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Georg Vrachliotis: ‘Geregelte Verhältnisse - Architektur und technisches Denken in der Epoche der Kybernetik

[…] Ein solches Denken operierte ausschließlich mit technischen Modellen der Wirklichkeit. Man war an dem »Schaltplan« der Welt interessiert, nicht jedoch an ihrer Materialität. Doch selbst das führte nicht zwangsläu?g zu der hier angesprochenen Rigorosität im Denken. Diese basierte auf einer wesentlich subtileren und zugleich radikaleren Disposition der Kybernetik: der Vorstellung, die Grenzen zwischen Objekt und Subjekt, Natur und Kultur endlich überwinden zu können, um so zu einem neuartigen Modelldenken, einem alles erfassenden Erkenntnisinstrument und schließlich zu einer übergeordneten Methode der Weltanalyse zu gelangen. Die Rigorosität im Denken basierte in vielerlei Hinsicht auf dem Anspruch der Kybernetik als Universalwissenschaft. Doch was versprachen Kommunikationsstrukturen und Regelkreise, dass es unzähligen Architekten ein Anliegen war, die tradierten humanistischen Fundamente ihrer eigenen Disziplin freizulegen und die Materialität von Architektur durch eine abstrakte Modellwelt aus symbolischen Maschinen zu ersetzen? Worin lag für die Architektur der methodische Reiz dieses technischen Denkens? Niklas Luhmann führte die Faszination an der Kybernetik auf zwei Versprechen zurück, deren verführerischer Glanz auch viele Architekten blendete: ln einer sich ständig wandelnden Welt schien die Kybernetik zum einen das Gefühl von »Konstanz« technisch zu realisieren und zum anderen »invariante Zustände um Variablen (also nicht Dinge[n]!) durch Kommunikationsprozesse erklären« zu können. Die Fähigkeit der Kybernetik, in einem instabilen Umfeld Stabilität technisch »realisieren« und gewährleisten zu können, bekommt mit Blick auf Luhmann eine konkrete gesellschaftspsychologische Nuance: Technische Stabilität wird zu einem Synonym für soziale Stabilität. Der Begriff der Rückkopplung oder des Feedback, verstanden als Grundoperation der Regelung eines jeden sich selbst steuernden Systems erhält den Status einer sozialwissenschaftlichen Metapher. (Seiten 10-12) .

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