Diskussion:AG4 MMK 2014

Aus Mmktagung
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Thesenpapier von Gunter Dubrau

Als Organisator habe ich für jede AG ein paar Thesen formuliert, um mit gutem Beispiel voranzugehen.

These 1:

  • Dezentrale Herstellungsprozesse können zu vielen Neuerungen führen. Doch kann das wirklich als Revolution bezeichnet werden? Ich vermute eher nicht, denn um Produkte herzustellen, bedarf es mehr als nur die Option. Die Hoch-Zeit der Drechselbank in den 70-zigern hat schließlich auch nicht zu grundlegenden Veränderungen in der Möbelindustrie geführt.

These 2:

  • 3D-Print lässt sich nahtlos in die historische Reihe der industriellen Maschinen einordnen, angefangen mit den Stahlanlagen über Drehbänke und CAD-CAM bis eben zum 3D-Druck.

These 3:

  • Die Gewinnung der Grundmasse, beispielsweise aus Bauschutt, wird zu neuen Resourcen-Engpässen führen.

These 4:

  • 3D-Druck ist ein weiterer, sehr willkommener Katalysator zum weiterführenen Dialog über ethische Probleme der industriellen Produktion.


Thesenpapier von Oliver Stickel

Eins sei vorweggeschickt: Als Anhänger der digitalen Fabrikation und Gründer des "Fab Lab Siegen” mögen meine Ansichten manchmal etwas von persönlicher Begeisterung gefärbt sein, ich bemühe mich jedoch natürlich um wissenschaftliche Objektivität.


Als Antwort auf die Ausgangsthesen:

These 1: Zur (Nicht-)Revolution durch 3D-Druck

Zum Ausdruck gebracht wird Skepsis bezüglich des Revolutions-Potenzials hinsichtlich Herstellungsprozessen durch 3D-Druck. Als Parallele wird die Hochzeit der Drechselbank in den Siebzigern.

Um diese Fragestellung zu Bearbeiten müsste man meiner Meinung nach den Fokus etwas erweitern. Nichtprofessioneller 3D-Druck steht nicht für sich, sondern ist im Kontext der weltweiten “Maker-Bewegung" zu betrachten, die in den letzten Jahren explosionsartig wächst und sich in Maker- und Hackerspaces sowie [1] “Fab Labs"]</ref> verstetigt - langsam aber sicher bilden sich auch Kommunikations- und Koordinationsstrukturen aus, z.B. über regelmäßige weltweite Fab Lab Videokonferenzen, Sharing-Plattformen wie Thingiverse oder auch regelmäßige Konferenzen wie die FAB.

3D-Druck ist nur eine Ausprägungsform der (Wieder-) Aneignung bestimmter Aspekte von Produktion - auch subtraktive Verfahren wie z.B. Laserschneiden oder CNC-Fräsen oder DIY-Elektronik (populäres Stichwort: Arduino) und viele andere Bereiche bis hin zu DIY-Gentechnik sind jedoch relevant. 3D-Druck ist schlichtweg das Feld, das derzeit am schnellsten wächst, weil die Maschinen immer günstiger herstellbar sind, besser benutzbar werden und schlichtweg sehr faszinierend sind, was sie auch in Massenmedien gut darstellbar macht. Insgesamt müsste man jedoch meiner Ansicht nach über das gesamte Making-Feld sprechen, das sich derzeit auf einer sehr breiten Basis Produktionsmittel aneignet.

Inwieweit nun wirklich eine tiefgehende Revolution stattfinden wird, kann man - glaube ich - derzeit noch schwer abschätzen, aber hier einmal ein paar aus meiner Sicht wichtige Aspekte:

  • Derzeit finden in manchen Bereichen durch Making / 3D-Druck schon sehr reale und tiefgreifende Umbrüche statt. Ein Beispiel dafür sind 3D-gedruckte Handprothesen wie z.B. die “Cyborg Beast Hand” die unter anderem im Mittleren Osten und in Afrika schon im Einsatz sind. Diese Projekte sind Produkte weltweiter Maker-Kollaboration und können direkt im Feld auch von der dortigen Bevölkerung auf vergleichsweise günstigen (500 Dollar) 3D-Druckern produziert werden. Professionelle Prothesen für (zehn-)tausende von Dollar wären in vielen Teilen der Welt nie bezahlbar, per 3D-Druck sinken die Kosten dann auf 50-100 Dollar und die Produktion kann direkt vor Ort von und für Nutzer stattfinden.
  • Durch die weltweite Vernetzung, Wissensaustausch und die Verstetigung in gemeinschaftlich genutzten, offenen Labs ist die entstehende Maker-Infrastruktur eine potenziell nachhaltigere als die der Drechselbank.
  • Die Weiterentwicklung der Maschinen geschieht in rapidem Tempo und es ist kaum absehbar, wie komplexe Teile aus einer großen Materialvielfalt schon in wenigen Jahren produziert werden kann.
  • Massenproduktion, Wegwerfmentalität, extreme Folgen der Globalisierung, und ähnliche ungesunde Auswirkungen der Moderne scheinen in den letzten Jahren steigende Skepsis in der Bevölkerung zu bewirken. Es scheint mir ein gewisser Fokus auf lokalere Produktion, Resilienz, die eigene Kreativität, etc. zu entstehen und digitale Fabrikation - mit 3D-Druck als ein Teilgebiet - verspricht hierfür eine Option.
  • Digitale Fabrikation, insbesondere 3D-Druck, ist recht leicht zu erlernen, außerdem reproduzierbar und man kann auf eine bereits jetzt extrem große Vielfalt an vorgefertigten (und individualisierbaren oder veränderbaren) 3D-Modellen zurückgreifen, die im Web zur Verfügung stehen. Es gibt hier m.E. weniger Zugangshürden als bei klassischeren handwerklichen Arbeiten


These 2: Zur historischen Einordnung des 3D-Druckes

Es geht um die historische Einordnung des 3D-Druckes in die Reihe der industriellen Maschinen.

3D-Druck stellt für mein Verständnis durch additive Fertigung (Auftragen eines Materials Schicht für Schicht) ein natürliches Komplement zu bereits länger existenten subtraktiven Fertigungsverfahren (Abtragen von Material) wie z.B. dem Fräsen dar. Auch 3D-Druck ist jedoch ein CAD-CAM-Verfahren, in dem zuerst computergestützt ein 3D-Modell erstellt wird und dann, ebenfalls computergesteuert ein mehrachsiges Gerät das Werkstück produziert. Im Prinzip lässt sich an jede CNC-Fräse ein 3D-Druckkopf schrauben und damit arbeiten. Das macht nur begrenzt Sinn, da CNC-Fräsen sich aufgrund höherer Anforderungen an die Stabilität deutlich langsamer bewegen als 3D-Drucker, funktioniert aber ansonsten prima.

3D-Druck an sich ist in der Tat eine industrielle Entwicklung die in den 80ern begonnen hat und die sehr viele mögliche Verfahren umfasst. Vor einigen Jahren liefen jedoch Patente ab, die sich insbesondere auf FDM-Druck (das ist der Druck durch Plastik-Schmelzschichtung der derzeit in aller Munde ist), was die Entwicklung günstiger, nichtprofessioneller Geräte durch interessierte Bastler ermöglichte. Ein brauchbarerer, kompakter historischer Überblick findet sich in “Entwicklung und Geschichte der 3D-Drucktechnologie ".


These 3: Zu Ressourcen

Es geht um die Gewinnung der Grundmasse, beispielsweise aus Bauschutt, die zu neuen Resourcen-Engpässen führen könnte.

Aus meiner Sicht ist dies für 3D-Druck genauso grundlegend wahr wie für allen Arten der Fertigung aus nicht-nachwachsenden Rohstoffen. Dies stellt ein gesamtgesellschaftliches Problem dar, dem wir uns natürlich stellen müssen. Einige spezifische Aspekte zum 3D-Druck

  • Durch additive Fertigung entsteht für diverse Anwendungsfälle weniger Abfall. Dies gilt z.B. für den Prototypenbau, in dem traditionell eher subtraktive Verfahren wie z.B. das Fräsen zum Einsatz kamen. Wie der Name schon sagt, wird dabei aus einem Rohling das Werkstück herausgefräst, wobei natürlich viel Abfall entsteht. Beim 3D-Druck ist dies nicht der Fall.
  • Ein höherer Fokus auf in-situ Fertigung kann Transportwege und damit verwandte Nachhaltigkeitsprobleme abschwächen.
  • Es wird mit alternativen Materialien experimentiert. PLA, einer der meistverbreitetsten Kunststoffe für den 3D-Druck besteht z.B. größtenteils aus Maisstärke, nicht aus Rohöl.
  • Nicht mehr benötigte oder fehlgeschlagene Drucke können vergleichsweise einfach recycled und wieder in Rohmaterial überführt werden.
  • Ein sinnvollerer Kompromiss für die Frage was nun massenproduziert wird und was individuell und in-situ muss sich entwickeln. Massengefertigter Spritzguss aus Kunststoff ist z.B. um ein vielfaches energieeffizienter als der 3D-Druck des entsprechenden Bauteils.


These 4: Katalysator-Wirkung

These: 3D-Druck ist ein weiterer, sehr willkommener Katalysator zum weiterführenen Dialog über ethische Probleme der industriellen Produktion.

Mein Standpunkt zu diesem Thema ergibt sich, denke ich, aus meinen Antworten zu den anderen Thesen. Ich sehe dies aus den schon aufgeführten Gründen absolut genauso, würde nur “3D-Druck” durch “die Maker-Bewegung und die entsprechenden Fertigungsmaschinen” ersetzen. Zu betonen ist auch, dass es sich nicht “nur” um Dialog handelt, sondern auch um unmittelbares hands-on Experimentieren mit und aktives Entwickeln an Alternativen. Der Dialog hat also eine entschieden physikalische und experimentelle Komponente.