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Roth, Gerhard: Die Konstruktivität des Gehirns: Der Kenntnisstand der Hirnforschung«, in: Fischer 1995


Textstellen

"Bekanntlich können sehr unterschiedliche Umweltereignisse zur Reizung von Sinnesrezeptoren führen: Schalldruckwellen, Wasserströmungen, Geruchsmoleküle, Lichtquanten, mechanischer Druck usw. Diese Umweltereignisse stellen [...] nur einen winzigen Ausschnitt aus der physikalischen Welt dar.« Nur wenig später ist dann aber die Rede von den

"für den Organismus lebens- und überlebensrelevanten Ereignisse[n], die zusammen die Umwelt im eigentlichen Sinne bilden«". Worum es sich bei den (über-) lebensrelevanten Ereignissen handelt, beschreibt Roth folgendermaßen: "Stellen wir uns ein hypothetisches Primitivtier vor, das in einer Umwelt lebt, die nur aus ganz wenigen Ereignissen im Zusammenhang mit Nahrungserwerb, Flucht vor Feinden, Umgehen von Hindernissen und Erkennen von Artgenossen und Geschlechtspartnern besteht" (49).

"Eine neuronale Erregung entsteht in der Sinneszelle dadurch, daß sich die elektrischen Ladungsverhältnisse an ihrer Zellmembran in einer ganz bestimmten Weise verändern [...] Das am meisten verbreitete Sinnessystem ist die Mechanorezeption. Das Prinzip ist hierbei, daß durch Verbiegung der Zellmembran des Rezeptors die Leitfähigkeit der Membran verändert wird. Beim Lichtsinn wird die Membranleitfähigkeit durch Absorption eines Lichtquants verändert, beim Geruchs- und Geschmackssinn durch die Einpassung eines chemischen Moleküls in bestimmte Nischen der Rezeptoroberfläche" (49).

"Zugleich mit der Schaffung von Primärinformation wird aber neue Information geschaffen. Dies geschieht zum einen durch Kombination von Primärinformation, zum anderen durch Integration von Primärinformatiom mit bereits im Gehirn vorliegenden Informationen" (52).

"Die Tatsache, daß uns als Beobachtern Wahrnehmung sehr häufig als Abbildung der Welt erscheint, rührt daher, daß wir diejenige Umwelt, für die wir im Gehirn einer Versuchsperson oder eines Versuchstieres nach Abbildungen suchen, durch die Brille unseres visuellen Systems bereits als Konstrukt wahrnehmen. [...] Sofern das beobachtete Gehirn dem unseren ähnlich ist, darf es uns nicht verwundern, daß wir starke Korrelationen feststellen. Deshalb ist es für die empirische Untersuchung der Frage nach Abbildung und Konstruktivität der Wahrnehmung besonders wichtig, dasjenige zu untersuchen, was sich auf der Ebene der Sinnesrezeptoren und der vorbewußten Verarbeitungsstufen des neuronalen kognitiven Systems vollzieht" (60).