AG1 MMK 2017

Aus Mmktagung
Version vom 29. Juni 2017, 14:01 Uhr von Rolf Todesco (Diskussion | Beiträge)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springenZur Suche springen

MMK Home - Die Tagung - Programmablauf - Die AGs - Anmeldungen - Schlussbericht - Ausblick


AG1 - Global Village

Moderation: Moderation: Hartmut Barthelmeß , Dietmar Hennig

Positionspapiere zur AG 1: Global Village

Lange galt die zusammenrückende Welt als rührendes Idyll, als humanistische Utopie. Doch der Spaß ist uns gründlich vergangen. Inzwischen scheinen hinter jeder Ecke Monster zu lauern: Cyberattacken, Antibiotika resistente Keime, Ebola, Terror, online Mobbing.

Global Village ist ein Begriff aus der Medientheorie, den Marshall McLuhan (Medientheoretiker und Zukunftsdenker) 1962 in seinem Buch „Die Gutenberg-Galaxis“ (The Gutenberg Galaxy) prägte und in seinem letzten Buch The Global Village ausformulierte. Er bezieht sich damit auf die moderne Welt, die durch elektronische Vernetzungen zu einem „Dorf“ zusammenwächst. Heute wird der Begriff zumeist als Metapher für das Internet und das World Wide Web gebraucht.

Obwohl der Begriff ein Toponym darstellt, versteht McLuhan darunter eher eine historische Epoche als einen Ort. Sie folgt laut ihm unmittelbar auf die sogenannte „Gutenberg-Galaxis“, also das Buch-Zeitalter. Dessen Anfänge lassen sich bereits in der Erfindung der Alphabete erkennen, den entscheidenden Durchbruch brachte erst die Erfindung der Druckerpresse durch Johannes Gutenberg. Die Druckerpresse machte den allgemeinen Erwerb und die Nutzung von Schriftstücken und damit einer großen Menge an Information erst möglich.

Das globale Dorf würde die Gutenberg-Galaxis nun ablösen (McLuhan schrieb das Buch in den 1960er Jahren). Individualität würde im Globalen Dorf zugunsten einer kollektiven Identität aufgegeben. McLuhan beschrieb den Begriff nicht mit dem positiven Beiklang. Er warnte vor Möglichkeiten des Missbrauchs, vor Totalitarismus und Terrorismus, wenn auf die Gefahren, die von den neuen Medien ausgehen, nicht angemessen reagiert würde. Erschreckend ist, wie Recht er hatte.

Der Spaß ist uns nun gründlich vergangen. Das liegt daran, dass wir jetzt zu spüren bekommen, wie sehr die Welt globales Dorf geworden ist – zu einem Ort, an dem jedes erdenkliche Elend einem sehr viel näher kommt, als es Stadtmenschen gewohnt sind. Alle paar Tage erreichen uns Videos, auf denen Menschen geköpft werden, keine Fremden, sondern Leute mit Namen, Berufen, Gesichtern; man kann sich durchaus vorstellen, mit ihnen befreundet zu sein. Und alle paar Tage warnt jemand.

In diesen Tagen, 28 Jahre nach dem Fall der Mauer, 68 Jahre nach der Deklaration der Menschenrechte, und was immer man noch aus der Chronik des Fortschritts aufzählen könnte, lautet dessen Stand: In Rakka, der Hauptstadt des Kalifats, sorgen bewaffnete Patrouillen dafür, dass Frauen blickdichte Schleier tragen, aber es gibt auch europäische Frauen, die in ihr gelobtes Land aufgebrochen sind, um sich solchen Dresscodes freiwillig zu unterwerfen. Die Messer, mit denen die Köpfe der Ungläubigen von den Rümpfen gesäbelt werden, stammen möglicherweise aus lokaler Produktion, aber die Videokameras, die Pick-ups, die Waffen und der Nachschub an Kämpfern kommen aus unserer Hälfte des Dorfes. Die Mörder sind oft zornige junge Männer aus dem Westen, mit Staatsbürgerschaften, für die andere ihr Leben lassen müssen. Der „Islamische Staat“ ist so etwas wie eine reaktionäre Globalisierungsavantgarde, durchaus mit dem Ziel, sich unsere Welt zu unterwerfen, deren Abtrünnige von ihm willkommen geheißen werden.

Von ihrer Angst vor der Globalisierung versuchen sich die Menschen mit fast schon rührender Idyllik zu kurieren. Jeder will seinen eigenen Claim abstecken, jeder Flecken seinen eigenen Staat ausrufen. Der Ostukrainer will in Neurussland leben dürfen, der Schotte sich in Schottland abschotten, der Bayer wenigstens wieder die Grenzen streng kontrollieren.

Zum großen zivilisatorischen Elan, der dem mobilisierenden Pathos der Barbarei oder der Gleichgültigkeit vor dem Flehen afrikanischer Regierungen etwas entgegensetzt, scheint es nicht mehr zu reichen. Aus den üblichen, sehr verständlichen Gründen: Die Welt zu retten käme zu teuer, niemand könne die Folgen abschätzen, es würde zu viel Blut vergossen werden. Außerdem: mit welcher moralischen Berechtigung? Schließlich weiß jeder, wie seltsam die Freunde sind, mit denen zusammen man gegen die Feinde ziehen muss. Mit Saudi-Arabien und Katar gegen den IS? Und wie kann man Ebola bekämpfen, ohne der Pharmaindustrie Druck zu machen, dass sie ruhig ein wenig mehr Forschung gegen die Seuchen der Armen betreibt oder Antibiotika nicht mehr in Indien/Hyderabad produzieren lässt, dort nicht die Umwelt verseucht, damit keine Antibiotika resistenten Keime gezüchtet werden? Es geht immer nur um Maximalprofit einiger weniger. Normalprofit allein, reicht nicht.

Das Überwinden dieser Probleme und Bedrohungen stellt uns, die Gesellschaft des Globalen Dorfes, vor große Herausforderungen und wirft damit viele Fragen auf, die es zu ordnen und dann abzuarbeiten gilt:

Wie diszipliniert man die Superreichen, politischen Eliten und Wirtschaftseliten dieser Welt? Wer kloppt ihnen auf die Finger, wenn sie Recht und Werte beugen? Es ist zum Verrücktwerden.

Was muss Gegenstand einer neuen Ordnung sein, die für das Globale Dorf gilt?

Wer kann diese neue Ordnung formulieren und Konsens über den Inhalt herstellen?
Wie ist eine Gewaltenteilung zu gestalten, damit die neue Ordnung weiterentwickelt und durchgesetzt werden kann?
Wie, oder besser von wem und wann, kann ein solcher Prozess in Gang gesetzt werden?

Das klassische Dorf kennen wir, das globale Dorf wird uns unheimlich. Gibt es am Ende ein Happy-End für das Globale Dorf, dass mit einer großen Feier am Lagerfeuer endet, wie es bei Asterix & Co im rebellischen, gallischen Dorf üblich ist?

Unsere Welt hat sich durch die Digitalisierung in vielen Punkten zum Negativen verändert?

Haben wir eine Möglichkeit, diese Veränderungen rückgängig zu machen, Schwächen und Fehler auszumerzen?
Wenn wir diese Veränderungen nicht mehr aufhalten können, kann es dann Vorgehensweisen für den Einzelnen geben, mit diesen Veränderungen umgehen? 

Die „Büchse der Pandora“ ist geöffnet. Wie bekommen wir sie wieder zu?

Um in der Arbeitsgruppe auf der MMK Antworten auf die Fragen oben zu finden, schlagen wir vor, die Elemente des Globalen Dorfs zu benennen und dann mit der Methode der SWOT-Analyse Stärken, Schwächen, Risiken und Chancen, die für uns mit dem Globalen Dorf verbunden sind, herauszuarbeiten.

Quellen:

McLuhan, Marshall: Gutenberg Galaxy. 1962

Peter Praschl: Die Welt, veröffentlicht am 29.09.2014

wikipaedia.de


Alle TeilnehmerInnen an Arbeitsgruppen sollen im Vorfeld der MMK ein Positionspapier zum gewählten Arbeitsgruppenthema verfassen und

  • an die Veranstalterin schicken (mmktagung@outlook.de)

oder

  • ins Wiki der MMK (AG1) uploaden (Login nach Registrierung).