Rolf Todesco

Wahrnehmung als Für wahr nehmen

Anmerkungen zum Forschungskonzept im Studiengang Systemtheorie

Zusammenfassung

Gemeinhin wird Wahrnehmung als sinnliche Erkenntnis behandelt. Dabei interessiert der sinnliche Mechanismus, welcher uns die Welt prinzipiell erkennen lässt, und welche Täuschungen ihm innewohnen. Ich interessiere mich für den Wahrnehmungsdiskurs, also dafür, wie Wahrnehmung Kohärenzlücken im Denken schliesst. Dabei geht es mir nicht darum, wie ich sinnlich-empirisch prüfe, was ich zu wissen meine - ich glaube nur, was ich gesehen habe -, sondern darum, dass in der Wahrnehmung der widersprüchliche Repräsentationsdiskurs aufgehoben ist, wonach wir ein mehr oder weniger adäquates Bild von der Welt im Kopf (kritischer Rationalismus) oder eben gar keine Repräsentation der Welt im Kopf haben (Konstruktivismus).

Die Wahrnehmung erzeugt ein sich mir entgegenstellendes Objekt in mir, also ein sehr komplexes mentales Muster, das ich als Repräsentation oder als Konstruktion auffassen kann. Ich versuche den Widerspruch zu lösen, indem ich den Wahrnehmungsdiskurs in einem Abbildungsdiskurs aufhebe, der Verhältnisse jenseits meines Kopfes - zu welchen auch mein Kopf gehört - postuliert.

Etwas Kant

Wahrnehmen verstehe ich als für-wahr-nehmen und mithin als für-wahr-halten. "Das Für-wahr-halten (...) hat folgende drei Stufen: Meinen, Glauben und Wissen" (Kant:830). Kant unterscheidet subjektive und objektive Gründe für das Wahrhalten. Wenn beide fehlen, spricht er von Meinen, wenn nur der objekte fehlt, von Glauben und wenn beide gegeben sind, von Wissen. In allen drei Fällen ist Irrtum möglich. Im Moment selbst kann ich aber nicht irren, erst zu einem späteren Zeitpunkt kann ich realisieren, dass ich mich zuvor geirrt habe. Dann aber weiss ich bereits, dass es noch spätere Zeitpunkte gibt, und dass ich im Moment noch nicht wissen kann, ob ich von einem späteren Standpunkt aus gesehen irre (Maturana: Explanations). Dass ich mich im Moment nicht täuschen kann, ist in meiner Sprache reflektiert, ich kann nicht "falschnehmen", ich muss "wahrnehmen".

Wenn ich etwas für wahr nehme, entscheide ich, dass es dieses "etwas" gibt, dass es sich also nicht um eine Illusion, sondern um ein Objekt handelt, der - im Sinne einer Objektkonstanz - ein Eigenleben führt. Eine sehr elegante oder erleuchtete Form der Wahrnehmung verzichtet auf jede Objektkonstanz, indem es keine Wahrnehmung mit einer weiteren Wahrnehmung verbindet, wodurch Irrtum natürlich unmöglich wird, weil Irrtum immer auf einem Vergleich einer früheren mit einer gegenwärtigen Wahrnehmung beruht. Wahrnehmung ist demnach kein rezeptiver Prozess. Im je konkreten Moment ist die Unterscheidung zwischen "wahr" und Illusion nicht möglich und ich kann nicht mit den Sinnesorganen entscheiden, was die Zukunft zeigen wird. Saint Ex

Kant objektive Gründe sind Konstruktioen --------------- das etwas, was ich wahrnehme, ist im einfachsten Fall ein Ding. ich kann auch Bilder eines Dings wahrnehmen. und eigenschaften eines Dings. und verhältnisse wie "esgehört jemandem" und Prozesse des Dinges und... ich argumentiere mit dem einfachsten Fall den Artefakt. --------------- Man muss "etwas" wahrnehmen. Diese etwas erleben wir objektiv. es kann durch die Sinne kommen aber ebenso gut aus dem Gedächtnis beides ist evetuell falsch

Popper hat sich mit der Wahrnehmung der Wissenschaftler befasst. Er hat mit seinem Falsifikationsprinzip einen abstrakten Vorschlag gemacht: man solle nur vorläufig, auf Zusicht wahrnehmen. Da er aber nicht ohne Wahrhet leben wollte, schlug er vor, eine Aussage, die genügend vielen Falsifikationsversuchen widerstanden habe, soll sie im Sinne von "noch nicht falsifiziert" wahr sein, respektive "für wahr gehalten" werden. Das Falsifikationsprinzip entsäkularisiert die Wissenschaft, weil es verlangt, dass wir für (wissenschaftlich) wahr halten, was sich nie beweisen lässt. Maturana sagt, dass Wissenschaftler - in der daily-life-Wirklichkeit (sic!) - nicht falsifizieren, sondern verifizieren. Ich glaube, es gibt Menschen, die falsifizieren und solche, die verifizieren - die meisten werden beides tun. Und beides führt nie zu einer Wahrheit, sondern ist immer nur Wahrnehmung.

Im praktischen Handeln spielt es natürlich keine Role, ob ich meine, glaube oder weiss. Wenn ich beispielsweise ohne zu schauen auf den Balkon hinaustrete, weil ich glaube, dass er noch da ist und meine, dass er mein Gewicht noch tragen kann, dann trete ich auf die genau gleiche Weise auf den Balkon, wie wenn ich beides weiss. Und falls ich mit oder ohne dem Balkon abstürze, nützt es mir nichts, dass ich gewusst und nicht nur geglaubt habe. Aber umgekehrt, wenn ich in der Wüste zum wiederholten Male ein Oase sehe, die sich wie die andern als Fata Morgana entpuppen könnte, überlege ich mir gut, ob ich sie fürwahrnehmen soll. Und schliesslich kneife ich mich manchmal, um meine Wahrnehmung irgendwie wahrer zu machen - obwohl natürlich das sich Kneifen mich allenfalls aus eine Traum reissen, aber auch keinerlei Garantien füe Wahrheit geben kann.

Was Wissenschafter aber verifizieren können, sind nicht ontologische Zustände der Natur, sondern ob sie mit Erklärungen in Form von Mechanismen bestimmte Phänomene erzeugen können. Man kann - und Maturana scheint es zu tun - autopoietische Maschinen als biologisch gegeben betrachten und schauen, welche Phänomene sie erklären. Ich betrachte die "biologischen Maschinen" nicht als Maschinen, sondern als Projektionen von Maschinen, die wir herstellen. Das Herstellen ist Engineering oder Konstruktion, nicht Wissenschaft.

Verifizieren ist das, was ich als Konstrukteur mache: ich konstruiere eine Maschine und schau, ob sie läuft, als macht, was sie machen soll.

Wahrnehmung ist kein rezeptiver Prozess. Ich nehme nicht mit den Sinnesorganen wahr, ich nehme allenfalls die Zustände meiner Sinnesorgane wahr. Aber etwas für wahr halten, ist ein emotionaler Zustand.

Etwas wahrhalten --> externes Gedächtnis.

--------- Rest ----------

Bei der visuellen Wahrnehmung bleibt mir der Gegenstand fremd, ich nehme "nur" ein Bild von ihm. Bei der happtischen Wahrnehmung verkörpere ich den Gegenstand. Wenn ich mit einem Bleistift schreibe, spüre ich die Spitze des Bleistifts auf dem Papier, nicht meine Finger am Beleistift. Der Bleistift gehört zu mir, er kann nicht von jemandem andern auch verwendet werden. Sehen können den Bleistift dagegen viele.

Als Wahrnehmung bezeichnen wir die Verobjektivierung der sensorisch ermittelten Eigenzustände durch einen Beobachter.

Erläuterung:
Aus bestimmten Mustern auf meiner Retina folgere ich bestimmte Objekte in meiner Um-Welt.

Kognitive Paraphrase:
Kognitive Systeme machen sich Repräsentationen von der Welt.

Wahrnehmung ist sinnliche Erkenntnis (Holzkamp, ), d.h. jeder Wahrnehmung entspricht ein sinnlicher Prozess, bei welchem Nervenströme fliessen..

Nach Maturana soll Wahrnehmung gleichbedeutend sein, mit einer Strukturveränderung des Organismus, der damit auf Invarianzen im Milieu reagiert. => suchen bei Maturana..

Ciompi, 1988, 182, von dem dieser Hinweis stammt, bringt das Beispiel von einem nicht ganz aufgepumpten Gummiball, der durch einen Fussstoss deformiert wird: Er hat durch seine Strukturveränderung den Fussstoss gwissermassen wahrgenommen (ebd. 181)..

Nach Varela und Maturana kann man zwischen Wahrnehmung und Halluzination nicht unterscheiden (von Förster: in Floyd, 1992 , 82)..

Vgl. Gibson, 1982,.