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Postman, Neil: Das Technopol. Die Macht der Technologien und die Entmündigung der Gesellschaft, Fischer, Frankfurt am Main 1992, ISBN 3-10-062413-0.

N. Postman gibt einen wissenschaftshistorischen Rückblick zu der Entwicklung des Technologiebegriffes und seinen Einfluss auf die Gesellschaft:

"Um es dramatisch zu formulieren: man kann gegen die Technik den Vorwurf erheben, daß ihr unkontrolliertes Wachstum die Lebensquellen der Menschheit zerstört. Sie schafft eine Kultur ohne moralische Grundlage. Sie untergräbt bestimmte geistige Prozesse und gesellschaftliche Beziehungen, die das menschliche Leben lebenswert machen. Kurz, die Technik ist beides – Freund und Feind." (S. 3)

Die Wissenschaften - und hier insbesondere die Naturwissenschaften - haben zu anfangs einen unvergleichlichen Siegeszug der Menschheit in Form des technologischen Fortschritts ermöglicht. Hierdurch ist vermeidbares Leid, vermeidbar geworden (s. Medizin) und angestrebter Wohlstand (s. Ökonomie) und Komfort (s. Technik) erreichbar geworden. Dies entspricht ganz den Gedanken des "technokratischen Pioniers" Francis Bacon (S. 22).

"Mit dem Aufstieg des Technopols verschwindet eine dieser [technologische vs. traditionelle] Gedankenwelten. Das Technopol beseitigt die Alternativen, die es zu ihm gibt, auf ebenjene Weise, die Aldous Huxley in Schöne neue Welt beschrieben hat. Es drängt sie nicht in die Illegalität, auch nicht in die Immoralität. Es macht sie nicht einmal unpopulär. Es macht sie einfach unsichtbar und damit irrelevant. Und dies gelingt ihm, indem es das, was wir unter Religion, Kunst, Familie, Politik, Geschichte, Wahrheit, Privatsphäre, Intelligenz verstehen, neu definiert, dergestalt, daß die Definitionen schließlich den Anforderungen des Technopols genügen. Mit anderen Worten, das Technopol ist die totalitär gewordene Technokratie." (S. 29)

N. Postman unterscheidet drei Stufen der Technologieentwicklung:

1. Die Werkzeugkultur: herrscht bis ins 17. Jahrhundert vor. Bei ihr besteht noch ein elementarer Zusammenhang zwischen dem Einsatz des Werkzeuges und den Produktionsbedingungen. Die Technologie ist hier nur Mittel zum Zweck und hat sich noch verselbständigt. "Die Werkzeuge sind hier nicht Eindringlinge. Sie sind in die Kultur so integriert, daß sie keinen entscheidenden Widerspruch zu deren Weltsicht anzeigen." (S. 16)

2. Die Technokratie: beginnt ihren Siegeszug Mitte des 18. Jahrhunderts mit James Watts Erfindung der Dampfmaschine (1765). Von da an spielen die Werkzeuge und Maschinen einen immer größere Bedeutung für die Gedankenwelt der Kultur. Sie halten Einzug über die Veränderung von Symbolen und werden zum täglichen Begleiter in allen Lebensbereichen. "Die Werkzeuge werden in die Gesellschaft nicht integriert; sie attackieren die Gesellschaft. Sie legen es darauf an, selbst die Kultur zu werden." (S. 18)

3. Das Technopol: "Huxley selbst nannte als den entscheidenden Augenblick für den Übergang von der Technokratie zum Technopol die Entstehung des Imperiums von Henry Ford, und deshalb wird in seiner Schönen neuen Welt die Zeit in v. F (vor Ford) und n. F. (nach Ford) eingeteilt." (S. 30) Hier haben sich die Technologien verselbständigt und sind selber zum Inhalt der Kultur geworden. Viele Bereiche des menschlichen Lebens sind nun dem Diktat der "Objektivität, Effizienz, Sachverstand, Standardisierung, Meßbarkeit und Fortschritt" unterworfen, aus dem es auch kein Ausbrechen mehr gibt.

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