Hyperkommunikation: Ein virtuelles Seminar zur MMK 2017 AG Metapher der MMK 2017          (frühere MMKs )


Einladung zum Mitmachen an der MMK

Die MMK ist ein seit 1980 laufender Dialog über Menschen, Maschinen und Kommunikation, in welchem die Spielregeln jährlich stattfindene Tagungen vorsehen. Alle Interessierten sind herzlich eingeladen mitzumachen. Seit 2010 hat die MMK ein eigenes Wiki. Die Berichte und die AG-Protokolle sind deshalb dort zu finden - und natürlich auch die Einladungen ;-) zu den Veranstaltungen.

Hier schreibe ich quasi für mich (auf meiner Homepage), was mich speziell betrifft, insbesondere meine Moderations- und Thesenpapiere und anderes, was für mich dazugehört.

Für die MMK 2017 ist eine AG zum Thema "Technikferne User - ein Tabu?" vorgesehen, an welcher ich mich voraussichtlich beteiligen will. Die Moderationspapier(e) erscheine auf der Web-Seite der MMK.

Inhalt

Positionspapier von Rolf Todesco
Rückblick auf die AG von Rolf Todesco


 


MMK 2017 AG 3: "Technikferne User - ein Tabu? "

Positionspapier von Rolf Todesco

Technikfern ist ein etwas eigentümliches Wort. Doro meint damit offenbar Menschen, die mit Computer nicht so gut umgehen können, wie es ihr Alltag eigentlich erfordern würde. Meine Mutter hat weder einen Computer noch ein Telefon, das auch ein Computer wäre, weil es die gleiche Benutzerschnittstelle hat. Meine Mutter hat also keine Probleme mit solcher Technik, aber sie hat natürlich Probleme damit, dass man ihr zumutet, unaufzählbar viele Dinge über das Internet abzuwickeln.

Ich selbst habe einen Computer und ein Telefon, das auch ein Computer ist. Dass ich die Logik des Samsungtelefons, das ich praktisch nur als Kamera benutze, nicht begreife, macht mich technikfern, aber - um mit Wolfgang zu sprechen - technikfern (3: will nicht/kann nicht oder brauchs nicht). Mein "Personal Computer" - das ist ein wunderbarer Name: Computer fürs Personal - ist ein ganz gewöhnliches Massenprodukt, das HP wohl in einem Billigland herstellen lässt und mit ganz vielen Programmen, ich weder will noch brauche und technikfernst gar nicht erkenne, vermarktet. Ich habe also viel Technik, die ich nicht verwenden kann und auch nicht verwenden will. Aber - und das wäre mein Einwand gegen das 4-Felder-Schema von Wolfgang - ich habe auch viele Programme, die ich aus verschiedenen Gründen verwenden MUSS. Es geht dabei nicht um wollen und können. Man mag einwenden, dass meine Mutter ja auch nicht muss, dass ich mich also selbst zwinge. Aber das hilft mir nicht, ich muss trotzdem.

Ich verwende MS-Windows 7 und die üblichen MS-Programme. Ich kann nicht erkennen, dass ich mit anderer Software viel besser bedient wäre. Aber die Programme, die ich verwende, sind für mich in vielen Hinsichten Rätsel. Ich mache damit sehr oft Dinge, die ich gar nicht will, weil ich nicht verstehe, wie sie funktionieren. Mit Hammer und Sichel bin ich auch nicht sehr geschickt. Vielleicht bin ich generell etwas technikfern?

Ich würde aber - als Mitglied der MMK-Gemeinschaft - den Spiess umdrehen. Ich glaube, die Technik ist sehr oft sehr fern von mir - und wohl auch von anderen Menschen, sonst würde es die MMK ja gar nicht geben. 1980 fand die erste MMK statt. Das Thema der Gründerjahre war: "(G)UI oder Wie kann man Computer für technikferne Menschen verwendbar machen". Das Thema der MMK hat sich im Laufe der 37 Jahre etwas ausgeweitet, ist aber im Kern dasselbe geblieben. Gut, die MMK befasst sich mittlerweile sogar mit Waschmaschien und derlei technischen Geräten, aber eigentlich hat sich die MMK immer mit nur mit jenem Aspekt der Technik befasst, der als Schnittstelle bezeichnet wird.

Dass dabei für die Benutzung von Maschinen das Wort Kommunikation ausgesucht wurde, zeigt allenfalls, dass an jene spezifischen Maschinen gedacht wurde, die umgangssprachlich als Computer bezeichnet werden.

Im Wesentlichen hat sich die MMK immer mit Probleme befasst, die Geräte mit programmierbaren Prozessoren machen, die in einer Art sokratischem Dialog bedient werden wollen. Für normale Maschinen oder gar gewöhliche Werkzeuge hat sich die MMK kaum je interessiert. Die Computer waren immer etwas menschenferner als einfachere Werkzeuge. Ganz offensichtlich trifft das auf die ersten Computer zu.

Lange vor der ersten MMK erkannten die Konstrukteure der Computer, dass man technikfernen Menschen helfen musste. Die ersten bewusst beobachteten technikfernen Menschen waren die Programmierer, zu einer Zeit als es sie noch gar nicht gab. Die ersten Computer wurden von Elektroingenieuren *- also von techniknahen Menschen - durch physische Verkabelungen programmiert. In Bezug auf diese Tätigkeiten waren nur sehr wenige Menschen nicht technikfern. Man hat Programmiersprachen geschaffen, damit Menschen programmieren können, die von der Technik keine Ahnung haben. Man hat dabei den Steuerungsmechanismus des Prozessors so konstruiert, dass die Programme als lesbare Texte erscheinen.

In einer naheliegenden Metaphorik versteht dann der Prozessor, was ihm quasisprachlich mitgeteilt wird. Von der Reduktion des Programmieraufwandes durch Programmiersprachen, welche IBM mit Fortran anstrebte, dürfte ein wesentlicher Anteil darin bestehen, dass die Programmierer, die dem Computer Befehle geben, praktisch nichts vom Computer wissen müssen. Was es alles zu wissen gäbe, erläutert N.Wirth anhand des vermeintlich einfachen Beispiels, wie die Position eines Objektes im Computer darzustellen ist. Das Problemchen wäre in modernen Computer ohne Programmiersprachen gewaltig. ”Deshalb kann von einem Programmierer kaum verlangt werden, dass er über die zu verwendende Zahlendarstellung oder gar über die Eigenschaften der Speichervorrichtung entscheidet. (...) In diesem Zusammenhang wird die Bedeutung der Programmiersprachen offensichtlich - es geht darum technikfernen Menschen den Umgang mit Technik möglich zu machen (von ökonomischen Interessen dahinter, will ich hier absehen).

Die Kehrseite der Medaille ist natürlich, dass Menschen so technikfern gehalten werden. Technik ist nie ein Schulfach geworden, nicht einmal das technikferne Programmieren ist in der Schule angekommen.

Das Konzept "Prozessorsprache" hat zwei Ebenen, die Programmier- und die Kommandosprache. Wer schon etwas länger einen PC verwendet, erinnert sich an den DOS-Prompt c>:, der als sprachliche Aufforderung interpretiert werden kann, einen auch sprachlichen Befehl einzugeben. Auch die aktuellen Windowsversionen kennen dieses Verfahren unter "Ausführen" immer noch. Die Kommandosprache richtet sich nicht an (nur) Programmierer, sondern an Menschen, die den Computer beispielsweise als Rechner oder als Schreibmaschine verwenden wollen. Und natürlich sind Formulare am Bildschirm auch irgendwie dialogisch. Deshalb wurden Computer mit Bildschirmen dann Dialogcomputer genannt.

Entscheidend ist aber, dass die Verwendung von Computern nicht nur für Programmierer, sondern auch für die Masse der sogenannten technikfernen Anwender einfacher wurde. Allerdings gibt es dabei zwei Vergleiche. Ich kann als Anwender, der einen Brief schreiben will, einen Computer mit einer Schreibmaschine vergleichen oder ich kann zwei verschiedene Computer vergleichen, wobei ich beispielsweise MS-Dos und Windows 3.1 vergleichen kann.

1973 - also immer noch Jahre vor der ersten MMK - entwickelte PARC den Xerox Alto, den ersten Computer mit grafischer Benutzeroberfläche (GUI) und Maus und liess ihn sich von Hippies wie B. Gates und S. Jobs oder von Mitarbeitern wie R. Metcalfe (3Com) klauen. Es dauerte aber bis 1984, bis sich der Mac als erstes Massenprodukt zeigt, und Windows liess bis 1990 auf sich warten, weil davor ein passender Prozessor fehlte. Die MMK war mit ihrer Problematisierung der Schnittstelle also wenigstens dem Markt voraus. Die MMK forderte aber immer einfache Schnittstellen, die intuitiv begreifbar sind, also technikferne Anwender unterstützen.

Soviel zur Geschichte. Und jetzt zu den Folgen.

Fortsetzung folgt


 

Ein Rückblick auf die AG von Rolf Todesco

Die AG hat ihr Arbeit mit dem Erstellen eines Themenspeichers durch Brainstoming begonnen. Danach wurde die Liste mit einem Verfahren, das systemisches Konsensieren heisst, in eine Reihenfolge gesetzt. Das Verfahren beruht auf der Idee, dass Widerstände statt Zustimmungen gesammelt werden. Jeder Teilnehmer kann zu jedem Vorschlag seinen Widerstand zwischen 0 und 10 gewichten. Die Listeneinträge mit dem geringsten Widerstand werden zuerst behandelt.

In unserem Fall waren das die Items: "Was ist Technik" (für uns), "Bedürfnis und Bedarf", "Was heisst technik-fern/nah?", "Begründetes Interesses, Menschen technikfern zu halten". Wir wollten auf diese Weise verhindern, sofort Lösungen zu propagieren, weil uns vermeintlich schon klar wäre, was technikferne User sind und was sie bräuchten. Wir wollte die Sache langsam angehen.

Technnik definierten wir für unseren aktuellen Zweck funktional, als Fertigkeit und Mittel, mit den wir unseren Bedürfnissen entsprechen. Rasch stand zur Frage, ob Technik die Bedürfnissse erzeugt oder stillt. Und schon vorab hatten wir ja für den Themenspeicher Bedürfnisse und Bedarfszustände unterschieden.

Als Bedarfszustände bezeichnen wir Mangelzustände, die das Leben gefährden. Wenn einem Menschen Nahrung oder Sauerstoff fehlt ist er in einem Bedarfszustand. Wir verzichteten darauf, den Bedarf genau zu klären, weil es uns um die Differenz zum Bedürfnis ging. Bedürfnisse werden produziert, indem produziert wird. Wir produzieren beispielsweise Nahrungsmittel und damit das Bedürfnis, solche zu haben.Wir produzieren Küchen und damit das Bedürfnis, Nahrungsmittel kochen zu können. Hunger als Bedarfszustand trifft den Menschen nur, wenn die Produktion nicht funktioniert. Hunger ist indem Sinne unmenschlich, als Menschen normalerweise keinen Hunger haben, weil sie sich hinreichend ernähren.

Technik befriedigt in diesem Sinne die Bedürfnisse, die sie schafft. Da wir an der MMK uns selten mit Kochen, aber fasst immer mit Kommunikation befassen, beobachteten wir Kommunikationstechnik. Als "technikfernen User" waren in diesem umgangssprachlichen Sinn hauptsächlich Menschen gemeint, die mit Internet und Händys überfordert sind. Also Menschen, die hier in sogenannt westlichen Ländern leben und im Prinzip Zugang zur Kommunikationstechnik hätten. Technikfern könnte ja auch geographisch gemeint sein, das meinten wir aber nicht.

Es gibt einen gesellschaftlichen Druck, vorhandene Technik zu benutzen. Nicht allen Menschen fällt dies gleich leicht. Die Technik ist kein Subjekt, sie will oder verlangt nichts. Der gesellschaftliche Druck stammt von Menschen, nicht von der Technik. Diese Aussage sehen wir nicht als Resultat, sondern als gemeinsame Voraussetzung für unseren Dialog. Hinter jeder Technik steht ein Mensch.

Es gibt ein Interesse der Industrie, dass die technischen Produkte ohne technisches Verständnis genutzt werden können. Am besten sind die Geräte selbsterklärend. Die MMK kann sich vorwerfen, sich für diesen Trend seit Jahren eingessetzt zu haben. Damit verbunden ist, dass Technologie als Lehre der Technik nicht gelehrt wird, sondern in die Technik hineinprojiziert wird. Im Alltag sprechen wir von Technologie, wenn wir Technik meinen,, die für sich selbst spricht.

Es gibt ganz viele unsinnige Metaphern, die ein rationale Verständnis der Technik verhindern, aber den unmittelbaren Umgang mit Technik erleichtern. (Auch darüber hat die MMK bereits sehr viel geforscht).

Fortsetzung kommt bald