AG1 MMK 2012

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Neue Menschenbilder durch neue Medien?

Moderation: Antje Eske, Kurd Alsleben

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Wir bitten euch freundlich, wer Lust dazu hat, zur MMK ´Menschenbilder´ mitzubringen. Als Begriff, Bild oder auch Darstellung, um uns in der Konversation darüber anschaulich auszutauschen.

Menschenbilder sind Metafiktionen die gesetzt werden, nach und nach von Menschen gelebt werden und wieder verschwinden. Spricht man heutzutage von ´Medien´, dann sind ganz klar Massenmedien gemeint, z.B. Bücher, Zeitschriften, Filme, TV, Internet. ´Alles, was wir wissen, wissen wir aus den Medien.´ Die ganze Menschheitsgeschichte über waren Medien Auslöser für die Veränderung von Menschenbildern, z.B. Statuen in der Antike, Geldmünzen, Reliefs bei den Ägyptern, Dome im Mittelalter, Mode im Rokoko, ...

"Der ältere vorwissenschaftliche Medienbegriff .... bezieht sich auf magische Vermittlung [bis ins Jenseits] ... Der [danach entstandene mechanische,] technische Medienbegriff bezeichnet die Gesamtheit aller Träger physikalischer und chemischer Vorgänge.“1 Unser heutiger elektronischer Medienbegriff meint Informationstechnologie und die menschliche Kommunikation.

Das Menschbild ist nicht nur geistig geprägt, wie man traditionell immer dachte, sondern auch leiblich, z.B. von seiner Umwelt, ökologisch, baulich, kommunikations- und produktionstechnisch. Dass die Medien, die jeweils das Menschenbild verändern, zwar Auslöser sind, hinter den Medien jedoch immer Menschen stehen und der Mensch somit für seine eigene Veränderung und die dadurch ausgelösten Folgen verantwortlich ist, gilt es zu erkennen. Menschen hinter den Medien sind heutzutage z.B. Oligarchen, Naturwissenschaftler, Banker, ...


1 http://de.wikipedia.org/wiki/Medium


Thesen von Rolf Todesco

Menschenbilder

"Menschenbilder" ist eine eigenartige Metapher. Bilder von Menschen, gezeichnet, gemalt, fotografiert zeigen Menschen, aber nicht das, was ich als Menschenbilder bezeichnen würde, wenn ich das Wort überhaupt verwenden würde.

Mein Menschenbild könnte das sein, was ich als Wesen des Menschen beschreiben würde (wenn ich das würde). Wenn ich den Ausdruck "Mensch" verwende, treffe ich - in einer bestimmten Hinsicht - Unterscheidungen, die ich theoretisieren kann. Wenn ich unter autopoietischen Gesichtspunkten spreche, bezeichne ich in gewisser Hinsicht einen spezifischen Moment einer dort geteilten Entwicklung. Wenn ich beispielsweise von der Entwicklung des Menschen spreche, unterscheide ich in diesem Sinne eine naturhistorische Entwicklung innerhalb des Tierreiches, die mit dem Auftreten des Menschen abgeschlossen ist, und eine sozialhistorisch Entwicklung des Menschen, die mit dem Auftreten des Menschen beginnt und in welcher sich nicht mehr der Mensch, sondern dessen Lebensverhältnisse als Kultur entwickeln. Menschen kann ich beispielsweise - wenn mir das gefällt - als toolmaking animals sehen. Dann beobachte ich im Tierreich eine Entwicklung hin zur Verwendung von Objekten, welche am Schluss den Menschen als Herstellenden hervorbringt, und eine zweite Entwicklung, in welcher sich die Menschen dadurch entwickeln, dass sie ihre Werkzeuge entwickeln.

In der einen Unterscheidung grenze ich den Menschen von Tieren oder von Maschinen ab. In der anderen Unterscheidung - in einer Art Binnen"bild"orientierung - unterscheide ich verschiedene Kulturen. Eine Superkultur ist das Lehren, Bildung, Ausbildung. Dabei gibt es Inhalte, die der eine hat und der andere haben soll.

Die Frage, wozu man bestimmte Inhalte haben muss, wird im Menschenbild aufgehoben. In der Gesellschaft brauche ich andere Fähigkeiten als in der Gemeinschaft. Zum Menschenbild gehört in diesem Sinn eine Vorstellung der Vergesellschaftung.





Antje Eske, Kurd Alsleben

Einblick in den konversationellen Austausch der Gruppen 1 und 4 zur Beschreibung des heutigen Menschenbildes:

Ausgangspunkt ist das 'Tugendspiel' von Pallavicino zwischen 1503 und 1508. Er versucht, in einer konversationellen Gruppe um Elisabetta Gonzaga in Urbino/Italien, durch die Beschreibung der schönsten und auch der grade noch tolerierbaren Eigenschaften der/des Liebsten, dem Menschenbild der Renaissance auf die Spur zu kommen. Wir wollen, abgeleitet davon, ein Menschenbild über die Beschreibung der/des Liebsten, bezogen auf unsere Zeit, festhalten.

Spielregel:

• JedeR schreibt die schönsten und eindrucksvollsten Eigenschaften seiner oder seines Liebsten auf oder die grade noch tolerierbaren.

• Auf einem länglichen Zettel fängt jedeR mit einem Wort an

• gibt das Blatt weiter. Der/die Nächste visualisiert das Wort

• der Begriff auf dem Blatt wird nach hinten geknickt, so dass nur die Visualisierung zu sehen ist, das Blatt wird weitergegeben und der/die Nächste setzt die Visualisierung wieder in einen Begriff um, usw.

AlleKnicke.jpg <-- links: Faltblatt ....rechts: Ausschnitte --> 2Ausschnitte3.jpg


einsichtig: Wir haben dieses Menschenbild als einsichtig beschrieben. Dabei geht es um Nachsichtigkeit, Respekt und Toleranz. individuell: Die Vorstellung ist, jemand ist eigenständig, nazistisch, egoistisch bis egoman. Es bedeutet aber auch: ich gehöre als Individuum zum Ganzen, ich bin ein Teil des Ganzen. Wenn Menschen auf Individualität pochen, taucht der Verdacht auf, dass Eigeninteressen durchgesetzt werden sollen.

teilen können: Das bezieht sich darauf, dass ich ein Teil des Ganzen bin und etwas abgebe. Auch heißt es, dass ich dabei eine gewisse Zufriedenheit, eine Freude habe. Dabei ist manifest geworden, dass ich EineR unter Anderen bin. Ich bin bereit, ohne Vorbedingungen zu teilen, aber man teilt nicht mit jedem. Teilen können bedeutet kein ' du musst', sondern das Zusammensein und das Miteinander: wo immer geteilt wird, ist man zusammen. Es geht nicht nur um das Teilen von materiellen Gütern, sondern z.B. auch um Wissen.

oberflächlich: Die Frage war, kann oberflächlich auch sein: man nimmt Abstand, ist zurückhaltend, geht nicht in's Detail? Im Umgang mit digitalen Medien kann eine gewisse Oberflächlichkeit nützlich sein. Erstmal von der Oberfläche ausgehen. Manfred Spitzer sagt, dass Kinder durch die Medien zur Oberflächlichkeit erzogen werden. Wann ist es für die Liebste, den Liebsten nützlich, oberflächlich zu sein? Z.B. wenn sie nicht so tief in die Materie eindringen will, dass sie oder er erstmal die Oberfläche akzeptiert. Oberflächlichkeit = eine gute Oberfläche haben. Oberflächlich und flüchtig ergibt: felix aestheticus = die Deutlichkeit der Dinge bei entspannter Aufmerksamkeit. Die entspannte Aufmerksamkeit bringt uns auf andere Weise zu den Dingen. Bei dem Begriff verweilen wir im Austausch sehr lange. Der Abschluss ist: Amerikaner sind 100 x mehr oberflächlich, aber sie sind nett. Oberflächlichkeit ist zu Unrecht mies besetzt.

schlafend: Dieser Begriff meint das Passive, entspannt, schläfrig, faul.

Ignoranz: Den Begriff beschreiben wir mit übergehen, nicht anerkennen, nicht wahrnehmen wollen. Ignoranz tut weh. Die schärfste Ignoranz gibt es in der Gruppendynamik: verachtend. 'Ich ignoriere etwas, ich nehme etwas nicht zur Kenntnis' ist nicht unbedingt Ignoranz. Ignoranz wird zusammengebracht mit deprimierend, weil es diskriminiert und ausschließt. Der Siegertyp muss ignorieren, muss jemanden verlieren lassen.

Geldgier, geldgeil: Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen brechen alles zurück auf das Geld, das Materielle. Kapitalismus transformiert alles zur Ware. Alles wird in Geldwert ausgedrückt. Unter die bösen Tugenden von Pieter Brueghel fallen unter anderem: Gier, Völlerei, Neid, Eifersucht, ...

visuell: Ich muss es sehen können, z.B. das Ziel. Alles, was ich sehe, ist wahr. 'Wissen' heißt etymologisch 'gesehen haben'. Der Wert der einzelnen Sinne soll bei unserem Austausch nicht festgelegt werden. Eindrücke bekomme ich nicht nur über den visuellen Sinn. Dabei rücken auch die anderen Sinne in den Vordergrund. 'Wer hört, der sieht.' (Goethe) Ein weiterer Sinn wäre z.B. der Sozialitätssinn.

zielbewusst: Der Begriff wird mit 'zielend' in Zusammenhang gebracht. Zielend steht wiederum in Zusammenhang mit 'visuell' und mit 'Zweck': zweckrational. Zweck = Sinn: ich habe irgendwelche Interessen.

denkt funktional: Das funktionale Denken ist gegenwärtig sehr gefragt: ich muss funktionieren. Wenn du nicht funktionierst wirst du outgesourst. Wenn z.B. Verkehrsmittel funktionieren ist es angenehm.

reflektierend: Wir müssen funktionieren. Wenn jemand reflektiert, ist er fehl am Platz. Reflektieren kann, z.B. in der Partnerschaft, letztendlich auch nerven.

selbstbewusst: Männern ist eine selbstbewusste Partnerin unbequem, wenn sie selber nicht selbstbewusst sind. Selbstbewusst bedeutet in erster Linie, sich über sich selbst bewusst sein. Die Frage ist, ist ein selbstbewusster Partner ein starker Partner?