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von Bertalanffy, L. / Beier, W. / Laue, R.: Biophysik des Fliessgleichgewichts. Vieweg, Braunschweig 1977 (2.,erw. Aufl)

1. Auflage 1953, noch ohne Co-Autoren, gleicher Verlag, die 2. Auflage wurde von Beier und Laue in der DDR (in dem Teil von Deutschland, der damals seinen Krieg noch gewonnen hatte und deshalb auf die Systemlehre setzte, obwohl Bertalanffy in Amerika lebte) geschrieben. Obwohl das Buch weitgehend überarbeitet wurde und insbesondere die Forschung von Prigogine aufgenommen wurde, fehlen Verweise auf die Kybernetik von N. Wiener und R. Ashby.
Ich lese die 2. Auflage, wie wenn sie von L. von Bertalanffy geschrieben wäre, weil es mir um dessen Auffassung von Systemlehre geht. Damit wird mir auch bewusst, dass mein "Bertalanffy" ein abstrakter Autor ist, der mit dem wirklichen Bertalanffy belieig viel zu tun hat.

Anmerkungen

L. von Bertalanffy behandelt den Organismus ("ähnelt eher einer Flamme als einem Kristall"). Ich verstehe nicht, was er gewinnt, wenn er ihn als "System" bezeichnet, er könnte ebensogut von einer Organismustheorie sprechen. H. Maturana spricht von einer "autopoietischen Maschine".

Der Organismus ist nach L. von Bertalanffy ein "offenes" System, weil er Materie aus der Umwelt einverleibt (Stoffwechsel). Die spezifische Eigenschaft des Organismus ist, dass er den Stoffwechsel als Fliessgleichgewicht (staedy state) vollzieht. Der Begriff "staedy state" stammt von Hill 1931. Maschinen werden einmal hergestellt und haben dann keinen Austausch mehr mit ihrer Umwelt.

Die gleiche Differenz postuliert später H. Maturana. Während ich bei L. von Bertalanffy noch keine selbstreferentielle Reflexion erkennen kann, ist bei H. Maturana gerade das Problem, wie man wissenschaftliche Aussagen machen kann, wenn man die Welt als operational geschlossenes System konstruiert.

Eine Grundproblematik (Modelle sind Beschreibungen) zieht sich durch: "Modelle können sowohl ... technische oder organismische Gebilde als auch ... verbale oder mathematische Beschreibungen sein" (S.9) Mit diesen Satz beginnt die Absurdität der Allgemeine Systemtheorie. Ein Modell ist ein Modell, und keine Beschreibung. Man kann ein Modell beschreiben. Und organismische Modelle gibt es nicht. Modelle sind Artefakte und deshalb gerade nicht organismisch, es sei denn, man betrachte eine Labormaus als Modell für einen Menschen.

Diese unsinnige Abstraktion bewirkt, dass die Allgemeine Systemtheorie in der Praxis der Naturwissenschaften keine und in der Geisteswissenschaft eine völlig beliebieg Rolle spielt.

In diesem Buch wird gezeigt, dass sich ein bestimmter Aspeskt des Organismus mit mathematische Funktionen beschreiben lässt, die verallgemeinerbar sind. Als wirkliche Erklärung bezeichnet Bertalanffy die Angabe von spezifischen Bedingungen und Gesetzmässigkeiten, die für einen Gegenstand gelten. Gemeint ist damit eine mathematische Formulierung von Prozessen (etwa des Stoffwechsels), die für den Zustand des Organismus notwendig sind. Das, was L. von Bertalanffy als "wirkliche" Erklärungen bezeichnet, sind solange keine (oder allenfalls allgemeinsystemtheoretische) Erklärungen, als sie nur Bedingungen beschreiben, die man nicht willentlich herstellen kann. Eine eingängige Formulierung dazu stammt von Hellinger: Ein Kind kann man nicht "machen", das Kind macht sich selbst. Damit ein Kind sich selbst machen kann, braucht es bestimmte Bedingungen. Ueber diese Bedingungen können wir hinreichend genau sprechen, das heisst, wir können im Sinne von L. von Bertalanffy einen Teil der Bedingungen (auch mathematisch) formulieren: Wir könne etwas sagen, dass es eine Gebärmutter mit einem bestimmten chemischen Milieu braucht, usw. Aber das alles erlaubt es uns nicht, ein Kind zu machen - weil wir uns nicht erklären können, wie das geht.

Natürlich können wir auch keinen Computer "machen", wenn man "machen" jenseits des Artefakte herstellens versteht. Um einen Computer zu machen, brauchen wir Materie mit bestimmten Eigenschaften, zB Metall, und die "machen" wir ja nicht. Ich kann sehr leicht unterscheiden zwischen artefaktischen und autopietischen Maschinen, aber natürlich mache diese Unterscheidung ich. Und die Allgemeine Systemtheorie schlägt eben vor, diese Unterscheidung nicht zu machen. Allerdings legte gerade L. von Bertalanffy grossen Wert darauf, dass er das Leben und nicht Mechanik beschreibt.