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Turing-Test heisst ein von A.Turing erfundenes Experiment.

Turing proposed the test of thinking in machines that bears his name in a 1950 article in the journal Mind (59, 433-60).

Einwände gegen A. Turing
A. Turing vermeidet durch seine phänomenologische Fragestellung die Schwierigkeiten bei der Begriffsbestimmung von Denken und Intelligenz. In gewissem Sinne verhält er sich wie ein Physiker, der einen Begriff durch ein Messverfahren bzw. ein Experiment definiert. Er beantwortet nicht die Eingangsfrage „Können Maschinen denken?“ in seinem Artikel, sondern ersetzt sie durch seinen Turing-Test.

A. Turing hatte noch keine - ihm bewusste - Definition von Intelligenz, aber er hat ganz offensichtlich den ChatGPTvor seinem geistigen Auge - die Maschine, die er denken, aber noch nicht herstellen konnte.

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„Wir können unsere ursprüngliche Fassung des Problems nicht völlig fallenlassen, denn die Meinungen über die Angemessenheit unserer Ersetzung sind geteilt, und wir müssen uns mindestens anhören, was in diesem Zusammenhang vorgebracht wird.“
Im weiteren Artikel diskutiert er einige Einwände:
1. Der theologische Einwand
2. Der „Vogel-Strauß“-Einwand
3. Der mathematische Einwand
4. Das Bewusstseins-Argument
5. Argumentation mit verschiedenen Unzulänglichkeiten
6. Der Einwand von Lady Lovelace
7. Argumentation mit der Stetigkeit der Vorgänge im Nervensystem
8. Argumentation mit der Ungebundenheit des Verhaltens
9. Argumentation mit außersinnlicherWahrnehmung


Textstellen aus Todesco: Technische Intelligenz

Die Ingenieure, die denAusdruck "Intelligenz"zur Charakterisierung von Maschinen einführten (251), verwendeten ein Wort, dass umgangssprachlich bereits besetzt war. A.Turing, der seinen berühmten Aufsatz über Intelligenz mit der Absichtserklärung: "Ich beabsichtige die Frage zu erörtern: ,Können Maschinen denken?‘" eröffnet, relativiert die Absicht wenig später mit folgender Erläuterung: "Die ursprüngliche Frage ,Können Maschinen denken?‘ halte ich für so sinnlos, dass sie keiner Diskussion bedarf. Dennoch glaube ich, dass am Ende des Jahrhunderts der Gebrauch von Wörtern und allgemeinen Ansichten der Gebildeten sich so sehr geändert haben werden, dass man ohne Widerspruch von denkenden Maschinen wird reden können" (zit.in: Hofstadter, 1985, 633). Diese Vorhersage von A.Turing, die sich interessanterweise nicht auf intelligentere Maschinen, sondern auf eine intelligentere Sprachauffassung bezieht, gehört zu den sich selbst erfüllenden Prophezeiungen. 217

Der 1950 formulierte Turing-Test hat bei den Ingenieuren als Kriterium für intelligente Automaten viel von seiner ursprünglichen Popularität verloren, weil er sich (bislang) für Automaten als zu anspruchsvoll erwiesen hat. Mit dem Turing-Test misst man die Intelligenz einer Maschine daran, wie gut sie einen menschlichen Gesprächspartner simulieren kann. A.Turing hat dazu folgende Anordnung vorgeschlagen: Ein Fragesteller, der über die Intelligenz eines Computers zu entscheiden hat, sitzt in einem Raum an einer Bildschirmkonsole. Diese ist mit Konsolen von zwei scheinbaren Gesprächspartnern verbunden, nämlich mit dem Computer, dessen Intelligenz beurteilt werden soll, und mit einer Konsole, an welcher ein Mensch sitzt. Die Aufgabe des Fragestellers ist es, durch eine geschickte Auswahl von Fragen an seine beiden "Gesprächspartner" herauszufinden, welcher der Computer und welcher der wirkliche Gesprächspartner ist (Turing, 1964). Der Turing-Test ist ein objektives Messinstrument, mit welchem die Leistung, die ein Computer in bezug auf eine eindeutig gekennzeichnete Problemstellung erbringt, quantifiziert werden kann. A.Turing schrieb beispielsweise von einer Maschine, die das Testspiel so gut spielt, "dass ein durchschnittlicher Befrager nach einer Interviewdauer von fünf Minuten höchstens eine 70prozentige Chance hat, den Computer zu identifizieren" (Turing, 1964,13, Übersetzung: RT) (252). 218

Der Turing-Test ist ein operationales Messinstrument, er misst nicht die Leistung der Maschine, sondern einen Eindruck, den diese Leistung auf durchschnittliche Menschen macht. Im Turing-Test ist nur diskursiv vereinbart, was Intelligenz ist. A.Turing sagte willentlich nicht, was er unter Intelligenz versteht, sondern nur, wie man sie bei einem Automaten feststellen könnte. Er unterstellte dabei im Sinne von M.Minsky, dass Menschen, die seinen Test spielen und gewinnen können, intelligent sind - denn würden die Computer bei der unterstellten Richtung der Metapher Menschen bei etwas imitieren, wovon wir gar nicht wissen, ob es Intelligenz verlangt, könnten wir diesen Computern wohl nur sehr bedingt Intelligenz zusprechen.

Der quantitative Aspekt der Turing-Intelligenz wird - begründbar - sehr häufig übersehen. R.Marti beispielsweise schreibt in einer entsprechend binärisierten Zusammenfassung des Tests: ”Die Aufgabe des Fragestellers ist es, (...) herauszufinden, hinter welchen Antworten sich (...) der menschliche Gesprächspartner versteckt. Gelingt ihm dies nicht, so wird der Computer als intelligent betrachtet” (Marty, 1991,65). 218

Zur Charakterisierung von wirklichen Maschinen dient der Turing-Test, der sinnigerweise als Partyspiel für Menschen eingeführt wurde, nur sehr mittelbar. Genau besehen misst der Test nämlich nicht die Intelligenz von Maschinen, sondern die metaphorische Intelligenz des Menschen, der im Spiel durch den bewerteten Computer gleichwertig ersetzt werden kann. Das "Partyspiel", das dem Turing-Test zugrunde liegt, hat drei Teilnehmer, einen Mann, eine Frau und einen Fragesteller, der männlich oder weiblich sein kann. Für den Fragesteller ist das Ziel des Spiels, herauszufinden, welcher der beiden anderen, die er als A und B ansprechen kann, der Mann ist und welcher die Frau. A soll überdies versuchen, den Fragesteller zu täuschen, und B soll versuchen, ihm zu helfen. Es ist klar, dass intelligentere Menschen im Spiel besser abschneiden und deshalb durch leistungsfähigere Computer ersetzt werden müssten. Auf wirkliche Automaten bezogen ist der Test aber, unabhängig davon, wie schwer er von Maschinen zu bestehen ist, unsinnig. Die Automaten müssten nämlich, um sich im Test nicht zu verraten, manchmal falsch und, bei typischen Automatenaufgaben, beispielsweise beim Multiplizieren von 4-stelligen Zahlen, häufig viel langsamer antworten, als sie es eigentlich könnten, weil Menschen im Normalfall weder schnell noch fehlerfrei multiplizieren können. Dazu müsste man entweder einen Automaten bauen, der Störungen und Mängel aufweist, oder, was A.Turing wohl eher beabsichtigte, einen Automaten, der nicht nur sehr schnell rechnen, sondern auch entscheiden kann, wann er es tun sollte, oder noch genauer, wann er nicht zeigen sollte, dass er schnell rechnen kann. Der Turing-Test ist für Maschinen unsinnig, weil es ausser diesem Test keine Aufgabe gibt, die ein Automat lösen sollte, bei welcher ,Fähigkeiten‘ wie beispielweise langsames Rechnen oder gar schwindeln gut sein könnten. 220

258 Natürlich gibt es ”Turing-Tests”, in welchen die Maschine beispielsweise einen Paranoiker simuliert, die von bestimmten Maschinen bestanden werden, weil sie auch beliebige unsinnige Sätze produzieren können. J.Heiser hat entsprechende Untersuchen mit dem Programm ”Parry” von K.Colby gemacht (Heiser, u.a., 1980).

Es geht in dieser Ersetzung nicht um die Sekretärin insgesamt, sondern nur um einen spezifischen Aspekt der Sekretärin, nämlich um ihre vermeintliche Intelligenz. A.Turing schreibt in der Erläuterung seiner Testanordnung: ”Wir wollen die Maschine nicht dafür bestrafen, dass sie in Schönheitswettbewerben (für Sekretärinnen, RT) nicht glänzen kann, und auch den Menschen (die Sekretärin, die im Wettbewerb gegen den Computer kämpft, RT) nicht dafür, dass er (sie) den Wettlauf mit einem Flugzeug verliert. Die Konditionen unseres Spieles machen diese Beschränkungen (die nichts mit Intelligenz zu tun haben), irrelevant (Turing, 1964,6, Übersetzung: RT).

Die unsinnigen Fähigkeiten, die der Turing-Test von einer Maschine fordert, resultieren daraus, dass der Intelligenzdiskurs von A.Turing formal ist. Der Automat, der im Turing-Test verlangt wird, ist kein Werkzeug, auch kein denkbares. Die Antworten eines Menschen zu imitieren, ist keine Werkzeugfunktion, sondern allenfalls eine Spiel(zeug)funktion. Den Mathematikern ist bewusst gleichgültig, ob die mit Formeln beschriebenen, mathematischen Automaten zum Arbeiten, zum Spielen oder gar nicht verwendet werden (265), sie interessieren sich für den bedeutungslosen Aspekt des Automaten. 225

Und in bestimmter Hinsicht auch das nicht ganz, wenn die Maschine nicht, wie A.Turing ironisch vorschlägt, ”menschlicher gemacht wird, in dem sie mit künstlichem Fleisch gekleidet wird” (Turing, 1964,6, Übersetzung: RT), - was im Silikon-Zeitalter ja auch vielen Sekretärinnen passiert.229

siehe auch Eliza von J. Weizenbaum


 
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