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Segal, Lynn: Das 18. Kamel oder die Welt als Erfindung. Piper, München 1988

'Die Geschichte vom 18. Kamel

"Ein Mullah ritt auf seinem Kamel nach Medina; unterwegs sah er eine Herde von Kamelen; daneben standen drei junge Männer, die offenbar sehr traurig waren. 'Was ist euch geschehen, Freunde?' fragte er, und der älteste antwortete: 'Unser Vater ist gestorben.' 'Allah möge ihn segnen. Das tut mir leid für euch. Aber er hat euch doch sicherlich etwas hinterlassen?' 'Ja', antwortete der junge Mann, 'diese siebzehn Kamele. Das ist alles, was er hatte.' 'Dann seid doch fröhlich! Was bedrückt euch denn noch?' 'Es ist nämlich so', fuhr der älteste Bruder fort, 'sein letzter Wille war, daß ich die Hälfte seines Besitzes bekomme, mein jüngerer Bruder ein Drittel und der jüngste ein Neuntel. Wir haben schon alles versucht, um die Kamele aufzuteilen, aber es geht einfach nicht.' 'Ist das alles, was euch bekümmert, meine Freunde?' fragte der Mullah. 'Nun, dann nehmt für einen Augenblick mein Kamel, und laßt uns sehen, was passiert.' Von den achtzehn Kamelen bekam jetzt der älteste Bruder die Hälfte, also neun Kamele; neun blieben übrig. Der mittlere Bruder bekam ein Drittel der achtzehn Kamele, also sechs; jetzt waren noch drei übrig. Und weil der jüngste Bruder ein Neuntel der Kamele bekommen sollte, also zwei, blieb ein Kamel übrig. Es war das Kamel des Mullahs; er stieg wieder auf und ritt weiter und winkte den glücklichen Brüdern zum Abschied lachend zu".

Zu dieser Geschichte meint Heinz von Foerster: "So wie das achtzehnte Kamel, so braucht man Wirklichkeit als eine Krücke, die man wegwirft, wenn man sich über alles klar ist".' (9)

Anmerkungen von Robert Ottiger
Im Gegensatz zu Heinz von Foerster halte ich es mit der Wirklichkeit, wie der Mullah mit seinem Kamel. Sie dient mir in vielerlei Hinsicht, zum Unterwegssein wie zum Lösen von Rätseln. Wozu sollte ich sie wegwerfen, wenn ich mir über alles im Klaren bin?

Anmerkungen von Rolf Todesco

Brief an Förster zu Gesetz auf S.98:
Ich glaube Sie argumentieren hier funktional statt konstruktiv!
Förster unterscheidet Gesetz und Naturgesetz: Verfügung im sozialen Kontext versus erklärendes Prinzip. Kriterium: Wer wird im Abweichungsfalle bestraft? Bei Gesetzen der Abweichende, bei Naturgesetzen derjenige, der das Gesetz aufgestellt hat (das verwendete Beispiel widerlegt das Argument: die Planeten verhalten sich nicht nach Newton, Newton ist trotzdem berühmt)
S. 128 Unsinn über digital/analog: Digital bezieht sich auf die Darstellung von Zahlen: 'In einer Digitalziffer wird der Wert einer Ziffer durch deren Platz bestimmt. (...) Die Nervenimpulse sind diskontinuierlich, aber die Frequenz ist der speziellen Erregung analog. Die Frage, ob das Neuron eine digitale Maschine ist oder nicht, ist also irreführend.
S. 132 Anthrop-Kritik: durch falsches Sprechen über Maschinen erzeugen wir falsche Vorstellungen über Menschen
S. 147 Ross Ashby: Die wichtigste Errungenschaft der Kybernetik ist, die Hauptmerkmale der Maschine als solcher* identifiziert zu haben. 2 wichtige Voraussetzungen: Die Maschine muss nicht aus einer bestimmten Materie bestehen! und Für das Verständnis der Maschine ist Energie absolut unwichtig: nur die Regelmässigkeit des Verhaltens zählt.!!
S. 150ff Trivial versus nicht triviale Maschinen: Triviale Maschinen reagieren immer gleich, nicht triviale Maschinen haben einen wirksamen Systemzustand: programmierbare Automaten!
S. 189 Reproduktion ist kein Kriterium für Leben, sondern eine Begleiterscheinung, die nötig ist um die Art zu erhalten. Autopösis bezieht sich auf autonome Handlungen, resp darauf, dass man nach selbstgemachten Gesetzen regelt.
S. 191 Pilot im Instrumenten-Flug: Er bedient bestimmte Steuerinstrumente um bestimmte Informationen auf den Anzeige-Instrumenten zu erhalten (Maturana Biologie of language)
S.207 Ball bezeichnet einen bestimmten nervösen Gesamt-Zustand, den wir einnehmen wenn der Ball da ist.
S.210 Relativitätsprinzip: Aussagen, denen ein anderer Beobachter etwas entgegenhalten kann, üssen auf einem höheren Niveau neu formuliert werden. Erdbewohner: die Erde ist das Zentrum, Marsbewohner: der Mars ist das Zentrum, beide Aussagen können nicht gleichzeitig richtig sein: höhere Ebene: die Sonne ist das Zentrum Solipsismus: Wenn ein Beobachter sich vorstellen kann, dass andere Beobachter sich etwas anderes vorstellen, muss er eine höhere Ebene suchen

Materialien