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Brecht, Bertold: Legende von der Entstehung des Buches Taoteking auf dem Weg des Laotse in die Emigration

“Als er siebzig war und war gebrechlich Drängte es den Lehrer doch zur Ruh. Denn die Güte war im Lande wieder einmal schwächlich Und die Bosheit nahm an Kräften wieder einmal zu Und er gürtete den Schuh.”

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Doch am vierten Tag im Felsgesteine Hat ein Zöllner ihm den Weg verwehrt: „Kostbarkeiten zu verzollen?“ – „Keine.“ Und der Knabe, der den Ochsen führte Sprach: „Er hat gelehrt.“ Und so war auch das erklärt.

“Doch der Mann in einer heitren Regung Fragte noch: „Hat er was rausgekriegt?“ Sprach der Knabe: „Daß das weiche Wasser in Bewegung Mit der Zeit den mächtigen Stein besiegt. Du verstehst, das Harte unterliegt.“

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Was ist das mit diesem Wasser, Alter?“ Hielt der Alte: „Interessiert es dich?“ Sprach der Mann: „Ich bin nur Zollverwalter Doch wer wen besiegt, das interessiert auch mich. Wenn du’s weißt, dann sprich!”

“Schreib mir’s auf! Diktier es diesem Kinde! Sowas nimmt man doch nicht mit sich fort. Da gibt’s doch Papier bei uns und Tinte. Und ein Nachtmahl gibt es auch: ich wohne dort. Nun, ist das ein Wort?“

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Eine höfliche Bitte abzuschlagen War der Alte, wie es schien, zu alt. Denn er sagte laut: „Die etwas fragen Die verdienen Antwort.“ Sprach der Knabe: „Es wird auch schon kalt.“ „Gut, ein kleiner Aufenthalt.“

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Und dem Zöllner händigte der Knabe Eines Morgens einundachtzig Sprüche ein. Und mit Dank für eine kleine Reisegabe Bogen sie um jene Föhre ins Gestein. Sagt jetzt: kann man höflicher sein?

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Aber rühmen wir nicht nur den Weisen Dessen Name auf dem Buche prangt! Denn man muss dem Weisen seine Weisheit erst entreißen. Darum sei der Zöllner auch bedankt: Er hat sie ihm abverlangt.”