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Steven Levy, KL - Künstliches Leben aus dem Computer, Droemer Knaur, München 1993

ISBN 3-426-26477-3, ca. DM 42.-

Buchbesrechung in "Psychologie heute" von Rolf Todesco

Wer seine Phantasie noch viel weiter schweifen lassen will, findet bei Steven Levy Unterstützung, der seinen Neurocomputern sogar Leben zugesteht, wenn auch vorerst nur "Künstliches". Natürlich muss sich auch der Leser von Levy mit ganz gewöhnlichen Computern, die Leben nur simulieren, zufrieden geben. Wer dies aber tut, erfährt eine ungemein spannende Welt, in welcher sich alles selbst rekonstruiert, und sei es nur, um sich selbst zu verstehen. Leben wirklich verstehen, sagt die KL-Forschung, heisse Leben erschaffen. Diesem Postulat kann man natürlich auch zustimmen, wenn man nicht glaubt, dass die Menschen je auf künstlichem Weg Leben erschaffen werden. Die "weichen" KL-Forscher sehen ihre Aufgabe denn auch nur in graduellen Annäherungen an wirkliches Leben.

Die Leitgedanken der "harten" KL-Linie stammen vom Computerpionier von Neumann, der eigentlich immer an sich selbst reproduzierenden Robotern arbeitete und die wesentlichen Konzepte der KL-Forschung begründete, die von Levy in Form von vielen Erfinderbiographien - die an Die Seele in der Maschine von Tracy Kidder erinnern - hervorragend diskutiert werden.

Im Zentrum des Buch steht der Zellularautomat, ein abstrakter Organismus, der aus finiten Zellen besteht, die sich in übergeordneten Verbänden organisieren. Die von Gegnern der KL postulierte Vis vitalis wird in der KL durch Selbstorganisation ersetzt, also durch ein wie die Schwerkraft beobachtbares Naturprinzip. Selbstorganisation hält die Natur gegen die in der Thermodynamik postulierte Entropiezunahme im Gleichgewicht.

Da die Zellularautomaten in unserer Welt leben, sind sie wie alles Leben der evolutionären Selektion ausgesetzt. Da sich die Automaten aber selbst reproduzieren, kann KL-Evolution kann nach Lamarkschen Gesetzen stattfinden: Die Automaten "vererben" positive Eigenschaften. Natürlich entwickeln sie sich dadurch rasant, weshalb nicht nur die Gefahr besteht, dass sie sich unserem Einfluss entziehen, sie könnten uns sogar überholen und auf ein Abstellgeleise der Evolution verweisen. Die erste, kleinere Gefahr demonstriert Levy anhand der berüchtigten Computerviren. Er zeigt aber auch positive Verwendungen dieser Halblebewesen und verlangt von uns den Mut, künstlichem Leben eine Chance zu geben.