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Version vom 11. Mai 2009, 09:19 Uhr

Psychische Belastungen im Umgang mit IT (Burnout)

Ein Moderatorenpapier von Peter Brödner und Dietmar Hennig
Vorläufiger Stand: 10. Mai 2009

(1) Psychische Erkrankungen – das sind insbesondere Schlafstörungen, psychosomatische Störungen, Depressionen oder dauerhafte Erschöpfungszustände (Burnout) – infolge arbeitsbedingter Belastungen mehren sich in besorgniserregendem Maße. Beispielsweise ergibt sich aus Daten des Verbands deutscher Rentenversicherer, dass arbeitsbedingte psychische Erkrankungen in den letzten beiden Dekaden des vorigen Jahrhunderts die Herz-Kreislauf-Erkrankungen als häufigste Ursachen von Frühverrentung abgelöst haben: Im Jahre 1999 machten sie bei Männern 19%, bei Frauen sogar 32% aller Fälle aus. Auch nach dem BKK-Bericht 2007 nehmen psychische Erkrankungen rasch zu (um 17% von 2001 bis 2006) und machen im Jahre 2006 bereits 9% aller Krankentage aus. Und nach dem neuesten DAK-Gesundheitsreport haben psychische Erkrankungen im Jahr 2008 einen Anteil von 10,6 % am gesamten Gesamtkrankenstand und stehen damit an vierter Stelle der wichtigsten Krankheitsarten. Ihr Anteil am Gesamtkrankenstand ist im Vergleich zum Vorjahr um rund 4 % gestiegen (2007: 10,2 %). Auch der Gebrauch von Psycho- und Neuro- Pharmaka zur Steigerung der Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz (sog. Gehirn-Doping) nimmt Befragungen zufolge deutlich zu. Diese wenigen Daten mögen genügen, um die rasch wachsende Bedeutung arbeitsbedingter psychischer Erkrankungen zu belegen.
Offenbar behandelt das Management seine Kopfarbeiter doch nicht mit der eigentlich gebotenen Sorgfalt, konträr zu seinem beständigen Mantra, dass „Humankapital seine wichtigste Ressource“ sei. Zu fragen ist nun zunächst nach den Gründen für diese doch ziemlich dramatische Entwicklung.

(2) Die Arbeitswelt unterlag in den letzten fünf Dekaden erheblichen qualitativen und quantitativen Veränderungen. Insbesondere haben Kopfarbeit und informationsverarbeitende Tätigkeiten eine enorme Ausdehnung erfahren. Reich (1993) schätzt den Anteil der Kopfarbeiter („knowledge worker“ (Drucker 1993) bzw. „symbol analysts“ (Reich 1993)) an der Gesamtzahl der Beschäftigten in den USA auf mindestens 20% Ende der achtziger Jahre. Der Anteil der Beschäftigten mit „überwiegend informationsverarbeitenden Tätigkeiten“ wird in Deutschland zu Beginn der neunziger Jahre sogar auf 50% beziffert (Dostal 1995). Seitdem haben diese Anteile tendenziell weiter zugenommen. Sie sind – neben vielen anderen Indikatoren – äußerer Ausdruck des Übergangs von der Industrie- zur Wissensgesellschaft („knowledge-based economy“).
Kopfarbeit tritt systematisch mit der technischen Entwicklung, vor allem aber mit Arbeitsteilung und Kooperation in Erscheinung, die es erforderlich machen, dass Arbeitsprozesse und ihre Komponenten im einzelnen analysiert, genau verstanden und zu einem sinnvollen Ganzen gefügt, um sie im Detail planen, gestalten und koordinieren zu können. Kopfarbeit ist daher Analyse, Modellierung, Planung, Leitung und Kontrolle anderer Arbeit; ihrer Funktion entsprechend ist sie gesellschaftliche Natur. Um sich in großem Stile zu entfalten, ist sie auf fortwährende Begriffsbildung, die Explikation von Können und Erfahrung als Wissen, weiter auf Semiotisierung, den Gebrauch von Zeichen zur Kodifizierung des Wissens, und schließlich auf die Aneignung kodifizierten Wissens als erweitertes Können für Anwendung und Gebrauch voraus. Dabei wachsen Können und Wissen wie ein Baum, durch Differenzierung und Verzweigung.
Kopfarbeit lässt sich so durch vier wesentliche Aufgaben kennzeichnen:
• für Problemlösungen benötigtes, aber meist zerstreutes Wissen aufzufinden,
• die Anwendbarkeit von Wissen auf praktische Probleme zu prüfen,
• unterschiedliche relevante Wissensbereiche miteinander zu vermitteln,
• Wissen für die Anwendung zu rekontextualisieren.

Für Kopfarbeit benötigte besondere Fähigkeiten sind dementsprechend Abstrahieren, Modellieren, Systemdenken, Experimentieren und Explorieren, Kooperation und Kommunikation, allesamt dem inkorporierten, damit personengebundenen Können zuzurechnende, kreative Fähigkeiten (Brödner 2008).
Diese Kennzeichen von Kopfarbeit haben weit reichende Konsequenzen im Hinblick auf Arbeitsanforderungen: Erstens wird in einer wissensbasierten Wirtschaft Innovation – also die erfolgreiche Einführung und Verwertung neuer Produkte, neuer Prozesse oder neuer institutioneller Arrangements – zur vorherrschenden Form des Wettbewerbs; Wettbewerb funktioniert als „Entdeckungsverfahren“. Infolgedessen müssen Unternehmen ebenso wie Kopfarbeiter stets neue Situationen und mit ihnen Überraschungen und Unsicherheiten zu bewältigen imstande sein. Zweitens erfordert dies fortlaufend problemlösende Tätigkeiten, die auf inkorporiertem Können und persönlicher Expertise beruhen (diese aber auch zu weiterer Entwicklung anregen). Folglich bilden problemlösende Handlungskompetenz und Könnerschaft die wichtigsten, für den Wettbewerb unverzichtbaren Ressourcen, die es fortlaufend zu entwickeln gilt. Infolge wachsender Spezialisierung erfordern innovative und problemlösende Tätigkeiten drittens die Zusammenführung verschiedener Wissensdomänen, mithin die Zusammenarbeit von Experten aus unterschiedlichen Feldern; daher auch die rasch wachsende Bedeutung von Projektarbeit in multifunktionalen Teams. Viertens sind Ergebnis und Verlauf von Projekten – weil Kopfarbeit grundsätzlich von Unsicherheit und Überraschung geprägt ist – stets kontextabhängig und unvorhersehbar und können mithin weder im voraus geplant noch im einzelnen vorgeschrieben und überwacht werden. In diesem Sinne ist Kopfarbeit „entgrenzt“ hinsichtlich Verlauf, Ergebnis und Aufwand und erfordert neue Formen sog. „indirekter“ oder „Kontext-Steuerung“.
Der entgrenzte Charakter von Kopfarbeit ist auch die eigentliche Ursache ihrer Intensität, ihrer oft ausufernden Arbeitszeiten und ihrer hohen psychischen Belastungen: Arbeit wird, nicht zuletzt auch aufgrund von IT-Systemen und Internet als neuen Arbeitsmitteln und Medien der Kooperation, zunehmend ortsungebunden und zeitflexibel ausgeübt in Gestalt problemlösender Projektarbeit voller Unsicherheiten. So wie sich der Zugang zu Informationen vergrößert und Wahlmöglichkeiten sich ständig erweitern, unterliegen Beschäftigte zugleich auch wachsenden Anforderungen wie dem Umgang mit Unsicherheit, Wettbewerb und Termindruck. Damit hängt die berufliche Leistungsfähigkeit in der modernen Arbeitswelt nicht mehr nur von den körperlichen, sondern sehr entscheidend auch von den kognitiven und psychischen Ressourcen ab. Wichtige Ressourcen sind etwa schnelle Auffassungsgabe, gutes Erinnerungsvermögen, lebhafte Kreativität und fokussierte Aufmerksamkeit neben Ausdauer und Stressresistenz. Dabei werden nicht nur neue konkrete Anforderungen, sondern auch implizite Normen und Wunschbilder wirksam: Schlauer, schneller, effektiver zu sein als andere.
Mit ihren zumeist komplexen und herausfordernden Arbeitsaufgaben sowie ihren großen Handlungs- und Entscheidungsspielräumen galt Kopfarbeit lange als privilegiert. Gleichwohl zeigt sie oft hohe psychische Belastungen und erweist sich gesundheitlich als wenig nachhaltig. Das stellt auch die Arbeitswissenschaft vor neue Herausforderungen, denen nun nachzugehen ist.

(3) Das in der Stressforschung lange weithin akzeptierte sog. „Demand-Control-Modell“ (Karasek 1998; Karasek & Theorell 1990) betont die wichtige Funktion, die dem Grad der Autonomie im Arbeitsprozess für das Wohlergehen und die Persönlichkeitsentwicklung zukommt. Diesem Modell zufolge wird der Zusammenhang von psychischen Belastungen und Stressreaktionen im wesentlichen von zwei Faktoren beeinflusst: von Arbeitsanforderungen wie Komplexität der Aufgabe oder Zeitdruck einerseits und vom Ausmaß, zu dem der Arbeitsprozess tatsächlich durch die Arbeitsperson gesteuert werden kann, andererseits. Dabei die Autonomie in erster Linie moderierenden Charakter: Hohe Anforderungen mögen weniger Stress hervorrufen, wenn die Arbeitsperson den Prozess, d.h. Arbeitsmittel, -methoden und Vorgehen zur Bewältigung der Aufgabe, zu wählen bzw. zu beeinflussen in der Lage ist. So können auch hohe Anforderungen in Verbindung mit hinreichender Autonomie zu Wohlbefinden und persönlicher Entwicklung führen, indem sie Lernprozesse ermöglichen.
Diese Modellvorstellung einer Balance von Anforderungen und Steuerungsautonomie wurde von Maslach & Leiter (1997) weiter entwickelt, indem sie annehmen, dass Stress durch eine Reihe von Ungleichgewichten oder Fehlanpassungen zwischen Arbeitsanforderungen und im Prozess verfügbaren Ressourcen verursacht wird, die, wenn sie längere Zeit fortbestehen, zu physischer und emotionaler Erschöpfung und reservierter Indifferenz führen. Dabei nehmen sie vor allem Ungleichgewichte hinsichtlich des Verhältnisses von Anforderungen und Ressourcen, Mangel an Autonomie, unzureichender Anerkennung, unfairer Behandlung, Verlust an sozialer Unterstützung oder Konflikten zwischen individuellen und organisationalen Werten in den Blick. So betrachten sie nicht nur die Bedürfnisse und Ressourcen der Arbeitspersonen, sondern beziehen auch Bedingungen der Arbeitsumgebung mit ein.
Diese erweiterten Modellvorstellungen, so plausibel sie erscheinen, leiden indes daran, dass sie die relationale Natur von Ressourcen noch nicht ausreichend in Betracht ziehen. Ob etwas in einer Arbeitssituation als Ressource genutzt werden kann oder nicht, hängt stets von den besonderen Gegebenheiten und Kontextbedingungen der Arbeitssituation ab und kann nicht per se und unabhängig als Ressource bestimmt werden. So wird etwa Autonomie nur dann zu einer wirksamen Ressource, wenn aufgabenangemessene Arbeitsmittel und -methoden tatsächlich zur Verfügung stehen (was, wie gleich zu sehen ist, oft nicht der Fall ist). Insbesondere die Analyse, Gestaltung und Bewertung von Kopfarbeit erfordern, da diese wie gezeigt ihrer Natur nach in hohem Maße prozess- und kontextabhängig ist, die relationale Betrachtung von Anforderungen und Ressourcen. Dies leistet das Konzept der widersprüchlichen Arbeitsanforderungen (Moldaschl 2005), demzufolge psychische Belastungen und Stressreaktionen durch spezifische Widersprüche oder Ungleichgewichte zwischen gegebenen Arbeitsanforderungen, tatsächlich verfügbaren Ressourcen und etablierten Routinen hervorgerufen werden. In dieser relationalen Perspektive werden Ressourcen als wirksame Mittel betrachtet, die von Arbeitspersonen tatsächlich aktiviert und genutzt werden können, um ihre Aufgabe zu bewältigen. Ressourcen können dabei nur im Gebrauch bestimmt werden: Ob etwas als Ressource genutzt werden kann, hängt also von den jeweils besonderen Kontextbedingungen ab, unter denen die Arbeit ausgeführt wird.

(4) Mittels des Konzepts der widersprüchlichen Arbeitsanforderungen wurden vom Institut Arbeit und Technik psychische Belastungen der Projektarbeit in einer Reihe von Projekten der IT-Entwicklung und -Beratung untersucht. In dieser Untersuchung, deren Ergebnisse hier kurz resümiert werden, konnten so fünf Typen von Widersprüchen oder Ungleichgewichten identifiziert werden (die nachstehend jeweils mit Beispielen unterlegt sind; vgl. Gerlmaier 2006):


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Abb. 1: Modell widersprüchlicher Arbeitsanforderungen 1. Widersprüche zwischen Aufgaben und Ausführungsbedingungen Kooperationsdilemma: Ein Mitarbeiter soll mit Kollegen aus einem anderen Projekt zur Abstimmung einer Schnittstelle kooperieren. Er hat jedoch zeitlich, räumlich oder technisch nur unzureichende Kommunikationschancen.
Ausstattungsdilemma: Ein Programmierer soll ein Programmmodul erstellen, ihm werden jedoch nicht die notwendigen Hard- oder Softwareteile bereitgestellt.
Schnittstellendilemma: Ein Entwickler muss zum Testen seiner Software auf organisationsexterne Ressourcen (Server, Daten) zugreifen. Er hat bei Störungen aber keinen direkten Einfluss auf deren Beseitigung.
2. Widersprüche zwischen Aufgaben und Aneignungsbedingungen (Lernbehinderungen)
Informationsdilemma: Ein Mitarbeiter soll sich in ein neues Arbeitsfeld einarbeiten. Ihm werden jedoch keine entsprechenden Dokumente oder Informationen zur Verfügung gestellt oder sind erst garnicht vorhanden.
Kompetenzdilemma: Laut einer Kundenspezifikation soll ein Programmierer die Entwicklung eines Moduls mit einer neuen Programmiersprache durchführen. Aufgrund der Zielsetzungen im Projekt stehen ihm der notwendige Raum und die erforderliche Zeit zur Einarbeitung jedoch nicht zur Verfügung.
Erfahrbarkeitsdilemma: Durch die Kapselung technischer Einrichtungen oder aufgrund von räumlicher Distanz sind einem Arbeitenden wesentliche Teile sinnlicher Rückmeldung verschlossen. Hierdurch wird der Aufbau von Erfahrungen bzw. die Bildung angemessener Repräsentationen erschwert.
3. Widersprüche zwischen Aufgabenzielen
Auslastungsdilemma: Zur Aufgabe eines Programmierers gehören verschiedene Funktionen, z. B. Programmierung und Kommunikation über die Leistungsfähigkeit und Einsetzbarkeit des Produktes. Da er mit der Erfüllung einer Funktion voll ausgelastet ist, kann er eine andere Funktion nicht erfüllen.
Mengen-/Qualitätsdilemma: Ein Entwickler soll das Null-Fehler-Prinzip verfolgen, weil Integrationstests aus Termin- oder Kostengründen stark reduziert wurden. Der Termindruck bei der Erstellung des Moduls ermöglicht es ihm jedoch nicht, eine ausreichende Reife seines Moduls sicherzustellen.
Grenzstellendilemma: Ein Mitarbeiter soll die Wünsche des Kunden erfüllen, dessen Anforderungen dürfen aber keine Mehrkosten verursachen oder wurden bei der Terminplanung nicht berücksichtigt.
4. Widersprüche zwischen Aufgabenzielen und subjektbezogene Zielen/Normen
Gruppennormdilemma: Ein Mitarbeiter hat hinsichtlich der Qualität seiner Arbeit hohe Ansprüche. Im Team wird von ihm erwartet, seine Qualitätsstandards zu senken und seine Aufgabe termingerecht zu erledigen. Andernfalls erhält das Team keine Sondergratifikation.
5. Widersprüche zwischen Aufgabenzielen und subjektbezogenem sozialem Kontext Extrarollendilemma: Ein Mitarbeiter muss kurzfristig Überstunden machen, um einen wichtigen Auftrag termingerecht erledigen zu können. Er hat aber gleichzeitig die familiäre Aufgabe, seinen Sohn rechtzeitig vom Kindergarten abzuholen.

Abb. 2: Stressreaktionen bei Beschäftigten in IT-Projekten im Vergleich zum Beschäftigten-Durchschnitt
Als Folge derartiger Widersprüche und Ungleichgewichte in der praktizierten Projektarbeit haben sich, wie die vorstehende Grafik (Abb. 2) ausweist, bei den untersuchten Teammitgliedern im Vergleich zu Beschäftigten aus einer repräsentativen Stichprobe mit sonst üblichen Arbeitsverhältnissen deutlich höhere Stressreaktionen ergeben (Brödner 2009).

(5) Aus Untersuchungen wie dieser kann eine Reihe von Schlussfolgerungen zur praktischen Verbesserung der Lage der Kopfarbeiter in IT-Projekten gewonnen werden. Zunächst ist festzuhalten, dass es infolge der entgrenzten Natur dieser Art Arbeit kaum möglich ist, einzelne Stressfaktoren ein- für allemal zu reduzieren; vielmehr muss man sich anstelle von Strukturverbesserungen um eine Prozessgestaltung und ein Projektmanagement mit Regeln bemühen, unter denen mit Methoden reflexiver Arbeitsgestaltung fortlaufend für die kontextabhängige dynamische Balance von Anforderungen und Ressourcen, mithin für die Aufrechterhaltung von Gesundheit und Leistung zugleich, gesorgt wird. Wirksame Maßnahmen dafür müssen auf zwei Ebenen ansetzen: bei der Aushandlung der äußeren Bedingungen der Projektdurchführung einerseits und bei den individuellen Bewältigungsstrategien und -fähigkeiten andererseits. Während letzteres etwa durch regelmäßiges Coaching angegangen werden kann, erfordert ersteres tief greifende Veränderungen im Projektmanagement in Richtung auf ein partizipativ und zyklisch-evolutionär angelegtes Projektdesign, das wiederkehrende Reflexionsschleifen zur realistischen Einschätzung von Anforderungen, Ressourcen, Belastungen und Risiken vorsieht. Insbesondere gilt es dabei die häufigen ressourcenzehrenden ad-hoc-Reaktionen auf Kundenwünsche zu unterbinden (ohne sie zu ignorieren), angemessene Prioritäten zu setzen und eine bessere Fortschrittskontrolle zu etablieren. Dabei können auch häufig bereits existierende Schemata kontinuierlicher Verbesserung oder von Gesundheitszirkeln genutzt werden. Darüber hinaus gilt es die häufig anzutreffende Praxis, dass Teammitglieder an mehreren Projekten oder Aufgaben zugleich arbeiten, möglichst zu vermeiden, da aus ihr besonders hohe Belastungen erwachsen. Schließlich sind regelmäßig hinreichende Erholungszeiten für hoch belastete Teammitglieder vorzusehen (viele Beobachtungen aus dem Projektverlauf deuten darauf hin: spätestens nach 8 Wochen).

Anregungen zum Vorgehen in der Arbeitsgruppe: • Zu Beginn der Arbeit in der Gruppe mag es hilfreich sein, zunächst einmal eigene Erlebnisse und Erfahrungen mit hoch belasteter Kopfarbeit (in und außerhalb von Projekten) zu sammeln und nach Gemeinsamkeiten, Unterschieden oder Widersprüchen zu suchen. • Ein besonderes Merkmal qualifizierter Kopfarbeit scheint ja zu sein, dass sie selbst oft (trotz aller Belastung) positiv als Herausforderung erlebt wird. So mag das Selbstverständnis selber noch die gesundheitlichen Risiken der Kopfarbeit zu verschärfen. Warum macht die so geliebte Arbeit krank? • Zum Ende hin wäre sicherlich wünschenswert zusammenzutragen, was gegen die gesundheitlichen Risiken qualifizierter Kopfarbeit praktisch wirksam getan werden kann. Dabei wären die möglichen verschiedenen Handlungsebenen – individuelle Bewältigungskompetenz, soziale Beziehungen, Projektorganisation und -management – zu betrachten.


Quellennachweise:
Brödner, P., 2008: Wissen als Management-Fetisch, FifF-Kommunikation 1/2008, 29-33
Brödner, P., 2009: Sustainability in Knowledge-Based Companies, in: Docherty, P.; Kira, M. & Shani, A.B. (eds.): Creating Sustainable Work Systems, London New York: Routledge, 53-69
Dostal, W., 1995: Die Informatisierung der Arbeitswelt: Multimedia, offene Arbeitsformen und Telearbeit, Mitt. der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung 4/1995, 527-543
Drucker, P.F., 1993: Post-Capitalist Society, New York: Harper Collins
Gerlmaier, A., 2006: Nachhaltige Arbeitsgestaltung in der Wissensökonomie, in: Lehndorff, S. (Hg.): Das Politische in der Arbeitspolitik, Berlin: edition sigma, 71-98
Karasek, R., 1998: Demand/Control Model: A Social, Emotional, and Psychological Approach to Stress Risk and Active Behavior Development, in: Stellman J.M. (ed.): Encyclopaedia of Occupational Health and Safety, 4. Edition, Geneva: ILO, 34.6-34.14
Karasek, R. & Theorell, T., 1990: Healthy Work. Stress, Productivity, and the Reconstruction of Working Life, New York: Basic Books
Maslach, C. & Leiter, M.P., 1997: The Truth about Burnout. How Organizations Cause Personal Stress and What to Do about It, San Francisco: Jossey-Bass
Moldaschl, M. (ed.), 2005: Immaterielle Ressourcen. Nachhaltigkeit von Unternehmensführung und Arbeit I, München: Hampp
Reich, R.B., 1993: Die neue Weltwirtschaft. Das Ende der nationalen Ökonomie, Frankfurt/M: Ullstein