Zinsverbot        zurück ]      [ Stichworte ]      [ Literatur ]      [ Die Hyper-Bibliothek ]      [ Systemtheorie ]     

Als Zinsverbot bezeichne ich (tautologisch) das Verbot Zins zu nehmen. Das Zinsverbot ist in jeder religiösen Ethik als moralisches Gebot enthalten. Es ist aber auch in der Ökonomie eine rationale Option, über Zins in der Funktionsweise von Haushalten nachzudenken. Ein populäres Modell etwa ist die Freiwirtschaft von S. Gesell.

Das Zinsverbot motiviert sich durch den Effekt des Zinseszins


 

Zins wird von vielen Religionen unabhängig von der Grösse als Wucher aufgefasst und deshalb verboten. "Du sollst deinem Bruder keinen Zins auferlegen, Zins für Geld, Zins für Speise, Zins für irgendeine Sache, die man gegen Zins ausleiht (...).." 5. Mose 23, 20-21

Zinsverbot bezeichnet das im Alten Testament der Bibel und im Koran ausgesprochene Verbot, Zinsen zu verlangen. Dieses Verbot galt über lange Zeit auch im Christentum, es war Gegenstand jeder Reformation, (ganz deutlich bei Heinrich VIII. und bei Calvin). Im Alten Testament wird Juden das Nehmen von Zinsen untereinander verboten, „Fremden“ gegenüber hingegen erlaubt. Es gibt viele päpstliche Erlasse, die das Nehmen von Zinsen generell verboten. Erst im Kirchengesetz von 1983 wird das Zinsverbot (offenbar kommentarlos) gestrichen.

"Du sollst deinem Bruder keinen Zins auferlegen, Zins für Geld, Zins für Speise, Zins für irgendeine Sache, die man gegen Zins ausleiht. Dem Fremden magst du Zins auferlegen, aber deinem Bruder darfst du nicht Zins auferlegen, damit der Herr, dein Gott, dich segnet in allem Geschäft deiner Hand in dem Land, in das du kommst, um es in Besitz zu nehmen" 5. Mose 23, 20-21. In der Reformation (im Text Moses als "Fremdsein" signalisiert, wird Zins erlaubt

Die reformierten Orte wurden rasch zu Bankzentren. In der Schweiz vor allem Zürich und Genf, während die zuvor wichtigen Bischofsstädte rasch an Bedeutung verloren, etwa Freiburg, St. Gallen und Chur. Beachte: Martin Luther: "Nichts als Diebe, Räuber und Mörder seien Zinsnehmer für ihn". In der Schweiz setzte sich dagegen Calvin durch.

Die katholische Kirche tut sich generell schwer damit, einmal Erlassenes zu widerrufen. Formell gestrichen wurde das Zinsverbot tatsächlich erst 1983. Und das ohne grosses Aufsehen. Von päpstlicher Seite wurde der Passus erstmals unter Pius XI. aufgeweicht: In der Enzyklika „Quadragesimo anno“ von 1931 wurde formuliert, dass Zinsnehmen unter ganz speziellen Bedingungen auch zur allgemeinen Wohlfahrt dienen kann.
[Quelle]

In der DDR führte Walter Ulbricht den Zins Anfang der sechziger Jahre wieder ein. Im Rahmen des „Neuen Ökonomischen Systems der Planung und Leitung“, kurz NÖSPL, hieß er nun Produktionsfondsabgabe. Unternehmen hatten dem Staat zwangsweise Kredite abzunehmen und mussten diesen nicht nur mit Teilen ihrer Gewinne, sondern auch durch die Zahlung von Zinsen alimentieren.

Im Islam ist Zinsnehmen bis heute verboten. Es werden zwei Alternativen gezeigt:
a) Die Bank lässt sich ihre Verwaltungsarbeit bezahlen und Kredite werden versichert, was weitere Verwaltungsarbeit bedeutet, die auch bezahlt wird.
Die Islamische Bank verkauft Waren: Ich will ein Haus, habe aber kein Geld. Die Bank kauft das Haus ud verkauft es mir in Form von Ratenzahlungen. Dabei muss die Bank etwas verdienen, wie jeder Zwischenhändler, aber eben keinen Zins.

Zinskrise

  

Ein paar "Geschichte(n): [R. Geitmann]

Martin Luther (1483 -1546) war definitiv gegen Zins, seine Kirche erlaubte um 1600 Zinsnehmen in Abgrenzung von Wucher.

Ulrich Zwingli (1484 - 1531) geht in Richtung Säkularisierung einen Schritt weiter, indem er einerseits den Zins für ungöttlich und unchristlich erklärt, andererseits dem Staat das Recht zuerkennt, den Zinsfuß festzusetzen.

Johann Calvin (1509-1564) erlaubt das Zinsnehmen , wenn es mit Billigkeit und brüderlicher Liebe im Einklang stehe; im Gegensatz zum Wucher könne der Zins nicht unerlaubt sein, da sonst gewinnträchtiger Handel unmöglich sei. 'Geld ist dazu da, sich durch wirtschaftliche Tätigkeit zu vermehren.'

Heinrich VIII. Tudor (1491 - 1547) schuf 1534 die Anglikanische Kirche, William Tyndale wurde die Genehmigung erteilt, die Bibel ins Englische zu übersetzen 1537 erschien die aus den Übersetzungen Tyndales und Coverdales zusammengestellte „Matthäusbibel“ („Matthew-Bible“) und 1539 mit einem Vorwort von Cranmer die „Große Bibel“ („Great Bible“), eine gründliche Überarbeitung der „Matthäusbibel“. Heinrich erlaubte das Zinsnehmen.

Die Katholische Kirche:
Im Kirchengesetzbuch von 1918 (Kanon 1543) versucht die Katholische Kirche in einem kühnen Spagat die traditionelle Lehre und die heutige Geldwirtschaft zu vereinen, indem sie einerseits feststellt, daß der Darlehensvertrag keinen Gewinn rechtfertige, daß andererseits aufgrund (weltlichen) Gesetzes die Vereinbarung eines Gewinns erlaubt sei. Die ersatzlose Streichung des Zins-Kanons im neuen Kirchengesetzbuch von 1983 markiert das Ende des katholischen Zinsverbots

Gabriel Biel (1415-1495), scholastischer Philosoph, seit 1484 Professor der Philosophie und Gründungsmitglied der Universität Tübingen: Ein Contractus trinus (Versuch, das kirchliche Zinsverbot zu umgehen, indem durch Koppelung eines Gesellschaftsvertrages mit zwei Versicherungsverträgen eine feste Gewinnbeteiligung und die Rückgabe des geliehenen Betrages vereinbart wurden) ist moralisch gerechtfertigt.


 

Seit es Eigentum gibt, wird Zins verlangt und gezahlt. Schon die ersten Hochkulturen trafen daher Regelungen, die Höhe des Zinses zu begrenzen. In Mesopotamien ist der Codex Hammurapi überliefert, der in § 89 einen maximalen Zinssatz von 20% für Silberkredite und 33 1/3% für Gerstenkredite vorschrieb. Im klassischen Griechenland und Römischen Reich sind Zinssätze von 6 % bis 10% überliefert. Auch hier bestanden gesetzliche Regelungen gegen Wucher. Die Zinssätze schwankten je nach Bonität und wirtschaftlicher Lage.

Im Mittelalter bestand kein geregeltes Bankwesen. Verbindlichkeiten entstanden meist aus Notlagen, das Zinsniveau war dementsprechend hoch. Ab der Renaissance entwickelt sich wieder ein Bankwesen, beginnend in Norditalien. Gute Schuldner hatten die Möglichkeit, sich ab 4 % zu finanzieren.

Auch die Höhe der Zinssätze für Staatsanleihen stabiler Staaten im 18. und 19. Jahrhundert lagen zwischen 3 % und 5 %.[1] Entsprechend legte das BGB den gesetzlichen Zinssatz auf 4 % fest. Mit der Hyperinflation nach dem Ersten Weltkrieg stiegen auch die Zinssätze in astronomische Höhen. Seitdem schwanken die Zinssätze mit der Konjunktur und der Inflation. Als Hochzinsphase der Nachkriegszeit gelten die 1970er Jahre, während die Zinsen sich derzeit auf niedrigem Niveau befinden

Zinsen wurden in vergangenen Jahrhunderten an bestimmten Tagen im Jahr fällig (sogenannte Zinstage) und mussten bezahlt werden (Zahltag).

Kritik am Zins
Bei der Kritik ist zu unterscheiden zwischen ethischen und ökonomischen Aspekten. Im Tanach wird Juden das Nehmen von Zinsen untereinander verboten, „Fremden“ gegenüber hingegen erlaubt. Christen wurde bis in das 18. Jahrhundert durch päpstliche Erlasse das Nehmen von Zinsen generell verboten (siehe Zinsverbot, Enzyklika Vix pervenit). In einigen Staaten wird die Shariah so ausgelegt, dass jegliches Nehmen von Geldzinsen Wucher entspricht, und damit verboten ist. Zum Zinsverbot im Islam siehe Islamisches Bankwesen.

Zur Zeit des Nationalsozialismus wurde unter anderem von Gottfried Feder die sogenannte Brechung der Zinsknechtschaft gefordert. Darunter verstand Feder, dass das deutsche Volk sich in einem kontinuierlichen Abhängigkeits- und Ausbeutungszustand durch jüdisch geführte Finanzinstitute befinde.

Nach freiwirtschaftlicher Auffassung ist nicht der Zins das Problem, sondern der Anteil des Zinses - die Liquiditätsprämie - der ein marktgerechtes Absinken des Zinsniveaus auf etwa Null verhindert. In der Situation, in der das Zinsniveau die Liquiditätsprämie unterschreiten würde, würde nicht mehr (ausreichend) investiert. In Folge würde die "Geldhortung" (Liquiditätsfalle) dazu führen, dass die Geld-Umlaufgeschwindigkeit weiter reduziert würde und dies zu deflationären Zuständen führe.


Literatur

B. Senf: Die destruktiven Gesetzmäßigkeiten des Zinssystems und Wege zu seiner ÜberwindungZins
http://www.geldreform.de/ dort Volltexte
Zins im Islam
[Ein paar Prozent Streit]
[wpislamic banking]
H. Binswanger: Geld und Wachstum
[Kritik an der Zinskritik - http://www.nachdenkseiten.de/?p=10530]
[http://www.brainworker.ch/r-evolution/2_3_01%20Bibel.htm Was sagt die Bibel zum Zins ]
[zu T. Aquin]
Hejcl, Johann: Das Alttestamentliche Zinsverbot
[S. Kenawi: Texte zur Zinskritik]
[S. Kenawi: Falschgeld (Moser u.a. zum Zinsverbot)]
[Roland Geitmann]
Roland Geitmann: Bibel Kirchen Zinswirtschaft,auch

„Darum ist ein Wucherer und Geizhals wahrlich kein rechter Mensch; er sündigt auch nicht eigentlich menschlich! Er muss ein Werwolf sein, schlimmer noch als alle Tyrannen, Mörder und Räuber, schier so böse wie der Teufel selbst! Er sitzt nämlich nicht als ein Feind, sondern als ein Freund und Mitbürger im Schutz und Frieden der Gemeinde und raubt und mordet dennoch gräulicher als jeder Feind und Mordbrenner. Wenn man daher die Straßenräuber, Mörder und Befehder rädert und köpft, um wie viel mehr noch sollte man da erst alle Wucherer rädern und foltern, alle Geizhälse verjagen, verfluchen und köpfen. ...“ (12: FN 12 Kleiner Sermon vom Wucher (1519). Großer Sermon vom Wucher (1520). Von Kaufhandlung und Wucher (1524). An die Pfarrherrn wider den Wucher zu predigen (1540). Der Auszug ist dem Schlussteil der letztgenannten Schrift entnommen; zitiert nach Günter Fabiunke. Martin Luther als Nationalökonom (1963) S. 229.)

[ethikpartei.ch]
 
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