Hypertexter:

Leser-Autor

Hypertexte sind - wenn sie nicht als Datenbankoberflächen fungieren - Textgrundlagen, die im Wissen konstruiert werden, dass der Hyper-Leser selbst entscheidet, was er wann und in welcher Reihenfolge liest, also Grundlagen für Hypertext-Texte, bei welchen die Unterscheidung zwischen Autor und Leser aufgehoben ist, weil der jeweils gelesene Text, also der materielle Hypertext-Text, erst im Hyper-Lesen selbst entsteht. Ein Hypertext-Text ist eine durch einen Hyperleser produzierte Sequenz von Hypertext-Elementen, mithin also, wie jeder Text, eine grammatikgenerierte sequentielle Menge von Zeichen(ketten), die in einer gegebenen Reihenfolge vom Anfang zum Ende durchgelesen werden. Die Reihenfolge der Textelemente wird aber im Lesen nicht im Schreiben festgelegt. Da der Hyperleser jeweils (oder manchmal) nur bis zu einem (Hyper)-Link liest, geht sogar nicht immer das ganze Hypertextelement in den Hypertext-Text ein.

Hypertexter haben zwei Produktions-Modi: sie sind Hyper-Leser, wenn sie Hypertextelemente benützen, also (Hypertext-)Texte zusammenfügen; sie sind Hyper-Schreiber, wenn sie die Textelemente produzieren. Als Hyperleser ist der Hypertexter Produzent des Textes, den er liest, er ist also so etwas wie Leserautor oder Schrift-Um-Steller, da er während des Lesens durch die Wahl der je nächsten Hypertextteile seinen eigenen, dissipativen Text generiert. Es geht hierbei nicht darum, dass der Hyperleser eine je eigene Interpretation des Textes macht, sondern darum, dass er den physisch-materiellen Text, den er liest, aus den Textteilen des Hypervokabulars selbst zusammenstellt. Als Hyperleser verhalte ich mich wie beim Sprechen oder Schreiben, wo ich das von mir verwendete Vokabular und die zulässigen Sequenzen auch nicht erfinde, sondern unter Drohung von Lehrern und Lektoren quasi von der Firma Duden übernehme.

Da der Hyperleser bestimmt, was er liest, kann Hypertext mit Mitteilen und Verstehen des Mitgeteilten nicht adäquat modelliert werden. Wenn der Kommunikationsprozess mit Sender-Empfänger-Modellen modelliert wird, also unter dem Gesichtspunkt, dass ein Sender einem Empfänger eine Nachricht oder eine Mitteilung schickt, erzeugt Hypertext eine Art Hyper-Paradoxie: Der Hyperschreiber produziert zwar Texte, nämlich Hypertext-Textbausteine, er macht aber mit seinen Texten keine Mitteilungen, sondern ein Hypervokabular für Hyperleser. Der Hyperleser produziert zwar (Hypertext-)Texte, aber er macht natürlich auch keine Mitteilungen - es sei denn eine Mitteilung an sich selbst -, denn er liest ja seinen eigenen Text. Hypertext - und das ist eine Erfindung, die die Erfinder von Hypertext kaum im Sinn hatten - "erzeugt" einen eigenständigen Handlungszusammenhang, den ich Hyper-Kommunikation nenne.

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