zurück ]      [ Stichworte ]      [ Literatur ]      [ Die Hyper-Bibliothek ]      [ Systemtheorie ]

Vogl, Joseph: Der Souveränitätseffekt. diaphanes, Zürich 2015


Anmerkungen von D. Baecker in catjects: Der blinde Fleck des „Kapitalismus“: Zu J. Vogls „Der Souveränitätseffekt“, © Peter Lang AG Zeitschrift für Germanistik, Neue Folge XXV (2015), H. 3, S. 635–642

Vogl besteht auf dem Begriff des Kapitalismus: „Denn die Reichweite dieses Begriffs, von dem Historiker behaupten, er komme durchs Fenster zurück, nachdem man ihn zur Tür hinausgeworfen habe, ist weder auf die Bezeichnung marktwirtschaftlicher Prinzipien noch auf die Umschreibung von Wirtschaftssystemen überhaupt reduzierbar. Die Begriffsprägung ist seit Ende des neunzehnten Jahrhunderts vielmehr mit einer historischen Problematisierungsweise verknüpft, die neben Wirtschaftsformen, Unternehmensstrukturen und Eigentumsverhältnissen auch politische, kulturelle und mentalitätshistorische Parameter einschließt“ (S. 116).

Wunderbar zurückhaltend formuliert Vogl, dass niemand eine Antwort auf die „[…] grundsätzliche Frage (findet), auf welche konkrete Weise sich die Korrelationen zwischen Zentralbank und Marktdynamiken organisieren, ob diese Beziehungen episodisch und ereignishaft oder kontinuierlich und konstant funktionieren, in welcher Hinsicht Zentralbanken innerhalb oder außerhalb des Wirtschaftssystems agieren und ob sie dabei eine schwache, notwendige oder hinreichende Bedingung für die Reproduktion des Finanzwesens darzustellen vermögen“ (S. 201).

Wenn man den Kapitalismus mit Vogl als Versuch versteht, „künftige Reichtümer in gegenwärtige Profite zu verwandeln und unabsehbare Zukünfte zu kapitalisieren“ (S. 250), und als funktionale Bedingung der Reproduktion von Herrschaft versteht – „Als elementare kapitalistische Aktionsweise transferieren Investitionen Geldmittel, um soziale Abhängigkeitsverhältnisse und Verbindlichkeitsstrukturen zu reproduzieren“ (S. 117) –, ist diese Wendung der Kritik in die Ablehnung der Verhältnisse nicht zu vermeiden.