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Roth, Gerhard: Autopoiese und Kognition"Autopoiese und Kognition: Die Theorie H. R. Maturanas und die Notwendigkeit ihrer Weiterentwicklung«, in: Schmidt 1987


Textstellen

"Weg, der weitergegangen werden kann und muß. Zum einen betrifft dies Weitergehen die inhaltliche Ausführung und Ausfüllung des Maturana/Varela-Konzepts der Autopoiese und der Kognition, die die Autoren selbst bisher nicht geleistet haben, die aber erst die Basis einer wirklich fruchtbaren Anwendung in den Wissenschaften darstellt, und zum anderen die Korrektur einer Reihe von erheblichen Brüchen und Inkonsistenzen" (257)."

"daß man die spezifischen Leistungen des Gehirns als eines kognitiven Systems nur verstehen kann, wenn man begreift, daß es nicht wie ein autopoietisches System funktioniert. Der Prozeß der Autopoiese des Organismus und der Prozeß der selbstreferentiellen Erzeugung neuronaler Erregung im Nervensystem sind grundverschieden." (262).

"Im Gegensatz zu den an der Autopoiese eines Organismus direkt beteiligten Prozessen [...] können die Prozesse und Komponenten eines Nervensystems, nämlich die Nervenzellen, sehr viele unterschiedliche Zustände annehmen [...]. Diese Möglichkeit liegt darin begründet, daß im Gegensatz zu den Komponenten eines autopoietischen Systems sich die Nervenzellen nicht notwendig durch ihre neuronale Aktivität selbst (bzw. gegenseitig zirkulär) erhalten müssen" (266).

"Die Autonomie des Gehirns ist ganz wesentlich eine Freisetzung von der Existenzerhaltung [...]. Dies gerade ist die Grundlage der spezifischen Leistung menschlicher Kognition, nämlich Konstitution von Wirklichkeit und damit die Möglichkeit, Handlungs-Planung zu betreiben, d.h. etwas zu tun, was noch keinen Nutzen für den Organismus hat" (270).

"Eine ganz neue Stufe der Autonomie, die nun in der Tat auf dem Prinzip der operationalen Abgeschlossenheit beruht, erreichen wir in lernfähigen kognitiven Systemen, d.h. solchen Systemen, die ihre Netzwerkstruktur in weitem Maße ändern können. [..] Diese kognitiven Systeme sind also dadurch nicht steuerbar, daß jede Einwirkung der Umwelt, indem diese vom kognitiven System gedeutet und bewertet wird, historische Spuren hinterläßt, die die Deutung und Bewertung jeder weiteren Einwirkung verändern" (273).

"Das materielle, reale Gehirn, als Teil des autopoietischen Organismus, schafft sich durch Selbstbeschreibung und Selbstexplikation eine eigene Welt, nämlich die Wirklichkeit, in der wir leben und deren Teil wir [...] selbst sind. [...] Kognition ist damit an Autopoiese angebunden, überdauert mit ihr und geht mit ihr zugrunde. Zugleich aber unterliegt Kognition, indem sie von der Autopoiese erhalten wird und nicht für ihre eigene materielle Existenz sorgen muß, nicht denselben Gesetzmäßigkeiten, die für die Autopoiese gelten. Sie konstituiert einen grundsätzlich neuen Seinsbereich, denn sie schafft Prozesse, nämlich die der Selbstbeschreibung, die es in der physikalisch-chemischen Welt der Autopoiese grundsätzlich nicht gibt" (275).