist immer einfacher als erst erzeugen.


Weitere kommen bald ;-)