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Literatur

Handlung und Strukturen", Weinheim 2000

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Abweichungsverstärkung ist ein Nonsenses-Konzept von Uwe Schimank

g+

christorpheus addGestern um 22:18 (bearbeitet) - Öffentlich Eines der wirklich entscheidenden Konzepte in der Kybernetik ist eines das als "Abweichungsverstärkung" bezeichnet wird. Wenn man sich das Konzept der Abweichungsverstärkung und Selbstorganisation von Strukturen in ihrer Umwelt mal so richtig schön einfach vorstellen möchte, dann kenne ich kein prägnanteres und doch übertragbar bleibendes Beispiel als jenes welches Niklas Luhmann in seiner Vorlesungsreihe "Theorie der Gesellschaft" bringt. Fehler im folgenden Text sind auf meine Transkription zurückzuführen (Fehler davor wohl auf eine Rechtschreibschwäche:)

"Es gibt einen sehr berühmten Aufsatz von Magoroh Maruyama (1963) , ein in Amerika lebenden - oder ich weiss nicht ob er noch lebt - Autor, der ein Modell der Kybernetik, des kybernetischen Prozesses entwickelt hat - kleiner Aufsatz - wo eine Zufallsentstehung simuliert wird, mit Effekten, die dann mit "Abweichungsverstärkung" beschrieben werden. Deviance amplification.

Also stellen Sie sich vor, sie sind ein Amerikaner aus dem Anfang des 19. Jahrhunderts und sie haben das Bedürfnis weiter zu ziehen. Sie laden Ihren Wagen voll und fahren los. Und plötzlich bricht ein Rad. Und da sitzen Sie. Es gibt niemanden, es gibt keinen Handwerker... Sie können das auch nicht selber reparieren. Sie schlagen also ihre Zelte auf. Und dann entdecken Sie, da ist Wasser und: warum sollen wir eigentlich weiter? Wir könnten ja hier bleiben. Also machen Sie aus ihren Zelten Holzhütten, dann kommen andere vorbei und die passen dazu, und sie siedeln sich auch an und dann kommen viele andere und die passen nicht dazu. Und die müssen dann in einer gewissen Entfernung ein neues Dorf gründen. Und plötzlich gibt es eine Struktur, in dem unbesiedelten, oder nur von Nomaden oder Indianern gelegentlich benutzen Land und es entsteht eine Differnzierung. Die Differenzierung der Dörfer, dann wird plötzlich eine zur Stadt, vielleicht die erste, vielleicht auch garnicht die erste Siedlung, usw. Also ein Zufall der sich dann über Abweichungsverstärkung zu einer differenzierteren Struktur entwickelt, ohne das am Anfang schon, gleichsam im Kopf oder in der Planung oder auf eine verantwortungsfähige Weise sich die gesamte Gesellschaft umstellt, auf hier: wird sind nicht mehr Nomaden, sondern wir sind Siedler usw.

Das hat auch evolutiontheoretisch erhebliche Vorteile, weil man jetzt die Vorgaben, die man braucht um zu begründen weshalb es dazu kommen kann klein halten kann. Es muss natürlich irgendwo Wasser fliessen, sonst könnte man da nicht siedeln und es müssen, wenn der Zufall eintritt, gleichsam dazu passende andere Ursachen eine Rolle spielen. Es ist also nicht eine Theorie der Beliebigkeit. Aber das interessante ist, dass von dieser Spontangenese, oder Zufallsgenese von Ordnung her gesehen, die Prämissen der Ordnung eigentlich in der Umwelt liegen. Und das System sich selber strukturiert. Und diese genetische Theorie passt sehr gut zu einer Theorie der Autopoiesis oder der Selbstorganisation.

Die Umwelt sagt eben nicht wie ein System sich organisieren soll oder kann. Natürlich setzt die Umwelt Grenzen dessen was möglich ist. Aber die Autopoiesis hat dann gleichsam die Eigenverantwortung für das Ausreizen der Möglichkeiten, die sich in einer solchen Umwelt bieten. So das man mit diesem Konzept eine Differenzierung in Form von System/innere Umwelt, Teilystem/Innere Umwelt, usw.; Mit der Idee eines relativ anspruchslosen Anfanges, einer relativ anpruchslosen Genese von Abweichungen, von Differezen, und mit der Theorie der Selbstorganistion, der sebstreferenziellen Stabilisierung des Systems einen theoretischen Zusammenhang hat der vielleicht über das hinausträgt, was sich innerhalb der Evolutionstheorie, innerhalb der Systemtheorie von selber entwickelt hatte." (Luhmann, N. (1993) Theorie der Gesellschaft, Band 10a, ab min. 27:20) Diesen Beitrag minimieren Kommentare ausblenden

A Kropp01:45+1 Statt Eigenverantwortung versehentlich "Energieverantwortung" gelesen. Schwachsinn.. - aber wenn man bedenkt, dass Systeme zwar autonom aber nicht autark sind..?

Rolf Todesco11:16Bearbeiten Hast Du eine Ahnung, woher dieser Begriff (Deviance amplification) stammt. Er ist mir so in der Kybernetik noch nie begegnet. Kennst Du ihn nur durch das Luhmann-Zitat (wo er als Erfindung von Magoroh Maruyama (1963) erscheint) oder gibt es andere Hinweise auf dieses Konzept??

christorpheus add11:41 (bearbeitet) +Rolf Todesco Der Begriff wird natürlich auch von anderen Soziologen, Psychologen, aber aber generell eben interdisziplinär benutzt. Woher er stammt? Meinst Du das jetzt etymologisch, oder wie? Naja. Der Aufsatz auf den Luhmann sich im Zitat bezieht heisst auf jeden Fall konkret: Maruyama, M. (1963). The second cybernetics: Deviation amplifying mutual causal processes. American Scientist , 51(2), 164-179, 250-256 Sonst einfach mal googlen; vielleicht auch das deutsche Wort. Da findest Du einige Verwendungen.?

Rolf Todesco13:01Bearbeiten buhhh .. jetzt hab ich Uwe Schimank s Buch "Handlung und Strukturen", Weinheim 2000, ergoogelt. Dort steht zum Begriff Abweichungsverstärkung der reine Unsinn. Differenz: alles was er über Abweichungsverstärkung sagt, mag in seiner Theorie sinnvoll sein (das kann ich nicht beurteilen, weil ich seinen Ansatz nicht kenne). Dann sagt er aber auch, dass der Begriff aus der Kybernetik stamme. Sein Interpretation dazu ist schlicht und einfach BLÖD. Er hat nicht die geringste Ahnung von Kybernetik. ABER nochmals anders: Maruyama spricht von "The second cybernetics" und sagt damit: das Gegenteil von Kybernetik (also nichts wie second order cybernetics, die zur Kybernetik gehört), Bei Maruyama ist sehr explizit gesagt, dass es nicht um Kybernetik geht, bei Schimank wird alles zusammengeworfen. Und +christorpheus add übernimmt den Schmarren unbesehen, aber offenbar von Luhmann, nicht von Schimank (der seinerseits nicht auf Luhmann verweist, obwohl sein Buch erst 2000 erschienen ist.? Diesen Kommentar minimieren

christorpheus addGestern um 13:23 (bearbeitet) +Rolf Todesco Keine Ahnung was Du da so ergooglest. Das Beispiel Luhmanns welches das Konzept für meine Begriffe ganz nett illustriert, ist doch eigentlich leicht nachvollziehbar. Darauf beziehe ich mich in der Tat. Und übrigens ist es auch übertragbar auf z.B. die Differenzierung in anderen dynamischen Systemen, wie z.B. Dein Gehirn vermutlich eines ist. Was genau ist an dem Konzept für Dich ein Schmarren? Oder findest Du das Beispiel ein Schmarren?

Den konkreten Aufsatz _Maruyama, M. (1963). The second cybernetics: Deviation amplifying mutual causal processes. American Scientist , 51(2), 164-179, 250-256_ habe ich ehrlichgesagt nicht gelesen (noch nicht gefunden) Du?? Diesen Kommentar minimieren

Rolf TodescoGestern um 13:31Bearbeiten +christorpheus add Uwe Schimank ist ein Prof für Soziologie und er zitiert in seinem Buch genau das Beispiel von Maruyamas Siedlern mit Quellangabe (aber nicht mit Verweis auf Luhmann). Der Unsinn entsteht dadurch, dass in der Kybernetik "Abweichungen" Abweichungen vom Sollwert sind und eben gerade nicht Abweichungen von dem, was irgendein Soziologe für normal hält. Übrigens gibt Schimank auch eine korrekte kybernetische Deutung, die er dann verwirft - eben weil sie das Gegenteil von dem besagt, was er meint: Eine thermostatengeregelte Heizung würde auf steigende Raumtemperaturen mit zusätzlichem Heizen reagieren, also die Abweichung des Istwertes vom Sollwert verstärken. Ich bin aber vielleicht nur zu blöd, um das Beispiel auf das Du Dich beziehst zu verstehen: Inwiefern hat es etwas mit Kybernetik zu tun? Von welcher Regelung ist die Rede? ? Diesen Kommentar minimieren

christorpheus addGestern um 13:35 (bearbeitet) +Rolf Todesco Wenn Du Bock hast überflieg doch mal eben meinen letzten Beitrag hier. Dort versuche ich einigermaßen anschaulich zu machen, wie in einem Gehirn aus der Interferenz von Selbst und Fremdreferenz ein Phasenraum entsteht, der Abweichungsverstärkungen z.B. in Form von Attraktorbildung, Oszillationen, pipapo, zulässt. Ein Schmarren ist das glaube ich nicht, oder meinst Du doch??

Rolf TodescoGestern um 13:41Bearbeiten +christorpheus add ich habe doch schon explizit gesagt, dass ich das keinen Schmarren finde, sondern nicht verstehe und deshalb weder gut noch schlecht finden kann. Der absolute Schmarren ist die Verwechsung von Kybernetik und Maruyama "second cybernetics". Die "Abweichung" hat mit Kybernetik schlicht und einfach nichts zu tun. Attraktorbildung ist vielleicht ein Wort dafür, aber dazu müsste ich auch die verwendete Theorie kennen. Wo ist den Dein Gehirnbeitrag?? Diesen Kommentar minimieren

christorpheus addGestern um 14:15 https://plus.google.com/u/0/114967860791427513387/posts/KNZALuHs2DX?

Rolf TodescoGestern um 14:58Bearbeiten aha, ja. Das habe ich gelesen. Alles was über dynamische Systeme dort steht passt bestens zur Kybernetik (oder ist einfach dort abgeschrieben ;-) Dann aber kommt - wie aus heiterem Himmel - das Bewusstsein ins Spiel und das hat dann definitiv nichts mit Kybernetik zu tun. Es gibt keinen Übergang zwischen der Shannon-Theorie in welcher keine Inhalte vorkommen und dem Sinn-Geschwafel, das an dieser Theorie anschliessen möchte. "Second cybernetics" kann man gut mit "sociocybernetics" (von der gleichnamigen mail-Liste) übersetzen: Sinngeschwafel, das sich durch Wörter aus der Kyberneitk wichtig machen will. Gut: Ich würde nicht Geschwafel sagen, wenn Philosophen a la Husserl ihre Sachen wie Phänomenologie erzählen würden, aber wenn se das mit Elektrizität im Nervensystem verbinden, dann wirds immer der reine Unsinn. Man kann das Hirn als kybernetisches System sehen genauso wie einen Computer, aber dann kann das Hirn nicht denken, genauso wie ein Computer.? Diesen Kommentar minimieren

christorpheus addGestern um 15:36 (bearbeitet) Dass Bewusstsein nichts mit Kybernetik zu tun hat kann man wohl auch anders sehen. Zumindest wenn man Kybernetik als ein Gebiet betrachtet in dem es allgemein um kreiskausal geschlossene Rückkopplungsmechanismen in biologischen und sozialen Systemen geht. Wenn man den Gerüchten glauben schenken darf hat ja Heinz von Foerster den Begriff Norbert Wieners damals in diesem Sinne als Titel einer gewissen Konferenz vorgeschlagen (Dadurch hat der Begriff wohl sein "initiales Branding" erfahren, so sagt man zumindest):

"Der Titel der Konferenz Circular Causal and Feedback Mechanisms in Biological and Social Systems (zirkulär-kausale und Rückkoppelungsmechanismen in biologischen und sozialen Systemen) wurde auf Vorschlag von Heinz von Foerster in Cybernetics mit Bezug auf die Arbeiten Norbert Wieners umgewandelt." (http://de.wikipedia.org/wiki/Macy-Konferenzen)

In diesem Sinne ist es - denke ich - legitim sich Gedanken zu machen, wie soetwas wie Bewusstsein aus rekursiven Operationen hervorgehen kann. Dass mein Versuch im genannten Beitrag nun ein toller ist, um anzudeuten wie Bewusstsein als Eigendynamik gewinnendes Interferenzphänomen "zwischen" interagierenden Gehirnen vorstellbar ist, will ich ja garnicht behaupten. Aber dass man Bewusstsein auch als zirkulär-kausale- und Rückkoppelungsmechanismen verstehen kann, die etwas mit biologischen und sozialen Systemen zu tun haben, das würde ich schon behaupten.? Diesen Kommentar minimieren

Rolf TodescoGestern um 15:49Bearbeiten hmmm... missverstanden! Kybernetik verlangt, dass gesagt wird, WELCHES System beobachtet wird. Ashby beispielsweise wählte ein "spukendes Haus mit Geistern". Und über dieses System kann man sich dann Gedanken machen, wie über jedes beliebige andere System. Aber immer bleibt: der Beobachter muss ein System unterscheiden. Und nie ist es möglich, dass ein elektrisches System unter kybernetischen Gesichtspunkten plötzlich ein Bewusstseinssystem ist. Du kannst also also als System wählen, aber Du kannst nicht unterwegs wechseln. UND: System wählen heisst in der Kybernetik (egal was der lustige Heinz für Scherze gemacht hat): Du musst sagen, was wodurch geregelt wird - oder Du machst keine Kybernetik, sondern vielleicht "second cybernetics" ;-) In N. Wieners Sprache: feedback-Mechanismus (Circular Causal and Feedback Mechanisms) - für was Du willst, aber er musst beobachtet sein? Diesen Kommentar minimieren

Franz SdoutzGestern um 20:27 (bearbeitet) "Die Kunst und Wissenschaft des Manipulierens [vertretbarer Metaphern]." Bei Rolf lese ich (http://goo.gl/lycPh): "Die Kunst vertretbarer Metaphern.“ So kann's rückkoppeln (ähm: feedback'n / back feeden)…?