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<title>Hyperkommunikation: Kathrin Passig</title>
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<a name="top"></a>

<font color=navy><b><big><big>
Kathrin Passig
</big></big></b></font>

&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;
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</small>

<h4>Literatur</h4>

<p><a href="../literatur/passig_internet.htm">Internet - Segen oder Fluch</a>
<br><a href="../literatur/passig_programmieren.htm">Weniger schlecht programmieren</a>
<br><a href="../literatur/passig_technologiekritik.htm">Standardsituationen der Technologiekritik</a>
<br><a href="../literatur/passig_reflexe.htm">Neue Technologien, alte Reflexe</a>
</p>

<h4>Zur Person</h4>

<table>
<tr>
<td valign="top">
<IMG SRC="../image_p/passig.png">
</td>
<td valign="top"><IMG SRC="../images/weiss.gif" width=20 height=1>
</td>
<td valign="top">
<p>Kathrin Passig ....</p>

<p><a href="http://www.youtube.com/watch?v=w4UQuXbl4G4" target="_new">Internet youtube</a></p>

<p>TECHNIKWELT <a href="http://www.zeit.de/digital/internet/2013-09/passig-demokratie-vereinfachung" target="_new">Demokratie muss weh tun</a></p>
</td>
</tr>
</table>

<br>&nbsp;
<br>[Wozu brauchen wir freie Werke?]
<!--
https://irights.info/artikel/wozu-brauchen-wir-freie-werke/28511

Wozu brauchen wir freie Werke?

Bild-28518
Foto: Ze’ev Barkan, CC BY

Wenn Museen und Kultureinrichtungen ihre Bestände freigeben, können andere sie leichter verwenden. Was Nutzer dann damit anstellen, ist nicht immer das, was Vorzeigeprojekte und Remix-Wettbewerbe in den Vordergrund rücken. Der Nutzen freier Werke ist oft unspektakulär – doch deshalb nicht weniger wertvoll. 


Das New Yorker Metropolitan Museum of Art hat im Februar 2017 hochaufgelöste Fotos seiner Kunstsammlung unter einer Creative-Commons-Zero-Widmung freigegeben, insgesamt fast 400.000 Bilder. Creative Commons Zero heißt, dass jeder damit machen kann, was er will. Was passiert, wenn jeder die Bilder frei verwenden kann? So sahen die Reaktionen bei Reddit aus:

Stand by for a massive spike the in r/memeeconomy

Memes are going to increase in quality.

This is the start of a classical memes revolution.

This might be THE game changer in the dank meme genre.

Na gut, es ist Reddit, da interessieren sich die Leute naturgemäß für Meme. Nur für Meme? Nicht nur für Meme, sondern auch für:

Photoshop-Battles: “Woohoo lets upload them all to r/photoshopbattles” (r/photoshopbattles ist eine Unterabteilung von Reddit. Es gibt eine Themenvorgabe, hier war es zum Beispiel Weihnachten, und da sieht man auch gleich, warum hochaufgelöste Vorlagen hilfreich sind.)
„christmas stress“ von Reddit-Nutzer d_cb, nach Jacques-Louis David, Der Schwur der Horatier (gemeinfrei)
„christmas stress“ von Reddit-Nutzer d_cb, nach Jacques-Louis David, Der Schwur der Horatier (gemeinfrei)

Bildschirmhintergründe: „Awesome! Is there someplace that hosts them that I can use it for my Google Chrome backgrounds (for my tv) or my windows desktop backgrounds?“
noch mehr Bildschirmhintergründe: „This just really classed up my desktop, thanks”
eine App für Bildschirmhintergründe: „If anyone here uses a Mac, I made an app called Backgroundifier that converts art images en masse into aesthetically pleasing desktop backgrounds. I use it to turn my desktop into a sort of rotating art gallery. Will definitely be adding this lot to my rotation! High-quality art archives like this one are a bit hard to come by.“
Wanddekoration im Büro: “Now if only there was an easy way to browse them? I found the easiest way to decorate the brick walls at work are with peel and stick fabric images printed by Fathead.Edit: The last one I purchased from an online company was their image but printed and shipped by Fathead. The museum should offer this service!”
Dekoration zu Hause: “This is cool as hell. I’ve used a lot of public domain artwork to decorate my house. Just looking at canvas paintings there are thousands of images available, this is my favorite so far.” Der Autor wird dann gefragt, ob die Auflösung denn dafür ausreicht, und jemand anders antwortet, dass das bei 375.000 Bildern egal ist: Auch wenn man jedes nur briefmarkengroß ausdruckt, kann man immer noch das Haus damit tapezieren.
Die unbekannte Nutzerschaft
Wie repräsentativ mögen diese Reddit-Auskünfte sein? Es gibt immer noch nicht sehr viele Kultureinrichtungen, die nennenswerte Bestände freigegeben haben. Noch weniger davon haben Umfragen durchgeführt, wofür dieses Material eigentlich genutzt wird. Noch weniger haben die Ergebnisse solcher Umfragen veröffentlicht, und diese Ergebnisse liegen nicht immer an leicht auffindbaren Orten. Einfach zu finden sind nur Pressemitteilungen darüber, dass eine Institution selbst einen Hackathon veranstaltet oder sonst eine Verwendung des neu freigegebenen Materials angestoßen hat. Aber was ist mit den Nutzungen, die nicht von der Kultureinrichtung initiiert werden?

Ich konnte nur einen einzigen Beitrag dazu entdecken: A review of a year of open access images at Te Papa. Das neuseeländische Nationalmuseum Te Papa Tongarewa hat im Juni 2014 über 30.000 hochaufgelöste Bilder aus seiner Sammlung bereitgestellt, zum Teil gemeinfrei, zum Teil unter einer Creative-Commons-Lizenz mit Einschränkungen. Auf der Downloadseite gab es eine Umfrage, wofür die Bilder verwendet werden sollten. „Private Zwecke“ ist mit Abstand der häufigste Verwendungswunsch. Aus den Antworten:

„I found this lovely image in a charity shop in Carterton today on sale for $50… (long personal story)… I can’t believe that I found it at the top of the list in a quick google search ten minutes ago!“

“son’s elementary school project on colossal squid” (Warum Riesenkalmare? Darum Riesenkalmare.)

“To send to my boss. She loves cats…”

Unspektakuläre Kleinstverwendungen machen also wahrscheinlich einen großen und gleichzeitig – zumindest in der Öffentlichkeitsarbeit der Institutionen – selten erwähnten Teil der Nutzung freigegebener Werke aus. Ich habe sie hier in vier Bereiche unterteilt: Sharing, Vermeidung von Ausweichverhalten, Kunst im Alltag und gemeinsames Bearbeiten.

1. Sharing
Bilder, die zur Verwendung freigegeben sind, lassen sich meist besser in sozialen Medien teilen: in Blogs, bei Facebook, bei Instagram, bei Twitter. Das sind so banale, alltägliche Vorgänge, dass in den erwähnten Reddit-Kommentaren niemand sagt: „Hurra, endlich kann ich Bilder aus diesem Museum teilen!“.

Darunter fällt auch das Fotografieren in Museen. Fotos in Ausstellungen werden überwiegend zum privaten Herumzeigen gemacht, ob im Netz oder nicht. Die meisten Besucher verstehen, warum man nicht mit Blitzlicht fotografieren darf. Aber dass man häufig – auch aus urheberrechtlichen Gründen – nicht fotografieren darf, ist ärgerlich und schwer verständlich. In den Selbstdarstellungen von Museen ist viel davon die Rede, dass die Sammlungen ja in der öffentlichen Hand sind, aber aus der Sicht der Besucher merkt man davon nicht viel, wenn man nicht mal ein Foto machen darf. Es fühlt sich dann eher so an, als würde das Museum seine Bestände eifersüchtig vor der Öffentlichkeit hüten.

2. Vermeidung von Ausweichverhalten
In vielen Fällen kann man ein Bild, das unter einer ungeeigneten Lizenz steht, leicht durch ein anderes ersetzen. Manchmal muss es aber ein ganz bestimmtes sein. 2014 schrieb ich im Blog der Zürcher Hochschule der Künste über die Geschichte ihres Gebäudes. Der Bauingenieur der ehemaligen Molkerei, Dialma Jakob Bänziger, hatte sich für den Entwurf der Auffahrtsrampe ein kleines Milchfahrzeug gebastelt, um damit den Kurvenradius experimentell zu ermitteln. Man kann das Originalfahrzeug in diesem PDF sehen. Ich konnte das Bild nicht im Blog zeigen und habe deshalb ein Blatt Papier auf mein Tablet gelegt, das Fahrzeug durchgepaust und das durchgepauste Bild im Blog verwendet.

Milchfahrzeug

Ausweichverhalten gibt es auch unter Fachleuten: Bei einer Tagung in der Schweiz berichtete mir ein deutscher Kunsthistoriker vor ein paar Jahren, dass er seine Forschungsschwerpunkte um 100 Jahre nach hinten verschoben hat – aus Urheberrechtsgründen. Man kommt einfach viel leichter an das Material heran und kann besser damit arbeiten. Ein Bericht der College Art Association, einem Verband von US-Kunsthistorikern, zeigt, dass das kein Einzelfall ist. Im Sinne der Institutionen kann es aber nicht sein, wenn Leute nicht mit ihrem Material arbeiten, sondern sich halt ein anderes Thema suchen.

Eine dritte Variante des Ausweichverhaltens: Statt eines Bildes in guter Qualität und womöglich sogar mit Quellenangabe wird ein Bild in schlechter Qualität verwendet. Ein häufig zitiertes Beispiel ist die Geschichte vom Gelben Milchmädchen. Das niederländische Rijksmuseum, in dem Vermeers Milchmädchenbild hängt, hat vor ein paar Jahren festgestellt, dass es das Bild über 10.000 Mal im Netz gab, und zwar überwiegend in schlechten, zu gelben Reproduktionen. Das führte dazu, dass “die Besucher nicht glauben wollten, dass die Postkarten in unserem Museumsshop das Originalgemälde zeigen. Das war der Auslöser dafür, dass wir selbst hochaufgelöste Bilder vom Original und offene Metadaten ins Netz stellen wollten. Die Freigabe unserer Daten ist die beste Handhabe gegen das ‘Gelbe Milchmädchen’.” (Quelle: „The Revenge of the Yellow Milkmaid: Cultural Heritage Institutions open up dataset of 20m+ items“)

Abschweifung: Ich wollte das Original-Milchmädchen des Rijksmuseum zeigen, es ist ja jetzt freigegeben. Leicht zu finden war es auch. Man kann es herunterladen: “Dit werk downloaden”. Aber: “Om dit werk te downloaden heb je een Rijksstudio login nodig” – man muss sich vorher einen Account anlegen. Die Begründung lautet, dass man das Bild dann einer Sammlung hinzufügen, es bearbeiten oder teilen könnte. Alles Dinge, die leichter wären, wenn man sich nicht vorher einen Account anlegen müsste. Wikimedia Commons hat das Bild zum Glück auch. Und man kann es ganz einfach herunterladen, ohne sich vorher anzumelden. Unten in der Quellenangabe allerdings steht nicht „Rijksmuseum“, sondern „Google Cultural Institute“. Wenn man diesem Link folgt, gelangt man zu „Google Arts & Culture“. Da steht dann als Quellenangabe aber wirklich das Rijksmuseum. Ende der Abschweifung.

3. Kunst im Alltag
Taco Dibbits, der Direktor des Rijksmuseum, wird oft zitiert mit seiner Aussage: “Wenn die Leute Vermeer auf ihrem Klopapier haben wollen, dann sollen sie lieber ein Vermeer-Bild in guter Qualität auf ihrem Klopapier haben als eine miese Reproduktion. Das betrifft zum einen die nichtkommerzielle Verwendung: Man kann die Bilder für Bildschirmhintergründe verwenden und sich zu Hause an die Wand hängen, wenn sie in guter Qualität vorliegen. Aber auch die kommerzielle: Dieses Hasenkissen habe ich vor ein paar Jahren bei Ikea gekauft.

Kissen „The Hare“ von Ikea.
Kissen „The Hare“ von Ikea. Foto: Kathrin Passig.

Die Quelle für das Bild ist vermutlich dieser Scan einer Illustration in einem alten englischen Wörterbuch. (Anders als die URL nahelegt, handelt es sich um einen Hasen und kein Kaninchen. So steht es ja auch auf dem Bild.) Die Betreiberin der Seite schreibt:

This is a page from a very early English Dictionary, circa 1754!!! Super old! I don’t have the whole book, but I was lucky enough to acquire a few pages of it from a dealer in the U.K.

Es ist schön, dass jemand sich die Mühe gemacht hat, aber noch schöner wäre eine Welt, in der Bilder von 1754 ins Netz gelangen, weil eine Institution hochaufgelöste Scans zur freien Verfügung bereitstellt und nicht nur, weil eine Privatperson bei einem Antiquar einzelne Seiten eines zerlegten Buchs gekauft hat.

4. Gemeinsames öffentliches Bearbeiten
Wer in den letzten rund zehn Jahren ein bisschen Zeit an Orten wie 4chan oder Krautchan zugebracht hat, kennt die Bayeux-Meme. Der gestickte Teppich von Bayeux aus dem 11. Jahrhundert zeigt die Eroberung Englands durch die Normannen. Mit den Figuren aus dem Teppich wurden Diskussionsbeiträge illustriert, Plattencover und Filmszenen nachgebaut oder Videos gemacht.

Zur Herstellung dieser Meme gibt es ein Tool, bayeux.datensalat.net. Wie man dort sehen kann, sind insgesamt nur wenige Figuren aus dem doch ziemlich langen Teppich verfügbar. Ich habe den Macher der Seite, Johannes Jander, nach den Gründen gefragt: Damals waren einfach nur diese paar Bilder in halbwegs brauchbarer Auflösung im Netz zu finden, und daran hat sich bis heute nichts geändert. Der Teppich von Bayeux ist fast tausend Jahre alt, und selbst bei Disney-freundlichster Auslegung des Urheberrechts möchte man doch meinen, dass man die Bilder allmählich der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen könnte.

 Folgen
 PUBLIC DOMAIN HULK @PUBDOMAINHULK
HULK SEE COPYRIGHT ALL RIGHTS RESERVED ON IMAGE OF MEDIEVAL MANUSCRIPT. HULK SMASH.
22:29 - 11 Nov 2014
  70 70 Retweets   60 60 „Gefällt mir“-Angaben
Twitter Ads Info & Datenschutz
Warum soll man Hasenkissen fördern?
Jetzt kann man sich fragen: Warum ist es für ein Museum überhaupt wichtig und erstrebenswert, dass Leute Weihnachtsbäume in Kunst photoshoppen oder Videos aus dem Teppich von Bayeux basteln? Mein Verdacht wäre, dass man über ein Kunstwerk dann am meisten herausfindet, wenn man sich gründlich damit beschäftigt; zum Beispiel, indem man etwas Neues daraus macht.

Eine kurze Recherche bestätigt, dass Museen das genauso sehen, und zwar schon lange. Deshalb machen sie Veranstaltungen, deren Schwerpunkt auf der Einbeziehung der Besucher liegt. Ein Beispiel aus dem Denver Art Museum: Psychedelische Plakate werden unter eine Folie gelegt, Besucher können eigene Zusätze dazumalen. Auf Wunsch fertigt das Museumspersonal eine Farbkopie vom Ergebnis an.

Was hier im Museum stattfindet, ist dasselbe wie bei Photoshop-Battles auf Reddit. Allerdings ist hier klar, dass es sich um eine seriöse, förderungswürdige Betätigung handelt, weil sie in einem Museum stattfindet und die Ergebnisse in diesem Museum ausgestellt werden. (Das Beispiel stammt aus dem sehr lesenswerten, frei im Netz verfügbaren Buch “The Participatory Museum” von Nina Simon.)

Was die Kunst im Alltag in Form von Hasenkissen und dergleichen angeht: Auch das machen die Museen selbst, ihre Shops im Ausgangsbereich sind voll damit. Grundsätzliche Bedenken gegen das Bedrucken von Servietten, Tassen und Kissen mit Kunst oder Playmobil-Milchmädchen scheint man dort also nicht zu hegen.

Trugschlüsse der Museen
Im Prinzip sind bei den Museen alle Einsichten schon da, aber immer mit dem impliziten Zusatz versehen: „Auseinandersetzung mit Kunst ist das, was im Museum stattfindet“, beaufsichtigt von ausgebildeten Mitarbeitern. Oder wenigstens auf der Website des Museums oder einer anderen, speziell von der Institution für diesen Zweck eingerichteten Website.

Es ist eines der Probleme mit den Vorzeigeprojekten für freie Inhalte von Kultureinrichtungen, dass sie diesen Trugschluss implizit befördern. Ein häufig genanntes Beispiel ist ein Remixwettbewerb des dänischen Statens Museum for Kunst. Das Museum hat Künstler eingeladen, auf der Basis der freigegebenen Bilder der Sammlung neue Werke zu schaffen und diese Werke 2015 in der Ausstellung “Mix it up!” gezeigt. Damit ist man auf der sicheren Seite: Was da geschieht, findet nicht nur im Museum statt, es wird auch von Künstlern hervorgebracht und nicht von irgendwelchen dahergelaufenen Privatleuten, ist also ganz eindeutig künstlerisch wertvoll und unterstützenswert.

Die Vorzeigeprojekte bringen noch eine Reihe weiterer Probleme mit sich.

Die Ein-Prozent-Regel, nach der es nur eine winzige Minderheit ist, die sich für das Hervorbringen neuer Inhalte interessiert. Dazu eine kurze Abschweifung: Sie wird häufig dahingehend missverstanden, dass es immer dasselbe eine Prozent ist, das das gesamte Netz mit Inhalt füllt, und immer dieselben neun Prozent ab und zu eine Kleinigkeit ändern. Dabei sieht es vielleicht an einem Ort im Netz so aus, an einem anderen so und an einem dritten so. Ich will also nicht sagen, dass Vorzeigeprojekte immer dieselben Leute begünstigen, das ist sicher je nach Projekt so unterschiedlich wie im Netz auch. In jedem Fall aber liegt der Schwerpunkt auf dem Neuschaffen (für das sich vielleicht ein Prozent der potenziell damit ansprechbaren Leute interessiert) und dem Bearbeiten (für das sich vielleicht neun Prozent interessieren). Die übrigen 90 Prozent, die das Material lediglich teilen oder privat verwenden wollen und es dazu in guter Qualität benötigen, kommen darin gar nicht vor.
Vorzeigeprojekte sind von der Institution her gedacht: Nutzer wollen nicht das, was aus der Sicht der Institutionen spektakulär ist. Was den Nutzern wichtig ist, ist nicht dasselbe wie das, was den Institutionen wichtig ist.
Widersprüche im Selbstverständnis: Vorzeigeprojekte verstärken eine Selbstwahrnehmung der Institutionen, die nicht ganz zeitgemäß ist – auch im Vergleich zu dem, was die Institutionen über sich selbst sagen. Sie befördern etwas, das ich in einem anderen Vortrag einmal Gebäudedenken genannt habe. Gebäudedenken führt zu Annahmen wie “Museumsaufgabe ist es, Leute in das Gebäude zu locken”, “Kunst ist, was im Museum ist” oder “Wenn es im Museum stattfindet, ist es wertvoll”.
“Sichtbarkeit”: Vorzeige-Verwendungen sind schön und gut, sie schaffen Sichtbarkeit für den doch eher abstrakten Vorgang der Freigabe von Material. Probleme entstehen, wenn man das aus den Augen verliert und die Vorzeigeverwendungen für das eigentliche Ziel hält. Dann wedelt der Schwanz mit dem Hund.
“Projekte”: “Projekte”, “Forschungszwecke” oder “artistic remixes” sind Mittel zum Zweck. So lässt sich Sichtbarkeit herstellen und so lassen sich seriös wirkende, in der Öffentlichkeitsarbeit verwendbare Ergebnisse erzeugen. Aber Projekte sind nicht der Grund für die Freigabe der Daten oder sollten es zumindest nicht sein. “Im Idealfall entstehen aus dem Hackathon oder einfach auch dank den neu geknüpften Kontakten in Zukunft neue Projekte mit Schweizer Kulturdaten” sagt Beat Estermann bei OpenGLAM.ch. Es ist schön, wenn das passiert, aber es ist nicht “der Idealfall”. Der Idealfall ist, dass ganz normale Leute im Alltag mit dem Material ganz normale Dinge machen können.
Institutionen müssten nur den nächsten Schritt tun, der eigentlich schon ganz naheliegend ist: Öffentlich dazu stehen, dass Auseinandersetzungen mit dem Material auch dann unterstützenswert sind, wenn sie anderswo stattfinden. Nicht in der Institution, nicht auf von der Institution eingerichteten Websites, nicht betreut durch Mitarbeiter.


Bei Vorzeigeprojekten bleibt der Rest im Karton. Foto (M): Ze’ev Barkan, CC BY

Die Verwendungen, die sich in einem Vortrag gut zeigen lassen und die deshalb immer in Vorträgen gezeigt werden, machen nur einen kleinen Teil dessen aus, woran ein allgemeines Interesse besteht und was mit dem Material tatsächlich passiert. Der Rest befindet sich im Karton. Es ist zweifellos schön und wichtig, dass die Katze einen Kopf und einen Schwanz hat, aber der unsichtbare Teil im Karton ist größer.

Auf der Tagung „Public Domain: Beispiele, Ideen, Perspektiven“ in Basel hielt Kathrin Passig den Vortrag „Wozu brauchen wir freie Werke“? Die Tagung ist auf digitalbrainstorming.ch dokumentiert.

Avatar Kathrin Passig
Kathrin Passig ist Journalistin und Schriftstellerin. Zu ihren Buchveröffentlichungen gehören zuletzt „Besser als befürchtet, aber schlechter als gut: Das neue große Techniktagebuch“, „Weniger schlecht programmieren“ (mit Johannes Jander) und „Standardsituationen der Technologiekritik“. Foto: Norman Posselt
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<br>[Fritz Iversen Zum Problem der Einfachheit ...]
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 g+ Öffentlich geteilt  -  05.09.2013

_"Über die Kräfte der Vernunftbegabung, von Bill Bonner
Im Gegensatz zu der Tsetsefliege oder dem Zwergkänguru kann der Mensch zwei und zwei zusammenzählen.
Jemand, der sich intensiv mit Dingen beschäftigt, die ihm verständlich sind, wird viel öfter auf vier kommen als auf eine andere und bei dieser Addition deshalb falsche Summe. Wenn er aber seine Fähigkeit, ihm naheliegende Sachverhalte zu verstehen, auf Dinge anwendet, die ihn nichts anzugehen brauchen - so wie z. B. die Schaffung von Frieden im Nahen Osten ... - dann werden die Fakten matschig und die ganze Gleichung funktioniert nicht mehr.
Es ist klar, dass Vernunft unsere größte Stärke ist. Sie ist aber auch unsere schlimmste Eitelkeit. ... Selbst in der Mathematik, der rationalsten aller Wissenschaften, ist nicht alles so sauber wie man denkt. Bertrand Russells Principia Mathematica" versuchte die gesamte Mathematik auf eine logische Grundlage zu stellen. Kurt Godel, ein brillanter Mathematiker, zeigte 1931 den unbestreitbaren Widerspruch in Russells Werk. Jahre später erinnerte sich Russell...: "Ich verstand natürlich, dass Godels Arbeit von fundamentaler Bedeutung war, doch sie verwirrte mich. Ich war froh, dass ich selbst mich nicht mehr mit der Logik der Mathematik beschäftigte."

Godel, einer der begabtesten Mathematiker weltweit, starb 1978. Er hungerte sich zu Tode, kauerte in der Stellung eines Fötus vor sich hin und verweigerte den Krankenschwestern, seinen Raum zu betreten, weil er befürchtete, von ihnen vergiftet zu werden.

... Das Problem ... ist, dass das Leben unendlich vielschichtig ist. Je näher man hinschaut, desto mehr sieht man. Was von Ferne einfach scheint - sagen wir, die Erziehung eines Pubertierenden oder südafrikanische Politik - wird bei näherer Betrachtung erschreckend kompliziert. Die ganze Wahrheit, unendlich wie sie ist, ist nicht in ihrer Gänze erkennbar. Für jeden kleinen Schnipsel von ihr steckt einer armen Seele ein Revolver im Mund ...
"Niemand weiß irgendwas" sagt man in Hollywood in Bezug auf die Komplexität des Filmgeschäfts. Es kann sein, dass ein Filmstudio 100.000.000 Dollar für einen Blockbuster ausgibt, der dann total floppt. Genauso kann es aber auch sein, dass ein junger Kerl mit 20.000 Dollar einen Sensationserfolg landet. Die alten Hasen wissen, dass selbst lebenslange Praxis und Erfahrung keine Garantie bedeutet. Sogar die Profis vertun sich, wenn es darum geht, einen Knaller vorherzusagen.
Doch fragen Sie jemanden auf der Straße, und er hat vielleicht eine Meinung zu Erfolg oder Misserfolg in diesem Gewerbe.  ... Er hat natürlich kein Drehbuch gelesen, mit keinem Schauspieler gesprochen und auch sonst noch nie Erfahrungen in diesem Beruf gemacht - noch nicht einmal als Platzanweiser. ... Die Wähler von Baltimore brachten es während der 1980er kaum fertig, ihre Stadtverwaltung zum Abholen ihres Hausmülls oder zum Stopfen der Schlaglöcher ihrer Straßen zu bewegen. Dennoch hatten sie alle eine sehr entschiedene Meinung zur Restrukturierung der Regierung von Südafrika, obwohl nur eine verschwindend geringe Zahl von ihnen dem Land die größten ethnischen Gruppen zuordnen oder deren Sprachen verstehen konnte.
Je mehr die Leute aber über die Situation in Südafrika erfuhren, desto schwerer fiel es ihnen, sich eine einfach gestrickte Meinung zu bilden. Ein gut informierter Mann, den man um eine Stellungnahme zu dem Thema bat, begann mit den Worten 'Ich weiß nicht...'"_

Ich frage mich, ob man zu verwickelten Problemen überhaupt eine "brillante Lösung" finden kann oder ob die Vernunft nicht immer nur eine Hilfe sein kann, Dummheiten zu vermeiden.?

35 Kommentare

Jürgen Braatz 05.09.2013

In seltenen Fällen gibt es die brillante Lösung. Meistens nicht. Und die Dinge sind immer kompliziert und werden gleich einer fraktalen Grafik immer komplizierter, je näher wir uns damit beschäftigen. Ein guter Wissenschaftler hat auch mehr Fragen als Antworten. Dass Kommunikation überhaupt gelingt, ist ein Wunder, bedenkt man, was alles schief gehen kann.?

Bruno Jennrich 05.09.2013

 was ist die quintessenz? sich aus allem raushalten?

ich denke, dass es sehr wohl möglich ist, durch analogien bildung das wissen aus einer domäne in die andere zu übertragen. oder, wie es in der "bildung" nicht darum geht, fakten beizubringen sondern das lernen zu lehren, gilt es bei problemen, brauch- und gangbare lösungsstrategien einzuesetzen.

das kann dann eben auch bedeuten, dass man zugibt, in einem teilgebiet einfach (noch) nicht genug zu wissen. das kollidiert natürlich allzuoft mit der eigenen eitelkeit (siehe unsere politiker, die schwachsinnige entscheidungen am laufenden band allein aus ihrem ego heraus treffen).

insofern kann ich diesem artikel nur zum teil zustimmen. 

denn vernunft ist das anwenden von wissen. und eben auch das erlangen von fehlendem wissen zur späteren anwendung.?

Bruno Jennrich05.09.2013

darüber hinaus: einfachheit ist eine illusion. komplexitätsreduktion (s. apple/ios) auch. denn die probleme, die hier der "normal user" nicht hat, tauchen umso gravierender bei power usern auf.

erinnert mich grade an die kriminalitätsverlagerung in die aussenbezirke durch kameras in innenstädten (s. london)?


Lukas Hugl 05.09.2013

Die einzige Möglichkeit ist, das zu tun, was man für richtig hält und die Zeit beurteilen zu lassen, wie gut die Einschätzung "richtig" war. Das hat allerdings auch zur Konsequenz, dass "Erfolg" notwendig erst ex-post festzustellen und zu begründen ist. Jede Handlung ist die Teilnahme an einer Lotterie. Das wiederrum bedeutet, dass "Leistungsgerechtigkeit" in Wirklichkeit nicht existieren kann, sondern nur eine beschönigende Rechtfertigung für den Gewinn in dieser Lotterie ist.?

Rolf Todesco 05.09.2013

+Lukas Hugl  Jede Handlung ist die Teilnahme an einer Lotterie. 
Meinst Du damit das Wählen??

Lukas Hugl 05.09.2013

Auch das +Rolf Todesco. Aber ich meinte tatsächlich jede Handlung.?

Jürgen Braatz 05.09.2013

Erfolg ist dazu auch noch ein historisch-gesellschaftliches Konstrukt.?

Thorsten Breustedt 05.09.2013

Hat Dich vielleicht der Artikel von +Kathrin Passig zu diesem Post inspiriert, +Fritz Iversen? Sie schreibt darin: "Es ist nicht so, dass man bestimmte Dinge partout nicht vereinfachen könnte. Aber die Vereinfachungen verschieben das Problem nur an eine andere Stelle, an der es unter Umständen noch schlechter aufgehoben ist." Sagt ja auch Bruno oben - und ich habe diesen Text u.a. als eine Art Mahnung denen gegenüber gelesen, die glauben, mithilfe von fancy Technologie-Lösungen die Weltformel finden zu wollen.?

Bruno Jennrich 05.09.2013

da gibts schon einen begriff für: solutionism...aus:  "to save the world click here"
interessantes buch. bin aber noch nicht ganz durch damit

http://www.amazon.de/Save-Everything-Click-Here-Technological/dp/1610391381?

Fritz Iversen 05.09.2013
 
+Thorsten Breustedt Ja, an den Artikel von Passig fühlte ich mich erinnert. Das Thema ist ähnlich. Bonner parliert hier ja nur so dahin - er warnt vor den Vereinfachungen, die lediglich auf solider Unkenntnis beruhen. Bei Steuerrecht und Fahrkarten reicht es meiner Meinung nach, wenn man Dummheiten vermeidet und hartnäckig Fehler ausmerzt und eher weiterentwickelt, als dass amn eine Kommission gründet, die die ganz große Jahrhundertreform der Fahrkartenautomaten aushecken soll. Je größer der Plan, desto schiefer geht er. Ich vermute wegen der Unübersichtlichkeit der Rückkopplungen. Viellecht weil es schwierig ist mit den empirischen, gescheige denn sonstigen "Beweisen". Oder weil der Mensch irrt, solange er strebt. Oder die Irrtumsstruktur des menschlichen Denkens ganz allgemein ("Langsames Denken, schnelles Denken", Kahneman). Natürlich auch, weil immer jemand dabei ist, der "lügt" (bewusst mit zurechtgebogenen Argumenten handelt), weil er seine finanziellen Interessen oder sein Weltbild schützen will.      ?

Rolf Todesco 06.09.2013

Wer hat Probleme mit dem Einfachen?
Ich nicht. Ich habe Probleme mit bestimmten Vorstellungen, egal wie einfach sie sein mögen. Ich habe aber keien Probleme mit einfachen Vorstellungen.
Ich finde die Vorstellung problematisch, dass einfache Lösungen nicht gut sein sollen oder nicht funktionieren können.
Ein Fahrscheinautomat IST eine einfache Sache, ich sehe kein Problem, resp. nur einfach gelöste Probleme.
Die Fahrscheintarife sind nicht einfach und sie sind ein echtes Problem.?

Bruno Jennrich 06.09.2013

??? das ist doch nur eine verlagerung... ob automat oder tarif. das problem bleibt dasselbe: keiner oder der falsche fahrschein. also ein bisschen abstraktionsvermögen zu dem text einer nicht-kybernetikerin wird man wohl vorraussetzen dürfen. vor allem von jenen, die es besser wissen mnssten.?


Rolf Todesco 07.09.2013

hmmm... klar, ich kann meine Formulierungen bewusst unscharf halten und darauf setzen, dass der andere versteht, was ich meine, auch wenn es mir selbst nicht so klar ist, dass ich es präzis formulieren kann.
Ich kann mich aber auch bemühen, mir klar zu werden und genau zu sagen, was ich sagen will.
Der Fahrscheinautomat ist eine ganz gewöhnliche Maschine. Und der Tarif ist ein soziales Verhältnis. Der Tarif beruht auf einem politischen Prozess.
Natürlich mache ich auf diese Weise eine Unterscheidung, die niemand auch machen muss. Ich beobachte die Unterscheidungen, die verwendet werden. Das bezeichne ich als Beobachten 2. Ordnung. Jeder entscheidet selbst, welche Unterscheidungen er macht?

Fritz Iversen 08.09.2013

"Der Tarif beruht auf einem politischen Prozess" ist sicherlich richtig, und da liegt ja der Vergleichspunkt zur Steuer. Die Geschichte der Steuer geht von "einfach" zu "hoch kompliziert". Beim Fahrschein ebenfalls. Wenn du heute in einer fremden Stadt am Automaten stehst (erste Komplikation: Es gibt niemanden, der die Fahrkarten noch mit "Beratung" verkauft, nur Automat), geht das meistens gleich los: Kurzstrecke? Innenstadt Zone 1, Innenstadt Zone 2, Rückfahrte, Tageskarte, Gruppenfahrschein, Kinder, Studenten, Senioren-Tarife, umsteigen auf Bus enthalten?, manchmal auch zeitabhängig differenziert etc. Ein beispielshafter Überblick: http://www.vgf-ffm.de/fileadmin/data_archive/tickets-tarife/Tariftabelle_Frankfurt_2013.pdf

 Die Idee dahinter ist, die Einnahmen zu optimieren und gleichzeitig "gerechter" zu gestalten. Bei Steuern gibt es ähnlich mehrfache und teils sich widersprechende Zielsetzungen. Die Ziele sorgen für Komplexität. Ob das Einfachheit immer ausschließt, weiß ich nicht. Man könnte ja das dt. Steuersystem auch als ein sehr einfaches System bezeichnen, weil es sehr stark auf Pauschbeträgen aufgebaut ist. Eine wirkliche Einzelfallbetrachtung der 41 Millionen Arbeitsnehmer findet ja nicht statt - im Groben und Ganzen herrscht das Raster und viele Normierungen sind unter dem Blickwinkel der Gerechtigkeit nicht nachvollziehbar, sondern dienen nur dem Ziel der Optimierung der Steuereinnahmen. 
Die Fahrkartentarife sind dagegen kompliziert, weil man einen Nutznießer der öffentlichen Transportmittel gar nicht zu den Ksten heranzieht - nämlich die Auto- und Fahrradfahrer, die mehr Platz auf den Straßen haben, weil die Mehrheit mit der Straßenbahn fährt und für das Freimachen der Straße auch noch zahlt ;) Etwas spitzfindig, aber der Tatbestand ist wohl der, der von einem funktionierenden öffentlichen Verkehrssystem aller einen Nutzen haben, egal ob sie das System selbst nutzen oder nicht.  Die einfachste und billigste Lösung wäre, dementsprechend alle heranzuziehen. In Frankfurt/M. z.B. lagen die Gesamtaufwendungen 2012 für die Verkehrsgesellschaft bei 281 Mio. , dividiert durch rund 600.000 Einwohner kommen da etwas über 40 Euro p.a. heraus. Verglichen damit kostet die billigste Monatskarte für Schüler/Studenten über 60 Euro bzw. rund 750 Euro pro Jahr ... Fahrkartenautomaten lassen sich also gravierend vereinfachen (nämlich abschaffen), wenn man die Kosten "gerechter" verteilt, bei Steuern ist es mutmaßlich umgekehrt - Gerechtigkeit führt zu mehr Komplexität, weil man immer mehr individuelle Differenzierungen einbauen müsste, damit jeder Fall "gerecht" und "zielgerecht" besteuert werden würde. Insofern würde ich +Rolf Todesco zustimmen, dass man weder das Lob noch den Tadel der Einfachheit generalisieren sollte - es kommt drauf an, was man erreichen will, und das ist dann Politik. Zum Vergleich: Museen, Theater, Oper sind auch Dinge, die nicht von allen genutzt, aber bis zu 90% von allen bezahlt werden. Würde man die Oper zum Maßstab nehmen, könnten Fahrpeise von Verkehrsmitteln etwa 75% weniger kosten, ohne dass sich jemand darüber aufregen dürfte. ;)?


Rolf Todesco 08.09.2013

hmmm ... +Fritz Iversen ... mir geht es nicht so sehr um Einfachheit und Gerechtigkeit, mir geht es mehr um die Beobachtung der verwendeten Kategorien und um die gezogenen Vergleiche.
Ich kann bestimmte Unterscheidungen machen oder nicht machen und dann sehe ich die Sache eben so oder so.
Mir ging es darum, die Automaten und die Tarifgestaltung zu unterscheiden, also deren relative Einfachheit nicht zu vermischen.
Es ist DANN unsinnig zu sagen, dass die Automaten kompliziert sind, statt zu sagen , dass die Tarife kompliziert sind - aber genau das höre ich immer wieder.
Wenn wir die Automaten weglassen, weil sie einfach sind, dann können wir uns den Tarifen zuwenden und dort die Unterscheidungen beobachten (die man wieder machen kann oder eben nicht).
Wenn ich Dich recht verstehe, unterscheidest Du öffentliche Verkehrsmittel von privaten. 
Für den Tarif werden aber wohl andere Unterscheidungen verwendet, die Du oben auch angibst: Kurzstrecken, Rentner, Verkehrsverbunde usw.
Ich würde in diesem Sinne unterscheiden, ob wir die Tarifgestaltung anschauen oder wer den Verkehr finanzieren soll, was meiner Meinung nach zwei ziemlich verschiedene Sachen sind (WENN man die Unterscheidung macht)?

Fritz Iversen 09.09.2013

"Einfach" ist ein Beurteilungsbegriff und daher immer durch Vergleich und Relation bestimmt, es sei denn man würde das Wort wörtlich nehmen (1fach = nur aus 1 Komponente bestehend).
Der Fahrkartenautomat ist dabei (wie die meisten Automaten) solange nicht einfach, wie es eine einfachere Lösung geben könnte, in diesem Fall den konventionellen Fahrkartenschalter. Einfacher als ein Fahrkartenschalter kann der Automat erst sein, wenn die Tarife 1fach wären (one fits all) oder er die einfache Bedienbarkeit eines Fahrkartenschalters erreichen würde, sich also zum sprachsteuerbaren Roboter weiter entwickeln würde.
Generell halte ich es problematisch, die Einfachheit der Hardware von der Einfachheit der "Software" zu trennen - dann wäre ja jede Steuererklärung "ganz einfach" ("Füllen Sie einfach dieses Formular aus...").
Dessen ungeachtet können GUIs natürlich völlig unnötige Verkomplizierungen enthalten (Verwirrer, Umwege, unklare Bezeichungen etc.). Das kommt immer noch drauf zu.
"Ganz einfach am Automaten kaufen" ist jedenfalls selten einfach - die Vorteile liegen eher bei "schneller" und "jederzeit" als bei "einfach".?

Rolf Todesco 09.09.2013
 
hmmm ... ich mache wohl eine Unterscheidung, die Dir so nicht passt: ich unterscheide den Automaten als Hardware/Software wie er konstruiert ist und wie er funktioniert von seiner Bedienung.
Das Ding wie es dasteht ist eine einfache Sache.
Ob es mir dient, ist eine andere Frage. Wenn ich das Tarifsystem nicht verstehe, weil es eben nicht einfach ist, dann hilft mir der Automat - unabhängig davon wie einfach er ist - eben nicht. Aber kompliziert ist gleichwohl das Tarifsystem, das sich mir als verworrene GUI zeigt.
Solange ich die AutomatenGUI als Teil des Problems auffasse, kann ich nicht vernünftig über das Tarifsystem nachdenken.

Und noch eine andere Unterscheidung im gleichen Kontext:
Ich will einen Fahrschein kaufen. Ich kann mich an einen Verkäufer oder an einen Automaten wenden. Mir kommt es dann vielleicht einfacher vor, wenn ich mit einem Verkäufer sprechen kann, aber natürlich ist der Verkäufer als Mensch viiiiiel komplizierter als jeder Automat. Die Unterscheidung: ich rede davon, wie einfach etwas für mich ist, oder davon wie einfach die Verkaufseinrichtung ist.?

Bruno Jennrich 09.09.2013

das führt mal wieder zu nix.?

Rolf Todesco 09.09.2013

na ja, ich dachte, es könnte zu einem Gespräch führen, in welchem wir je unsere Vorstellungen zu Tarifsystemen und Automaten klären könnten. Aber das ist natürlich nix für die, denen schon klar gewesen ist, wie sie das alles sehen ... und auch für jene, die gar kein Interesse an ihren eigenen Unterscheidungen also an Beobachtungen 2. Ordnung haben.?

Bruno Jennrich 09.09.2013

genau... so kann man sich die welt auch erklären/vereinfachen...

ich bins einfach leid, immerzu bei adam und eva anzufangen. denn da bekomm ich einfach das gefühl, dass um den vorgang des diskutierens und laberns und nicht um das erarbeiten von lösungen geht.

mein leben ist auf jeden fall zu kurz für sowas.?

Rolf Todesco 09.09.2013

ich begeinne nicht bei Adam und Eva sondern jetzt und heute bei mir. Welche Unterscheidungen verwende ich und welche nicht? 
Wenn mir jemand von komplizierten Fahrscheinautomaten "labert" und GUI-Wissenschaften und Design predigt, frage ich mich, WAS kompliziert ist.
Fahrscheinautomaten sind ganz sicher nicht kompliziert, es sind ziemlich blöde Maschinen mit ein paar Knöpfen.
Das Erarbeiten von "Lösungen", die zu aktuell existierenenden Fahrscheinautomaten führen, ist eine Idiotie, die sich in idiotischen Automaten zeigt, die kein Schwein verstehen oder benutzen kann.
Das Erarbeiten von Lösungen müsste das Tarifsystem betreffen,nicht ein wahnsinniges GUI zu einem noch wahnsiniigeren Tarif.
Aber natürlich mag ein GUI-Freak die Sache anders sehen und so tun, als ob der Tarif gegeben sein, und nun das bestmögliche GUI gefunden werden müsse.
Fachidioten allenthalben, deshalb haben wir das Wort Fachidiot.?

Fritz Iversen 10.09.2013

+Rolf Todesco "Fahrscheinautomaten sind ganz sicher nicht kompliziert..." - so viel Voreiligkeit im Formulieren ist man ja bei dir gar nicht gewohnt;)
"Einfach" und "kompliziert" sind ja Beurteilungsbegriffe und nicht Eigenschaften an sich wie z.B. "blau" oder "aus Stahl".
Dass du Fahrscheinautomaten für relativ primitive Maschinen hältst (wer, weiß, wie viel Elektronik und Vernetzung da inzwsichen drin stecken, wenn du z.B. auch mit Kreditkarten bezahlen kannst, dann ist so ein Automat vllt schon ein kleiner "stationärer Webshop"), hat nichts mit der Sache zu tun und wie sie den Kunden seinerzeit aufoktroyiert wurde. Im öffentlichen Nahverkehr ging es bei Einführung der Fahrscheinautomaten in den frühen 60er Jahren um schnellere Abfertigung und Personaleinsparung (remember? ganz weit früher fuhren in Bussen und Bahnen noch Schaffner mit, die Fahrkarten verkauften - aus meiner Sicht war das für den Nutzer auch eine sehr einfache Lösung, die vor allem keinerlei Vorbildung erforderte). An den Bahnhöfen stand der Rationalisierungsgedanke noch mehr im Vordergrund - die meisten Fahrgäste sahen sich anfangs regelrecht erpresst und genötigt, die Handhabung der Automaten zu erlernen - viele "einfache Leute" stellen sich noch heute lieber in die Schlange vor den Schalter, u.a. auch deshalb, weil der Automat einige Komplikationen enthält, die es am Schalter gibt, z.B. sind Korrekturen ab einem gewissen Punkt unmöglich).
Die Dialektik von Automatentechnik, Bedienoberfläche und Funktionsreichtum ("Tarifsystem") ist  eh klar. Nicht klar, ab wann man sagen kann, dass ein Tarifsystem "kompliziert" sei. Die ÖVs würden vermutlich sagen: "Ist doch alles ganz einfach ..." IMHO kann man nie sagen, eine Sache sei einfach, außer im wörtlichen Sinne (1fach = nur 1 Komponente bzw. 1 Regel). Man kann nur sagen: "Ich finde XYZ einfach," was dann aber in Bezug auf Automaten oder Tarif- und Steuersysteme nur so viel bedeutet wie: "Ich kann das schon gut", "ich habe kein Problem damit, das zu verstehen" etc.
Interessant wäre auch das Beispiel "Waschmaschine", das einige Ökonomen für eine der sozial folgenreichsten Erfindungen überhaupt halten: Niemand wird bezweifeln, dass eine elektrische Waschmaschine das Leben kolossal vereinfacht - eine Wäscherin aus dem 19. Jahrhundert hätte das Gerät aber sicherlich im Erstkontakt für etwas kompliziert gehalten. Viele Frauen halten noch heute ihre Männer von der Waschmaschine fern, weil sie meinen, die würden damit nicht richtig umgehen - Wäsche richtig sortieren, Menge und Wahl des Waschmittels, Programm einstellen - alles ganz wichtige Bedien-Fragen ;), was darauf hindeutet, dass Vereinfachung immer gelernt werden muss, so dass also in dieser Hinsicht weder der Fahrkartenautomat noch das Tarifsystem kompliziert genannt werden dürfen, "kompliziert" wäre dann immer nur ein Lernedefizit.
Interessant ist, wie unsere Technik und Gesellschaft überall sich quasi magnetisch zu "Vereinfachung" hingezogen fühlt, auf der Rückseite dieses Vereinfachungstriebes aber immer neue Komplikationen auftauchen. Z.B. wurde es einfacher, ein Auto zu fahren (Servolenkung, ABS, Traction Control, etc. bis hin zum "Regensensor", der inzwischen von der S-Klasse herabgesunken ist und als Ausstattung schon in der Kleinwagenklasse zu finden ist), gleichzeitig aber auch erheblich komplizierter,  ablesbar an den immer dickeren Betriebshandbüchern. Vermutlich müssen Avantgardisten wie BMW oder Mercedes bald zu jedem Auto noch eine halbtägige Schulung dazu geben, wie das Auto zu bedienen ist.
Von daher fragt es sich, ob "einfacher" (also als echte und nicht nur scheinbare Verbesserung) überhaupt möglich ist, ohne auf andere, vielleicht auch wünschenswerte Aspekte zu verzichten. Kann man ein Steuersystem "einfacher" machen, ohne auf viele feine Abstufungen zugunsten von Gerechtigkeit bzw. Funktionalität des Gesamtsystems zu verzichten? Kann man einen Automaten einfacher machen, ohne im Tarifsystem auf Differenzierungen zu verzichten? 
Wer "einfacher" haben will, muss verzichten können??

Bruno Jennrich 10.09.2013

... "ab einem gewissen punkt gibt es kein zurück"... vielleicht ist die existenz eines "early point of no return" eines der großen probleme von automaten... muss ich mal drüber nachdenken.?

Rolf Todesco 10.09.2013

"Zum Prolem der Einfachheit" gehört für mich zunächst vor allem, wie wir mit dem Ausdruck "einfach" umgehen, wie wir ihn wofür verwenden.
Aktuell erkenne ich, dass ich in Bezug auf Maschinen (Automaten sind für mich Maschinen) den Ausdruck "einfach" auf deren Konstruktion beziehe, aber nicht darauf, wie schwer es wem fällt, die Maschine zu benutzen.
Eine einfache Maschine ist in dieser Wortverwendung eine nicht weit entwickelte Konstruktion. Eine Fahrzeigbremse, bei welcher ich mit dem Fuss ein Stück Holz gegen das drehende Rad drücke ist in diesem Sinn konstruktiv einfach. Das kann ich nicht als "Beurteilung" sehen, weil es weder einer Wertung darstellt, noch von meinem Können oder Wissen abhängig ist.
Die Bremse kann entwickelt werden: es kommen dabei immer weitere Aspekte in die Konstruktion, sich sich teilweise als zusätzliche Teile und teilweise als zusätzliche Zusammenhänge zeigen. Damit wird die Maschine - in diesem spezifischen Sinn des Wortes - komplizierter, was nicht heisst, dass sie komplizierter zu bedienen sein muss.
Ich spreche dabei von der Maschine.

Auf einer anderen Ebene stellt sich die Frage, wie viel ich wissen muss, um eine solche Maschine herstellen zu können. Das bezeichne ich als Technologie. Die Technologie entwickelt sich, das heisst sie wird komplizierter in dem Sinne, dass ich sie nicht mehr kurz und bündig darstellen kann. Die klassische Fahrradbremse bedingt zb Wissen, wie man ein Bremskabel aus Eisenerz herstellt.

Auch das hat nichts damit zu tun, ob es einfach ist, die Bremse zu bedienen ...

Das Problem der Einfachheit besteht darin, sich klar zu machen, worüber man spricht. Meiner Meinung nach ist der Sinn des Dialoges genau der, sich im Laufe des Gespräches klarer zu werden. Ich habe jetzt - in unserem Dialog - realisiert, wie viele Aspekte und Bezüge "einfach" hat. Es ist nicht so einfach ;-)?

Bruno Jennrich 10.09.2013

wie sind dann beispielsweise additive im benzin zu verstehen, die die klopffestigkeit erhöhen? ich finde das ja eher alles andere als einfach. dem otto-normal-autofahrer ist das jedoch egal, da verborgen und funktionierend.
oder anders: das "layer of complexity" ist "einfach" verborgen. brauchen wir mehr hidden-layers? 
durch jedes layer wird die komplexität der maschine "an sich" erhöht, die bedienung/qualität/dauerhaftigkeit/irgendeinandererparameter jedoch vereinfacht.

aber auch eben um den preis von standardisierung?

Rolf Todesco 10.09.2013

Wenn ein Motor auf ein bestimmtes Additiv eines Benzins reagiert, dann deshalb weil er so konstruiert ist. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Konstrukteur sich dessen bewusst war oder nicht. Das Reagieren des Motors ist ein Beispiel für einen erkannten Zusammenhang, der nicht auf einem separaten Teil der Motorkonstruktion beruht. Der Motor ist umso komplizierter, je mehr solche Zusammenhänge für sein Funktionieren eine Rolle spielen.
Darin sehe ich keinerlei layer. Aber wenn der Motor ein bestimmtes Benzin braucht, muss das natürlich vom Benutzer des Motores gewährleistet werden. Ob der Autofahrer dieses Wissen braucht, ist von vielen Verhältnissen (etwa von der Benzinversorgung) abhängig. Oft stehen solche Sachen im HAndbuch, dass dadurch umfangreicher und mithin komplizierter wird.?

Fritz Iversen 10.09.2013

Im Englischen gibt es die schöne Unterscheidung zwischen "simple" und "easy". Simpel ist die Konstruktion, "easy" bezieht sich auf die Handhabung ... Dieses Easy" ist meistens relativ ...?

Rolf Todesco 10.09.2013

ja die Engländer habens sprachlich oft "einfacher" als wir ;-), aber auch wir
können Unterscheidungen - bewusst - machen.
Ich weiss natürlich, dass unsere Fahrscheinautomaten sehr hochentwickelte Maschinen sind, also unter den Maschinen ohne Zweifel zu den komplizierten gehören. Nur im Vergleich zu autopoietischen Maschinen (wie H. Maturana Menschen bezeichnet) sind sie einfache Maschinen.
Das Problem besteht für mich in der allgegenwärtigen Vermischung zwischen Technik und sozialen Verhältnissen, die dank der Technik so möglich sind. Ich mache mir die sozialen Verhältnisse bewusst, indem ich sie von der Technik löse, also die TEchnik benenne und separat anschaue. Dann finde ich sie simpel, but not so easy. 
Und die sozialen Verhältnisse wie Tarifsysteme finde ich dann umso mehr tabuisiert. Um ein Beispiel zu geben: Unsere Grünabfuhr (Gartenabfälle) werden bei uns nicht - wie das Gesetz es vorschreibt - verursachergemäss verrechnet, sondern von allgemeinen Steuergeldern bezahlt, WEIL es technisch schwierig ist, ein gutes Verrechnungssystem zu finden. Auch hier wird ein soziales Verhältnis technisch behandelt.?

Fritz Iversen 11.09.2013

+Rolf Todesco Dass "Tarife" tabuisiert sind, finde ich nicht. Über sie wird ständig diskutiert - Stromtarife, Heizölpreise, Benzinpreise, (sollen künftig stärker kontrolliert werden durch "Meldezwang"), sogar über die "Tarife" für Schwarzfahrer gab es zuletzt einige Debatten, Mietpreisgestaltung, Stadioneintritsspreise, Handytarife (Roaming Thema bis nach Brüssel). Tabuisiert wird eher die Frage, ob es komplett andere Tarifsysteme als die Bestehenden gäbe. Vermutlich wird es in D bei den Strompreisen bald zu einer Dskussion kommen, ob es - anlog zu den "Sozialtarifen" für leidende Industrien auch zu Energie-Sozialtarifen für notleidende Haushalte kommen müsste (also geringere Steueraufschläge für bestimmte Haushalte). ?

Rolf Todesco 11.09.2013

ok einverstanden, tabuisiert wird nicht der einzelne Preis, sondern das Tarif"system" als jeweils Ganzes, resp. wer was wie bezahlt. Diskutiert werden Preise statt die Tarife: den Konsumenten ist alles zu teuer, den Lieferanten ist alles zu billig.
Aber das meine ich nicht. Ich meine Fragen, wie welche Preise zusammengesetzt sind oder wie der jeweilige Preise mit welcher Ware verknüpft ist.
Die Fahrscheintarife verstecken extreme Finanzierungsverhältnisse, in welchen Zinsen von Kapitalgesellschaften die hauptsächlichen Kosten jener Verkehrssysteme verursachen, die die Arbeitsnehmer jener Gesellschaften zwischen Zentrum und Aglomeration pendeln lassen.
Eine Tarifalternative wäre beispielsweise die effektiven Kosten der ÖV den ÖV-Benutzern linear zur Distanz zu verrechnen. Ich meine nicht, dass das in irgendeinem Sinne gerecht oder ungerecht wäre, ich meine dass so sichtbar wäre, wie der Preis und die Leistung zusammenhängen (insbesondere würde die Vielfahrerei, die jetzt subventioniert wird, sichtbar gemacht).?

Fritz Iversen 11.09.2013

Sehr schön. Angesichts dessen, dass wir heute via Smartphone jederzeit auf 2 m genau getrackt werden können, könnte man auch Belohnungtarife einführen. Wer zu Hause bleibt und keine Verkehrsemissionen verursacht, kriegt Geld; wer die Straßen nutzt, zahlt.?

Rolf Todesco 11.09.2013

hmmm ... so hab ich s geschrieben, aber nicht gemeint ;-) Strassen und ÖV sind nur Ablenkung, weil es dabei um nix geht. Da es aber wichtige Themen sind, taugen sie um Grundlegendes zu theamtisieren: Wer zahlt was worfür?
Das Problem der Einfachheit zeigt sich hier wieder und wieder: wir habe TECHNISCH bestimmte Möglichkeiten (etwa die Lokalisierung von Nutzern von Strassen und ÖV) und könnten daraus Tarife ableiten. Technik als Argument!!
Ich würde eher dafür plädieren, dass ÖV gratis ist, weil Gemeineigentum wie Luft. Die Strassen sind ja (noch) gratis.?

Fritz Iversen 13.09.2013

"Wer zahlt was wofür?" - Preise sind auch ein Lenkungsmittel und es gibt vielleicht nur 2 Mittel, die die Gesellschaft lenken: a) Gesetze und Vorschriften, b) Preise. Bei Preisen, Tarifen und Steuern geht es daher nie nur um "Gerechtigkeit" und Kosten, sondern primär um Lenkung. Das ist auch der Grund, warum man bei beim Öffentlichen Nahverkehr darüber nachdenkt, in die Preise einzugreifen (sind ja alle subventioniert) oder sogar ganz abzuschaffen und die Kosten anders umzulegen. Das Problem ist so gesehen, dass der Nahverkehr finanziell noch viel zu sehr wie ein privates Angebot strukturiert ist, während es tatsächlich eine gemeinschaftliche Angelegenheit ist, die alle betrifft (das spricht für mich auch gegen jede Privatisierung der Wasserversorgung - die Wasserversorgung ist in so hohem Maße ein gemeinschaftliches Interesse aller, dass es nicht primär von finanziellen Interessen  gesteuert sein darf).
Das lässt sich inzwischen auch übertragen auf bestimmte Internet-Angebote, die quasi "infrastrukturellen" Charakter haben (Amazon, Google, eventuell auch Facebook).

Bei Steuern und Tarifen kommt ein anderer Aspekt hinzu, der sich aus dem Lenkungseffekt von Preisen ergibt: Revenue-Management. Jede Steuererhöhung hat genauso wie jede Preiserhöhung auch einen Gegeneffekt. Der Staat möchte ja am liebsten den Steuerzahlern möglichst tief in die Tasche greifen, genauso wie jeder Kapitalist den Kunden möglichst viel abpressen will. Staatszwecke gibt es ja genug - über all fehlt es am Geld. Nur hat die Übersteuerung eben auch Gegeneffekte, die schnell dazu führen können, dass die Umsätze zurückgehen, wenn die "Preise" erhöht werden. Das macht Eingriffe und oft sogar schon kleine Veränderungen immer zu einer ziemlich waghalsigen und fehlerträchtigen Sache, weil die Rückkoppelungen unbekannt sind (egal was einem die Theorie-Modelle der Ökonomen versprechen). Preise haben hochkomplizierte Auswirkungen, weshalb man da am besten immer experimentell vorgehen sollte. Im Öffentlichen Nahverkehr sollte man daher nicht das ganze Tarifsystem einfach mal "revolutionieren", sondern eher Experimente machen, z.B. sagen: "Im nächsten Monat können Sie im ganzen Stadtgebiet gratis unterwegs sein." Oder zum Einheitstarif von 20 Cent. Und dann mal gucken, wassich bei der Verkehrsnutzung für Trends ergeben ;)?

Bruno Jennrich 13.09.2013

a/b tests im real life... prima sache.
oder, was ich nie verstanden habe, warum werden bei neuen steuergesetzen nicht bekannte "steuerhinterzieher" und gesetzeslückenfinder beauftragt, diese änderungen zu checken...?

Rolf Todesco 13.09.2013

Preise KÖNNEN als Lenkungsmittel MISSbraucht werden. Ich habe tatsächlich auch bei viele Preisen das Gefühl, dass sie als Lenkungsmittel eingesetzt werden. Aber das heisst auf keinen Fall, dass Preise Lenkungsmittel SIND.
Ob sie so verwendet werden oder nicht, ist eine politische Frage 1. Ranges. Bei uns sind Zigaretten VIEL zu teuer, weil so das vermeintlich schädliche Rauchen "gesteuert" werden soll. Und die ÖV-Preise sind VIEL zu tief, weil man die Leute auf die éV bringen will. Das ist Real-Politik und mithin immer schon Experinent im realen Leben.
Was "gemeinschaftliche Angelegenheiten" SIND, ist ebenfalls eine politische Frage. Ich lebe zur Zeit in einer GESELLSCHAFT, also gerade nicht in einer GEMEINSCHAFT (begrifflich das reine Gegenteil).
Ich plädiere dafür, dass der Boden öffentliches Eigentum wird. Und ich plädiere für Geld, wie es S. Gsell als "neutrales" oder "freies" beschrieben hat. Mit diesen beiden Voraussetzungen können wir alle Preise dem Markt überlassen - aber natürlich ist das auch eine politische Frage (die etwas weiter geht, als Gratis-ÖV und Wasserprivatisierung.
Ich meine, dass das einfache Sachen wären, und dass wir hier über "Probleme der Einfachheit" nachdenken könnten: Das Einfache ist ganz einfach, aber es macht jenen Probleme, die es nicht gerne einfach hätten!
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[über Autos / Ford]
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Kathrin Passig31.05.2012  -  Öffentlich
“Vor anderthalb Jahren führte Henry Ford II. einen kleinen rothaarigen Mann durch die Fabrikhallen von Cleveland. Aufmerksam betrachtete der Rotkopf die Aggregate und Werkzeugmaschinen: Nur an den Knotenpunkten der Produktionsstrecken waren noch Arbeiter postiert. Insgesamt arbeiten in dieser Fabrik 500 Männer und Frauen. Ohne Elektronensteuerung würden 2000 Arbeiter gebraucht.

Als Henry Ford II. sah, welch nachhaltigen Eindruck der menschensparende Effekt des zentralen Robotergehirns, das mit 35 Kilometern Draht und einer Million Vacuumröhren 1500 Menschen ersetzt, auf seinen Begleiter machte, foppte er ihn: 'Nun, Mister Reuther, von wem wollen Sie in Zukunft Ihre Beiträge kassieren?' Aber der Rotkopf parierte den Hieb: 'Und an wen wollen Sie, Mister Ford, in Zukunft ihre Autos verkaufen, wenn Sie die Arbeiter und Angestellten rücksichtslos auf die Straße setzen?'"

(Spiegel, 1955, http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-31970830.html )
-->

<br>[über Roboter Automation Arbeit]
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DER SPIEGEL 31/1955 - Die Revolution der Roboter »
Das deutsche Nachrichten-Magazin. Die wichtigsten Themen, Meldungen und die komplette Ausgabe als E-Paper.

Ingo Heinscher31.05.2012
Na, an die Aktionäre... natürlich müsste dazu der Aktienbesitz... reorganisiert werden. :->?

Tim Beil31.05.2012
Warum so vornehm: "reorganisieren", sag doch gleich verstaatlichen, vergemeinschaften, umverteilen, oder kurz: ruinieren ;-)?

Clemens Gleich31.05.2012+1
Sie haben uns Raketenrucksäcke versprochen damals, und dass wir ab 2000 nicht mehr arbeiten müssen, weil das alles Maschinen machen. Stattdessen haben wir mehr Arbeit und mehr Zeitverschwendungslinsen wie G+.?

Ingo Heinscher31.05.2012
+Tim Beil: Nun, die Zeit ist nicht mehr fern, wo sich die Frage tatsächlich stellt, womit die überwältigende Mehrheit der Menschheit noch Geld verdienen soll. Dein Lösungsvorschlag? ;-)?

Tim Beil31.05.2012
denkt, dass es noch lange dauert, bis die Menschen auf der Erde im Schlaraffenland leben. Bis dahin ist noch ungeheuer viel Arbeit da, die auch bezahlt werden muss und wird.?

Hartmut Noack31.05.2012+1
+Ingo Heinscher Nach dieser Logik würden die Agrarländer, die es in Afrika noch gibt, Inseln der Seeligen sein. Nichts da: jeder Handschlag, den man abschaffen kann, bringt die Menschheit weiter. Nach wie vor wird jedes Produkt, das sich verkaufen lässt, auch umgehend hergestellt. Es entsteht nicht weniger Reichtum durch Rationalisierung, sondern mehr. Der muss nur vernünftig verteilt werden.?

Untoter Ostgote01.06.2012 (bearbeitet)+4
Mal rein quellenkritisch gesehen: der Erstbeleg der Geschichte ist dieser Konferenzbericht aus dem Jahre 1955: 

Reuther, Walter P. (Hg.) (1955): Automation. A report to the UAW-CIO Economic and Collective Bargaining Conference, held in Detroit/Michigan, 12.,13.11.1954. Detroit/Michigan.

Online hier: http://hdl.handle.net/2027/mdp.39015001816811?urlappend=%3Bseq=10

Daraus geht nicht hervor, daß Reuther mit Henry Ford II. gesprochen hätte, sondern lediglich mit einem "company official". Ford wird erst in späteren Versionen der Geschichte hinzuerfunden und auch alle anderen Elemente der Geschichte sind apokryph. Außerdem steht die Geschichte ausdrücklich als "Parabel" über einem Gewerkschaftsbericht, der von Nutzen und Nachteil der Automationstechnik handelt, nur damit man das richtig einordnet.?
Diesen Kommentar minimieren

Marcel Weiß31.05.2012+1
Die Moral der Parabel/Geschichte ist auch Quatsch, wenn die Erzählung genau so eingetreten ist. Was soll man daraus schließen? Dass es uns besser gehen würde, wenn wir bei der Handarbeit geblieben werden??

Stefan Dietiker31.05.2012
Hmm... Ungefähr seit Menschen sich Steine zu Hilfe nahmen um Nüsse aufzuschlagen, wird mühselige Arbeit fortwährend durch Technik vereinfacht. Das ist heute nicht anders. Die Gerätschaften sind nur wesentlich komplexer. Roboter nehmen uns langweilige mechanische Arbeit, Computer langweilige Denkarbeit ab.?

Ingo Heinscher31.05.2012
+Stefan Dietiker Es könnte sich relativ bald ändern, dass sie nur die langweilige Arbeit abnehmen. Da empfehle ich das Buch "Race Against The Machine". 
+Hartmut Noack "Es entsteht nicht weniger Reichtum durch Rationalisierung, sondern mehr. Der muss nur vernünftig verteilt werden." Stimmt. Ganz einfach. Sag ich doch. ^^?

Rolf Todesco01.06.2012Bearbeiten
als Kolumbus auf seinem kleinen Schiffchen die ersten 200 Kg Gold von Amerika zurückbrachte, hätte man mit Fug sagen können, dass 2000 Negersklaven das Gold von Hand (schwimmmend) nicht hätten über den Ozean transportieren können. Seine Nussschale hat also etwa 10000000 Arbeitsplätze erseztzt, wenn ich nicht irre?

Gernot Weiser00:32
+Rolf Todesco Es ist nicht überliefert, dass schwimmende Sklaven Gold über den Ozean transportiert hätten, daher ist die Rechnung absurd.?

Rolf Todesco01:02Bearbeiten
+Gernot Weiser ja, das sehe ich auch so: es ist absurd. Mein Beispiell ist aber immerhin bewusst absurd !?

Gernot Weiser11:16
+Rolf Todesco 
Aber warum bringst du bewusst ein absurdes Argument?
Die Bewertung des Dialogs ist mir ohnehin hier zu einseitig.
Denn natürlich hat Reuther recht, wenn er auf den mittelfristigen systemischen Effekt eines Abnahmeeinbruchs hinweist.
Dass wir heute langfristig von der Industrialisierung profitieren, sollte doch nicht darüber hinwegtäuschen, dass kurz- und mittelfristig die Verelendung des Proletariats stattgefunden hat.
Rationalisierungsmaßnahmen erzeugen in der Regel Reibungseffekte, will heißen, wo gehobelt wird, fallen Späne. Die kurz- und mittelfristigen positiven Effekte bleiben zunächst nur bei den Investoren hängen.
Das sollte einem beim Willkommenheißen der Neuerungen ( http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/automatisierungsdividende-fuer-alle-roboter-muessen-unsere-rente-sichern-11754772.html ) bewusst sein.?
Kommentar vollständig anzeigen »

Untoter Ostgote12:36 (bearbeitet)+2
Nochmal: wie ich weiter oben andeutete, stellt der "Dialog" eine "Parabel" dar. Nur, wofür? Googelt doch mal "Freisetzungstheorie" und "Kompensationstheorie". Dieses Riegermanifest - unter einem Manifest tun wir es nicht mehr? - gehört in dieselbe sozialpolitische Tradition, die bis in die Frühindustrialisierung reicht, wie Wolf Klatt schon vor langer Zeit nachgewiesen hat: 

Wolf D. Klatt, Vom Maschinensturm zur Maschinensteuer. Historisch experimentelle Überlegungen zum Ursprung des Wertschöpfungsbeitrags, in: Heinze, Rolf G.; Hombach, Bodo; Scherf, Henning (Hg.) (1987): Sozialstaat 2000. Auf dem Weg zu neuen Grundlagen der sozialen Sicherung: ein Diskussionsband. Bonn: Verlag Neue Gesellschaft , S. 191-207.

In der Sozialpolitik - vor allem in der SPD - wird Riegers "Automatisierungsdividende" seit einem halben Jahrhundert als "Wertschöpfungsabgabe" oder "Wertschöpfungsbeitrag" immer wieder gern diskutiert, zuletzt sogar noch von der "Rürup-Kommision" Schröders. Die Effekte solcher Abgaben sind empirisch leider auch gut belegt, siehe dazu:

Lampert, Heinz; Althammer, Jörg (2007): Lehrbuch der Sozialpolitik. 8. Aufl. Berlin: Springer, S. 539ff.?
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Kathrin Passig12:51
Dass das Proletariat generell durch die Industrialisierung verelendete, kommt mir jetzt auch zu pauschal vor, sitze aber im Zug und kann auf keine Belege verweisen. Später vielleicht.?

Untoter Ostgote14:41 (bearbeitet)+2
+Kathrin Passig Vielleicht kann ich ja solange aushelfen. Natürlich ist das zu pauschal. Sehr differenziert, vorsichtig abwägend und im globalen Maßstab argumentiert:

Osterhammel, Jürgen (2009): Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts. München: Beck, Kapitel XII und XIII.

Dort auch die ganze weiterführende Literatur.

Daß einige Menschen glauben, die Industrialisierung habe zur Verelendung des Proletariats geführt, während die Gewinne lediglich bei den Kapitalisten landeten, verweist allerdings darauf, wie die deutsche Öffentlichkeit über die aktuell kaum bestreitbare Tatsache der Bildung einer neuen Klassengesellschaft reagiert, über den erblichen Ausschluß von Bildung und Lebenschancen, über Dequalifizierung, Verarmung, Anomie, Flexibilisierung, Fremdbestimmung, Auflösung sozialer Beziehungen und so weiter: das verdichtet sich nicht selten zu einem Gesamtbild, das der "Pauperismusliteratur" im 19. Jahrhundert ähnelt.

Nur war das damals auch schon "Literatur".?
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Gernot Weiser15:01
Ich habe ja nicht das Gefühl, dass ich bei der Diskussion einen Blumentopf gewinnen kann, aber interessieren würde es mich dennoch:
Angenommen, wir stellen fest, dass das Proletariat nicht „ generell durch die Industrialisierung verelendet“ ist, was würde das heißen?
Dass es neben der Verarmung auch andere Effekte gab? Das mag sein. Aber was ändert das an dem Zusammenhang zwischen der Industrialisierung und der tatsächlichen Verarmung?
Und wer hat behauptet, dass „die Gewinne lediglich bei den Kapitalisten landeten“? Ich war eigentlich um Differenzierung bemüht, nicht um Verallgemeinerung.
Deshalb nochmal: Primär fließen die Gewinne aus Rationalisierungsmaßnahmen an die Kapitaleigner. Das kann man glaub ich als unbestritten betrachten, sonst würden solche Maßnahmen nicht getroffen. Oder??
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Untoter Ostgote15:17 (bearbeitet)
+Gernot Weiser Es nicht darum, irgendetwas zu "gewinnen". Wir unterhalten uns doch nur. Ich antworte später gern ausführlich, Deine Fragen sind gut, nur bin ich auch erstmal unterwegs.?

Gernot Weiser15:42
ok, danke.?

Rolf Todesco16:44Bearbeiten
+Gernot Weiser ich bringe dann und wann bewusst ein absurdes Argument, wenn ich glaube, dass es sich gut in die übrigen Argumente einfügt, so dass die Absurdität "genereller" sichtbar wird. Es gibt keine Maschien und keinen Automaten der etwas tut, was zuvor Menschen getan haben, also kann auch keine Maschien eine Anzahl Menschen ersetzen. Im Ford-Beispiel ganz oben (.. Ohne Elektronensteuerung würden 2000 Arbeiter gebraucht...) ist es eben genau wie mit meinen schwimmende Sklaven, die Gold über den Ozean transportieren - es hat diese 2000 Arbeiter so wenig wie die schwimmenden Sklaven nicht gegeben. Die Argumentation ist absurd.
Jede Fabrik nicht nur jene von Ford wird so gebaut und mit Maschinen bestückt, wie das dann jeweils machbar ist. Sie würde NICHT gebaut, wenn sie nicht so gebaut werden könnte. Deshalb sind Argumentationen im eigentlichen Wortsinn absurd, wo sie "sinnlose" Varianten verrechnen.

und btw: Das Industrieproletariat ist durch die Industiealisierung nicht verarmt, sondern erzeugt worden. Von einer Verarmung des Proletariats zu sprechen scheint mir .... absurd, es impliziert ein zuvor hinreichend reiches Proletariat. ?


Rolf Todesco17:01Bearbeiten
Nehemen wir als Beispiel die wikipediatypische Vermengung:

Nach der Freisetzungstheorie hätte der Technische Fortschritt zur Folge, dass Arbeitslosigkeit entsteht. Ein bekanntes Beispiel, welches diese These veranschaulicht ist folgendes: In der Stecknadelbranche sind 10 Mitarbeiter angestellt. Nach der Einführung einer Maschine in den Betrieb werden diese 10 Mitarbeiter durch die Maschine ersetzt. Lediglich ein Mitarbeiter ist noch damit beschäftigt die Maschine zu bedienen. Die neue Maschine kann ein Vielfaches der Menge an Stecknadeln produzieren, welche die 10 Arbeiter herstellen konnten. Da die Nachfrage nach Stecknadeln nicht unbedingt aufgrund des höheren Angebots um mehr als ein Vielfaches steigt, kommt es zu Entlassungen in der Stecknadelindustrie.

Ein Produzent verfügt über die Arbeitskraft von 10 Proletariern und prduziert damit Stecknadeln.
Plötzlich wird Nähen unpopulär und niemand mehr will Stecknadeln. Der Markt bricht zusammen, die Proletarier werden frei ihre Arbeitskraft an einem andern Ort zu verkaufen. Das heisst FREISETZUNG. 

Etwas später: Ein Produzent verfügt über die Arbeitskraft von 1 Proletarier an einer Maschine und prduziert damit Stecknadeln. Plötzlich wird Nähen unpopulär und niemand mehr will Stecknadeln. Der Markt bricht zusammen, der Proletarier wird frei seine Arbeitskraft an einem andern Ort zu verkaufen. Das heisst FREISETZUNG. 

Wir können uns gerne über die je verwendete Beobachterposition unterhalten. Ich gebe gerne zu, dass man auch ganz andere Welten hinbeobachten kann (wo beobachten = unterscheiden/bezeichnen heisst)?

Untoter OstgoteGestern um 18:04 (bearbeitet)+1
(Leiser Zwischenruf: ich hatte befürchtet, daß nun "Stecknadelgespräche" folgen würden. Ich würde zum "Technischen Fortschritt" nicht die Wikipedia zu Rate ziehen: der Artikel ist nicht diskussionwürdig. Lest vielleicht den Irrgang, der ist zwar auch nicht überragend, aber doch ganz ok und ist für die modernen Protagonisten der "Wissensgesellschaft", die leider selten den Eindruck erwecken, als ob sie zwischen "wired.com" und "Nachdenkseiten" irgendwann einmal zwischen zwei Buchdeckel geschaut hätten, sogar online verfügbar: http://digi20.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb00045382_00001.html)?
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Ingo HeinscherGestern um 22:50
Ich habe ein wenig den Eindruck, dass hier eine Diskussion von gestern und (vielleicht noch) heute geführt wird, aber versucht wird, damit das Morgen zu erläutern. Gedankenspiel: Was wird aus unserem Wohlstandsverteilungsmodell "Arbeiten gegen Geld", wenn sämtliche Arbeit von Robotern gemacht werden kann??

Gernot WeiserGestern um 22:54
Auf die Gefahr hin vorzugreifen:
Es mag den Anschein haben, dass ich zu dem Menschenschlag gehöre, der die Industrielle Revolution gerne nachträglich verhindern möchte.
Mein Anliegen ist aber vielmehr die Frage: Würden wir es im 2. Anlauf besser machen? Können wir es besser machen?
Wobei besser soviel heißt wie: Ohne die menschliche Tragödie, die damit einherging.
Ich sehe mit Bedauern, dass die Welt sich auch in Sachen “Digitalisierung” (BuzzWord hin oder her) in 2 Lager zu spalten beginnt: Die aufgeschlossen Euphorischen und die misstauisch Ablehnenden (der alte Streit zwischen progressiv und konservativ?).
Ich kassiere von beiden Seiten gelegentlich Ablehnung, weil ich beiderlei kritisiere.
Bei der von Rieger angesprochenen Problematik tun sich zudem noch Abgründe zwischen (neo-)liberaler und linkslastiger Ideologie auf. Das verringert nicht das Reibungspotential zwischen Gesprächspartnern.
Dabei geht es mir persönlich weniger um seine Idee einer Abgabe. Wichtiger ist mir zunächst seine Überlegung, dass sich die Geschichte wiederholen könnte. Will heißen, der Ersatz menschlicher Arbeitskraft auf physischem Sektor vollzieht sich mit zunehmender Geschwindigkeit gerade und in naher Zukunft auf dem Sektor geistiger Arbeit.
Ich persönlich glaube in der Tat, dass die Menschheit von so einer Entwicklung auf lange Sicht profitieren wird.
Mit Nervosität sehe ich  allerdings, dass die kurz- und mittelfristigen Risiken nicht wahrgenommen werden. Der Mechanismus ist ja mit Freisetzung- und Kompensationstheorie schnell erklärt - Wenn ich eine Taxi-App schreibe, wegen der 1000 Leute entlassen werden, dann ist der Gewinn zunächst nur bei mir, der Rest kuckt in die Röhre. Auf der anderen Seite sinken die Kosten für Taxis, weil Personalkosten entfallen. Moores Law lässt die Lebenskosten in einigen Lebensbereichen in den Keller purzeln, vorneweg sei Briefverkehr genannt, als etwas physisches, das im Virtuellen ersetzt wird.
Freisetzung und Kompensation liegen nah beieinander - wahrscheinlich noch näher als bei der ursprünglichen IR. Insofern war mir die Diskussion bereits eine Bereicherung.
Uff, ich muss mich kürzer fassen.
Aber die IR hat uns eben gezeigt, dass die Mechanismen, die für eine gerechte Verteilung der Wertschöpfung sorgen Zeit brauchen.
Je schneller die Entwicklung vorangeht, desto weniger ist die vorhanden. Das heißt es wird Verlierer geben. Und wenn man die Vorhersage von Moores Gesetz betrachtet, dann werden die Prognosen für die Verliererseite immer schlechter.
Die Wertschöpfung durch den informationstechnologischen Fortschritt  entfaltet ihr größtes Wachstum (und damit ihr größtes Potential) in den hochtechnologisierten, nicht aber in den für Menschen lebenserhaltenden Bereichen.
Brot und Milch werden für einen Arbeitslosen mit iPhone nicht billiger. Taxis hingegen schon.?
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Gernot WeiserGestern um 23:56
+Ingo Heinscher könnte man "Roboter" noch durch "ein paar Zeilen Code" ersetzen?
Dann sind wir im Morgen.
Was also, wenn jemals sämtliche Arbeit von Computersystemen geleistet wird?
Mein Denkanstoß:
http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/die_reportage/videos/diereportage287.html
 ?

Gernot Weiser11:52
+Untoter Ostgote
btw, Ich schließe mich der Meinung von Hr. Kappes übrigens an, dass die Lösung von Hr. Rieger für die komplexe Herausforderung zu einfach ist. (http://www.zeit.de/digital/internet/2012-06/roboter-pauschale-arbeit )
Was ich Hr. Rieger aber als Verdienst anrechne, ist der Umstand, dass er auf das aus der Digitalisierung resultierende Freisetzungspotential hingewiesen und die Diskussion angestoßen hat (Hoffentlich können sich die Das-ist-doch-nichts-neues-Kommentatoren zurückhalten). Das Freisetzungspotential ist augenblicklich nicht einschätzbar. Sichtbar ist aber, dass es im Wachsen begriffen ist. Könnte sich da unter der Oberfläche eine Welle bilden, die erst bei Erreichen der Küste zutage tritt? Vorhersagen lässt es sich nicht.
Was aber wenn die Freisetzung annähernd das Potential einer industriellen Revolution erreicht?
Dieser Tage habe ich den Eindruck, dass die Kompensationstheorie das einzige ist, was wir dem entgegen zu halten hätten.
Das ist mir persönlich zu dünn, aus dem oben erläuterten Grund, dass Kompensationsprozesse Zeit brauchen, während Moores Gesetz eine drastische Beschleunigung der Entwicklung vorhersagt.?
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Untoter Ostgote13:37 (bearbeitet)+1
+Gernot Weiser Nur kurz, weil ich gerade lohnabhängig schreiben sollte, dafür aber etwas grundsätzlicher:

Früher war bekanntlich alles prima: die Soziologen beruhigten eine wohlfahrtsstaatliche Gesellschaft mit hübschen Zwiebelbildchen sozialer Ungleichheit, versorgte die normativ bestimmende "Mittelschicht" mit für sie angenehmen Individualisierungstheorien und modischen Lebensstil-Milieuanalysen und alle waren zufrieden.

Dann kam irgendwann die Empirie dazwischen: die Arbeitslosigkeit verfestigte sich, die Einkommens- und Vermögensverhältnisse gingen auseinander, soziale Abstiegsrisiken verschärften sich und so weiter, daran gab es wenig zu zweifeln.

In der Tagespresse wird seitdem gerne das Bild einer gespaltenen Gesellschaft gezeichnet, Dramatisierungswörter wie Exklusion und Inklusion, Überflüssigkeit und Entbehrlichkeit, das Zentrum der Gesellschaft und ihre Peripherie gehören mittlerweile zum feuilletonistischen Standardwortschatz. Dieses Schwarz-Weiß-Bild wird von der Debatte um Frank Rieger jetzt auch noch mit Freisetzung und Kompensation angereichert.

Das Problem an dieser Schwarz/Weiß-Sichtweise liegt darin, daß sie keine Diskussion über die Brüche und Spaltungen innerhalb der Industriearbeiterschaft zuläßt, oder auch nur über die äußerst heterogenen Beschäftigungsverhältnisse im Dienstleistungssektor. Es ist nämlich keineswegs so, daß jeder, der in irgendeiner Weise einer Erwerbstätigkeit nachgeht, an den Segnungen moderner Sozialstaatlichkeit und der Fülle der Konsumgesellschaft teilhätte. 

Diese ganze Innen/Außen-Diskussion lenkt die Aufmerksamkeit zwangsläufig auf die sozialen Vermüllungsprozesse Ausgliederungsprozesse: die steigende Armut, die Arbeitslosigkeit, die Ghettos in den Städen, die Armutsfallen, die Überflüssigkeitserfahrungen, die Automationsverluste, im Grunde auch die ganze Diskussion um den digital divide: the construction of otherness, nennen amerikanische Soziologen diese Art der Diskussion.

Wer jedoch aufmerksam das deutsche Sozialgefüge beobachtet - und es gibt Leute, die das hauptberuflich tun - wird feststellen, daß  die drei Säulen, auf denen neben der Erwerbsarbeit die "Mittelschicht" beruht: Familie, Bildung und ökonomische Haushaltsführung gerade... naja: bröckeln. Über niedrige Reproduktionsraten und hohe Trennungsquoten in Familien liest man in der Presse oft, seltener liest man über den ökonomischen Druck von Steuerseite und die Last zusätzlicher Kosten durch die zunehmende Privatisierung sozialer Risiken. Junge Familien tragen heute die Hauptlast des sozialen Abstiegs und zwar selbst dann, wenn beide Ehepartner Akademiker sind und Vollzeitjobs besitzen. Die fortschreitende Privatisierung des Bildungsbereichs zerreibt währenddessen die Grundlagen der allgemeinen und öffentlichen Bildung irgendwo zwischen Hauptschulelend und Exzellenzcluster und es ist keineswegs gesagt, daß zum Beispiel eine Akademikerfamilie ihren Bildungsstatus reproduzieren kann. Wir kennen den Trend, der anzeigt, woher sich die Bildungselite zukünftig rekrutieren wird: es sind nicht die arbeitenden und steuerzahlenden Mittelschichten.

Usw., usw.

In einem Satz: Frank Rieger "stößt eine Diskussion an", die wir überhaupt nicht brauchen, weil sie an der Realität vorbei geht. Er ist auch kein Wettermacher, sondern ein Barometer, an dem man ablesen kann, wie in der FAZ-Redaktion gerade der Luftdruck stand.?
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Kathrin Passig13:30 (bearbeitet)+1
Aus: +Dr. Michael Spehr: "Maschinensturm: Protest und Widerstand gegen technische Neuerungen am Anfang der Industrialisierung", Westfälisches Dampfboot, 2000, S. 24f.:

"Zwischen 1800 und 1878 verdoppelte sich die Bevölkerung auf dem Territorium des späteren Deutschen Reiches von ca. 23 Millionen Menschen auf rund 43 Millionen. Diese Bevölkerungsexplosion, die mehr ein Ergebnis sinkender Sterblichkeitsziffern als steigender Geburtenraten war, führte zu einem absoluten Wachstum der Beschäftigtenzahl in den wirtschaftlichen Kernsektoren Landwirtschaft, Gewerbe und Dienstleistungen. In keinem dieser Sektoren gingen im 19. Jahrhundert Arbeitsplätze verloren, es verschärfte sich aber das Spannungsverhältnis zwischen dem Arbeitsplatzangebot und dem explosionsartig wachsenden Arbeitskräftepotential. (...) Von 1800 bis 1875 explodierte die Beschäftigtenzahl in Manufakturen, Verlagen und Fabriken von zunächst 30.000 Menschen, also weniger als zwei Prozent aller gewerblich Tätigen, auf 1,5 Millionen Personen, die damit fast ein Drittel aller gewerblichen Arbeitskräfte stellten. Das Handwerk war und blieb der innergewerblich größte Beschäftigungsbereich. Hier zählte man um 1800 rund 1,2 Millionen Meister, Gesellen und Lehrlinge, bis 1875 waren es 2,7 Millionen. (...) Den gleichen Trend zeigte das Textilgewerbe, das absolut von 340.000 Beschäftigten auf 706.000 wuchs (...) Ein stetiges absolutes und relatives Wachstum verzeichnete (...) das Berg- und Hüttenwesen mit einem Anstieg der Arbeitskräftezahl von 40.000 auf 433.000 Personen zwischen 1800 und 1875. (...)

Aus dieser Vogelperspektive gesehen hat die voranschreitende Mechanisierung der Produktion in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts keineswegs zu Arbeitsplatzverlusten geführt. Zwar konnte herkömmliche Handarbeit in einzelnen Berufszweigen durch die Technisierung überflüssig werden. Im großen und ganzen aber waren die zeitgenössischen Befürchtungen, das zunehmende Maschinenwesen werde die arbeitende Bevölkerung um Lohn und Brot bringen, falsch: Gerade der Mangel an Industrie und damit an zusätzlichen Einkommensquellen hat die vormärzliche Massenarmut insofern verschärft, als der Bevölkerungs- und Arbeitskräfteüberschuß durch den sekundären Sektor nicht vollständig aufgenommen werden konnte. In den noch weitgehend agrarisch geprägten deutschen Ländern überschritt die Bevölkerungszahl den verfügbaren Nahrungsspielraum. Diese latente Überbevölkerung ging einher mit dem Rückgang des lebensfähigen Heimgewerbes und der Überfüllung der Handwerksberufe. So mündete die Bevölkerungszunahme in die vormärzliche Massenarmut, den Pauperismus. Mehr als die Hälfte der Menschen lebte in den 1840er Jahren in oder am Rande der Not. Die Industrialisierung und neue Techniken waren dafür nicht verantwortlich."?
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Gernot Weiser13:41
Wirklich sehr interessant. Danke für die Anworten.?

Untoter Ostgote15:40
Ähnlich auch: Reidegeld, Eckart (2006): Staatliche Sozialpolitik in Deutschland. Band I: Von den Ursprüngen bis zum Untergang des Kaiserreiches 1918. 2. Aufl. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, der ebenfalls dafür plädiert, den "Pauperismus" im 19. Jahrhundert nicht mit der "Arbeiterfrage" zu verwechseln:

"Es ist zunächst nicht eine relativ isoliert von anderen 'bedenklichen' Sozialerscheinungen aufgefaßte 'Arbeiterfrage', es ist der Pauperismus, jene 'neue, höchst bedeutsame und unheilvolle Erscheinung', eine die 'Arbeiterfrage' umfassende und über sie hinausgehende Massenverarmung, die in der Zeit nach der Französischen Revolution breite publizistische Beachtung findet. [...] 

Der Pauperismus, so ein zeitgenössischer Autor, sei 'da vorhanden, wo eine zahlreiche Volksklasse sich durch die angestrengteste Arbeit höchstens das nothdürftigste Auskommen verdienen kann, auch dessen nicht sicher ist, in der Regel schon von der Geburt an und auf Lebenszeit solcher Lage geopfert ist, keine Aussichten der Änderung hat, darüber immer tiefer in Stumpfsinn und Rohheit versinkt, den Seuchen, der Brandweinpest und viehischen Lastern aller Art, den Armen-, Arbeits- und Zuchthäusern fortwährend eine immer steigende Zahl von Rekruten liefert und dabei immer noch sich in reißender Schnelligkeit ergänzt und vermehrt.' [...]

Die Gesamtheit der Umwälzungen seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts tragen insofern zur Herausbildung des Pauperismus bei, als sie bestimmte in der 'alten Gesellschaft' bestehende, dem kommunalen Armenwesen und Verarmen vorgelagerte Hilfeformen in ihrer Tragfähigkeit fortschreitend unterminieren, ohne daß gleichzeitig in ausreichendem Maße neue, der 'modernen Welt' und der 'neuen Erwerbsordnung' entsprechende Hilfeformen und Hilfeinstanzen geschaffen werden. Hinzu tritt, daß der im Vergleich zur Bevölkerungszahl
viel zu geringe Entwicklungsstand der Produktivkräfte insbesondere in der
ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts jedem der schon damals vorgeschlagenen 'Umverteilungssysteme', selbst unter Einbeziehung verteilbarer Vermögensmassen 'gehobener Schichten', engste Grenzen gesetzt hätte. [...]

In dieser agrarischen Welt der Knappheit und stets drohenden Not für die Schichten und Gruppen der landlosen und landarmen Bevölkerung kommt der Ausdehnung und Ergiebigkeit der 'Protoindustrien' eine erhebliche Bedeutung zu. Diese ermöglichen eine karge Existenz oder ein 'Zubrot' für die Menschen, die, je nach Landschaft unterschiedlich bezeichnet, als Kätner, Kötter, Kossäten, Gärtner bzw. Büdner, Häusler, Insten, Einlieger, Heuerlinge und Gesinde ihr Leben fristen müssen. Diese 'protoindustrielle', gewerbliche Warenproduktion auf dem Lande, die Hausindustrie bzw. das Hausgewerbe, erweist sich als sehr unsichere Existenzgrundlage. Sie macht die soziale Lage der 'kleinen Leute' abhängig von der Aufnahme- und Zahlungsfähigkeit überregionaler und internationaler Märkte, sie konkurriert mit der übermächtigen, vordringenden Fabrikproduktion, die in ihr beschäftigten Menschen müssen sich mit niedrigstem Entgeld bescheiden, zu groß ist die Macht der Auftraggeber bei der hohen Zahl der Arbeit suchenden Hände. [...]

Die bedeutenden Krisen dieser Form der Warenproduktion im Vormärz, verursacht vor allem durch den technologisch-industriellen Rückstand gegenüber Großbritannien, führen in bestimmten Gegenden Deutschlands zu bitterster Not und Unruhen. Dies insbesondere, wenn diese Erscheinungen auch noch mit aktuellen Erntekrisen zusammenfallen. Nicht zuletzt rührt die ebenso aufrüttelnde, wie brutal niedergeschlagene 'Weber-Revolte' von 1844 aus diesen Zusammenhängen. [...]

Diese Umriß- und Dimensionsbestimmungen des Pauperismus machen in Zusammenschau mit einer späteren allmählichen, ungleichmäßig sich vollziehenden, nie krisenfreien Festigung der Lebensituation der 'Unterschichten' deutlich, daß es für das Deutschland des Vormärz unzutreffend ist, den Pauperismus durchgängig im Anschluß an Marx Schrift 'Das Kapital' oder Friedrich Engels Untersuchung über die Lage der arbeitenden Klasse in England als Erscheinung eines mehr oder weniger voll entfalteten Kapitalismus und der Bewegungs- und vor allem der Freisetzungstendenzen einer solchen Wirtschaftsverfassung zu verstehen. Pauperismus ist in seinen gravierenden Formen als 'Krise einer Übergangsgesellschaft' zu interpretieren, als Folge vor allem des Bevölkerungswachstums, des allmählich sich vollziehenden Umbaues der Agrar- und Gewerbeverfassung und der Krise der 'Proto-Industrie'. Dabei darf man die Sozialverhältnisse in der Zeit nach dieser Übervölkerungskrise keinesfalls verharmlosen. Die Weiterentwicklung des Kapitalismus mit seinem Arbeitskräftebedarf, der in der Tendenz ununterbrochene Anstieg der bald durch Düngemittel und Maschineneinsatz effektivierten landwirtschaftlichen Produktion verhindert vielmehr eine 'malthusianische Katastrophe' großen Ausmaßes."?
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Rolf Todesco15:56
hmmm ... jetzt haben wir wohl eine nicht mehr so ganz abstruse Perspektive erreicht. Es spielen sehr viele Faktoren zusammen (danke für den Hinweis auf die relative Bevölkerungsexplosion). Jetzt wird sichtbar, dass pseudoKausalitäten zwischen der Entwicklung der Maschinerie und der sogenannten Arbeitslosigkeit einfach einem abstrusen Beobachten geschuldet sind. Bei +Christoph Kappes läuft ja gerade dieselbe Diskussion auf dieselbe Art.
Sinnigerweise sagt +Christoph Kappes, dass er ein Experte in Bezug auf die Entwicklung der Technik sei, aber kein Experte in Bezug auf soziale Verhältnisse wie Armut und Arbeitsverteilung. Er suggeriert aber wie seine Gegner einen Zusammenhang zwischen Tenikentwicklung und Anzahl der Arbeitslosen. Der Streit geht (auch) dort darum wie und wie gross dieser Zusammehang sei.
Eine sinnvolle Alternative wäre wohl solche Kausalitäten gar nicht zu denken (oder zu bedenken, wozu sie gedacht werden).?

Untoter Ostgote16:10 (bearbeitet)
+Rolf Todesco Richtig: die ganze Diskussion ist eigentlich schon vom Ansatz her falsch. Bernhard Irrgang schreibt dazu: "In Konflikten um die Technikbewertung geht es aber nicht um einzelne Argumente. Joseph Huber geht beispielsweise davon aus, daß alle öffentlichen Debatten, die in den letzten Jahrhunderten um technische Innovationen geführt worden sind, weder primär technologische, noch in erster Linie wirtschaftliche
oder machtpolitische Fragen zum Inhalt hatten. Diese Technikdebatten waren vielmehr 'Geltungskonflikte von Weltbildern'. Die dabei konkurrierenden Technikbilder sind Bestandteil umfassender Weltbilder, die auch ganz bestimmte Auffassungen vom Wesen der Wissenschaft, der Natur und des Menschen implizieren. 'Die Technik- und Weltbilder erfüllen eine geradezu universelle gesellschaftliche Steuerungsfunktion'. Richtiger gesagt, sie setzen Ziele und geben Orientierung. Sie schaffen Sinn. Von ihnen hängt ab, wie man etwas sieht oder übersieht - d.h. wie Tatsachen wahr genommen, interpretiert und bewertet werden - und wie man sein Tun und Lassen ausrichtet - d.h. welche handlungsleitenden Konsequenzen gezogen werden."

Diese "Geltungskonflikte" öffentlich auszutragen, ist das eigentliche Kerngeschäft von Leuten wie Christoph Kappes und vielen anderen, die übers "Internet" schreiben. Dagegen ist an sich nichts zu sagen, man muß nur wissen, womit man es zu tun hat.?
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Rolf Todesco16:27
+Untoter Ostgote  ja, perfekt. Jetzt würde ich meine Geschichte dahin drehen, dass es mir selbst auch um einen Geltungskonflikt eines Weltbildes geht: um Technik.
In all den Diskussionen (soweit ich überfliegend erkennen auch bei Irrgang, aber sowieso im g+-Kommentieren) wird system(at)isch nicht expliziet gemacht, was als Technik begriffen wird. Das Wort erscheint als Platzhalter für allerlei Weltbilder, aber nicht für ein (Welt)bild "Technik". So etwa hat N. Luhmann ziemlich alles "Soziale" zusammen geschrieben, aber Technik (wohl bewusst) immer aussen vor gelassen. Ich nehme an, dass er Technik als das Soziale überhaupt erkannte, und genau deshalb den blinden Fleck darauf legte.
Ich beobachte fast durchgehend dass von Digitalisierung und von Medien gesprochen wird, um der Technik auszuweichen. Da kann ich aber nicht sagen:
"Dagegen ist an sich nichts zu sagen, man muß nur wissen, womit man es zu tun hat."
sondern mir scheint eher umgekehrt, der Diskurs zeigt gerade, das man NICHT weiss, womit man es zu tun hat.?
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<br>[Ostgote zu BigData]
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Untoter OstgoteGestern um 22:30 (bearbeitet)  -  Öffentlich
Eigentlich schreibe ich gerade an einem Essay zu "Big Data in der Geschichtswissenschaft", durchaus kein unbedeutendes, aber auch kein völlig neues Thema: ich erinnere nur an die Debatten, die Emmanuel Le Roy Ladurie, Francois Furet und Michel de Certeau seit den sechziger Jahren ausgetragen haben. "Der Historiker von morgen wird Programmierer oder gar nicht mehr sein", behauptete Le Roy Ladurie damals - vor 40 Jahren. Da ich eine gewisse "Bohrtiefe" erreichen möchte und bereits im 19. Jahrhundert über die Aufnahme "statischer Daten" in die historische Hermeneutik gestritten wurde, beginne ich am Anfang der Geschichtstheorie und der heißt nunmal: Johann Gustav Droysen. Aber dazu später mehr.

Bei Droysen fand ich außerdem diesen hübschen Text von 1854, den ich gerne teile: "Mit den staatlichen Umgestaltungen hielten die Wirkungen der Geldwirtschaft gleichen Schritt. Sie wirkten da, wohin die politische Zersetzung nicht zu dringen vermochte, um so ungestörter und zu dem gleichen Ziel. In dem Maße, als der moderne Staatszweck alles in fungible Sachen verwandelt, lehrt und lernt man in Grund und Boden nur die Rente zu sehen, an den Personen nur die Arbeitskraft zu kalkulieren, die Ersparnisse (das Vermögen) in Kredit aufzulösen, die - denn in dieser Verwandlung entwickelt das Geld eine Expansivkraft wie Wasserdampf - dann Zins bringen von fiktiven Werten, von Kapitalien, die weder vorhanden waren, noch erworben werden. Was hat dagegen der bloße Fleiß, die kleine Arbeit, die Mittellosigkeit der unendlichen Mehrzahl der Menschen einzusetzen? Sie werden zu fluktuierender Masse. Wie soll sich dagegen das kleine Eigentum und die Freiheit der kleinen Leute behaupten? Der wirtschaftliche und moralische Ruin dringt immer furchtbarer, immer rascher vorwärts. In der Schwindelhaftigkeit des Staatskredits, in der Obermacht und Unverantwortlichkeit des Geldes, das ihn ermöglichen muß, in der Verarmung, Pulverisierung, Verpöbelung der untern Schichten, der auch schon die mittlern hilflos anheimfallen, in der breiartigen Gärung und der wachsenden Rechtlosigkeit, welche schon nur die immer stärkere Kompression, die immer kostspieliger gesteigerte Staatsmacht in Schranken hält, die damit immer maßloser wachsende Kreditwirtschaft, Geldherrschaft, Verarmung, Zuchtlosigkeit etc. - in diesem in sich selbst steigernden System, das die gegenwärtigen Zustände fordern und erzeugen, liegt die unüberwindliche Gewalt, mit der die Zerstörung des Alten fortschreitet."

Unser "Krisengefühl" ist offenbar auch nicht ganz neu.
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Weitere Fotos von Untoter Ostgote
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Martin MöbiusGestern um 23:59
Warum schreibst du das in anführungszeichen?
War im 19. Jhr nicht nicht ne ganze menge los das sich als krise bezeichnen lässt?
Ich erinnere mich an viele kriege, an auswanderung in die usa, an missernten.?

Untoter Ostgote07:30 (bearbeitet)
Das Literaturprogramm im Screenshot ist übrigens die moderne Form eines historischen "Exzerpierschranks" aus dem 17. Jahrhundert: http://books.google.de/books?id=LhX6DEbXkcAC&lpg=PA108&hl=de&pg=PA95, solche Schränke waren im Prinzip frühneuzeitliche Turingmaschinen und das wirft bereits ziemlich interessante Fragen zu den "Ordnungen des Wissens" in verschiedenen historischen Zeiten auf.

(Der Link geht zu dem Ausstellungskatalog "auf/zu. Der Schrank in den Wissenschaften", herausgegeben von der wunderbaren Museumswissenschaftlerin Anke te Heesen aus Berlin.)?
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Untoter Ostgote00:03+1
+Martin Möbius Jaja, das 19. Jahrhundert hat die "Krise" als geschichtsphilosophischen Begriff überhaupt erst erfunden: http://www.scribd.com/doc/30927204/Reinhart-Koselleck-Einige-Fragen-an-die-Begriffsgeschichte-von-Krise?

Rolf Todesco02:04Bearbeiten
ist doch halb erstaunlich, dass der Text 10 Jahre älter ist als das Kapital von Marx und auch (nur) den fungiblen Tauschwert über jeden Gebrauchswert stellt - ganz wie Marx?

Untoter Ostgote06:01 (bearbeitet)
+Rolf Todesco Ich weiß nicht, wo Droysen da oben "den Tauschwert über jeden Gebrauchswert stellt", aber über seltsame Parallelen zwischen Droysen und Marx hat sich schon Hans-Ulrich Wehler gewundert: Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 1, S. 553f.

Droysen war kein wirtschaftstheoretischer Stümper: er hatte Philologie bei August Boeckh studiert, dessen "Staatshaushaltung der Athener" der Wirtschaftsgeschichtsschreibung völlig neue Perspektiven erschlossen hat, er hat sich intensiv mit Wilhelm Roscher ("Grundriß zu Vorlesungen über die Staatswirthschaft", 1843) und Karl Knies ("Die politische Ökonomie vom Standpunkt der geschichtlichen Methode", 1853) beschäftigt, er hat später seine Studenten aufgefordert, die Seminare Gustav Schmollers zu besuchen, worauf einige seiner Schüler gänzlich vom Glauben an die Geschichtswissenschaft abfielen, sich - mit seiner Billigung und Förderung - der "Historischen Schule der Nationalökonomie" anschlossen und über deren "Verein für Socialpolitik" ging es weiter zu den großen Theoretikern des Geldes (Simmel), des Kapitalismus (Weber, Sombart) und des Historismus (Troeltsch), die alle irgendeine Beziehung zu Droysen hatten. 

Wenn man schon Zeitgenössisches in Droysens Text hineinlesen will: es bestehen durchaus Anspielungen auf Wilhelm Roschers "Absatzkrisen" von 1849, einem einflußreichen Text, der sich explizit mit "Krisen" auseinandersetzte - was ja auch Droysens Thema war. Bei Roscher stehen Sätze wie: "Der Hauptverlust bei den Krisen, welcher darin besteht, daß man Kapitalien mehr oder weniger unwiderruflich in falschen Spekulationen festgelegt hat, ist eigentlich schon vor der Krise eingetreten; nur wird sich das Volk erst durch die Katastrophe dessen bewußt, und der Kampf der Beteiligten darüber, wer den Schaden tragen soll, macht den Kern der Krise aus, die Ungewißheit über den Ausgang dieses Kampfes den Kern der gleichzeitigen Panik."

Daran hat sich auch nicht viel geändert.?
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Rolf Todesco10:18 +1
hmmm.. ja, ich habe wohl ziemlich akzentuiert gelesen: Die Geldwirtschaft wirkt mit dem Ziel alles in fungible Sachenzu verwandeln (= Finanzen in Geldform), in Grund und Boden nur die Rente zu sehen, an den Personen nur die Arbeitskraft zu kalkulieren ... das lese ich als keinen Gebrauchswert, sondern Geld zu sehen. Die anschliessenden Überlegungen (etwa Zinsen für nicht vorhandenes Kapital) sind Folgen der Tauschwertperspektive.
Aber das alles ist nicht mein Fach, ich habe nur darüber gestaunt, wie viel Geldwissen zu Marxens Zeiten schon verbreitet war (was mich ja eben als Laie zeigt).?

Untoter Ostgote13:41 (bearbeitet)
+Rolf Todesco Ah, jetzt verstehe ich Dich, danke. Die Trennung zwischen "Laien" und "Profis" ist in der Gesichtswissenschaft übrigens notorisch unscharf und wird nur durch die unsichtbaren Spielregeln gebildet, die der oben bereits erwähnte Michel de Certeau als "Gesetze des Milieus" analysiert hat. Demnach ist von der Recherchebewegung bis zur Produktion von Texten die "historiographische Operation" vor allem durch ein "institutionelles Verhalten" strukturiert, das "professionelle" Historiker im Laufe ihrer universitären Sozialisation eingeübt haben. Das hält viele "Laien" nicht davon ab, eine Expertise zu generieren, die sie mindestens auf Augenhöhe mit akademisch höher Graduierten bringt.

Was Geschichts-philosophie angeht, kann man sie gar nicht anders als laienhaft betreiben: Saint-Simon, Condorcet und Comte kamen aus der Mathematik, Marx war Sozialökonom, Max Weber war Jurist, aus der Biologie kamen Darwin und Haeckel, Oswald Spengler war Mathematik- und Baudrillard Deutschlehrer, Freud und Jaspers kommen aus der Psychiatrie, Kojève arbeitete im Finanzministerium und Fukuyama war Berater im State Department. Professionelle Historiker denken über den Sinn der Geschichte sowenig nach, wie Uhrmacher über die Struktur der Zeit.

Zu Deinem Staunen über das 19. Jahrhundert: Wirtschafthistoriker schreiben, daß der "eigentliche große Sprung zu stärker global integrierten Waren- und Faktorenmärkten" in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stattgefunden habe und "die Weltmärkte nahezu mit Sicherheit in den 1890er Jahren ebenso gut integriert [waren] wie in den 1990er Jahren". Sie betonen, daß die große Expansionsperiode des internationalen Handels und der Investitionen - sowie ihrer Bedeutung für die Ausformung gegenseitiger wirtschaftlicher Abhängigkeiten - in den Jahrzehnten vor 1913 lagen, worauf dann ein drastischer Rückgang wirtschaftlicher Integration folgte. Trotz des erheblichen Wachstums des internationalen Handels in den letzten Jahrzehnten, hat er, prozentual gemessen am weltweiten Bruttoinlandsprodukt, gerade erst wieder das Niveau der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg erreicht. Das 19. Jahrhundert hat diese Vorgänge in allen möglichen Formen selbst reflektiert, philosophisch, ökonomisch, soziologisch, in den großen Romanen: das ist der ganze Grund, warum man "Klassiker" lesen sollte.?
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Rolf Todesco13:47 +1
;-) der Laie hat ja noch eine andere Kehrseite, er ist nicht nur nicht professionell belesen, sondern liest das wenige, was er liest, auch ganz eigen(artig) akzentuiert, was dann oft unpassend scheint. Ich habe (in diesem Sinne eben) gelesen, wie Geld das Denken umstellt, nachdem es (merkantilistisch) einmal in Betrieb genommen wurde: Das "...wohin die politische Zersetzung nicht zu dringen vermochte .."
habe ich als marxsche Inversion gelesen, nämlich dass Geld (bewusst nicht Kapital) den politischen Prozess zum Kapitalismus eröffnet. Das finde ich in Deiner kurzen Textpassage von Droysen erstaunlich gut getroffen.
Und ja, 100 oder bald 200 Jahre später ist zu Geld in diesem Sinne immer noch wenig zu finden, Geldtheorie ist vielmehr Theorie davon, wie man Geld macht, als was das Geld mit uns macht.?
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Untoter Ostgote14:41 (bearbeitet)
Ja, ich weiß auch nicht, wo die Simmels des 21. Jahrhunderts sitzen. Wer ratsuchend die Spezialisten vom MPI für Gesellschaftsforschung konsultiert, die sich doch kraft Amtes und Forschungetats auskennen sollten, wird mit dürren Auskünften wieder heimgeschickt: "Die Aufmerksamkeit, die das Thema Geld in der Poesie immer genossen hat, hat in der Wissenschaft bis heute nur wenig Widerhall gefunden." Und: "Auch der 'Kollege von nebenan', nämlich der Ökonom, weiß zum Geld nicht allzu viel zu sagen." 

aus: Deutschmann, Christoph (Hg.), 2002: Die gesellschaftliche Macht des Geldes. Sonderheft 21 des Leviathan. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag.?
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Rolf Todesco15:58Bearbeiten
danke für die Belege - für Laien hat es ja auch was Gutes, wenn noch nicht so viel über eine Sache geschrieben wurde. Zuerst kann ich darüber staunen - was ja ein gutes Gefühl ist - und dann muss ich nicht viel bereits Geschriebenes zer-schreiben, wenn ich über Geld schreibe - was doch Arbeit spart - mithin danke auch dafür ;-)?
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