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Hermann Hesse: Siddhartha. Eine indische Dichtung. 110 g. 120 S. 52. A. 2001. Suhrkamp-Tb. (182). Suhrkamp Taschenb. Kartoniert. SFr. 11.50 ISBN 3-518-36682-3

Zusatztext

Zusammenfassung

Diese Legende von der Selbstbefreiung eines jungen Menschen aus familiärer und gesellschaftlicher Fremdbestimmung zu einem selbständigen Leben zeigt, daß Erkenntnis nicht durch Lehren zu vermitteln ist, sondern nur durch eigene Erfahrung erworben werden kann. In dieser fiktiven Lebensgeschichte Buddhas (Siddhartha war sein Vorname) suchte Hesse zu ergründen, »was allen Konfessionen und menschlichen Formen der Frömmigkeit gemeinsam ist, was über allen nationalen Verschiedenheiten steht, was von jeder Rasse und von jedem Einzelnen geglaubt werden kann.«

Wie authentisch diese indische Dichtung buddhistisches und taoistisches Gedankengut assimiliert hat, zeigt sich nicht nur stilistisch in der rhythmischen Diktion der Reden Buddhas, sondern auch wirkungsgeschichtlich durch die millionenhafte Verbreitung, die das Buch in den asiatischen Ländern gefunden hat. Nur eine jahrzehntelange Vertrautheit mit den kulturellen Traditionen Indiens und der altchinesischen Philosophie von Lao Tse vermochte das Komplizierte auf so gültige Weise zu vereinfachen

Leseprobe

Der Sohn des Brahmanen

Im Schatten des Hauses, in der Sonne des Flußufers bei den Booten, im Schatten des Salwaldes, im Schatten des Feigenbaumes wuchs Siddhartha auf, der schöne Sohn des Brahmanen, der junge Falke, zusammen mit Govinda, seinem Freunde, dem Brahmanensohn. Sonne bräunte seine lichten Schultern am Flußufer, beim Bade, bei den heiligen Waschungen, bei den heiligen Opfern. Schatten floß in seine schwarzen Augen im Mangohain, bei den Knabenspielen, beim Gesang der Mutter, bei den heiligen Opfern, bei den Lehren seines Vaters, des Gelehrten, beim Gespräch der Weisen. Lange schon nahm Siddhartha am Gespräch der Weisen teil, übte sich mit Govinda im Redekampf, übte sich mit Govinda in der Kunst der Betrachtung, im Dienst der Versenkung. Schon verstand er, lautlos das Om zu sprechen, das Wort der Worte, es lautlos in sich hineinzusprechen mit dem Einhauch, es lautlos aus sich herauszusprechen mit dem Aushauch, mit gesammelter Seele, die Stirn umgeben vom Glanz des klar denkenden Geistes. Schon verstand er, im Innern seines Wesens Atman zu wissen, unzerstörbar, eins mit dem Weltall.

Freude sprang in seines Vaters Herzen über den Sohn, den Gelehrigen, den Wissensdurstigen, einen großen Weisen und Priester sah er in ihm heranwachsen, einen Fürsten unter den Brahmanen.

Wonne sprang in seiner Mutter Brust, wenn sie ihn sah, wenn sie ihn schreiten, wenn sie ihn niedersitzen und aufstehen sah, Siddhartha, den Starken, den Schönen, den auf schlanken Beinen Schreitenden, den mit vollkommenem Anstand sie Begrüßenden.

Liebe rührte sich in den Herzen der jungen Brahmanentöchter, wenn Siddhartha durch die Gassen der Stadt ging, mit der leuchtenden Stirn, mit dem Königsauge, mit den schmalen Hüften.