Verhalten nichtlinearer Systeme

1. Analyse dynamischer Systeme

2. Aspekte chaotischen Systemverhaltens

1. Analyse dynamischer Systeme

(nach Haken/Wunderlin)

1.1. Aufgabenstellung der Synergetik

 Sind die Eigenschaften der Untersysteme, die die Bausteine eines Gesamtsystems darstellen, vollständig bekannt, so können ihre Bewegungsgleichungen (Evolutionsgleichungen) aufgestellt werden, die auf einem systematischen Weg zu den Gleichungen der Ordnungsparameter führen, mit deren Hilfe der sich einstellende Makrozustand des Gesamtsystems abgeleitet werden kann. Hieraus ergeben sich allgemeine Erkenntnisse, die es gestatten, das Verhalten komplizierter nichtlinearer Vielteilchensysteme aus wenigen makroskopischen Vorgaben abzuleiten, auch wenn das Verhalten der Teilsysteme im Einzelnen nicht bekannt ist. (zur Dynamik von Netzwerken siehe Kauffman)

1.2. Systemanalyse

Die Analyse eines vorliegenden Systems führt zur Aufstellung eines Systems von Differentialgleichungen für die zeitliche Änderung des Zustandsvektors U, die durch eine im allgemeinen nichtlineare Funktion aller Variablen und Kontrollparameter und von Zufallskräften bestimmt ist. Wegen der Vielzahl der Gleichungen ist eine komplette Lösung im gesamten Zustandsraum (Phasenraum) i.a. nicht möglich, aber oft auch nicht von Interesse. Es werden deshalb nur Lösungen in Teilräumen gesucht, die durch die sog. Ordnungsparameter bestimmt werden.

1.3. Trajektorien

Die Bewegung der Systemvariablen erfolgt längs Trajektorien im Zustandsraum. Die Trajektorien schneiden sich nicht und enden in singulären Punkten oder Attraktoren. Bei 2 Variablen gibt es als solche singulären Objekte nur Knoten, Foki, Sattelpunkte und Grenzzyklen. Bei mehr als 2 Variablen kann es außerdem quasiperiodische und chaotische Attraktoren geben. Die Attraktoren beschreiben Gleichgewichtszustände des Systems. In ihrer Nähe können die Systemgleichungen linearisiert werden, in dem Variable eingeführt werden, welche die Abweichungen vom Gleichgewicht beschreiben. Diese linearisierten Variablen können so transformiert werden, daß sie orthogonal zueinander sind und somit nicht mehr voneinander abhängen. Die Lösungen dieser orthogonalen Variablen sind Exponentialfunktionen mit negativen Eigenwerten, welche die kollektiven Moden des Systems beschreiben, die abklingen.

1.4. Instabilität

Die Eigenwerte der kollektiven Moden hängen von den Kontrollparametern ab. Solange alle Eigenwerte negativ sind, kehrt das System nach einer Störung stets zum Attraktor zurück. Bei einer Änderung der Kontrollparameter wird der größte (d.h. der dem Betrag nach kleinste) Eigenwert zuerst Null und dann positiv. An dieser Stelle wird das System instabil und kann nicht mehr durch die linearisierten Gleichungen beschrieben werden. Die kollektiven Moden zerfallen in zwei Gruppen: Solche, die stabil bleiben (und abklingen) und solche die instabil werden.

1.5. Selbstorganisation und Versklavung

Durch die Nullstellen eines oder mehrerer Eigenwerte werden im Parameterraum Hyperflächen definiert, in deren Nähe die Eigenwerte der instabil werdenden Moden dem Betrage nach sehr klein werden, die Zeitkonstanten also entsprechend groß (und die Lösungen langsamveränderlich). Durch die nichtlinearen Anteile werden die Bewegungsgleichungen der kollektiven Moden miteinander verknüpft. Die durch die Eigenwerte bedingten Eigenlösungen der stabil bleibenden Moden klingen im Verhältnis zu den instabil werdenden sehr schnell ab, so daß die Amplituden der stabilen Moden über die nichtlinearen Kopplungsfunktionen nur der instabilen Moden vollständig bestimmt werden. Die stabilen (schnell abklingenden) Moden können deshalb aus den Gleichungen eliminiert werden. Übrig bleiben nur wenige Gleichungen für die instabilen Moden, die als Ordnungsparameter das (langsame Zeit-)Verhalten des Gesamtsystems bestimmen. Diese Ordnungsparameter verursachen die Prozesse der Selbstorganisation in der Nähe von Instabilitätsgrenzen. Der von Haken eingeführte Begriff der Versklavung ist im Grunde nur eine andere Bezeichnung für Selbstorganisation. Die stabilen Moden werden von den instabilen "versklavt".

1.6. Strukturelle Instabilität

Die Gebiete der strukturellen Instabilität (in denen Selbstorganisation stattfindet) können durch die Methode der linearen Stabilitätsanalyse nur gefunden werden, wenn in der Nähe der Instabilitätsschwelle genügend stabile Bereiche vorhanden sind. Dies ist im allgemeinen nur dann der Fall, wenn es nicht mehr als zwei Ordnungsparameter gibt. Das ist in sehr komplexen Systemen aber nur selten der Fall.

1.7. Phänomenologische Synergetik

Bei der Analyse eines Systems, bei dem das Verhalten der Untersysteme nicht genau bekannt ist, wird man bei der Änderung nur eines Kontrollparameters nur an eine einfache Instabilität stoßen, die durch das Instabilwerden nur eines Ordnungsparameters charakterisiert ist

2. Aspekte chaotischen Systemverhaltens

(nach Haken/Wunderlin)

2.1. Bifurkation, Periodenverdopplung und Selbstähnlichkeit

Zeitlich diskrete, aber auch andere Systeme definieren einen Weg zum Chaos über die Periodenverdopplung. Das einfachste Beispiel ist die logistische Abbildung. Charakteristisch ist die asymptotische Selbstähnlichkeit der Birfurkationspunkte. Von Bifurkationspunkt zu Bifurkationspunkt verkürzt sich der Maßstab um den Skalenfaktor 2.5029 und der Abstand der Bifurkationspunkte reduziert sich um den Faktor 4.669 (Feigenbaumkonstante)

2.2. Lorenzmodell

Kontinuierliche Systeme mit mindestens 3 nichtlinear gekoppelten Variablen führen zum deterministischen Chaos nach dem Lorenzmodell. Eng benachbarte Trajektorien laufen mit der Zeit immer weiter auseinander und in einen aperiodischen Attraktor ein, der sich selbst niemals berührt und eine fraktale Dimension besitzt.

2.3. Cantormenge und Faltungsabbildung

Die auseinanderstrebenden Trajektorien werden in einem Bereich "gefaltet" und laufen dann in anderer Anordnung wieder in das alte Gebiet ein.

2.4. Strukturelle Instabilität

An den Instabilitätspunkten ändert sich bei wachsendem Kontrollparameter der Charakter des Trajektorienbildes, das System wechselt in eine andere Äquivalenzklasse, in die keine Ähnlichkeitsabbildung mehr möglich ist

2.5. Intermittenz

Bei stetiger Veränderung des Kontrollparameters wechselt das System aus dem stetigen Gebiet mehrmals in durch rein periodisches und chaotisches Verhalten charakterisierte Gebiete. Die periodischen Phasen werden immer kürzer, bis sie schließlich ganz verschwinden.

2.6. Liapunov-Koeffizienten

Das Auseinanderstreben benachbarter Trajektorien in chaotischen Systemen kann durch den Liapunov-Koeffizienten charakterisiert werden.

Lambda =lim t-->cxo ln a(t)/t. Lambda wird im chaotischen System positiv.

2.7. Die fraktale Dimension

Ein Fixpunkt hat die Dimension d=0.

Ein Grenzzyklus hat die Dimension d=1.

Ein quasiperiodischer Attraktor (Torus) hat die Dimension d=2

Bei einem chaotischen Attraktor bestimmt sich die Dimension aus der Formel d = - Lim e-->0 ln(N(e))/ln(e) , wobei N(e) die Anzahl der Volumenelemente e des Attraktors ist.

Die Cantormenge hat die Dimension d = 0.6

Der Lorenzattraktor hat d = 2.06

2.8. Zusammenfassung

Die Chaostheorie ist offenbar noch in Entwicklung und selbst bisher nur chaotisch darstellbar. Alle zusammenfassenden Darstellungen behandeln nur einzelne Aspekte, deren Zusammenhang nicht nachvollziehbar und in systematischer Weise nicht abgeleitet wird. Das gilt auch für das ansonsten interessante Buch Zufall und Chaos von David Ruelle.

[siehe hierzu auch Annette Schlemm: Fraktale Selbstorganisation ]

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