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Literatur

Geist und Maschine

Literatur über H. Putnam

Blutner: Was Bedeutungen sind

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Zur Person

Hilary Putnam (geb. 1926) Der amerikanische Philosoph und Logiker Hilary Putnam studierte u. a. bei Quine und Reichenbach. Während er zunächst den Funktionalismus maßgeblich mitprägte, wendete er sich später von diesem deutlich ab. Er hat in vielen Schriften die Grundideen und Programme des logischen Positivismus kritisiert. Bei seiner Kritik geht er von Quines epistemischen Holismus aus. Er vertritt aber nicht nur die Duhem-Quine-These aus, sondern verweist auch darauf, dass der Begriff des apriorischen Satzes nicht die Bedeutung hat, die ihm häufig zugesprochen wird. Unsere Möglichkeiten, Theorien als ganze der Erfahrung anzupassen, sind so weitreichend, dass es nicht sinnvoll ist, von vornherein irgendwelche Sätze als apriorisch auszusondern. Allerdings schränkt Putnam diese These in seinem Aufsatz There is at least one a priori truth ein [in: Putnam: Realism and Reason]. Wie Quine sieht Putnam, dass auch die Aussagen der Logik und Mathematik nicht apriorisch sind. Sie können sich als revisionsbedürftig erweisen. Putnam versucht die Eigenartigkeit von Logik und Mathematik damit zu begründen, dass es in ihnen nicht um Wahrnehmungstatsachen, sondern um kombinatorische Tatsachen gehe. Theoretische Aussagen (z. B. über Atome) sind nach Putnam keine versteckten Aussagen über Beobachtbares, sondern Aussagen über theoretische Entitäten. Diese sind ebenso real wie die Dinge der Alltagswelt. Theorien bestehen nicht nur aus Deduktionen zwischen theoretischen Sätzen und Beobachtungssätzen. Man kann die Güte einer Theorie nicht nur an ihrer Beziehung zu Beobachtbarem messen. Man muß auch ihre Beziehung zu Alternativtheorien berücksichtigen. Die Güte einer Theorie läßt sich nicht exakt messen. Insbesondere ist der Bestätigungsgrad den Carnap angibt kein geeignetes Maß für die Güte einer Theorie. Die Bewertung von Theorien kann man - so Putnam - nicht algroithmisieren. Wissenschaft kann nicht vom Computer betrieben werden. Putnam hat die sprachliche Arbeitsteilung untersucht. Ein Sprecher muß nicht Aluminium von Molybdän unterscheiden können und kann trotzdem mit dem Begriff Aluminium auf Aluminium referieren. Die Referenz wird nicht vom einzelnen, sondern von der Sprachgemeinschaft geleistet. Der Sprecher benötigt höchstens gewisse Stereotype, d. h. Minimalüberzeugungen. Neben den Invarianz-Eigenschaften der Sprache, die sich aus der Sprachgemeinschaft ergeben, gibt es auch Invarianzen, die sich aus der physikalischen Umgebung ergeben. Um dies anschaulich zu machen führt Putnam das Gedankenexperimente mit der Zwillingserde (twin earth) in die Debatte ein. Ein wesentlicher Aspekt von Referenz sind nach Putnam die kausalen Kontakte mit der Umwelt. Er entwickelt hier eine kausale Referenztheorie. Die kausalen Kontakte mit der Umwelt erzeugen Referenzkonstanz. Er verbindet die kausale Referenztheorie mit einer Theorie der Interpretation. Wenn man sagt, dass zwei Wörter oder Wortverwendungen sich auf denselben Gegenstand beziehen, besagt dies nach Putnam nichts anderes, als dass es gute Interpretationspraxis ist, den Gegenstandsbezug gleichzusetzen. Die Deutung sprachlicher Äußerungen muß mit Hypothesen über die propositionalen Einstellungen der Sprecher einhergehen und deren soziale und physikalische Umgebung berücksichtigen. Putnam bereitet hier eine Kohärenztheorie des Personenverstehens vor, die später von Thagard, Bartelborth und Scholz entwickelt wird. Putnam nutzt die kausale Referenztheorie um die Gehirn-im-Tank-These zu widerlegen. Diese besagt, dass es sein kann, dass wir alle Gehirne in einem mit Nährlösung gefüllten Tank sein könnten, denen von einem Computer die von uns gewohnte Welt vorgekaukelt wird. Gehirne im Tank habern keinen hinreichenden kausalen Kontakt mit den Gegenständen der Welt, in der sich der Tank befindet, sondern nur zu Gegenständen der vorgekaukelten Welt. Damit beziehen sich die Gehirne im Tank mit ihrer Sprache auf die Welt im Tank. In dieser Welt bin ich jedoch kein Gehirn im Tank, womit die These in meiner Sprache falsch ist. Seine Argumente gegen die These, dass es möglich sei, dass eine für uns Menschen ideale Theorie falsch ist, sind u. a. für die Diskussion des Mehrere-Systeme-Einwandes gegen die Kohärenztheorie interessant. Putnam argumentiert gegen diese These modelltheoretisch. Sei T eine ideale Theorie. Dann ist T konsistent. Damit existiert ein Modell und damit eine Referenzrelation, die jedem deskriptiven sprachlichen Ausdruck aus T eine Extension zuordnet, bei der T wahr ist. Will man die These aufrechterhalten, muß man zeigen, dass diese Referenzrelation nicht korrekt oder intendiert ist. Es muß also unter den Referenzrelationen eine ausgezeichnete geben, Die Auszeichnung ist aber gegeben, da Theorie T ja ideal sein soll. Zudem gibt es für die Theorie ungeheuer viele weitere Referenzrelationen. Das korrespondenztheoretische Bild scheint zu suggerieren, dass es genau eine wahre und vollständige Theorie von der Welt existiert. Jedem Wissenschaftler ist jedoch bekannt, dass es äquivoke theoretische Beschreibungen gibt (Quines These von der Theorieunterbestimmtheit). Putnam kritisiert die externalistische Perspektive, den God's Eye point of view. Man kann nicht aus der eigenen Sprache und Theorie heraustreten und die Beziehung zur Welt von außen betrachten. Wir müssen daher akzeptieren, dass unser Denken sich immer nur innerhalb unserer Sprache und Theorie bewegen kann. Putnam bezeichnet diese Position als internen Realismus, später auch als pragmatischen Realismus. Putnams interner Realismus läßt sich als Wahrheitstheorie auffassen. Er vertritt die These, daß es mehrere zulässige Beschreibungen der Wirklichkeit geben kann, deren Wahrheit in ihrer rationalen Akteptierbarkeit besteht. Die Theorie läuft - wie mir scheint - auf eine Wahrheitstheorie hinaus, die den Vorstellungen einiger parakonsistenter Logiker entspricht. Man könnte diesem Ansatz eine kohärenztheoretische Interpretation geben, obwohl der Ansatz wie er hier angedeutet ist, noch nicht zwingend kohärenstheoretisch interpretiert werden muß. Auf Putnam geht der Begriff des methodologische Solipsismus zurück.

Anmerkungen

Bezogen auf das menschliche Gehirn formuliert H. Putnam darum provokant, daß „unsere Substanz, woraus wir gemacht sind, fast keine Einschränkungen erster Stufe für unsere Form vorschreibt. Und wie Aristoteles sah, richtet sich unser eigentliches Interesse auf die Form, nicht auf die Materie. Worin unsere intellektuelle Form besteht ist die Frage, nicht was die Materie ist. Und, was auch immer unsere Substanz sein mag, Seelen-Stoff oder Materie oder Schweizer Käse, wird keine interessanten Einschränkungen erster Ordnung für diese Frage vorschreiben.“Und wie Aristoteles sah, richtet sich unser eigentliches Interesse auf die Form, nicht auf die Materie. Worin unsere intellektuelle Form besteht ist die Frage, nicht was die Materie ist. Und, was auch immer unsere Substanz sein mag, Seelen-Stoff oder Materie oder Schweizer Käse, wird keine interessanten Einschränkungen erster Ordnung für diese Frage vorschreiben." H. Putnam, Mind, Language and Reality, Cambridge, Massachusetts 1975, S. 302.


 
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